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BAG, Be­schluss vom 22.10.2014, 10 AZB 46/14

   
Schlagworte: Geschäftsführer: Arbeitsgericht, Geschäftsführer: Abberufung, Geschäftsführer: Kündigung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZB 46/14
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 22.10.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein - 4 Ta 52/14
   

Bun­des­ar­beits­ge­richt

10 AZB 46/14

4 Ta 52/14

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Schles­wig-Hol­stein

Be­schluss

 

In Sa­chen

Kläger, Be­schwer­deführer und Rechts­be­schwer­deführer,

pp.

Be­klag­te, Be­schwer­de­geg­ne­rin und Rechts­be­schwer­de­geg­ne­rin,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts am 22. Ok­to­ber 2014 be­schlos­sen:

1. Auf die Rechts­be­schwer­de des Klägers wird der Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein vom 29. April 2014 - 4 Ta 52/14 - auf­ge­ho­ben.

2. Auf die Be­schwer­de des Klägers wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 18. De­zem­ber 2013 - 3 Ca 1259 a/13 - ab­geändert:

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Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist zulässig.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Be­schwer­de- und des Rechts­be­schwer­de­ver­fah­rens zu tra­gen.

4. Der Streit­wert wird auf 30.000,00 Eu­ro fest­ge­setzt.

 

Gründe


I. Die Par­tei­en strei­ten über die Zulässig­keit des Rechts­wegs zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen.

Der Kläger schloss am 17. Ju­li 2001 ei­nen An­stel­lungs­ver­trag mit der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, der K W GmbH. Da­nach war er ab dem 1. Sep­tem­ber 2001 als Ver­kaufs­di­rek­tor Key Ac­count für die K W Grup­pe Deutsch­land ein­ge­stellt.

Mit Be­schluss der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Be­klag­ten vom 4. Ju­li 2005 wur­de der Kläger zu de­ren Geschäftsführer be­stellt. Die Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter er­folg­te am 25. Au­gust 2005. Anläss­lich der Be­stel­lung des Klägers zum Geschäftsführer tra­fen die Par­tei­en kei­ne wei­te­ren schrift­li­chen Ver­ein­ba­run­gen. In ei­nem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 6. April 2005 hat­te die­se dem Kläger zur Er­nen­nung zum Geschäftsführer gra­tu­liert und dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sein An­stel­lungs­ver­trag vom 17. Ju­li 2001 da­durch un­verändert blei­be und er wei­ter­hin ver­ant­wort­lich als Ver­triebs­di­rek­tor Dea­ler Di­vi­si­on Deutsch­land tätig sei.

Un­ter dem 6. März 2013 schloss der Kläger mit der Be­klag­ten in eng­li­scher Spra­che ei­nen Em­ploy­ment Contract.

Dort heißt es in § 1 Nr. 1:


„The Em­ployee is with ef­fect from Ja­nu­a­ry 1, 2013, to be em­ploy­ed as VP Kw Cen­tral Eu­ro­pe at Kw Deutsch­land GmbH, Ger­ma­ny. Se­nio­ri­ty is cal­cu­la­ted from 1st Sep­tem­ber 2001.”

 

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In § 13 Nr. 2 des Ver­trags heißt es:


„The fo­re­go­ing con­sti­tu­tes the ent­i­re agree­ment bet­ween the par­ties and su­per­se­des all agree­ments and un­ter­ta­kings pre­vious­ly ma­de and gi­ven by and bet­ween the Em­ployee and the (bo­dies of the) Com­pa­ny and/or com­pa­nies af­fi­lia­ted with the Com­pa­ny.“

Der Kläger er­hielt zu­letzt ein Grund­ge­halt in Höhe von 156.744,00 Eu­ro im Jahr und ei­ne Bo­nus­zah­lung in Höhe von 87.500,00 Eu­ro bei ei­ner 100 %igen Ziel­er­rei­chung.

