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BAG, Ur­teil vom 28.10.2010, 8 AZR 547/09

   
Schlagworte: Schadensersatz, Detektivkosten
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 547/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 28.10.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Augsburg, Urteil vom 14.05.2007, 3 Ca 725/04
Landesarbeitsgericht München, Teilurteil vom 3.12.2008, 10 Sa 645/07
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 547/09

10 Sa 645/07

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 28. Ok­to­ber 2010

UR­TEIL

Förs­ter, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Wi­derkläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Wi­der­be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 28. Ok­to­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Burr und Ave­na­ri­us für Recht er­kannt:


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Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Teil­ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 3. De­zem­ber 2008 - 10 Sa 645/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung bleibt dem Schlus­s­ur­teil vor­be­hal­ten.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten in der Re­vi­si­ons­in­stanz noch über ei­nen mit­tels

Wi­der­kla­ge gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Scha­dens­er­satz we­gen von der Be­klag­ten ge­zahl­ter De­tek­tiv­kos­ten.

Die Be­klag­te be­treibt Ar­beit­neh­merüber­las­sung. Der Kläger war seit

24. Sep­tem­ber 2001 bei ihr als Lei­ter für die Nie­der­las­sung München beschäftigt.

Der Kläger be­ab­sich­tig­te im De­zem­ber 2003 sei­ne Tätig­keit für die Be-

klag­te mit Ab­lauf des Mo­nats Ja­nu­ar 2004 ein­zu­stel­len und an­sch­ließend ei­ne Kon­kur­renztätig­keit aus­zuüben. In die­sem Zu­sam­men­hang fand am 22. De­zem­ber 2003 ein Gespräch zwi­schen ihm und dem Geschäftsführer der Be­klag­ten Schmidt statt, wel­ches die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers und des­sen an­sch­ließen­de Kon­kur­renztätig­keit zum Ge­gen­stand hat­te. Ob ei­ne Ei­ni­gung über ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. Ja­nu­ar 2004 er­zielt wur­de, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.

Der Kläger ent­fern­te An­fang Ja­nu­ar 2004 sei­ne pri­va­ten Ge­genstände

aus sei­nem Büro bei der Be­klag­ten.

In der zwei­ten Ka­len­der­wo­che 2004 be­such­te der Kläger die A GmbH,

ei­ne Kun­din der Be­klag­ten in München. Ob der Kläger nach der in­ter­nen Auf­ga­ben­ver­tei­lung bei der Be­klag­ten für die Be­treu­ung die­ser Kun­din zuständig war und ob bei die­ser Be­ra­tungs­be­darf be­stand, ist strei­tig.

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Am 14. Ja­nu­ar 2004 schloss die Be­klag­te mit der De­tek­tei H ei­nen

Dienst­ver­trag, der die Über­wa­chung des Klägers hin­sicht­lich et­wai­ger Kon­kur­renztätig­kei­ten zum Ge­gen­stand hat­te.

Am 19. Ja­nu­ar 2004 nahm ei­ne Mit­ar­bei­te­rin der De­tek­tei te­le­fo­ni­schen

Kon­takt zur Ehe­frau des Klägers auf und er­hielt von die­ser die In­for­ma­ti­on, der Kläger ha­be sich vor et­wa ei­nem Jahr in München im Be­reich der Per­so­nal­ver­mitt­lung selbstständig ge­macht. Die Mit­ar­bei­te­rin der De­tek­tei teil­te der Ehe­frau mit, dass ein Un­ter­neh­men na­mens K Group der­zeit Per­so­nal su­che und hin­ter­ließ ei­ne Te­le­fon­num­mer. Bei der K Group han­del­te es sich um ei­ne von der De­tek­tei er­rich­te­te Schein­fir­ma, die den Kläger ei­ner be­reits auf­ge­nom­me­nen Kon­kur­renztätig­keit überführen soll­te.

Dar­auf­hin nahm der Kläger te­le­fo­ni­schen Kon­takt zu der K Group auf

und er­stell­te die­ser na­mens ei­ner Al GmbH am 22. Ja­nu­ar 2004 ein An­ge­bot.

