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BAG, Be­schluss vom 13.03.2013, 7 ABR 69/11

   
Schlagworte: Betriebsratswahl, Betriebsratswahl: Wahlanfechtung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 69/11
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 13.03.2013
   
Leitsätze: Im Entleiherbetrieb regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer sind bei der Größe des Betriebsrats grundsätzlich zu berücksichtigen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 04.11.2010, 8 BV 81/10
Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 02.08.2011, 7 TaBV 66/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 ABR 69/11
7 TaBV 66/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Nürn­berg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

13. März 2013

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

An­trag­stel­le­rin, Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

3.

An­trag­stel­le­rin, Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

4.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

5.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

6.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

7.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

8.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

9.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

10.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,
 


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11.


An­trag­stel­le­rin, Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

12.

An­trag­stel­le­rin, Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

13.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

14.

An­trag­stel­ler, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,


15. 


16.

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 13. März 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lin­sen­mai­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Kiel und die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmidt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bea und Strip­pel­mann für Recht er­kannt:


Auf die Rechts­be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 1. bis 14. wird der Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 2. Au­gust 2011 - 7 TaBV 66/10 - auf­ge­ho­ben.
 


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Auf die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 1. bis 14. wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Nürn­berg vom 4. No­vem­ber 2010 - 8 BV 81/10 - ab­geändert.


Die Wahl des Be­triebs­rats wird für un­wirk­sam erklärt.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner Be­triebs­rats­wahl. Kern der Aus­ein­an­der­set­zung ist, ob die im Be­trieb beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer bei An­wen­dung von § 9 Satz 1 Be­trVG mit­zuzählen sind.

Im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin fand am 29./30. März 2010 ei­ne Be­triebs­rats­wahl statt. Bei Er­lass des Wahl­aus­schrei­bens wa­ren in dem Be­trieb re­gel-mäßig 879 Stamm­ar­beit­neh­mer und 292 Leih­ar­beit­neh­mer beschäftigt. Der Wahl­vor­stand hat­te un­ter Berück­sich­ti­gung der Leih­ar­beit­neh­mer zunächst die Wahl ei­nes 15-köpfi­gen Be­triebs­rats aus­ge­schrie­ben. In ei­nem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren wur­de ihm vom Ar­beits­ge­richt auf­ge­ge­ben, das Wahl­ver­fah­ren ab­zu­bre­chen und die Wahl ei­nes 13-köpfi­gen Be­triebs­rats aus­zu­schrei­ben. Dem kam der Wahl­vor­stand nach. Das Er­geb­nis der Wahl wur­de am 7. April 2010 be­kannt ge­ge­ben.


Die An­trag­stel­ler ha­ben die Wahl am 21. April 2010 mit der Be­gründung an­ge­foch­ten, es sei kein Gre­mi­um von 13, son­dern von 15 Be­triebs­rats­mit­glie­dern zu wählen ge­we­sen. Die Leih­ar­beit­neh­mer hätten mit­gezählt wer­den müssen. Der Be­triebs­rat hat die­sen Stand­punkt un­terstützt.


Die An­trag­stel­ler ha­ben be­an­tragt, 


die Wahl des Be­triebs­rats für un­wirk­sam zu erklären.

Die Ar­beit­ge­be­rin­nen ha­ben be­an­tragt, den An­trag ab­zu­wei­sen. Sie ha­ben die Auf­fas­sung ver­tre­ten, Leih­ar­beit­neh­mer zähl­ten nicht als Ar­beit­neh-



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mer des Ent­lei­her­be­triebs, an den sie ar­beits­ver­trag­lich nicht ge­bun­den sei­en. Der tatsächli­chen Ein­glie­de­rung der Leih­ar­beit­neh­mer in den Ent­lei­her­be­trieb ha­be der Ge­setz­ge­ber da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass er ih­nen dort ein­zel­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Rech­te zu­er­kannt ha­be.


Die Vor­in­stan­zen ha­ben den Wahl­an­fech­tungs­an­trag ab­ge­wie­sen, den die An­trag­stel­ler mit Un­terstützung des Be­triebs­rats im zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren wei­ter­ver­fol­gen. Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de.


B. Die zulässi­ge Rechts­be­schwer­de hat in der Sa­che Er­folg. Der Wahl­an­fech­tungs­an­trag ist be­gründet. Bei der Wahl wur­de ge­gen § 9 Satz 1 Be­trVG ver­s­toßen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­schwer­de­ge­richts zählen in der Re­gel beschäftig­te Leih­ar­beit­neh­mer bei der Fest­le­gung der An­zahl zu wählen­der Be­triebs­rats­mit­glie­der grundsätz­lich mit. Sei­ne ent­ge­gen­ste­hen­de Recht­spre­chung gibt der Se­nat auf. Der Ver­s­toß ge­gen § 9 Satz 1 Be­trVG war ge­eig­net, das Er­geb­nis der Wahl zu be­ein­flus­sen. Die­se ist da­her un­wirk­sam.


