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LAG Hamm, Ur­teil vom 09.08.2007, 15 Sa 170/07

   
Schlagworte: Tarifvertrag: Bezugnahme
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 15 Sa 170/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.08.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Paderborn
   

15 Sa 170/07

1 Ca 1111/06 Ar­beits­ge­richt Pa­der­born

4 AZR 793/07 Re­vi­si­on zurück­ge­wie­sen 22.10.2008

 

Verkündet am 09.08.2007

Wulf-Rei­zig Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

hat die 15. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 09.08.2007
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Wend­ling
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Grom­mes und Rol­ke

für Recht er­kannt:

 

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Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 07.12.2006 – 1 Ca 1111/06 – ab­geändert und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Kläger 403,39 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 16.07.2006 zu zah­len.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

Der Streit­wert für das Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf 403,39 EUR fest­ge­setzt.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Kläger An­spruch auf Erhöhung sei­ner Vergütung im Hin­blick auf das mit Wir­kung zum 01.06.2006 in Kraft ge­tre­te­ne Lohn­ab­kom­men vom 22.04.2006 für die Me­tall­in­dus­trie Nord­rhein-West­fa­len hat.

Der am 06.05.1950 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 01.04.1964 als Schlos­ser bei der Be­klag­ten bzw. ih­rer Rechts­vorgänge­rin beschäftigt. Dem Ar­beits­verhält­nis liegt der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 zu­grun­de. We­gen sei­ner Ein­zel­hei­ten wird auf Bl. 21 f. d.A. Be­zug ge­nom­men. Der Kläger ist Mit­glied der IG Me­tall. Bis zum 31.12.2005 war die Be­klag­te Mit­glied des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V.. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob die Be­klag­te ih­re Mit­glied­schaft mit Ta­rif­bin­dung rechts­wirk­sam be­en­det und mit Wir­kung zum 01.01.2006 ei­ne Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung be­gründet hat.

Un­ter Be­ru­fung auf das Lohn­ab­kom­men vom 22.04.2006 mach­te der Kläger der Be­klag­ten ge­genüber ei­ne Erhöhung sei­ner Vergütung für Ju­ni 2006 um 3 % so­wie die ta­rif­li­che Ein­mal­zah­lung von 310,00 EUR brut­to gel­tend. Außer­dem ver­langt er ei­ne Erhöhung des zusätz­li­chen Ur­laubs­gel­des, das er aus An­lass des ihm im Ju­ni 2006 gewähr­ten Ur­laubs

 

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er­hal­ten hat­te, um eben­falls 3 %. Die Be­klag­te ver­wei­ger­te die Zah­lung die­ser Beträge. Mit vor­lie­gen­der Kla­ge, die am 28.08.2006 beim Ar­beits­ge­richt Pa­der­born ein­ging und der Be­klag­ten am 30.08.2006 zu­ge­stellt wor­den ist, ver­folgt der Kläger die­se Ansprüche wei­ter. Der Kläger hat zur Be­gründung sei­ner Kla­ge vor­ge­tra­gen, sei­ne Beschäfti­gung er­fol­ge auf der Ba­sis des Ar­beits­ver­tra­ges vom 02.05.2002. In § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges sei die ta­rif­ge­rech­te Be­zah­lung aus­drück­lich ge­re­gelt. Die­ser zwi­schen den Par­tei­en im Mai 2002 ab­ge­schlos­se­ne For­mu­lar­ar­beits­ver­trag sei im Sin­ne der neu­en ge­setz­li­chen Re­ge­lun­gen der §§ 305 ff. BGB aus­zu­le­gen. Aus der Sicht der Ar­beit­neh­mer sei nicht er­kenn­bar, dass die Be­klag­te durch die ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen nur ha­be zu­sa­gen wol­len, nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer wie ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer zu be­han­deln. Un­klar­hei­ten der von der Be­klag­ten gewähl­ten For­mu­lie­rung gin­gen zu ih­ren Las­ten, da sie Ver­wen­de­rin des For­mu­lar­ar­beits­ver­tra­ges sei. Er, der Kläger, könne an­ge­sichts der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­spre­chend der ver­ein­bar­ten dy­na­mi­schen Ver­wei­sungs­klau­sel auch wei­ter­hin die Ta­rif­loh­nerhöhung für den Be­reich der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie NRW ver­lan­gen.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 406,18 EUR brut­to nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz ab dem 16.07.2006 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat vor­ge­tra­gen, sie ha­be am 16.06.2005 ih­re Mit­glied­schaft in der „Fach­grup­pe Me­tall" des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V. gekündigt und mit Wir­kung zum 01.01.2006 ei­ne OT-Mit­glied­schaft in die­sem Ar­beit­ge­ber­ver­band be­gründet. Das Lohn­ab­kom­men vom 22.04.2006 gel­te da­her für sie, die Be­klag­te, ta­rif­recht­lich nicht mehr. Seit dem 01.01.2006 sei sie nicht mehr ta­rif­ge­bun­den.