Mit Schrei­ben vom 29. Ja­nu­ar 2004 kündig­te der Kläger sein mit der

Be­klag­ten be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis zum 29. Fe­bru­ar 2004.

Der Kläger war am 2. und 3. Fe­bru­ar 2004 so­wie vom 16. Fe­bru­ar bis

zum 27. Fe­bru­ar 2004 ar­beits­unfähig er­krankt.

Am 3. Fe­bru­ar 2004 über­nahm der Kläger von sei­nem Bru­der durch no

ta­ri­el­len Ver­trag Ge­sell­schafts­an­tei­le der Al GmbH, ei­nem im Raum M täti­gen Zeit­ar­beits­un­ter­neh­men, das am 9. März 2004 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wur­de. Zum Zwe­cke der Gründung ei­ner Nie­der­las­sung in München mie­te­te die Al GmbH im Ja­nu­ar 2004 zum 1. März 2004 Räum­lich­kei­ten an, zu de­nen der Kläger be­reits im Fe­bru­ar 2004 Zu­tritt hat­te und die er vor dem 1. März 2004 ein­rich­ten ließ.

Die Über­wa­chung des Klägers durch die De­tek­tei H wur­de bis ein

schließlich 27. Fe­bru­ar 2004 durch­geführt.

Für ih­re Tätig­keit be­rech­ne­te die De­tek­tei der Be­klag­ten ins­ge­samt

40.301,00 Eu­ro net­to zzgl. 16 % Um­satz­steu­er. Der Ge­samt­be­trag setzt sich aus fünf Ein­zel­rech­nun­gen zu­sam­men, nämlich aus Rech­nun­gen für den „Ein­satz­zeit­raum: 14.01.2004 bis 23.01.2004“, den „Ein­satz­zeit­raum: Ja­nu­ar


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2004“, den „Ein­satz­zeit­raum: Ja­nu­ar 2004 & Fe­bru­ar 2004“, den „Ein­satz­zeit­raum: Fe­bru­ar 2004“ so­wie aus ei­ner „Schluss-Rech­nung“ vom 8. März 2004 be­tref­fend „Ein­satz­ta­ge: Fe­bru­ar bis März 2004“.

Die Be­klag­te meint, der Kläger sei zum Er­satz der De­tek­tiv­kos­ten ver

pflich­tet. Die De­tek­tei sei anläss­lich des kon­kre­ten Ver­dachts ei­ner Kon­kur­renztätig­keit des Klägers be­auf­tragt wor­den und der Kläger sei durch die Über­wa­chung ei­ner Kon­kur­renztätig­keit tatsächlich überführt wor­den. Im Zeit­punkt der ers­ten Be­auf­tra­gung der De­tek­tei ha­be ein kon­kre­ter Ver­dacht ei­ner un­er­laub­ten Kon­kur­renztätig­keit des Klägers be­stan­den. Die­ser ha­be sich ei­ner­seits aus dem Gespräch vom 22. De­zem­ber 2003 er­ge­ben, an­de­rer­seits dar­aus, dass der Kläger sei­ne Pri­vat­ge­genstände aus sei­nem Büro bei der Be­klag­ten ent­fernt und An­fang Ja­nu­ar 2004 die Kun­din A GmbH be­sucht ha­be.

Die Be­klag­te trägt vor, sie ha­be nicht ei­nen ein­zel­nen durch­ge­hen­den

Auf­trag an die De­tek­tei ver­ge­ben, son­dern meh­re­re. Der ers­te Auf­trag ha­be ei­ne zeit­lich be­grenz­te Ob­ser­va­ti­on vom 14. bis zum 23. Ja­nu­ar 2004 so­wie Grun­d­er­mitt­lun­gen zur Wett­be­werbstätig­keit zum Ge­gen­stand ge­habt. Auf­grund der er­mit­tel­ten Ver­dachts­mo­men­te sei ei­ne zwei­te Ob­ser­vie­rungs­pha­se vom 26. bis 31. Ja­nu­ar 2004 in Auf­trag ge­ge­ben wor­den. Die­se Ob­ser­vie­rung sei auf­grund der Er­mitt­lun­gen dann bis zum 6. Fe­bru­ar 2004 verlängert wor­den. We­gen der Ak­ti­vitäten des Be­klag­ten während sei­ner Ar­beits­unfähig­keit sei so­dann ei­ne drit­te Über­wa­chung bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie ei­ne an­sch­ließen­de wei­te­re Ob­ser­vie­rung bei der De­tek­tei in Auf­trag ge­ge­ben wor­den.