Am 3. Sep­tem­ber 2013 eröff­ne­te der wei­te­re Geschäftsführer der Be­klag­ten, Herr S, dem Kläger, man wol­le sich von ihm tren­nen. Aus­weis­lich der Nie­der­schrift über ei­ne außer­or­dent­li­che Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Be­klag­ten vom 16. Sep­tem­ber 2013 be­schloss die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung, den Kläger als Geschäftsführer ab­zu­be­ru­fen und sei­nen Dienst­ver­trag or­dent­lich zum 30. Sep­tem­ber 2014 zu kündi­gen. Der Kläger er­hielt noch am 16. Sep­tem­ber 2013 per E-Mail Kennt­nis von sei­ner Ab­be­ru­fung.

Mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 16. Sep­tem­ber 2013, dem Kläger zu­ge­gan­gen am 17. Sep­tem­ber 2013, teil­te die­se ihm noch­mals mit, er sei mit so­for­ti­ger Wir­kung als Geschäftsführer ab­be­ru­fen wor­den. Zu­dem kündig­te sie den be­ste­hen­den Dienst­ver­trag or­dent­lich zum 30. Sep­tem­ber 2014 und stell­te ihn für die Rest­lauf­zeit des Ver­trags von der Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei. Die Ab­be­ru­fung des Klägers als Geschäftsführer der Be­klag­ten wur­de am 14. Ok­to­ber 2013 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Am 7. Ok­to­ber 2013 ging beim Ar­beits­ge­richt per Fax und am 10. Ok­to­ber 2013 im Ori­gi­nal ei­ne Kla­ge­schrift des Klägers ein. Dar­in hat er ua. be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung vom 16. Sep­tem­ber 2013 we­der zum 30. Sep­tem­ber 2014 noch zu ei­nem späte­ren Ter­min auf­gelöst wird.

Die Kla­ge­schrift wur­de der Be­klag­ten am 15. Ok­to­ber 2013 zu­ge­stellt.

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Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten sei eröff­net. Er sei auf Grund­la­ge ei­nes zu kei­nem Zeit­punkt be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis­ses beschäftigt ge­we­sen.

Der Kläger hat be­an­tragt


1. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch die von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung vom 16. Sep­tem­ber 2013 we­der zum 30. Sep­tem­ber 2014 noch zu ei­nem späte­ren Ter­min auf­gelöst wird;

2. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände en­det, son­dern zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen über den 30. Sep­tem­ber 2014 hin­aus fort­be­steht;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ein qua­li­fi­zier­tes Zwi­schen­zeug­nis zu er­tei­len, das sich auf Art und Dau­er so­wie Führung und Leis­tung im Ar­beits­verhält­nis er­streckt;

4. den im News­let­ter der Kw Ger­ma­ny GmbH am 11. Sep­tem­ber 2013 veröffent­lich­ten zwei­ten Ab­satz zu den Ände­run­gen im Ma­nage­ment/Cen­tral Eu­ro­pe zu wi­der­ru­fen und da­hin ge­hend zu be­rich­ti­gen, dass er nicht als „Exe­cu­ti­ve Vice Pre­si­dent“, son­dern als „Vice Pre­si­dent“ tätig ge­wor­den ist, dass er nicht von sei­ner Po­si­ti­on zurück­ge­tre­ten ist und er das Un­ter­neh­men nicht, ins­be­son­de­re nicht ein­ver­nehm­lich, ver­las­sen wird;

für den Fall des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1.,

5. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Vice Pre­si­dent Kw Cen­tral Eu­ro­pe bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den An­trag zu 1. wei­ter­zu­beschäfti­gen;

für den Fall des Un­ter­lie­gens mit dem An­trag zu 1.,

6. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ein qua­li­fi­zier­tes End­zeug­nis zu er­tei­len, das sich auf Art und Dau­er so­wie Führung und Leis­tung im Ar­beits­verhält­nis er­streckt.

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Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, für die Kla­ge sei gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen nicht eröff­net. Wei­te­re Ver­trags­verhält­nis­se ge­be es nicht.