I. Der An­trag der Be­tei­lig­ten zu 1. bis 14. ist zulässig. 


1. Der Wahl­an­fech­tungs­an­trag ist nicht et­wa des­halb un­zulässig, weil das Ar­beits­ge­richt im vor­an­ge­gan­ge­nen einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren dem Wahl­vor­stand, der die Größe des zu wählen­den Be­triebs­rats ursprüng­lich un­ter Berück­sich­ti­gung von Leih­ar­beit­neh­mern auf 15 Mit­glie­der fest­ge­setzt hat­te, auf­ge­ge­ben hat, das Wahl­ver­fah­ren ab­zu­bre­chen und die Be­triebs­rats­wahl neu aus­zu­schrei­ben, oh­ne da­bei die Leih­ar­beit­neh­mer zu berück­sich­ti­gen. Der An­fech­tung ei­ner dar­auf­hin nach der ge­richt­li­chen Maßga­be durch­geführ­ten Wahl ei­nes 13-köpfi­gen Be­triebs­rats steht die Rechts­kraft der vom Ar­beits­ge­richt in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren ge­trof­fe­nen Ent­schei­dung nicht ent­ge­gen.

a) Al­ler­dings sind Be­schlüsse im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren der for­mel­len und ma­te­ri­el­len Rechts­kraft fähig. For­mell rechts­kräftig wer­den sie, wenn sie mit ei­nem or­dent­li­chen Rechts­mit­tel nicht mehr an­ge­foch­ten wer­den können. Die von die­ser äußeren Rechts­kraft abhängi­ge ma­te­ri­el­le


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(in­ne­re) Rechts­kraft be­deu­tet, dass der Streit­ge­gen­stand des Ver­fah­rens durch die Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten bei un­veränder­tem Sach­ver­halt nicht er­neut ei­ner Ent­schei­dung der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen un­ter­brei­tet wer­den kann. Ein An­trag, der den glei­chen Streit­ge­gen­stand er­neut zur Ent­schei­dung stellt, ist un­zulässig, weil der Rechts­schutz be­reits gewährt wur­de (vgl. BAG 6. Ju­ni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 1 der Gründe, BA­GE 95, 47). Sub­jek­tiv wirkt die ma­te­ri­el­le Rechts­kraft nach § 325 Abs. 1 ZPO grundsätz­lich zwi­schen den Par­tei­en des Vor­pro­zes­ses, im Be­schluss­ver­fah­ren al­so zwi­schen den Be­tei­lig­ten (BAG 6. Ju­ni 2000 - 1 ABR 21/99 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Auf die Fra­ge, ob und ggf. wie sich die­se Grundsätze auch im Verhält­nis von Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes zu späte­ren Haupt­sa­che­ver­fah­ren aus­wir­ken (vgl. da­zu BAG 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 87 ff. mwN), kommt es vor­lie­gend nicht an.


b) Die for­mel­le und ma­te­ri­el­le Rechts­kraft der im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren er­gan­ge­nen Ent­schei­dung steht der Zulässig­keit des Wahl­an­fech­tungs­an­trags der Be­tei­lig­ten zu 1. bis 14. schon des­halb nicht ent­ge­gen, weil die Streit­ge­genstände der Ver­fah­ren nicht iden­tisch sind. Ge­gen­stand des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens wa­ren der Ab­bruch der ein­ge­lei­te­ten so­wie die Ein­lei­tung ei­ner er­neu­ten Be­triebs­rats­wahl. Da­ge­gen geht es im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren um die Wirk­sam­keit der durch­geführ­ten Wahl. Darüber hin­aus sind auch die Be­tei­lig­ten der bei­den Ver­fah­ren über­wie­gend nicht iden­tisch. Während in dem Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes die Ar­beit­ge­be­rin und der Wahl­vor­stand be­tei­ligt wa­ren, sind an vor­lie­gen­dem Ver­fah­ren ne­ben der Ar­beit­ge­be­rin 14 wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer und der Be­triebs­rat be­tei­ligt.


2. Die An­trag­stel­ler sind nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG zur Wahl­an­fech­tung be­rech­tigt. Die zweiwöchi­ge An­fech­tungs­frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG ist ge­wahrt.


II. Der Wahl­an­fech­tungs­an­trag ist be­gründet. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ent­spricht die Wahl von 13 Be­triebs­rats­mit­glie­dern nicht den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben des § 9 Satz 1 Be­trVG. Un­ter Berück­sich­ti-
 


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gung der ständig beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer wäre nach der Staf­fel des § 9 Satz 1 Be­trVG ein Be­triebs­rat mit 15 Mit­glie­dern zu wählen ge­we­sen.


1. Der Wahl­an­fech­tungs­an­trag ist nicht schon des­halb un­be­gründet, weil die Ge­rich­te im Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren an die im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren er­gan­ge­ne Ent­schei­dung ge­bun­den wären.