Der Kläger ha­be auch kei­nen An­spruch auf die streit­ge­genständ­li­chen Beträge auf der Grund­la­ge ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen In­be­zug­nah­me im Ar­beits­ver­trag. § 8 des

 

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Ar­beits­ver­tra­ges vom 02.05.2002 sei im Sin­ne ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen. So­weit das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 14.12.2005 zum Aus­druck ge­bracht ha­be, es be­ab­sich­ti­ge, die bis­he­ri­ge Aus­le­gungs­re­gel nicht mehr auf ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me­klau­seln an­zu­wen­den, die mit In­kraft­tre­ten des Schuld­recht­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes ab dem 01.01.2002 ver­ein­bart wor­den sei­en, tref­fe die­se Recht­spre­chungsände­rungs­ab­sicht auf das vor­lie­gen­de Ver­trags­verhält­nis nicht zu. Der Kläger sei be­reits seit 1964 bei ihr, der Be­klag­ten, tätig. Es han­de­le sich da­mit recht­lich nicht um ein neu­es Ar­beits­verhält­nis.

Durch Ur­teil vom 07.12.2006 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen, die Kos­ten des Rechts­streits dem Kläger auf­er­legt, den Streit­wert auf 406,18 EUR fest­ge­setzt und die Be­ru­fung zu­ge­las­sen. Ge­gen die­se Ent­schei­dung, die dem Kläger am 02.01.2007 zu­ge­stellt wor­den ist, rich­tet sich die Be­ru­fung des Klägers, die am 23.01.2007 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen und am 01.03.2007 be­gründet wor­den ist.

Der Kläger ver­tritt wei­ter­hin die Auf­fas­sung, der gel­tend ge­mach­te An­spruch sei kraft bei­der­sei­ti­ger Ver­bands­zu­gehörig­keit be­gründet. Die Be­klag­te ha­be nicht et­wa ih­re Mit­glied­schaft in ei­nem be­stimm­ten ei­genständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­band gekündigt und in ei­nem be­stimm­ten an­de­ren, ge­trenn­ten, ei­genständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­band neu be­gründet. Viel­mehr sei die Be­klag­te wei­ter­hin im sel­ben Ar­beit­ge­ber­ver­band Mit­glied ge­blie­ben. Sie gehöre le­dig­lich ei­ner in­ter­nen Fach­grup­pe nicht mehr an. Be­strit­ten wer­de, dass es sich bei der „Fach­grup­pe Me­tall" in­ner­halb des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des um ei­ne ei­genständi­ge Ver­ei­ni­gung von Ar­beit­ge­bern han­de­le. Viel­mehr sei der Ar­beit­ge­ber­ver­band selbst die ta­riffähi­ge Ver­ei­ni­gung. Al­lein aus dem Um­stand, dass die Be­klag­te nicht mehr Mit­glied der „Fach­grup­pe Me­tall" in­ner­halb des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des sei, er­ge­be sich nicht der Weg­fall der nach dem Ta­rif­ver­trags­ge­setz ge­ge­be­nen Ta­rif­bin­dung. Be­strit­ten wer­de wei­ter, dass die Be­klag­te ei­ne Bei­tritts­erklärung zum all­ge­mei­nen Ar­beit­ge­ber­ver­band oh­ne Ta­rif­bin­dung un­ter­zeich­net und dem Ar­beit­ge­ber­ver­band per Fax zu­ge­lei­tet ha­be. Dass die­ser An­trag der Be­klag­ten vom Ar­beit­ge­ber­ver­band an­ge­nom­men wor­den sei, ha­be die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen.

Un­abhängig da­von ha­be die Be­klag­te un­ter Berück­sich­ti­gung der Re­ge­lun­gen der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V. kei­ne OT-Mit­glied­schaft, son­dern ei­ne Voll­mit­glied­schaft be­gründet. Da­mit sei die Ta­rif­bin­dung der Be­klag­ten ge­ge­ben.

