HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 29.11.2017, C-214/16 - King

   
Schlagworte: Urlaub: Übertragung, Urlaubsanspruch, Scheinselbständigkeit, Urlaub: Antrag, Urlaubsabgeltung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-214/16
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.11.2017
   
Leitsätze: 1. Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und das in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf sind dahin auszulegen, dass sie es im Fall einer Streitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub gemäß der erstgenannten Vorschrift hat, verbieten, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub zunächst nehmen muss, ehe er feststellen kann, ob er für diesen Urlaub Anspruch auf Bezahlung hat.
2. Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen es einem Arbeitnehmer verwehrt ist, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, die in mehreren aufeinanderfolgenden Bezugszeiträumen wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht ausgeübt worden sind, bis zum Zeitpunkt der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zu übertragen und gegebenenfalls anzusammeln.

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Fünf­te Kam­mer)

29. No­vem­ber 2017(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - Schutz der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer - Richt­li­nie 2003/88/EG - Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - Art. 7 - Vergütung für nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub, die am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­zahlt wird - Na­tio­na­le Re­ge­lung, die ei­nen Ar­beit­neh­mer da­zu ver­pflich­tet, sei­nen Jah­res­ur­laub zu neh­men, oh­ne dass die Be­zah­lung für die­sen Ur­laub fest­ge­legt ist“

In der Rechts­sa­che C-214/16

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Court of Ap­peal (Eng­land & Wa­les) (Ci­vil Di­vi­si­on) (Be­ru­fungs­ge­richt [Eng­land und Wa­les] [Ab­tei­lung für Zi­vil­sa­chen], Ver­ei­nig­tes König­reich) mit Ent­schei­dung vom 30. März 2016, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 18. April 2016, in dem Ver­fah­ren

Con­ley King

ge­gen

The Sash Win­dow Work­shop Ltd,

Ri­chard Dol­lar

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Fünf­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten J. L. da Cruz Vi­laça, der Rich­ter E. Le­vits (Be­richt­er­stat­ter) und A. Borg Bart­het, der Rich­te­rin M. Ber­ger und des Rich­ters F. Bilt­gen,

Ge­ne­ral­an­walt: E. Tan­chev,

Kanz­ler: C. Strömholm, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29. März 2017,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- von Herrn King, ver­tre­ten durch C. Gil­roy-Scott, So­li­ci­tor, A. Da­shwood, QC, und J. Wil­liams, Bar­ris­ter,

- der The Sash Win­dow Work­shop Ltd und von Herrn Dol­lar, ver­tre­ten durch M. Pil­gerstor­fer, Bar­ris­ter, be­auf­tragt von J. Potts, So­li­ci­tor,

- der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch S. Sim­mons als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von C. Ban­ner, Bar­ris­ter,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. van Beek und J. Tom­kin als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 8. Ju­ni 2017

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
2

Das Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Con­ley King und sei­nem frühe­ren Ar­beit­ge­ber, der The Sash Win­dow Work­shop Ltd und Herrn Dol­lar (im Fol­gen­den: Sash WW), we­gen der von Herrn King ge­for­der­ten fi­nan­zi­el­len Vergütung für in den Jah­ren 1999 bis 2012 nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub.

Recht­li­cher Rah­men

Übe­r­ein­kom­men Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on

3 Art. 9 Abs. 1 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 24. Ju­ni 1970 über den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub (Neu­fas­sung) lau­tet:

„Der in Ar­ti­kel 8 Ab­satz 2 die­ses Übe­r­ein­kom­mens erwähn­te un­un­ter­bro­che­ne Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs ist spätes­tens ein Jahr und der übri­ge Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs spätes­tens acht­zehn Mo­na­te nach Ab­lauf des Jah­res, für das der Ur­laubs­an­spruch er­wor­ben wur­de, zu gewähren und zu neh­men.“

4 Das Übe­r­ein­kom­men wur­de von 37 Staa­ten ra­ti­fi­ziert, zu de­nen das Ver­ei­nig­te König­reich nicht gehört.

Uni­ons­recht

5 Im sechs­ten Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2003/88 heißt es:

„Hin­sicht­lich der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist den Grundsätzen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on Rech­nung zu tra­gen; …“

6 Art. 1 der Richt­li­nie de­fi­niert de­ren Ge­gen­stand und An­wen­dungs­be­reich. Er be­stimmt:

„(1) Die­se Richt­li­nie enthält Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung.