a) Al­ler­dings sind for­mell und ma­te­ri­ell rechts­kräfti­ge Ent­schei­dun­gen ge­eig­net, präju­di­zi­el­le Bin­dungs­wir­kung für Fol­ge­pro­zes­se zu ent­fal­ten, in de­nen der Streit­ge­gen­stand zwar nicht iden­tisch ist, der Streit­ge­gen­stand des Vor­pro­zes­ses aber ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Vor­fra­ge bil­det (vgl. Zöller/ Voll­kom­mer ZPO 29. Aufl. vor § 322 Rn. 22 ff.). Das gilt auch für Be­schlüsse in ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren. Da­bei be­schränkt sich die Bin­dungs­wir­kung auf den un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­stand der vor­an­ge­gan­ge­nen Ent­schei­dung (vgl. BAG 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 89). In­wie­weit Ent­schei­dun­gen in Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes Bin­dungs­wir­kung für späte­re Er­kennt­nis­ver­fah­ren ent­fal­ten, be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung (vgl. da­zu BAG 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 87 ff. mwN). Sub­jek­tiv tritt die Bin­dungs­wir­kung grundsätz­lich nur zwi­schen den Be­tei­lig­ten und ih­ren Rechts­nach­fol­gern ein. Im ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren erfährt die­ser Grund­satz al­ler­dings er­heb­li­che Durch­bre­chun­gen (vgl. GK-ArbGG/ Dörner Stand März 2013 § 84 Rn. 31 ff. mit zahl­rei­chen Nach­wei­sen; Fit­ting 26. Aufl. nach § 1 Rn. 59; Not­te­bom RdA 2002, 292). So­fern es an ei­ner aus­drück­li­chen ge­setz­li­chen Re­ge­lung - wie et­wa § 9 TVG - fehlt, ist stets im Ein­zel­fall zu prüfen, ob ei­ne Er­wei­te­rung der Bin­dungs­wir­kung auf Per­so­nen oder Stel­len, die am Vor­ver­fah­ren nicht be­tei­ligt wa­ren, auf­grund ma­te­ri­el­len Rechts ge­bo­ten ist (vgl. GK-ArbGG/Dörner § 84 Rn. 31).


b) Hier­nach ent­fal­tet die im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren er­gan­ge­ne Ent­schei­dung für das vor­lie­gen­de Wahl­an­fech­tungs­ver­fah­ren schon des­halb kei­ne präju­di­zi­el­le Wir­kung, weil ei­ne Er­stre­ckung der Bin­dungs­wir­kung der zwi­schen - über­wie­gend - an­de­ren Be­tei­lig­ten er­gan­ge­nen Ent­schei­dung auf die Be­tei­lig­ten des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens aus Gründen ma­te­ri­el­len Rechts nicht ge­bo­ten er­scheint. Viel­mehr würde es zu ei­ner nicht ge­recht­fer­tig­ten
 


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Ein­schränkung der Rech­te der zu ei­ner Wahl­an­fech­tung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG Be­rech­tig­ten führen, wären die­se an die Ent­schei­dung in ei­nem vor­an­ge­gan­ge­nen einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren ge­bun­den, an dem sie nicht be­tei­ligt wa­ren.


2. Die Wahl­an­fech­tung ist nach § 19 Abs. 1 Be­trVG be­gründet. 


a) Nach § 19 Abs. 1 Be­trVG kann ei­ne Be­triebs­rats­wahl an­ge­foch­ten wer­den, wenn ge­gen we­sent­li­che Vor­schrif­ten über das Wahl­recht, die Wähl­bar­keit oder das Wahl­ver­fah­ren ver­s­toßen wur­de und ei­ne Be­rich­ti­gung nicht er­folgt ist, es sei denn, dass durch den Ver­s­toß das Wahl­er­geb­nis nicht geändert oder be­ein­flusst wer­den konn­te. § 9 Satz 1 Be­trVG ist ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift des Wahl­ver­fah­rens. Da­nach rich­tet sich die Zahl der Mit­glie­der des Be­triebs­rats nach der An­zahl der im Be­trieb in der Re­gel beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer. In Be­trie­ben mit in der Re­gel 701 bis 1000 Ar­beit­neh­mern be­steht der Be­triebs­rat aus 13 Mit­glie­dern, in Be­trie­ben mit in der Re­gel 1001 bis 1500 Ar­beit­neh­mern aus 15 Mit­glie­dern. Hier­ge­gen wur­de durch die Wahl ei­nes 13-köpfi­gen Be­triebs­rats ver­s­toßen.


aa) Al­ler­dings be­fin­det sich die Be­ur­tei­lung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, Leih­ar­beit­neh­mer sei­en ge­ne­rell nicht als Ar­beit­neh­mer des Be­triebs iSd. § 9 Satz 1 Be­trVG an­zu­se­hen, im Ein­klang mit der bis­he­ri­gen Se­nats­recht­spre­chung. Nach § 9 Be­trVG in der bis zum 27. Ju­li 2001 gel­ten­den Fas­sung wur­den für die An­zahl zu wählen­der Be­triebs­rats­mit­glie­der nur be­triebs­an­gehöri­ge Ar­beit­neh­mer berück­sich­tigt (BAG 18. Ja­nu­ar 1989 - 7 ABR 21/88 - BA­GE 61, 7). Für § 9 Be­trVG idF des Ge­set­zes zur Re­form des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes vom 23. Ju­li 2001 (BGBl. I S. 1852) galt nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung nichts an­de­res. Dies hat der Se­nat für ge­werbsmäßige Ar­beit­neh­merüber­las­sung am 16. April 2003 (- 7 ABR 53/02 - zu II 2 a der Gründe, BA­GE 106, 64) und für nicht ge­werbsmäßige Ar­beit­neh­merüber­las­sung am 10. März 2004 (- 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a der Gründe, BA­GE 110, 27) ent­schie­den.