Ar­beits­ge­richt und Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­ben den Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen für un­zulässig erklärt. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de be­gehrt der Kläger wei­ter­hin, den Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten für zulässig zu erklären.

II. Die Rechts­be­schwer­de ist be­gründet. Der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen ist zulässig.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen aus­sch­ließlich zuständig für bürger­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Ar­beit­ge­bern aus dem Ar­beits­verhält­nis und über das Be­ste­hen oder Nicht­be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Wer Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des Ar­beits­ge­richts­ge­set­zes ist, be­stimmt § 5 ArbGG.

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Ar­beit­neh­mer Ar­bei­ter und An­ge­stell­te so­wie die zu ih­rer Be­rufs­aus­bil­dung Beschäftig­ten. In Be­trie­ben ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son oder ei­ner Per­so­nen­ge­samt­heit gel­ten je­doch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Per­so­nen nicht als Ar­beit­neh­mer, die kraft Ge­set­zes, Sat­zung oder Ge­sell­schafts­ver­trags al­lein oder als Mit­glie­der des Ver­tre­tungs­or­gans zur Ver­tre­tung der ju­ris­ti­schen Per­son oder der Per­so­nen­ge­samt­heit be­ru­fen sind. Für ei­nen Rechts­streit zwi­schen dem Ver­tre­tungs­or­gan und der ju­ris­ti­schen Per­son sind nach die­ser ge­setz­li­chen Fik­ti­on die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen nicht zuständig.

b) Die Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift un­abhängig da­von ein, ob das der Or­gan­stel­lung zu­grun­de lie­gen­de Rechts­verhält­nis ma­te­ri­ell-recht­lich als frei­es Dienst­verhält­nis oder als Ar­beits­verhält­nis aus­ge­stal­tet ist. Sie soll si­cher­stel­len, dass die Mit­glie­der der Ver­tre­tungs­or­ga­ne mit der ju­ris­ti­schen Per­son kei­nen Rechts­streit im „Ar­beit­ge­ber­la­ger“ vor dem Ar­beits­ge­richt führen (BAG 20. Au­gust 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe,

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BA­GE 107, 165). Auch wenn ein An­stel­lungs­verhält­nis zwi­schen der ju­ris­ti­schen Per­son und dem Mit­glied des Ver­tre­tungs­or­gans we­gen des­sen star­ker in­ter­ner Wei­sungs­abhängig­keit als Ar­beits­verhält­nis zu qua­li­fi­zie­ren ist und des­halb ma­te­ri­el­les Ar­beits­recht zur An­wen­dung kommt, sind zur Ent­schei­dung ei­nes Rechts­streits aus die­ser Rechts­be­zie­hung die or­dent­li­chen Ge­rich­te be­ru­fen, so­lan­ge die Fik­ti­on Wir­kung ent­fal­tet (BAG 23. Au­gust 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 12 mwN, BA­GE 139, 63).

2. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen ist der Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten zulässig.

a) Die Kla­ge enthält aus­sch­ließlich Kla­ge­anträge, die nur dann be­gründet sein können, wenn das Rechts­verhält­nis als Ar­beits­verhält­nis ein­zu­ord­nen ist und nach wirk­sa­mer Be­en­di­gung der Or­gan­stel­lung als sol­ches fort­be­stand oder wie­der auf­leb­te. In die­sen Fällen (sic-non-Fälle) eröff­net bei strei­ti­ger Tat­sa­chen­grund­la­ge die bloße Rechts­an­sicht der Kla­ge­par­tei, es han­de­le sich um ein Ar­beits­verhält­nis, den Rechts­weg zu den Ar­beits­ge­rich­ten (BAG 15. No­vem­ber 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 21 mwN).

aa) Mit sei­nen Fest­stel­lungs­anträgen zu 1. und 2. macht der Kläger den Fort­be­stand ei­nes sei­ner Auf­fas­sung nach be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses gel­tend. Mit sei­nem un­ech­ten Hilfs­an­trag zu 5. be­gehrt er für den Fall des Ob­sie­gens mit sei­nem Fest­stel­lungs­an­trag die vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung in die­sem Ar­beits­verhält­nis.