Die Be­klag­te hat, so­weit der Rechts­streit in die Re­vi­si­ons­in­stanz ge-

langt ist, be­an­tragt,

den Kläger und Wi­der­be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an die Be­klag­te und Wi­derkläge­rin 37.605,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Der Kläger hat die Ab­wei­sung der Wi­der­kla­ge be­an­tragt und be­strit­ten,

sich ver­trags­un­treu ver­hal­ten zu ha­ben.


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Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die auf Zah­lung von 40.301,00 Eu­ro

nebst Zin­sen ge­rich­te­te Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten ab­ge­wie­sen. Mit der vom Se­nat zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­re Scha­dens­er­satz­for­de­rung nur noch in Höhe von 37.605,00 Eu­ro nebst Zin­sen wei­ter, nach­dem sie ih­re Re­vi­si­on um die Kos­ten für den „1. Teil­be­trag“ der Ob­ser­vie­rungs­kos­ten iHv. 2.696,00 Eu­ro (Zeit­raum 14. bis 23. Ja­nu­ar 2004) be­schränkt hat. Der Kläger hat die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on be­an­tragt.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist un­be­gründet. Ihr steht der gel­tend ge-

mach­te An­spruch auf Er­stat­tung der De­tek­tiv­kos­ten ge­gen den Kläger nicht zu.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Zurück­wei­sung der auf Er­stat­tung

die­ser Kos­ten ge­rich­te­ten Wi­der­kla­ge da­mit be­gründet, dass sich ein dies­bezügli­cher Scha­dens­er­satz­an­spruch we­der aus § 280 Abs. 1 BGB noch aus ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung er­ge­be. Zwar sei­en De­tek­tiv­kos­ten grundsätz­lich er­stat­tungsfähig, wenn der Ar­beit­ge­ber anläss­lich ei­nes kon­kre­ten Tat­ver­dachts ge­gen den Ar­beit­neh­mer ei­nem De­tek­tiv des­sen Über­wa­chung über­tra­ge und der Ar­beit­neh­mer hier­durch ei­ner vorsätz­li­chen Ver­trags­pflicht­ver­let­zung überführt wer­de. Al­ler­dings müsse der kon­kre­te Ver­dacht im Zeit­punkt der Ent­ste­hung der Auf­wen­dun­gen, al­so der Be­auf­tra­gung der De­tek­tei vor­ge­le­gen ha­ben. Hier­an feh­le es vor­lie­gend. Ins­be­son­de­re könne ein kon­kre­ter Ver­dacht we­der aus ei­nem geäußer­ten Ab­kehr­wil­len noch dar­aus ge­fol­gert wer­den, dass der Kläger ein Bild in sei­nem Büro ab­gehängt ha­be. Auch der Be­such des Klägers bei ei­nem Kun­den der Be­klag­ten, des­sen Zweck die Be­klag­te nur ver­mu­te, könne nicht die An­nah­me be­gründen, der Kläger ha­be während des noch lau­fen­den Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ei­ne Wett­be­werbstätig­keit auf­neh­men wol­len.


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Für die Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes kon­kre­ten Tat­ver­dachts sei aus

schließlich auf den Zeit­punkt der ers­ten Be­auf­tra­gung des De­tek­tivbüros am 14. Ja­nu­ar 2004 ab­zu­stel­len.

II. Das lan­des­ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen

Über­prüfung im Er­geb­nis stand.

Die Wi­der­kla­ge auf Zah­lung der ver­aus­lag­ten De­tek­tiv­kos­ten ist nicht

be­gründet.

1. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat zu­tref­fend aus­geführt, dass ein Ar­beit­ge­ber,

der ei­ne De­tek­tiv­kos­ten­er­stat­tung we­gen ei­ner Kon­kur­renztätig­keit des Ar­beit­neh­mers durch­set­zen will, kon­kre­te An­halts­punk­te dafür ha­ben muss, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne Wett­be­werbstätig­keit tatsächlich ausübt und da­durch die wett­be­werb­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers gefähr­det sind. Nach der Recht­spre­chung des Se­nats (vgl. 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 133 = EzA ZPO 2002 § 91 Nr. 4; 17. Sep­tem­ber 1998 - 8 AZR 5/97 - BA­GE 90, 1 = AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 113 = EzA BGB § 249 Nr. 23) hat der Ar­beit­neh­mer we­gen der Ver­let­zung ar­beits­ver­trag­li­cher Pflich­ten (§ 280 Abs. 1 BGB) dem Ar­beit­ge­ber die durch das Tätig­wer­den ei­nes De­tek­tivs ent­stan­de­nen not­wen­di­gen Kos­ten zu er­set­zen, wenn der Ar­beit­ge­ber auf­grund ei­nes kon­kre­ten Tat­ver­dachts ge­gen den Ar­beit­neh­mer ei­nem De­tek­tiv die Über­wa­chung des Ar­beit­neh­mers überträgt und der Ar­beit­neh­mer ei­ner vorsätz­li­chen Ver­trags­pflicht­ver­let­zung überführt wird. In­so­fern han­delt es sich um kei­ne Vor­sor­ge­kos­ten, die un­abhängig von kon­kre­ten scha­dens­stif­ten­den Er­eig­nis­sen als ständi­ge Be­triebs­aus­ga­be vom Ar­beit­ge­ber zu tra­gen sind. Nach § 249 BGB er­streckt sich die Scha­dens­er­satz­pflicht auf al­le Auf­wen­dun­gen des Geschädig­ten, so­weit die­se nach den Umständen des Fal­les als not­wen­dig an­zu­se­hen sind. Da­zu gehört auch die Ab­wehr dro­hen­der Nach­tei­le, wenn sich in­so­fern kon­kre­te Ver­dachts­mo­men­te er­ge­ben. § 254 BGB ver­langt von ei­nem Geschädig­ten al­ler­dings die Rück­sicht­nah­me auf das In­ter­es­se des Schädi­gers an der Ge­ring­hal­tung des Scha­dens. Dar­aus folgt, dass der Ar­beit­ge­ber nur für die Maßnah­men Er-


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stat­tungs­ansprüche hat, die ein vernünf­ti­ger, wirt­schaft­lich den­ken­der Ar­beit­ge­ber nach den Umständen des Ein­zel­fal­les zur Be­sei­ti­gung der Störung bzw. zur Scha­dens­verhütung nicht nur als zweckmäßig, son­dern auch als er­for­der­lich er­grif­fen ha­ben würde (Se­nat 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - aaO; 17. Sep­tem­ber 1998 - 8 AZR 5/97 - aaO).

2. Ob dem Lan­des­ar­beits­ge­richt dar­in zu fol­gen ist, dass für ei­nen An-
spruch der Be­klag­ten die kon­kre­ten An­halts­punk­te für die Kon­kur­renztätig­keit des Klägers be­reits bei der Erst­be­auf­tra­gung der De­tek­tei hätten vor­lie­gen müssen, kann für den Streit­fall da­hin­ste­hen.

Zu­tref­fend geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt zunächst da­von aus, dass vor

dem 14. Ja­nu­ar 2004 kei­ne kon­kre­ten Ver­dachts­mo­men­te für ei­ne Kon­kur­renztätig­keit des Klägers ge­ge­ben wa­ren, sich ins­be­son­de­re ein kon­kre­ter Ver­dacht we­der aus dem geäußer­ten Ab­kehr­wil­len noch aus der Ent­fer­nung pri­va­ter Ge­genstände aus dem Büro oder dem durch­geführ­ten Kun­den­be­such er­gibt. Die Be­klag­te hat un­be­strit­ten vor­ge­tra­gen, dass sie zunächst nur ei­nen Auf­trag für ei­ne zeit­lich be­grenz­te Ob­ser­va­ti­on für die Zeit vom 14. Ja­nu­ar 2004 bis zum 23. Ja­nu­ar 2004 so­wie Grun­d­er­mitt­lun­gen zur Wett­be­werbstätig­keit des Klägers er­teilt hat.