bb) Im Schrift­tum hat die Recht­spre­chung ein un­ein­heit­li­ches Echo ge­fun­den. Ein er­heb­li­cher Teil der Au­to­ren hat sich der Auf­fas­sung des Se­nats
 


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an­ge­schlos­sen (Bro­se NZA 2005, 797; ErfK/Wank 13. Aufl. § 14 AÜG Rn. 7; Gil­len/Vah­le BB 2006, 2749, 2750; ErfK/Koch § 9 Be­trVG Rn. 2; Kreutz GK-Be­trVG 9. Aufl. § 9 Rn. 6; ders. FS Wiss­mann S. 364, 365; H/S/W/G/N/R-Ni­co­lai 8. Aufl. § 9 Rn. 6; HWK/Gott­hardt 5. Aufl. § 14 AÜG Rn. 10; Kon­zen RdA 2001, 76, 83 f.; Löwisch BB 2001, 1734, 1737; Masch­mann DB 2001, 2446, 2448; Lin­de­mann/Si­mon NZA 2002, 365, 367 f.; Löwisch/Kai­ser Be­trVG 6. Aufl. § 9 Rn. 2; Rei­ne­ke FS Löwisch S. 211, 221 ff.; Thüsing in Ri­char­di Be­trVG 13. Aufl. § 9 Rn. 7; Schir­mer FS 50 Jah­re BAG S. 1063, 1077; Ur­ban-Crell/Schulz Ar­beit­neh­merüber­las­sung und Ar­beits­ver­mitt­lung Rn. 1049). Ein an­de­rer Teil des Schrift­tums will Leih­ar­beit­neh­mer bei den Schwel­len­wer­ten der §§ 9, 38 Be­trVG berück­sich­ti­gen (Brors NZA 2003, 1380, 1382; Ha­ko-Be­trVG/Brors 3. Aufl. § 9 Rn. 3; Brors/Schüren BB 2004, 2745, 2751; Däubler Ar­buR 2001, 285, 286 und Ar­buR 2004, 81, 82; Fit­ting § 5 Rn. 238 und § 9 Rn. 25; Ri­char­di NZA 2001, 346, 350; DKKW-Hom­burg 13. Aufl. § 7 Rn. 7 und § 9 Rn. 14; Rat­a­ycz­ak AiB 2004, 212 ff.; Schüren RdA 2004, 184; Wlotz­ke FS 50 Jah­re BAG S. 1149, 1160; ders. dis­tan­ziert zur Rspr. auch in WPK Be­trVG 4. Aufl. § 7 Rn. 30). Dif­fe­ren­zie­rend wird die Auf­fas­sung ver­tre­ten, Leih­ar­beit-neh­mer soll­ten dann zählen, wenn sie im Ent­lei­her­be­trieb auf dau­er­haft oder auf re­gelmäßig be­setz­ten Ar­beitsplätzen zum Ein­satz kom­men (vgl. Ha­mann in Schüren/Ha­mann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 110 f.; vgl. auch ders. Anm. EzA Be­trVG 2001 § 9 Nr. 1, S. 16 ff.; ders. Anm. EzA Be­trVG 2001 § 9 Nr. 2 S. 17 ff.; Reichold NZA 2001, 857, 861; ders. NZA 2001 Son­der­bei­la­ge zu Heft 24 S. 32, 37; Dörner FS Wiss­mann S. 286, 295 hat dies für den Fall er­wo­gen, dass nach der ab 1. Ja­nu­ar 2004 gel­ten­den Ge­set­zes­fas­sung dau­er­haft über­las­se­ne Leih­ar­beit­neh­mer nicht mehr nur ei­ne Rand­be­leg­schaft bil­den).


cc) Nach­dem der Se­nat die zum be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff ent­wi­ckel­te sog. „Zwei-Kom­po­nen­ten-Leh­re“ für die Fälle des dritt­be­zo­ge­nen Per­so­nal­ein­sat­zes auf­ge­ge­ben hat (vgl. da­zu im ein­zel­nen BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 17 ff.), hält er auch an sei­ner Recht­spre­chung, Leih­ar­beit­neh­mer sei­en im Rah­men von § 9 Satz 1 Be­trVG nicht zu berück­sich­ti­gen, nicht wei­ter fest. Bei ei­ner ins­be­son­de­re am Sinn und Zweck der Schwel­len­wer­te in § 9 Be­trVG ori­en­tier­ten Aus­le­gung des Ge­set­zes sind die



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in der Re­gel beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer mit­zuzählen. In Be­trie­ben mit bis zu 51 Ar­beit­neh­mern kommt es zusätz­lich auf die Wahl­be­rech­ti­gung der Ar­beit­neh­mer an. Für Be­trie­be mit in der Re­gel mehr als 51 Ar­beit­neh­mern sieht das Ge­setz die­se Vor­aus­set­zung nicht mehr vor.