 

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Je­den­falls aber sei der gel­tend ge­mach­te An­spruch im Hin­blick auf die Re­ge­lun­gen in § 3 Ziff. 1 und § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges be­gründet. In die­sen Be­stim­mun­gen sei kei­ne Gleich­stel­lungs­ab­re­de zu se­hen. In ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel, die auf die ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in ih­rer je­wei­li­gen Fas­sung ver­wei­se, sei im Zwei­fel nicht mehr nur ei­ne bloße Gleich­stel­lung mit ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mern zu se­hen, son­dern auf­grund der Un­klar­hei­ten­re­ge­lung an­zu­neh­men, dass ei­ne ei­genständi­ge Re­ge­lung mit wei­ter­ge­hen­der Dy­na­mik vor­lie­ge. Da der Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 stam­me, sei die bis­he­ri­ge ein­schränken­de Recht­spre­chung für Verträge, die vor dem 01.01.2002 ab­ge­schlos­sen wor­den sei­en, vor­lie­gend nicht an­wend­bar. Ver­trau­ens­schutz könne die Be­klag­te nicht be­an­spru­chen, da die Einführung des neu­en Schuld­rechts hinläng­lich be­kannt und dis­ku­tiert wor­den sei. Die Be­klag­te sei da­nach ver­pflich­tet, an ihn im Hin­blick auf die Ta­ri­fent­gel­terhöhung zum 01.06.2006 rest­li­che Vergütung und zusätz­li­ches Ur­laubs­geld in ei­ner Ge­samthöhe von 403,49 EUR brut­to zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pa­der­born vom 07.12.2006 – 1 Ca 1111/06 – ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 403,39 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 16.07.2006 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil und trägt vor, sie ha­be ih­re Mit­glied­schaft im Ar­beit­ge­ber­ver­band für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V. mit Schrei­ben vom 16.06.2005 (Bl. 92 d.A.), das am 20.06.2005 beim Ar­beit­ge­ber­ver­band ein­ge­gan­gen sei, frist­ge­recht zum 31.12.2005 gekündigt und zum 01.01.2006 ei­ne Mit­glied­schaft im all­ge­mei­nen Ar­beit­ge­ber­ver­band oh­ne Ta­rif­bin­dung be­gründet (Bl. 90 f. d.A.). Nach der Sat­zung des ge­nann­ten Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des (An­la­ge zum Schrift­satz vom 04.04.2007, Bl. 73 ff. d.A.) ha­be sie un­ter Ein­hal­tung der sechs­mo­na­ti­gen Kündi­gungs­frist ei­ne ord­nungs­gemäße Kündi­gung der Mit­glied­schaft zum 31.12.2005 erklärt. Seit dem

 

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01.01.2006 sei sie le­dig­lich Mit­glied im all­ge­mei­nen Ar­beit­ge­ber­ver­band oh­ne Ta­rif­bin­dung. Ta­rif­recht­lich sei der vom Kläger gel­tend ge­mach­te An­spruch da­her un­be­gründet.

Der Kläger ha­be aber auch ar­beits­ver­trag­lich kei­nen An­spruch auf die gel­tend ge­mach­ten For­de­run­gen. § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 02.05.2002 sei als Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen. Glei­ches gel­te für § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges. So­weit der Kläger dar­auf ab­stel­le, dass die­se Klau­seln im Hin­blick auf das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 14.12.2005 nicht mehr als Gleich­stel­lungs­ab­re­de an­zu­se­hen sei­en, könne dem nicht ge­folgt wer­den. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt sei bis zum 14.12.2005 stets da­von aus­ge­gan­gen, dass ei­ne dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf ei­nen Ta­rif­ver­trag auch oh­ne Klar­stel­lung ei­ner vor­lie­gen­den Ta­rif­bin­dung des Ar­beit­ge­bers ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer als Gleich­stel­lungs­ab­re­de zu wer­ten sei. Bis zum 14.12.2005 sei die Recht­spre­chung da­von aus­ge­gan­gen, dass die Un­klar­hei­ten­re­ge­lung dem Verständ­nis dy­na­mi­scher Be­zug­nah­me­klau­seln als Gleich­stel­lungs­ab­re­de nicht ent­ge­gen ste­he. Auf die­se Recht­spre­chung ha­be sie, die Be­klag­te, ver­trau­en dürfen. Bei Ver­trags­ab­schluss am 02.05.2002 sei kei­ne Recht­spre­chungsände­rung des Bun­des­ar­beits­ge­richts im Sin­ne der Mit­tei­lung des 4. Se­nats in sei­ner Ent­schei­dung vom 14.12.2005 ab­seh­bar ge­we­sen. Es sei da­her von der bis­he­ri­gen Aus­le­gungs­re­ge­lung für den mit dem Kläger ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 auf der Ba­sis des Verständ­nis­ses im Sin­ne ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­ge­hen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung ist im Hin­blick auf ih­re Zu­las­sung durch das Ar­beits­ge­richt an sich statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II.