bb) Auch der An­trag zu 3. und der Hilfs­an­trag zu 6. können nur Er­folg ha­ben, wenn sich der Kläger in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten be­fin­det bzw. be­fand. Mit die­sen be­gehrt er ein qua­li­fi­zier­tes Zwi­schen­zeug­nis über Art und Dau­er so­wie Führung und Leis­tung „im Ar­beits­verhält­nis“ bzw. ein ent­spre­chen­des End­zeug­nis.

cc) Eben­so lässt sich hin­sicht­lich des An­trags zu 4. der Kla­ge­be­gründung ent­neh­men, dass der Kläger den Wi­der­rufs- und Be­rich­ti­gungs­an­spruch aus­sch­ließlich aus dem von ihm be­haup­te­ten Ar­beits­verhält­nis ab­lei­tet und mit dem

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von ihm gel­tend ge­mach­ten Fort­be­ste­hen die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses be­gründet. Zwar könn­te ein sol­cher An­trag grundsätz­lich auch im Fall des Vor­lie­gens ei­nes Dienst­ver­trags er­folg­reich sein. Der Kläger be­stimmt je­doch al­lei­ne den Streit­ge­gen­stand (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und hat sich vor­lie­gend auf ei­nen mögli­chen An­spruch aus sei­nem Ar­beits­verhält­nis be­schränkt.

b) Nach der Be­en­di­gung der Or­gan­stel­lung und da­mit nach dem Weg­fall der Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen be­ru­fen, über die­se ar­beits­recht­li­chen Streit­ge­genstände zu ent­schei­den.

aa) Nach bis­he­ri­ger Se­nats­recht­spre­chung müssen die Vor­aus­set­zun­gen für das Ein­grei­fen der Fik­ti­on des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG im Zeit­punkt der Zu­stel­lung der Kla­ge vor­lie­gen. Ist ein Geschäftsführer zu die­sem Zeit­punkt noch nicht wirk­sam ab­be­ru­fen, ist und bleibt für die Kla­ge der Rechts­weg zu den or­dent­li­chen Ge­rich­ten und nicht zu den Ar­beits­ge­rich­ten zulässig (BAG 15. No­vem­ber 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 23 mwN). Hier­an hält der Se­nat nicht wei­ter fest. Nachträgli­che zuständig­keits­be­gründen­de Umstände sind viel­mehr auch dann zu berück­sich­ti­gen, wenn ein zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung vor dem Ar­beits­ge­richt noch nicht ab­be­ru­fe­ner Geschäftsführer vor ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Rechts­weg­zuständig­keit ab­be­ru­fen wird. Da­mit entfällt die Fik­ti­ons­wir­kung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

(1) Nach all­ge­mei­nen zi­vil­pro­zes­sua­len Grundsätzen rich­tet sich die Ent­schei­dung über die Zulässig­keit des Rechts­wegs zunächst nach den tatsächli­chen Umständen zum Zeit­punkt des Ein­tritts der Rechtshängig­keit (MüKoZ­PO/Zim­mer­mann 4. Aufl. § 17a GVG Rn. 8; Kis­sel/May­er GVG 7. Aufl. § 17 Rn. 9 f.). Nachträgli­che Verände­run­gen führen grundsätz­lich nicht zum Ver­lust des ein­mal ge­ge­be­nen Rechts­wegs. Die­ser in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG ent­hal­te­ne Grund­satz der per­pe­tua­tio fo­ri gilt je­doch nur rechts­we­ger­hal­tend. Al­le bis zur letz­ten Tat­sa­chen­ver­hand­lung ein­tre­ten­den Umstände, wel­che die zunächst be­ste­hen­de Un­zulässig­keit des Rechts­wegs be­sei­ti­gen, sind da­ge­gen zu berück­sich­ti­gen, so­fern nicht vor­her ein (rechts­kräfti­ger) Ver­wei­sungs­be­schluss er­geht (Kis­sel NJW 1991, 945, 948 ff.; Baum­bach/Lau­ter­bach/Al­bers/Hart­mann 72. Aufl. § 17 GVG Rn. 3, § 261 ZPO Rn. 31; MüKoZ­PO/Zim­mer­mann § 17