(1) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und all­ge­mei­ner Auf­fas­sung im Schrift­tum geht das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz in § 5 Abs. 1 Satz 1 vom all­ge­mei­nen Ar­beit­neh­mer­be­griff aus, den es in § 5 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Abs. 2 und Abs. 3 er­wei­tert so­wie ein­schränkt. Da¬nach ist Ar­beit­neh­mer, wer auf­grund ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ver­trags im Diens­te ei­nes an­de­ren zur Leis­tung wei­sungs­ge­bun­de­ner, fremd­be­stimm­ter Ar­beit in persönli­cher Abhängig­keit ver­pflich­tet ist (vgl. BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 17 mwN). Das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und dem In­ha­ber ei­nes Be­triebs genügt al­ler­dings nicht in je­dem Fall, um die Be­ur­tei­lung zu recht­fer­ti­gen, der Ar­beit­neh­mer sei auch im be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Sinn Ar­beit­neh­mer „des Be­triebs“. Er­for­der­lich ist hier­zu viel­mehr die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Zu­ord­nung des Ar­beit­neh­mers zu ei­nem be­stimm­ten Be­trieb. Die­se setzt re­gelmäßig vor­aus, dass der Ar­beit­neh­mer in die Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on des Ar­beit­ge­bers ein­ge­glie­dert ist (vgl. BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 18 mwN). Die­se sog. „Zwei-Kom­po­nen­ten-Leh­re“, nach der zu den kon­sti­tu­ti­ven Merk­ma­len der Be­triebs­zu­gehörig­keit ei­ner­seits ein Ar­beits­verhält­nis zum Be­triebs­in­ha­ber, an­de­rer­seits die tatsächli­che Ein­glie­de­rung in des­sen Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on gehört (BAG 10. No­vem­ber 2004 - 7 ABR 12/04 - zu B II 1 der Gründe mwN, BA­GE 112, 305), wird re­gelmäßig oh­ne Wei­te­res der „Nor­mal­fall-Ge­stal­tung“ ge­recht, „die da­durch ge­kenn­zeich­net ist, dass ein Ar­beit­neh­mer auf­grund ei­nes wirk­sa­men Ar­beits­ver­trags in der ein­zi­gen Be­triebsstätte sei­nes Ar­beit­ge­bers un­selbständi­ge, fremd­be­stimm­te Ar­beit tatsächlich leis­tet“ (Kreutz/Raab GK-Be­trVG § 7 Rn. 20). Schwie­rig­kei­ten ent­ste­hen aber bei aty­pi­schen Fall­ge­stal­tun­gen, ins­be­son­de­re beim sog. „dritt­be­zo­ge­nen Per­so­nal­ein­satz“, al­so beim Ar­beits­ein­satz von Ar­beit­neh­mern in Dritt­be­trie­ben (vgl. zu den un­ter­schied­li­chen Fall­ge­stal­tun­gen Kreutz/Raab GK-Be­trVG § 7 Rn. 39 ff.). Hier führt die rei­ne „Zwei-Kom­po­nen­ten-Leh­re“ nicht zu sach­ge­rech­ten Er­geb­nis­sen. Ih­re un­ein­ge-
 


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schränk­te An­wen­dung hätte viel­mehr zur Fol­ge, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ner­seits dem Be­trieb sei­nes Ver­trags­ar­beit­ge­bers man­gels Ein­glie­de­rung nicht zu­ge­ord­net wer­den könn­te, während es an­de­rer­seits zum Be­triebs­ar­beit­ge­ber an ei­nem ar­beits­ver­trag­li­chen Band fehlt. In der­ar­ti­gen Fällen der auf­ge­spal­te­nen Ar­beit­ge­ber­stel­lung be­darf es da­her ei­ner dif­fe­ren­zier­ten Be­ur­tei­lung der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Zu­ord­nung von Ar­beit­neh­mern (BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 20). Die­se hat zum ei­nen zu be­ach­ten, dass der Ge­setz­ge­ber die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Be­hand­lung des dritt­be­zo­ge­nen Per­so­nal­ein­sat­zes be­reits zu ei­nem nicht un­beträcht­li­chen Um­fang teils im Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz, teils in an­de­ren Ge­set­zen ge­re­gelt hat (vgl. BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 21 bis Rn. 23). Zum an­de­ren gilt es zu berück­sich­ti­gen, dass im Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz in ganz un­ter­schied­li­chem Zu­sam­men­hang auf „den“ Ar­beit­neh­mer ab­ge­stellt wird (vgl. BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 24). Da­her sind beim dritt­be­zo­ge­nen Per­so­nal­ein­satz und ei­ner auf­ge­spal­te­nen Ar­beit­ge­ber­stel­lung dif­fe­ren­zie­ren­de Lösun­gen ge­bo­ten, die zum ei­nen die aus­drück­lich nor­mier­ten (spe­zi­al-)ge­setz­li­chen Kon­zep­te, zum an­de­ren aber auch die Funk­ti­on des Ar­beit­neh­mer­be­griffs im je­wei­li­gen be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Zu­sam­men­hang an­ge­mes­sen be-rück­sich­ti­gen (vgl. BAG 5. De­zem­ber 2012 - 7 ABR 48/11 - Rn. 25).


(2) Aus­ge­hend von die­sem veränder­ten Verständ­nis ist der Ar­beit­neh­mer­be­griff der „Zwei-Kom­po­nen­ten-Leh­re“ nicht ge­eig­net für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, ob im Be­trieb beschäftig­te Leih­ar­beit­neh­mer als Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von § 9 Be­trVG an­zu­se­hen sind. Da es in­so­weit auch an ei­ner aus­drück­li­chen ge­setz­li­chen Re­ge­lung fehlt, kommt es ent­schei­dend dar­auf an, wel­che Funk­ti­on dem Ar­beit­neh­mer­be­griff in § 9 Be­trVG zu­kommt.