3. Während die­ses ers­ten Über­wa­chungs­zeit­rau­mes, für den die Be­klag­te
in der Re­vi­si­on kei­ne Kos­ten­er­stat­tung mehr ver­langt, hat­te sich der Ver­dacht ei­ner Wett­be­werbstätig­keit des Klägers auf­grund des Te­le­fo­nats ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der De­tek­tei mit der Ehe­frau des Klägers und durch die Ab­ga­be des An­ge­bots vom 22. Ja­nu­ar 2004 durch den Kläger an die K Group na­mens der Al GmbH bestätigt.

Die Be­klag­te er­teil­te dar­auf­hin am 23. Ja­nu­ar 2004 der De­tek­tei den

Fol­ge­auf­trag zur Über­wa­chung des Klägers vom 26. Ja­nu­ar bis zum 1. Fe­bru­ar 2004, um ihn ei­ner Kon­kur­renztätig­keit während des lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu überführen. Zum Zeit­punkt die­ser Be­auf­tra­gung stand als Er­mitt­lungs­er­geb­nis der Erst­be­schat­tung vom 14. Ja­nu­ar bis 23. Ja­nu­ar 2004 die ent­fal­te­te Tätig­keit des Klägers ge­genüber der Schein­fir­ma K Group je­doch

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be­reits fest. Ins­be­son­de­re wuss­te die Be­klag­te von dem An­ge­bot des Klägers na­mens der Al GmbH vom 22. Ja­nu­ar 2004 an die Schein­fir­ma.

Un­ter vernünf­ti­gen wirt­schaft­li­chen Ge­sichts­punk­ten war un­ter Zu

grun­de­le­gung die­ser Kennt­nis­se we­der am 23. Ja­nu­ar 2004 noch zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt die Er­tei­lung ei­nes Fol­ge­auf­trags an die De­tek­tei zur Über­wa­chung des Klägers not­wen­dig. Ei­ne sol­che Über­wa­chung konn­te zu die­sem Zeit­punkt kei­nen Bei­trag zur Be­sei­ti­gung ei­ner Ver­tragsstörung oder zur Scha­dens­verhütung mehr leis­ten.

Der Be­klag­ten ging es bei der Be­auf­tra­gung der De­tek­tei dar­um, den

Nach­weis ei­ner Kon­kur­renztätig­keit des Klägers zu er­hal­ten. Die­ser Nach­weis war mit der Vor­la­ge des vom Kläger an die Schein­fir­ma ab­ge­ge­be­nen An­ge­bots er­bracht. Die Be­klag­te wuss­te auf­grund die­ses An­ge­bots, dass der Kläger be­reits zu die­sem Zeit­punkt auf dem Markt der Ar­beit­neh­merüber­las­sung selbstständig tätig war und sei­ne Diens­te an­pries, ob­wohl er noch in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten stand. Auf­grund die­ser Kennt­nis hätte die Be­klag­te ver­schie­de­ne Möglich­kei­ten ge­habt, die Ar­beits­ver­trags­ver­let­zung durch den Kläger zu be­sei­ti­gen. So hätte sie das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger frist­los be­en­den können oder dem Kläger durch ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung die Ausübung des Wett­be­werbs un­ter­sa­gen las­sen können. Statt­des­sen hat sie den Kläger mit der Ver­trags­ver­let­zung fort­fah­ren las­sen und nicht ver­sucht, auf­grund der er­lang­ten In­for­ma­tio­nen, wei­te­re Schäden zu verhüten.