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GVG Rn. 6; Mu­sielak/Witt­schier 11. Aufl. § 17 GVG Rn. 4; Prütting/Gehr­lein/Bitz 5. Aufl. § 17 GVG Rn. 7; St­ein/Jo­nas/Ja­cobs 22. Aufl. § 17 GVG Rn. 12; Tho­mas/Putzo/Hüßte­ge 35. Aufl. § 17 GVG Rn. 3; Wiec­zo­rek/Schütze/Schrei­ber 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 4; Zöller/Lücke­mann 30. Aufl. § 17 GVG Rn. 2). Wird vor­ab gemäß § 17a Abs. 3 GVG über die Rechts­weg­zuständig­keit ent­schie­den, sind späte­re zuständig­keits­be­gründen­de Verände­run­gen auch im Rah­men des Be­schwer­de­ver­fah­rens nach § 17a Abs. 4 GVG zu berück­sich­ti­gen, wenn sie dort zulässi­ger­wei­se ein­geführt wer­den können (BGH 18. Mai 1995 - I ZB 22/94 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 130, 13; Zöller/Lücke­mann aaO). Dies dient vor al­lem der Pro­zessöko­no­mie (Kis­sel NJW 1991, 945, 948; Wiec­zo­rek/Schütze/Schrei­ber aaO; Zöller/Lücke­mann aaO) und soll ver­mei­den, dass ein Rechts­streit ver­wie­sen wird, auch wenn zum Zeit­punkt der Ent­schei­dung über die Zulässig­keit des Rechts­wegs die Zuständig­keit des ent­schei­den­den Ge­richts be­gründet ist. Die veränder­ten zuständig­keits­re­le­van­ten Umstände können da­mit da­zu führen, dass ein ursprüng­lich be­gründe­ter Ver­wei­sungs­an­trag un­be­gründet wird (MüKoZ­PO/Be­cker-Eber­hard § 261 Rn. 80; zur Möglich­keit der Er­le­di­gungs­erklärung in ei­nem sol­chen Fall: BGH 11. Ja­nu­ar 2001 - V ZB 40/99 -).

(2) So­weit der Se­nat die Auf­fas­sung ver­tre­ten hat, es kom­me für das Ein­grei­fen der Fik­ti­ons­wir­kung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG aus­sch­ließlich auf die Umstände zum Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung an (vgl. BAG 15. No­vem­ber 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 23; 26. Ok­to­ber 2012 - 10 AZB 55/12 - Rn. 23), wird hier­an nicht fest­ge­hal­ten (kri­tisch auch Pröpper Gmb­HR 2013, 255 ff.). Zwar ist die­ser Zeit­punkt zunächst ent­schei­dend für die Be­stim­mung des zuständi­gen Ge­richts und ge­eig­net, rechts­si­cher fest­zu­stel­len, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständig­keit der Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen ent­ge­gen­steht. Ei­ne Durch­bre­chung der all­ge­mei­nen Grundsätze über die Berück­sich­ti­gung zuständig­keits­be­gründen­der Umstände recht­fer­tigt dies je­doch nicht und ei­ne sol­che gibt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch nicht vor. Die Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer lässt sich auch zu je­dem späte­ren Zeit­punkt si­cher fest­stel­len. Das aus­sch­ließli­che Ab­stel­len auf den Zeit­punkt der Kla­ge­er­he­bung eröff­net da­ge­gen die Möglich­keit ei­ner Ma­ni­pu­la­ti­on. Käme es al­lein auf die­sen Zeit­punkt an, hätten es