(a) Der rei­ne Wort­laut der Vor­schrift ist in­so­weit nicht wei­terführend. 


(b) Der sys­te­ma­ti­sche Kon­text der Be­stim­mung spricht ins­ge­samt eher dafür, Leih­ar­beit­neh­mer im Ein­satz­be­trieb bei der An­wen­dung von § 9 Be­trVG zu berück­sich­ti­gen.



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(aa) Al­ler­dings folgt aus § 14 Abs. 1 AÜG, dass Leih­ar­beit­neh­mer während der Zeit ih­rer Ar­beits­leis­tung bei ei­nem Ent­lei­her wei­ter dem ent­sen­den­den Be­trieb des Ver­lei­hers an­gehören. Dies ge­bie­tet aber nicht den Schluss, Leih­ar­beit­neh­mer könn­ten im Ent­lei­her­be­trieb bei den Schwel­len­wer­ten kei­ne Berück­sich­ti­gung fin­den. Dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang von Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz und Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­ge­setz lässt sich nicht ent­neh­men, Leih­ar­beit­neh­mer dürf­ten hin­sicht­lich der Größe des Be­triebs­rats nur bei ei­nem der bei­den Ar­beit­ge­ber berück­sich­tigt wer­den. Die Si­tua­ti­on der Leih­ar­beit­neh­mer ist viel­mehr ge­ra­de durch die Auf­spal­tung der Ar­beit­ge­ber­stel­lung ge­kenn­zeich­net.


(bb) Für ei­ne Berück­sich­ti­gung der Leih­ar­beit­neh­mer im Rah­men von § 9 Satz 1 Be­trVG spricht der sys­te­ma­ti­sche Zu­sam­men­hang zu § 7 Satz 2 Be­trVG (an­ders noch BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a bb der Gründe, BA­GE 110, 27). Nach die­ser durch das Ge­setz zur Re­form des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes vom 23. Ju­li 2001 (BGBl. I S. 1852) neu ein­gefügten Be­stim­mung sind Ar­beit­neh­mer ei­nes an­de­ren Ar­beit­ge­bers, die zur Ar­beits­leis­tung über­las­sen wer­den, wahl­be­rech­tigt, wenn sie länger als drei Mo­na­te ein­ge­setzt wer­den. In der Be­gründung zum Re­gie­rungs­ent­wurf heißt es da­zu, § 7 Satz 2 Be­trVG er­ken­ne für be­stimm­te Fälle die Zu­gehörig­keit der Leih­ar­beit­neh­mer zum Ein­satz­be­trieb an, um der Ero­si­on der Stamm­be­leg­schaft durch den Ein­satz von Ar­beit­neh­mern an­de­rer Ar­beit­ge­ber ent­ge­gen­zu­wir­ken (BT-Drucks. 14/5741 S. 36 zu Nr. 7). Da­bei steht dem über­las­se­nen Ar­beit­neh­mer, der länger als drei Mo­na­te ein­ge­setzt wird, das ak­ti­ve Wahl­recht zum Be­triebs­rat nach der Ge­set­zes­be­gründung be­reits ab dem ers­ten Ar­beits­tag im Ein­satz­be­trieb zu; sein Wahl­recht im Stamm­be­trieb bleibt un­berührt (BT-Drucks. 14/5741 S. 36 zu Nr. 7). § 9 Satz 1 Be­trVG stellt für Be­trie­be mit bis zu 51 Ar­beit­neh­mern eben­falls auf de­ren Wahl­be­rech­ti­gung ab. Da­her er­schie­ne es we­nig kon­sis­tent, die Leih­ar­beit­neh­mer zwar nach § 7 Satz 2 Be­trVG als im Ein­satz­be­trieb wahl­be­rech­tigt zu be­han­deln, sie aber nicht als „wahl­be­rech­tig­te Ar­beit­neh­mer“ iSv. § 9 Satz 1 Be­trVG an­zu­se­hen. Dass der Ge­setz­ge­ber in § 9 Satz 1 Be­trVG nur in Be­trie­ben mit bis zu 51 Ar­beit­neh­mern die Wahl­be­rech­ti­gung ver­langt und darüber auf die­ses Er­for­der­nis ver­zich­tet, hebt den sys­te­ma-


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ti­schen Zu­sam­men­hang zwi­schen § 7 Satz 2 Be­trVG und § 9 Satz 1 Be­trVG nicht auf.


(c) Für die Berück­sich­ti­gung der Leih­ar­beit­neh­mer spre­chen ent­schei­dend Sinn und Zweck der Schwel­len­wer­te in § 9 Satz 1 Be­trVG.


