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Zwangspensionierung ist auch bei geringerer Rente keine verbotene Diskriminierung
04.10.2012. Arbeitnehmer dürfen wegen ihres Alters nicht diskriminiert werden. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist das ein fundamentaler, allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der durch die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiert wird („Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“). In Deutschland wurde diese Richtlinie durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weitgehend wörtlich umgesetzt.
Danach muss nicht jede altersbedingte Schlechterstellung auch gleich eine verbotene Altersdiskriminierung sein. Vielmehr erlauben Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG und auch § 10 AGG die Schlechterstellung von Arbeitnehmern wegen ihres Alters, wenn das „objektiv und angemessen“ und durch ein „legitimes Ziel“ gerechtfertigt ist. Außerdem müssen die Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, „angemessen und erforderlich“ sein.
In den letzten Jahren mussten sich immer wieder Vorschriften über „Zwangspensionierungen“ an diesem Maßstab messen lassen. Gemeint sind tarifvertragliche oder gesetzliche Regelungen, aufgrund deren Arbeitsverhältnisse oder der aktive Dienst von Beamten mit dem Rentenalter „automatisch“ enden, ohne dass dazu eine Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag nötig wären. Betroffene Arbeitnehmer bzw. Beamte können sich dann zwar immer noch um eine neue Stelle bewerben, haben aber praktisch wegen ihres Alters kaum noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Grundlegend für die Position des EuGH zu diesem Thema sind die Urteile in dem spanischen Fall „Palacios“ (EuGH, Urteil vom 16.10.2007, C-411/05) und in dem aus Deutschland stammenden Fall „Rosenbladt“ (EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C-45/09). Danach ist die automatische Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund einer gesetzlichen oder tariflichen Rentenaltersklausel zwar eine altersbedingte Schlechterstellung der zwangsweise ausscheidenden Arbeitnehmer, die aber ziemlich leicht durch sehr nebulöse „beschäftigungspolitische Ziele“ gerechtfertigt werden kann.
Denn der EuGH gesteht dem Gesetzgeber bzw. den Sozialpartnern hier einen sehr weiten Ermessenspielraum bei der Wahl von Zielen und Mitteln zu. Im Ergebnis wird die Regel, dass Benachteiligungen wegen des Alters im Erwerbsleben nur „ausnahmsweise“ erlaubt sind, beim Thema Zwangspensionierung in ihr Gegenteil verkehrt. Daher geht beim EuGH seit Jahren fast jede Rentenaltersregelung durch. Dabei ist es noch nicht einmal notwendig, dass die hinter solchen Vorschriften stehenden Ziele ausdrücklich genannt werden. Es genügt bereits, dass sie sich „aus den Umständen ergeben“, z.B. aus den allgemeinen politischen Hintergründen eines Gesetzgebungsverfahrens.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sieht es demnach so aus, dass die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten die automatisch eintretende faktische Beendigung eines aktiven Erwerbslebens zwar einerseits an dem eigentlich „fundamentalen“ Verbot der Altersdiskriminierung messen bzw. überprüfen müssen. Andererseits genügt aber zur Rechtfertigung der pauschale Zweck, mit einer Rentenaltersklausel Arbeitsplätze für jüngere Menschen frei zu machen und den Generationenwechsel zu fördern.
In einem vor kurzem vom EuGH entschiedenen, aus Schweden stammenden Vorlagefall hat der EuGH diese Rechtsprechung bestätigt und betont, dass die geringe Höhe der Rente, die ein „zwangspensionierter“ Arbeitnehmer zu erwarten hat, nicht zur Unzulässigkeit der Rentenaltersbestimmung führt (EuGH, Urteil vom 05.07.2012, C-141/11 - Hörnfeldt). Dabei hat der Gerichtshof auch ein von der schwedischen Regierung angeführtes Rechtfertigungsargument akzeptiert, dem zufolge die automatische altersbedingte Beendigung von Arbeitsverhältnissen es den Betroffenen ersparen solle, dass ihr Arbeitsverhältnis unter erniedrigenden Bedingungen beendet wird.
Der Fall: Verbotene Altersdiskriminierung durch Nichtberücksichtigung der geringeren Rentenansprüche?
In Schweden haben Arbeitnehmer ab dem 67. Lebensjahr Anspruch auf eine Rente oder wenigstens auf eine Grundversorgung. Vor diesem Hintergrund ist in den §§ 32a und 33 des schwedischen Gesetzes über den Kündigungsschutz die sog. „67-Jahre-Regel“ festgeschrieben.