 

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Die Be­ru­fung hat auch der Sa­che nach Er­folg. Der Kläger hat An­spruch auf Zah­lung von 403,39 EUR brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 %-Punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 16.07.2006. Denn die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, die Vergütung des Klägers für Ju­ni 2006 ent­spre­chend den Re­ge­lun­gen des Lohn­ab­kom­mens vom 22.04.2006, das mit Wir­kung zum 01.06.2006 in Kraft ge­tre­ten ist, zu erhöhen, die ver­ein­bar­te ta­rif­li­che Ein­mal­zah­lung von 310,00 EUR brut­to und für die vom Kläger im Ju­ni 2006 ge­nom­me­nen Ur­laubs­ta­ge ein um 3 % erhöhtes Ur­laubs­geld zu zah­len. Dar­aus er­rech­net sich un­strei­tig ei­ne Ge­samt­for­de­rung des Klägers in Höhe von 403,39 EUR brut­to.

1. Die Pflicht der Be­klag­ten zur Zah­lung der streit­ge­genständ­li­chen Beträge er­gibt sich be­reits aus dem schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 02.05.2002. In § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges heißt es wört­lich: Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­den die je­weils gel­ten­den ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen für die me­tall­ver­ar­bei­ten­de In­dus­trie im Lan­de NRW An­wen­dung. Die­se Klau­sel kann ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten nicht als so­ge­nann­te Gleich­stel­lungs­ab­re­de im Sin­ne der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ver­stan­den wer­den.

a) Nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts war die Be­zug­nah­me in ei­nem von ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag auf die für das Ar­beits­verhält­nis ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge in der je­wei­li­gen Fas­sung re­gelmäßig als Gleich­stel­lungs­ab­re­de aus­zu­le­gen, wenn an­de­re für die Aus­le­gung die­ser ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me gemäß §§ 133, 157 BGB be­deut­sa­me Umstände dem nicht ent­ge­gen­stan­den. Die­se Aus­le­gungs­re­gel be­ruht auf der Vor­stel­lung, dass mit ei­ner sol­chen Ver­trags­klau­sel nur die et­wa feh­len­de Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­neh­mers er­setzt wer­den soll. Die Klau­sel soll zur schuld­recht­li­chen An­wen­dung der Ta­rif­verträge auf das Ar­beits­verhält­nis mit dem In­halt führen, wie er für die ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer gilt. Der Ar­beit­neh­mer nimmt auf­grund ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de grundsätz­lich an der Ta­ri­fent­wick­lung der in Be­zug ge­nom­me­nen ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge teil. Die­se ver­trag­li­che An­bin­dung an die dy­na­mi­sche Ent­wick­lung der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen en­det aber, wenn sie ta­rif­recht­lich auch für ei­nen ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer en­det, z.B. durch den Aus­tritt des Ar­beit­ge­bers aus dem zuständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­band, durch das Her­aus­fal­len des Be­trie­bes aus dem Gel­tungs­be­reich oder durch den Über­gang des Be­trie­bes oder Teil­be­trie­bes, in dem die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind, auf ei­nen nicht ta­rif­ge­bun­de­nen neu­en Ar­beit­ge­ber. Eben­so wie nach den ein­schlägi­gen ta­rif­recht­li­chen Re­ge­lun­gen (§§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG, § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB) in sol­chen Fall­kon­stel­la­tio­nen für den ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer die wei­te­ren Ände­run­gen oder Ergänzun­gen der ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge man­gels bei­der­sei­ti­ger Ta­rif­ge­bun­den­heit

 

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ta­rif­recht­lich nicht mehr gel­ten, fin­den die­se auf­grund der Gleich­stel­lungs­ab­re­de auch nicht mehr in den Ar­beits­verhält­nis­sen der nicht­ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­neh­mer An­wen­dung (vgl. BAG, Ur­teil vom 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 – m.w.N. auf Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur).