(aa) Durch die in die­ser Vor­schrift vor­ge­se­he­ne Staf­fe­lung soll si­cher­ge­stellt wer­den, dass die Zahl der Be­triebs­rats­mit­glie­der in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zur Zahl der be­triebs­an­gehöri­gen Ar­beit­neh­mer steht, de­ren In­ter­es­sen und Rech­te der Be­triebs­rat zu wah­ren hat (BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a bb der Gründe, BA­GE 110, 27). Die in den Or­ga­ni­sa­ti­ons­vor­ga­ben ge­re­gel­te Abhängig­keit der Be­triebs­rats­größe von der An­zahl der in der Re­gel im Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer trägt dem Um­stand Rech­nung, dass hier­von der Tätig­keits­auf­wand des Be­triebs­rats maßgeb­lich be­stimmt wird. Je mehr Ar­beit im Be­triebs­rat anfällt, des­to mehr Mit­glie­der soll er ha­ben. Ei­ne an­ge­mes­se­ne In­ter­es­sen­ver­tre­tung ist dann gefähr­det, wenn die Zahl der re­gelmäßig im Be­trieb beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer deut­lich steigt, oh­ne dass dies bei der Be­triebs­rats­größe Berück­sich­ti­gung fin­det (vgl. Ha­mann in Schüren/Ha­mann AÜG § 14 Rn. 111).


(bb) Der Um­fang der Be­triebs­rats­ar­beit wird durch die im Be­trieb re­gelmäßig täti­gen Leih­ar­beit­neh­mer auch bei ei­ner nur par­ti­el­len Ver­tre­tung in er­heb­li­chem Um­fang be­ein­flusst. Dies al­lein hat der Se­nat al­ler­dings bis­lang für ei­ne Berück­sich­ti­gung der Leih­ar­beit­neh­mer im Rah­men von § 9 Satz 1 Be­trVG nicht als aus­rei­chend an­ge­se­hen (vgl. BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a bb der Gründe, BA­GE 110, 27). Nach er­neu­ter Prüfung hält der Se­nat hier­an nicht fest. Die Zu­nah­me an Be­triebs­rats­auf­ga­ben, die mit der Beschäfti­gung von Leih­ar­beit­neh­mern ver­bun­den ist, ist so er­heb­lich, dass ihr durch ei­ne ent­spre­chen­de Be­triebs­rats­größe Rech­nung zu tra­gen ist. Für den Be­triebs­rat er­ge­ben sich durch die im Be­trieb beschäftig­ten Leih­ar­beit­neh­mer so­wohl in Mit­be­stim­mungs­an­ge­le­gen­hei­ten als auch darüber hin­aus in beträcht­li­chem Um­fang Auf­ga­ben und Pflich­ten.
 


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(aaa) So er­streckt sich die Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten nach § 87 Be­trVG in er­heb­li­chem Maße auch auf Leih­ar­beit­neh­mer. In­so­weit kann bei­spiel­haft ver­wie­sen wer­den auf die Mit­be­stim­mungs­rech­te zu Fra­gen der Ord­nung des Be­triebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG), zur La­ge der Ar­beits­zeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 Be­trVG, da­zu BAG 15. De­zem­ber 1992 - 1 ABR 38/92 - zu B II 2 b der Gründe, BA­GE 72, 107), zur Einführung und An­wen­dung von Ein­rich­tun­gen zur Ver­hal­tens- und Leis­tungs­kon­trol­le (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Be­trVG), zu Re­ge­lun­gen zur Verhütung von Ar­beits­unfällen und Be­rufs­krank­hei­ten so­wie über den Ge­sund­heits­schutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 Be­trVG) und zu Grundsätzen der Grup­pen­ar­beit (§ 87 Abs. 1 Nr. 13 Be­trVG). Die­se Mit­be­stim­mungs­rech­te be­tref­fen Leih­ar­beit­neh­mer in glei­cher oder ähn­li­cher Wei­se wie die Stamm­be­leg­schaft.


(bbb) Im Rah­men der per­so­nel­len Mit­be­stim­mung ist der Be­triebs­rat bei Ein­stel­lun­gen und Ver­set­zun­gen von über­las­se­nen Ar­beit­neh­mern zu be­tei­li­gen (vgl. da­zu BAG 9. März 2011 - 7 ABR 137/09 - Rn. 26, BA­GE 137, 194; 23. Ja­nu­ar 2008 - 1 ABR 74/06 - Rn. 22 f. mwN, BA­GE 125, 306). Er­fol­gen nach­ein­an­der meh­re­re - noch so kur­ze - be­fris­te­te Einsätze, ist je­der von ih­nen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG, § 99 Abs. 1 Be­trVG mit­be­stim­mungs­pflich­tig. Eben­so we­nig wie Dau­er und zeit­li­cher Um­fang des Leih­ar­beit­neh­mer­ein­sat­zes das Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats im Ent­lei­her­be­trieb re­du­zie­ren, ist es bei ei­nem bloßen per­so­nel­len Wech­sel des ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mers ein­ge­schränkt. Dies gilt selbst dann, wenn nach den Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen dem ent­lei­hen­den Ar­beit­ge­ber und dem Ver­lei­her die Ent­schei­dung über die kon­kret-per­so­nen­be­zo­ge­ne Aus­wahl der auf An­for­de­rung des Ar­beit­ge­bers zum Ein­satz kom­men­den Leih­ar­beit­neh­mer nach ei­ner ent­spre­chen­den Rah­men­ver­ein­ba­rung al­lein beim Ver­lei­her liegt (vgl. BAG 9. März 2011 - 7 ABR 137/09 - Rn. 26 f. mwN, aaO). Die bei Leih­ar­beit­neh­mern ty­pi­scher­wei­se häufi­ge­re Fluk­tua­ti­on ist für den Be­triebs­rat hier­nach im Be­reich der per­so­nel­len Mit­be­stim­mung so­gar eher mit mehr Ar­beit ver­bun­den als bei der Stamm­be­leg­schaft.