Danach hat jeder Arbeitnehmer das Recht, seinen Arbeitsplatz bis zum Ende des Monats zu behalten, in dem er 67 Jahre alt wird. Zu diesem Zeitpunkt allerdings kann das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung beendet werden, wenn der Arbeitgeber seinen entsprechenden Wunsch dem Arbeitnehmer mindestens einen Monat im Voraus schriftlich mitteilt.
Genau das passierte 2009 Herrn Torsten Hörnfeldt, der seit rund 20 Jahren für die schwedische Post gearbeitet hatte. Er fühlte sich durch das allein altersbedingte Ende seines Arbeitsverhältnisses diskriminiert und klagte auf Aufhebung der Beendigung. Er wollte weiter arbeiten, um seine Rentenansprüche zu erhöhen. Dafür hatte er gute Gründe, da er lange Jahre in Teilzeit gearbeitet und daher nur eine geringe Rente zu erwarten hatte. Diese wollte er durch eine Fortsetzung seiner Berufstätigkeit erhöhen.
Das zuständige schwedische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH im wesentlichen die Frage vor, ob die gesetzliche Regelung zulässig ist, obwohl sie die Höhe der Rente nicht berücksichtigt.
Der EuGH urteilt mit deutlichen Worten
Erwartungsgemäß hielt der Europäische Gerichtshof die Regelung für wirksam und gab dies auch mit ungewohnter Deutlichkeit zu erkennen.
Da Herr Hörnfeldt kraft Gesetzes nur wegen seines Alters anders bzw. schlechter behandelt wurde als seine jüngeren Kollegen und die Ungleichbehandlung damit offensichtlich war, konzentrierte sich der EuGH bei seinen Ausführungen auf die Rechtfertigungsgründe, d.h. zunächst darauf, ob mit der 67-Jahre-Regel legitime Ziele verfolgt werden.
Neben dem Klassiker-Argument „Platz schaffen für jüngere Arbeitnehmer“ hatte die schwedische Regierung u.a. auch vorgetragen, die streitige Regelung solle verhindern, dass Arbeitsverhältnisse unter Bedingungen beendet würden, die für die betroffenen Arbeitnehmer aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters „erniedrigend“ seien.
Ob diese Begründung stichhaltig ist, kann man bezweifeln. Würde hat viele Aspekte, und so könnte man gerade umgekehrt der Meinung sein, dass eine Mitentscheidung des älteren Arbeitnehmers über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses – d.h. eine Eigenkündigung oder ein Aufhebungsvertrag oder auch eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber im Anschluss an eine von diesem ausgesprochene Kündigung - weniger „erniedrigend“ ist als ein rechtlich automatisches Ausscheiden.
Wie auch immer man das bewertet - der EuGH geht auf dieses Problem nicht näher ein, sondern meint ohne weitere Begründung, die streitige Regelung ermögliche es zu verhindern, „dass Arbeitsverhältnisse unter für Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter erniedrigenden Bedingungen beendet werden.“
Ergänzend weist der Gerichtshof darauf hin, dass es betroffenen Arbeitnehmern freistehe, sich um einen neuen Arbeitsplatz zu bewerben oder sich mit dem Arbeitgeber auf eine befristete Fortsetzung ihres alten Arbeitsverhältnisses zu einigen.
Außerdem, so der EuGH, liegt keine übermäßige Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen vor, weil nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zumindest ein Anspruch auf eine Grundversorgung besteht. Die Höhe der Rente hält der EuGH damit für unerheblich, solange nur überhaupt ein wirtschaftlich werthaltiger Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes besteht. An dieser Stelle verweist der Gerichtshof auf sein Urteil in Sachen Rosenbladt. In diesem Fall hatte die betroffene Arbeitnehmerin eine Rente zu erwarten, die deutlich niedriger war als die, auf die Kläger dieses Verfahrens Anspruch hatte.
Fazit: Neben den vielen Pauschalargumenten, die der EuGH in den letzten Jahren als Rechtfertigung für Rentenaltersklauseln akzeptiert hat, kann in Zukunft noch eine weitere nebulöse Begründung angeführt werden – die Verhinderung angeblich „erniedrigender“ Prozeduren der Beendigung von Arbeitsverhältnisses rentenberechtigter Arbeitnehmer. Anscheinend ist es aus Sicht des Gerichtshofs würdevoller, Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter zwangsweise in eine oft zu geringe Rente bzw. in eine vergebliche Arbeitssuche zu schicken als ihnen die rechtliche Möglichkeit zu belassen, Einfluss auf das Ende ihres Arbeitsverhältnisses und auf die Höhe ihrer Rente zu nehmen. In jedem Fall können sich Arbeitnehmer auf die aus ihrer Sicht zu geringe Höhe ihrer Rente künftig nicht mehr berufen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 05.07.2012, C-141/11 (Hörnfeldt)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
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Letzte Überarbeitung: 3. August 2016
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