4. Der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt un­ter­schei­det sich von den bis­lang vom

Bun­des­ar­beits­ge­richt zur Fra­ge der Er­stat­tungsfähig­keit von De­tek­tiv­kos­ten ent­schie­de­nen Fall­ge­stal­tun­gen. Die­sen lag nämlich ent­we­der zu­grun­de, dass der Ar­beit­ge­ber den Be­weis­wert ei­ner Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung erschüttern woll­te, um in der Fol­ge das Ar­beits­verhält­nis be­en­den zu können (Se­nat 28. Mai 2009 - 8 AZR 226/08 - AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 133 = EzA ZPO 2002 § 91 Nr. 4) oder ne­ben der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auch kei­ne Ent­gelt­fort­zah­lung während der Kündi­gungs­frist leis­ten zu müssen (Se­nat 17. Sep­tem­ber 1998 - 8 AZR 5/97 - BA­GE 90, 1 = AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­neh­mers Nr. 113 = EzA BGB § 249 Nr. 23). In


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ei­nem wei­te­ren Ver­fah­ren ging es um den Nach­weis von Un­ter­schla­gun­gen und die Wirk­sam­keit ei­nes in die­sem Zu­sam­men­hang ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­ver­tra­ges (BAG 3. De­zem­ber 1985 - 3 AZR 277/84 - BB 1987, 689). Die­sen Sach­ver­hal­ten ist ge­mein­sam, dass der Ar­beit­ge­ber je­weils ver­sucht hat, auf­grund durch die Ob­ser­va­ti­on ge­won­ne­ner Er­kennt­nis­se die Ver­trags­ver­let­zung des Ar­beit­neh­mers durch ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­sei­ti­gen. Ein der­ar­ti­ges Ziel ver­folg­te die Be­klag­te nicht. Ihr ging es er­kenn­bar nicht dar­um, ei­ne Ver­tragsstörung zu be­sei­ti­gen oder wei­te­re Schäden zu verhüten.

Wel­che kon­kre­ten Zie­le die Be­klag­te mit dem Nach­wei­sen ei­ner

Kon­kur­renztätig­keit des Klägers ver­folgt hat, hat sie nicht aus­drück­lich vor­ge­tra­gen. Aus ih­rem Vor­brin­gen: „Da­mit wur­de der Kläger ein­zig und al­lein bis zum En­de der ar­beits­ver­trag­li­chen Lauf­zeit ob­ser­viert. Dies war auch er­for­der­lich, weil im Rah­men der Er­mitt­lungs­ar­beit auch die Pro­ble­ma­tik ‚Ab­wer­ben von Mit­ar­bei­tern’, ‚Ak­qui­rie­ren von Kun­den der Be­klag­ten’, ‚Ak­qui­rie­ren po­ten­ti­el­ler Neu­kun­den’ so­wie Über­prüfung von Büroräum­en, von de­nen her­aus Wett­be­werbstätig­keit ent­fal­tet wur­de, er­for­der­lich war“, lässt sich schließen, dass es der Be­klag­ten um die Vor­be­rei­tung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs ge­gan­gen sein könn­te. Dies­bezüglich war aber die Er­tei­lung der Fol­ge­aufträge ab dem 23. Ja­nu­ar 2004 nicht als not­wen­dig an­zu­se­hen, da der Be­klag­ten zu die­sem Zeit­punkt die Kon­kur­renztätig­keit des Klägers be­reits be­kannt war. Ihr stand ab die­sem Zeit­punkt ein Aus­kunfts­an­spruch ge­gen den Kläger zu, der ihr wei­ter­rei­chen­de Si­cher­heit ge­bo­ten hätte als der Ein­satz ei­nes De­tek­tivs, der zwar fest­stel­len kann, wo sich der Kläger aufhält und mit wem er spricht, re­gelmäßig aber nicht den In­halt ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen des Klägers mit Kon­kur­ren­ten der Be­klag­ten er­mit­teln kann.


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III. We­gen des Er­for­der­nis­ses ei­ner ein­heit­li­chen Kos­ten­ent­schei­dung war

die­se - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - dem Schlus­s­ur­teil vor­zu­be­hal­ten.

Hauck Böck Brein­lin­ger

Burr F. Ave­na­ri­us

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