Nach­dem das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der ge­nann­ten Ent­schei­dung vom 14.12.2005 zunächst an­gekündigt hat­te, es hal­te an die­ser Recht­spre­chung zwar aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes für Verträge fest, die vor dem 01.01.2002 ab­ge­schlos­sen wor­den sind, be­ab­sich­ti­ge aber, für die ab die­sem Zeit­punkt ab­ge­schlos­se­nen Verträge („Neu­verträge") die ge­nann­te Aus­le­gungs­re­gel auf­zu­ge­ben und ei­ne bloße Gleich­stel­lungs­ab­re­de nur dann an­zu­neh­men, wenn es hierfür aus Ver­trags­wort­laut und/oder Be­gleit­umständen bei Ver­trags­schluss hin­rei­chen­de An­halts­punk­te gibt, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 – die­se Ankündi­gung nun­mehr um­ge­setzt. In dem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­de­nen Fall hat­te der Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes be­reits länger an­dau­ern­den Ar­beits­verhält­nis­ses mit der dor­ti­gen Kläge­rin im Mai 2002 ei­nen schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag ge­schlos­sen, der auf den ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag in der je­weils gel­ten­den Fas­sung ver­wies. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat die dor­ti­ge Be­klag­te, die da­nach aus dem ta­rif­sch­ließen­den Ver­band aus­ge­tre­ten war, für ver­pflich­tet ge­hal­ten, auch nach ih­rem Aus­tritt ab­ge­schlos­se­ne Ände­rungs­ta­rif­verträge ge­genüber der dor­ti­gen Kläge­rin ar­beits­ver­trag­lich an­zu­wen­den, da es aus dem Ver­trags­wort­laut und den Umständen bei Ver­trags­schluss kei­ne An­halts­punk­te für ei­nen Wil­len der Ver­trags­par­tei­en ge­ge­ben ha­be, dass es nur um ei­ne Gleich­stel­lung nicht or­ga­ni­sier­ter mit or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern ge­hen soll­te (vgl. BAG, Ur­teil vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 -, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 25/07).

b) An­ge­sichts der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt im Ur­teil vom 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 – an­gekündig­ten und nun­mehr durch Ent­schei­dung vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 - um­ge­setz­ten Recht­spre­chungsände­rung, der die er­ken­nen­de Kam­mer sich an­sch­ließt, ist die Be­klag­te ar­beits­ver­trag­lich ver­pflich­tet, die strei­ti­ge Ta­rif­erhöhung von 3 % gemäß Lohn­ab­kom­men vom 22.04.2006 an den Kläger wei­ter­zu­ge­ben, den Ein­mal­be­trag von 310,00 EUR brut­to zu zah­len und das für die vom Kläger im Ju­ni 2006 ge­nom­me­nen Ur­laubs­ta­ge ge­zahl­te zusätz­li­che Ur­laubs­geld um 3 % zu erhöhen.

aa) Aus dem Wort­laut des schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges vom 02.05.2002 las­sen sich kei­ne An­halts­punk­te für ei­nen Wil­len der Ver­trags­par­tei­en ent­neh­men, dass durch § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges le­dig­lich ei­ne Gleich­stel­lung nicht or­ga­ni­sier­ter mit or­ga­ni­sier­ten Ar­beit­neh­mern er­reicht wer­den soll­te. Aus der Ver­ein­ba­rung ei­ner dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me­klau­sel in § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges al­lein er­gibt sich noch nicht, dass sich das Re­ge­lungs­pro­gramm des Ver­tra­ges auf die Zeit der Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten

 