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die Ge­sell­schaf­ter nach ei­ner Kündi­gung in der Hand, durch ein Hin­aus­schie­ben der Ab­be­ru­fungs­ent­schei­dung ei­ne Zuständig­keit der Ar­beits­ge­rich­te auch in den Fällen aus­zu­sch­ließen, in de­nen un­zwei­fel­haft ein Ar­beits­verhält­nis vor­liegt. Der Kläger hat nämlich in ei­nem sol­chen Fall gemäß § 4 Satz 1 KSchG in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu er­he­ben, um den Ein­tritt der Fik­ti­ons­wir­kung des § 7 KSchG zu ver­hin­dern. Die nachträgli­che Berück­sich­ti­gung von Umständen, wel­che die Zulässig­keit des be­schrit­te­nen Rechts­wegs erst be­gründen, ver­hin­dert im Übri­gen bei meh­re­ren nach­ein­an­der erklärten Kündi­gun­gen re­gelmäßig auch ei­ne Auf­spal­tung der Zuständig­keit in Abhängig­keit vom Zeit­punkt der Ab­be­ru­fung des Geschäftsführers.

bb) Nach die­sen Grundsätzen ist vor­lie­gend der Rechts­weg zu den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen zulässig. Zum Zeit­punkt der Zu­stel­lung der Kla­ge am 15. Ok­to­ber 2013 war der Kläger nicht mehr Geschäftsführer der Be­klag­ten, son­dern durch die­se be­reits ab­be­ru­fen.

(1) Der Wi­der­ruf der Be­stel­lung als Geschäftsführer muss durch die Ge­sell­schaf­ter er­fol­gen und dem Geschäftsführer ge­genüber erklärt wer­den. Mit Zu­gang der ent­spre­chen­den Erklärung wird der Wi­der­ruf wirk­sam. Die­ser be­darf kei­ner be­son­de­ren Form (Roth/Alt­mep­pen/Alt­mep­pen Gmb­HG 7. Aufl. § 38 Rn. 22). Die Tat­sa­che der Ab­be­ru­fung ist zwar gemäß § 39 Abs. 1 Gmb­HG zur Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter an­zu­mel­den, die Ein­tra­gung wirkt je­doch nur de­kla­ra­to­risch. Die feh­len­de Ein­tra­gung be­ein­träch­tigt des­halb die Wirk­sam­keit der dem Geschäftsführer ge­genüber erklärten Ab­be­ru­fung nicht (Baum­bach/Hu­eck/Zöll­ner/Noack Gmb­HG 20. Aufl. § 39 Rn. 24; Hens­s­ler/Strohn/Oet­ker 2. Aufl. Gmb­HG § 39 Rn. 16; Roth/Alt­mep­pen/Alt­mep­pen § 38 Rn. 23; § 39 Rn. 5).

(2) Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts und dem bei­der­sei­ti­gen Vor­trag ist die Ab­be­ru­fung des Klägers als Geschäftsführer durch Be­schluss vom 16. Sep­tem­ber 2013 er­folgt. Die­ser Be­schluss wur­de dem Kläger noch am 16. Sep­tem­ber 2013 per E-Mail mit­ge­teilt. Die Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter er­folg­te - oh­ne dass es hier­auf we­gen de­ren rein de­kla­ra­to­ri­scher

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Wir­kung ankäme - am 14. Ok­to­ber 2013 und da­mit am Tag vor der Kla­ge­zu­stel­lung, die am 15. Ok­to­ber 2013 er­folg­te. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist es un­er­heb­lich, dass die Ab­be­ru­fung zeit­gleich bzw. na­he­zu zeit­gleich mit dem Aus­spruch der Kündi­gung „in ei­nem Akt“ er­folg­te. Dies ändert nichts dar­an, dass nach Ab­be­ru­fung als Geschäftsführer die Fik­ti­ons­wir­kung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr grei­fen kann.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO, die Streit­wert­fest­set­zung auf § 63 GKG.


Linck

Bru­ne

W. Rein­fel­der

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