(ccc) Auch über die Mit­be­stim­mung hin­aus ist der Be­triebs­rat in er­heb­li­chem Um­fang für die Leih­ar­beit­neh­mer und de­ren An­ge­le­gen­hei­ten zuständig. So



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sind über­las­se­ne Ar­beit­neh­mer nach § 14 Abs. 2 Satz 2 AÜG be­rech­tigt, im Ent­lei­her­be­trieb die Sprech­stun­den der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tun­gen auf­zu­su­chen und an den Be­triebs- und Ju­gend­ver­samm­lun­gen teil­zu­neh­men. Fer­ner gel­ten für sie nach § 14 Abs. 2 Satz 3 AÜG im Ent­lei­her­be­trieb die §§ 81, 82 Abs. 1 und die §§ 84 bis 86 Be­trVG. Da­nach ha­ben auch Leih­ar­beit­neh­mer das Recht, mit Hil­fe des Be­triebs­rats des Ent­lei­her­be­triebs ei­ne in­di­vi­du­el­le Be­schwer­de bei den zuständi­gen Stel­len im Ent­lei­her­be­trieb zu führen, in­dem sie nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ein Mit­glied des Be­triebs­rats zur Un­terstützung oder Ver­mitt­lung hin­zu­zie­hen. § 85 Be­trVG sieht vor, dass der Be­triebs­rat Be­schwer­den von Ar­beit­neh­mern ent­ge­gen­nimmt und, falls er sie für be­rech­tigt er­ach­tet, beim Ar­beit­ge­ber auf Ab­hil­fe hin­wirkt.


(cc) So­weit die Erhöhung der An­zahl der zu wählen­den Be­triebs­rats­mit­glie­der durch das Ge­setz zur Re­form des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes mit der Auf­ga­ben­er­wei­te­rung be­gründet wur­de, die sich im Zu­sam­men­hang mit der Einführung und An­wen­dung neu­er Tech­ni­ken, mo­der­ner Pro­duk­ti­ons- und Ar­beits­me­tho­den, Qua­li­fi­zie­rung, Beschäfti­gungs­si­che­rung so­wie Ar­beits- und Um­welt­schutz er­ge­ben ha­be (BT-Drucks. 14/5741 S. 36 zu Nr. 8), steht dies der Berück­sich­ti­gung der Leih­ar­beit­neh­mer im Rah­men von § 9 Be­trVG nicht ent­ge­gen (an­ders noch BAG 10. März 2004 - 7 ABR 49/03 - zu B I 1 a bb der Gründe, BA­GE 110, 27). Der Ar­beits­an­fall durch die Er­wei­te­rung der Mit­be­stim­mung ist nicht nur hin­sicht­lich der Stamm­ar­beits­kräfte, son­dern in beträcht­li­cher Wei­se auch hin­sicht­lich der Leih­ar­beit­neh­mer ge­stie­gen. Leih­ar­beit­neh­mer sind auch nicht et­wa ei­ne re­gelmäßig nur klei­ne und bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung zu ver­nachlässi­gen­de Grup­pe, son­dern bil­den des Öfte­ren ei­nen quan­ti­ta­tiv er­heb­li­chen, bis­wei­len so­gar den über­wie­gen­den Teil der Be­leg­schaft (vgl. et­wa BAG 13. Fe­bru­ar 2013 - 7 ABR 36/11 - Rn. 3: von ca. 260 beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern wa­ren 245 Leih­ar­beit­neh­mer).


b) Hier­nach wa­ren ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts die im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin re­gelmäßig beschäftig­ten 292 Leih­ar­beit­neh­mer bei der für die Be­triebs­rats­größe maßgeb­li­chen Ar­beit­neh­mer­zahl nach § 9 Satz 1 Be­trVG zu berück­sich­ti­gen. An­halts­punk­te dafür, dass es sich bei der
 


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Beschäfti­gung der nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts „re­gelmäßig“ 292 Leih­ar­beit­neh­mer um ei­ne nur zum Zeit­punkt der Wahl vor­lie­gen­de Aus­nah­me­si­tua­ti­on ge­han­delt ha­be (vgl. zur Fra­ge der „in der Re­gel“ Beschäftig­ten BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 17/07 - Rn. 17), sind we­der be­haup­tet noch er­sicht­lich. Im Zeit­punkt des Wahl­aus­schrei­bens be­stand die re­gelmäßige Be­leg­schaft da­mit aus 1.171 Ar­beit­neh­mern. So­mit hätte nach § 9 Satz 1 Be­trVG statt ei­nes 13-köpfi­gen ein 15-köpfi­ger Be­triebs­rat gewählt wer­den müssen. Die­ser Ver­s­toß ge­gen ei­ne we­sent­li­che Vor­schrift des Wahl­ver­fah­rens hat das Wahl­er­geb­nis be­ein­flusst. Ei­ne Kor­rek­turmöglich­keit be­steht nicht. Die Be­triebs­rats­wahl ist da­her un­wirk­sam.


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