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be­schränken soll. Dass sich aus den Umständen bei Ver­trags­schluss An­halts­punk­te für ei­nen da­hin­ge­hen­den Wil­len der Ver­trags­par­tei­en er­ge­ben könn­ten, ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Aus der Sicht ei­nes sorgfälti­gen Erklärungs­empfängers ist § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges da­nach als dy­na­mi­sche Ver­wei­sungs­klau­sel auf die Be­stim­mun­gen für die me­tall­ver­ar­bei­ten­de In­dus­trie im Lan­de NRW zu ver­ste­hen. Vor dem Hin­ter­grund der in die­se Rich­tung wei­sen­den Aus­le­gung gemäß §§ 133, 157 BGB be­darf es nicht un­be­dingt ei­nes Rück­griffs auf die erst nach Ausschöpfung sämt­li­cher Mit­tel der Aus­le­gung zur An­wen­dung kom­men­de Un­klar­hei­ten­re­ge­lung des § 305 c Abs. 2 BGB so­wie auf das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs.1 S. 2 BGB.

bb) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten han­delt es sich beim Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 nicht um ei­nen so­ge­nann­ten Alt­ver­trag, der vor In­kraft­tre­ten des Schuld­recht­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes am 01.01.2002 ab­ge­schlos­sen wor­den ist. Viel­mehr ist die neue­re Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf den am 02.05.2002 ab­ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trag un­ein­ge­schränkt an­zu­wen­den, ob­wohl das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit der Be­klag­ten bzw. ih­rer Rechts­vorgänge­rin be­reits vor dem 01.01.2002 be­stan­den hat (vgl. hier­zu: BAG, Ur­teil vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 -, Pres­se­mit­tei­lung Nr. 25/07). Un­er­heb­lich ist, dass durch den Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 recht­lich kein neu­es Ar­beits­verhält­nis be­gründet wur­de. Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch den schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag vom 02.05.2002 auf ei­ne neue recht­li­che Grund­la­ge ge­stellt wur­de. Aus die­sem An­lass hätte die Be­klag­te an­ge­sichts der da­mals be­reits gel­ten­den neu­en ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen der §§ 305 ff. BGB ei­nen klar­stel­len­den Zu­satz in §§ 3 und 8 des Ar­beits­ver­tra­ges einfügen können und müssen, falls sie die­se Be­stim­mun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges le­dig­lich als Gleich­stel­lungs­ab­re­de ver­stan­den wis­sen woll­te. Seit dem 01.01.2002 ist die Kon­trol­le der Ar­beits­verträge nach den neu­en Be­stim­mun­gen der §§ 305 ff. BGB aus­drück­lich ge­setz­lich an­ge­ord­net. Seit die­ser Zeit kann von Ar­beit­ge­bern ver­langt wer­den, dass sie in Be­zug­nah­me­klau­seln das von ih­nen Ge­woll­te hin­rei­chend klar for­mu­lie­ren (so aus­drück­lich: BAG, Ur­teil vom 14.12.2005 – 4 AZR 536/04 - ).

c) Auch die Ent­schei­dung des EuGH vom 09.03.2006 (Rechts­sa­che C-499/04) steht der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt an­gekündig­ten und in­zwi­schen um­ge­setz­ten Recht­spre­chungsände­rung nicht im We­ge. Mit sei­ner Ent­schei­dung vom 09.03.2006 hat der EuGH fest­ge­stellt, dass Art. 3 Abs. 1 der Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie 77/187/EWG ei­ner Aus­le­gung nicht ent­ge­gen­steht, dass der Er­wer­ber, der nicht Par­tei ei­nes den Veräußern­den bin­den­den Kol­lek­tiv­ver­tra­ges ist, auf den der Ar­beits­ver­trag ver­weist, durch Kol­lek­tiv­verträge, die dem zum Zeit­punkt des Be­triebsüber­gangs gel­ten­den nach­fol­gen, nicht ge­bun­den ist.

 

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Die­se Ausführun­gen des EuGH be­sa­gen le­dig­lich, dass die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit ei­ne Aus­le­gung ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me­klau­sel im Sin­ne ei­ner Gleich­stel­lungs­ab­re­de ermöglicht. Sie ha­ben da­ge­gen nicht zum In­halt, dass die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit ei­ne Aus­le­gung ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me­klau­seln als Gleich­stel­lungs­ab­re­de ge­bie­tet (vgl. Thüsing, NZA 2006, 473). Von Be­deu­tung er­scheint in die­sem Zu­sam­men­hang, dass Grund für die Bin­dung an künf­ti­ge Ta­rif­verträge die Ver­ein­ba­rung in § 8 des Ar­beits­ver­tra­ges ist. Die fort­be­ste­hen­de Bin­dung ist da­mit Aus­fluss der Ver­trags­frei­heit, die durch die ne­ga­ti­ve Ver­ei­ni­gungs­frei­heit nicht in Fra­ge ge­stellt wer­den kann (so Thüsing, NZA 2006, 473).

2. Ist die Be­klag­te an­ge­sichts der Re­ge­lun­gen in §§ 8, 3 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 02.05.2002 be­reits ver­trag­lich ver­pflich­tet, die im Lohn­ab­kom­men vom 22.04.2006 ver­ein­bar­ten Ta­rif­erhöhun­gen an den Kläger wei­ter­zu­ge­ben, so kann da­hin­ste­hen, ob sie hier­zu auch ta­rif­recht­lich ver­pflich­tet ist. Hierfür spre­chen nach Auf­fas­sung der Kam­mer ge­wich­ti­ge Gründe.

a) Nicht strei­tig ist, dass je­den­falls bis zum 31.12.2005 von ei­ner bei­der­sei­ti­gen Ta­rif­bin­dung kraft Ver­bands­zu­gehörig­keit aus­zu­ge­hen ist. Während der Kläger Mit­glied der IG Me­tall war und ist, war die Be­klag­te bis da­hin streit­los ta­rif­ge­bun­de­nes Mit­glied im Ar­beit­ge­ber­ver­band für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V..

b) Zwar hat die Be­klag­te vor­ge­tra­gen, sie ha­be ih­re Mit­glied­schaft im ge­nann­ten Ar­beit­ge­ber­ver­band mit Schrei­ben vom 16.06.2005 frist­ge­recht zum 31.12.2005 gekündigt und mit Wir­kung zum 01.01.2006 ei­ne so­ge­nann­te OT-Mit­glied­schaft in die­sem Ar­beit­ge­ber­ver­band be­gründet. Zwei­fel­haft er­scheint, ob da­mit die Ta­rif­ge­bun­den­heit der Be­klag­ten im Sin­ne des § 3 Abs. 1 TVG mit Ab­lauf des 31.12.2005 ge­en­det hat.

aa) Grundsätz­lich wird die Mit­glied­schaft ei­nes Ar­beit­ge­bers in ei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band oh­ne Ta­rif­bin­dung (so­ge­nann­te OT-Mit­glied­schaft) für zulässig er­ach­tet (vgl. BAG, Ur­teil vom 23.02.2005 – 4 AZR 186/04 – so­wie Be­schluss vom 18.07.2006 – 1 ABR 36/05 – m.w.N. auf Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur). Für die sat­zungsmäßige Aus­ge­stal­tung der OT-Mit­glied­schaft ste­hen zwei ver­schie­de­ne Mo­del­le zur Verfügung. Nach dem so­ge­nann­ten Auf­tei­lungs­mo­dell teilt sich der Ver­band in ei­ne Ta­rif­ge­mein­schaft auf, der nur ta­rif­ge­bun­de­ne Mit­glie­der an­gehören dürfen, und in ei­nen all­ge­mei­nen Ar­beit­ge­ber­in­ter­es­sen­ver­band, der zwar kei­ne Ta­rif­bin­dung ver­mit­telt, aber die sonst übli­chen Ver­bands­leis­tun­gen er­bringt. Beim so­ge­nann­ten Stu­fen­mo­dell ver­bleibt es bei

 

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ei­nem ins­ge­samt ta­riffähi­gen Ver­band. Le­dig­lich die Mit­glied­schafts­rech­te der Ver­bands­mit­glie­der wer­den un­ter­schied­lich stark aus­ge­stal­tet. Die OT-Mit­glie­der sind bei die­sem Mo­dell im Grund­satz or­dent­li­che Mit­glie­der mit Stimm­recht in der Mit­glie­der­ver­samm­lung und Wahl­recht zu den Ver­eins­or­ga­nen. Le­dig­lich in Fra­gen von Ta­rif-und Ar­beits­kampfan­ge­le­gen­hei­ten muss gewähr­leis­tet sein, dass sie in der Mit­glie­der­ver­samm­lung kei­ne Anträge stel­len und ihr Stimm­recht nicht ausüben dürfen. Außer­dem muss es den OT-Mit­glie­dern ver­wehrt sein, Mit­glied be­son­de­rer Ausschüsse für die Wahr­neh­mung so­zi­al­po­li­ti­scher und ar­beits­recht­li­cher Ver­bands­in­ter­es­sen zu wer­den (zu den An­for­de­run­gen an die sat­zungsmäßige Aus­ge­stal­tung der OT-Mit­glied­schaft ver­glei­che: Buch­ner, NZA 2006, 1377, 1381 so­wie Wil­helm/Dann­horn, NZA 2006, 466 ff. je­weils m.w.N.).

bb) Zwei­fel­haft er­scheint, ob die Re­ge­lun­gen der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V. so­wie die Geschäfts­ord­nung der „Fach­grup­pe Me­tall für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter" den An­for­de­run­gen ge­recht wer­den, die an die zulässi­ge Be­gründung ei­ner OT-Mit­glied­schaft zu stel­len sind.

(1) Die er­ken­nen­de Kam­mer un­ter­stellt zu­guns­ten der Be­klag­ten, dass die Mit­glied­schaft in der „Fach­grup­pe Me­tall" gemäß § 4 der Sat­zung des ge­nann­ten Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des nur ta­rif­ge­bun­de­nen Mit­glie­dern of­fen steht, ob­wohl sich dies we­der der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des noch der ge­nann­ten Geschäfts­ord­nung der „Fach­grup­pe Me­tall" zwei­fels­frei ent­neh­men lässt. Die grundsätz­li­che Be­rech­ti­gung der „Fach­grup­pe Me­tall" zur selbständi­gen Wahr­neh­mung von Auf­ga­ben ei­ner Ko­ali­ti­on aus § 4 Ziff.2, 3, 6 der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des wird aber durch § 4 Ziff. 6 Satz 1, Halbs. 2 der Sat­zung in Fra­ge ge­stellt. Da­nach kann der so­ge­nann­te Ta­rif­aus­schuss der „Fach­grup­pe Me­tall" sei­ne Be­rech­ti­gung zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen auf den Ar­beit­ge­ber­ver­band zurück de­le­gie­ren. In­ner­halb des all­ge­mei­nen Ar­beit­ge­ber­ban­des ist je­doch ei­ne Ein­schränkung der Mit­glied­schafts­rech­te von OT-Mit­glie­dern auf An­ge­le­gen­hei­ten nicht ta­rif­ver­trags­re­le­van­ter Na­tur nicht er­sicht­lich. Nach der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des scheint die Möglich­keit, dass OT-Mit­glie­der über die all­ge­mei­nen Or­ga­ne des Ver­ban­des auf die Wil­lens­bil­dung in ta­rif­recht­li­chen Fra­gen Ein­fluss neh­men, nicht aus­ge­schlos­sen zu sein. Dar­an kann die Re­ge­lung in § 4 Ziff. 6 Satz 2 der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des nichts ändern. Zwar bedürfen Ta­rif­ver­hand­lungs­er­geb­nis­se vor ih­rem Wirk­sam­wer­den der Ab­stim­mung in der Mit­lie­der­ver­samm­lung der Fach­grup­pe, so­weit es sich nicht um Fir­men­ta­ri­fe han­delt. Die­se Ein­schränkung schließt aber ei­ne mögli­che Be­tei­li­gung von OT-Mit­glie­dern bei der Wil­lens­bil­dung hin­sicht­lich ta­rif­po­li­ti­scher Fra­gen nicht aus.

 

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(2) Soll­ten die An­for­de­run­gen, die an die zulässi­ge Be­gründung ei­ner so­ge­nann­ten OT-Mit­glied­schaft zu stel­len sind, nach den Be­stim­mun­gen der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter e.V. so­wie der Geschäfts­ord­nung der „Fach­grup­pe Me­tall für die Ge­bie­te Pa­der­born, Büren, War­burg und Höxter" nicht ge­wahrt sein, so spricht vie­les dafür, dass die Be­klag­te trotz Be­gründung ei­ner OT-Mit­glied­schaft als ta­rif­ge­bun­den im Sin­ne des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes an­zu­se­hen ist (vgl. hier­zu: Wil­helm/Dann­horn, NZA 2006, 466, 471 m.w.N.).

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO.

Der Streit­wert hat sich im Be­ru­fungs­ver­fah­ren auf 403,39 EUR ermäßigt.

Die er­ken­nen­de Kam­mer hat die Re­vi­si­on gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­ge­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der be­klag­ten Par­tei Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Für die kla­gen­de Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1,

99084 Er­furt,

Fax-Nr.: (03 61) 26 36 - 2 00 0

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Dr. Wend­ling

Grom­mes

Rol­ke/Wr.

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