(2) Ge­gen­stand die­ser Richt­li­nie sind

a) … der Min­dest­jah­res­ur­laub …

…“

7 Art. 7 der Richt­li­nie lau­tet:

Jah­res­ur­laub

(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.“

8 Nach Art. 17 der Richt­li­nie 2003/88 können die Mit­glied­staa­ten von be­stimm­ten Vor­schrif­ten die­ser Richt­li­nie ab­wei­chen. Im Hin­blick auf ih­ren Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ist kei­ne Ab­wei­chung er­laubt.

Recht des Ver­ei­nig­ten König­reichs

9 Die Richt­li­nie 2003/88 wur­de durch die Working Ti­me Re­gu­la­ti­ons 1998 (Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit von 1998) in geänder­ter Fas­sung (im Fol­gen­den: Ver­ord­nung von 1998) in das Recht des Ver­ei­nig­ten König­reichs um­ge­setzt.
10 Re­gu­la­ti­on 13 der Ver­ord­nung von 1998 be­gründet den An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf Jah­res­ur­laub. In Abs. 1 heißt es:

,,[Ein] Ar­beit­neh­mer [hat] An­spruch auf vier Wo­chen Jah­res­ur­laub pro Be­zugs­zeit­raum.“

11 Re­gu­la­ti­on 13(9) die­ser Ver­ord­nung sieht vor:

Ur­laub, auf den ein Ar­beit­neh­mer nach die­ser Re­gu­la­ti­on An­spruch hat, kann in Ab­schnit­ten ge­nom­men wer­den, je­doch

(a) kann er nur in dem Be­zugs­zeit­raum ge­nom­men wer­den, in dem er zu gewähren ist, und

(b) darf er nicht durch ei­ne Zah­lung er­setzt wer­den, es sei denn, das Beschäfti­gungs­verhält­nis des Ar­beit­neh­mers wird be­en­det.“

12 Re­gu­la­ti­on 16 der Ver­ord­nung re­gelt den Ent­gelt­an­spruch des Ar­beit­neh­mers während des Jah­res­ur­laubs. In Abs. 1 die­ser Vor­schrift heißt es:

,,Für je­den Zeit­ab­schnitt des Jah­res­ur­laubs, auf den ein Ar­beit­neh­mer nach Re­gu­la­ti­on 13 An­spruch hat, hat er An­spruch auf das wöchent­li­che Ar­beits­ent­gelt be­zo­gen auf die je­wei­li­ge Ur­laubs­wo­che.“

13 Re­gu­la­ti­on 30(1) der Ver­ord­nung von 1998 gewährt dem Ar­beit­neh­mer fol­gen­des Recht:

,,(1) Ein Ar­beit­neh­mer kann bei ei­nem Em­ploy­ment Tri­bu­nal [(Ar­beits­ge­richt)] Be­schwer­de mit der Be­gründung er­he­ben, dass sein Ar­beit­ge­ber

(a) ihm die Gel­tend­ma­chung ei­nes An­spruchs ver­wehrt hat, der ihm zu­steht nach

(i) Re­gu­la­ti­on … 13(1);

… oder

b) ei­nen ihm nach der Re­gu­la­ti­on … 16(1) zu­ste­hen­den Be­trag ganz oder teil­wei­se nicht ge­zahlt hat.

(2) Ein Em­ploy­ment Tri­bu­nal [(Ar­beits­ge­richt)] prüft ei­ne Be­schwer­de nach die­ser Re­gu­la­ti­on nur, wenn sie er­ho­ben wird

(a) vor En­de des Zeit­raums von drei Mo­na­ten …, der mit dem Tag be­ginnt, an dem die Gel­tend­ma­chung des An­spruchs dem Vor­brin­gen nach hätte er­laubt wer­den müssen (oder im Fall von mehr als eintägi­gen Ru­he- oder Ur­laubs­zei­ten mit dem Tag, an dem die be­tref­fen­den Zei­ten hätten be­gin­nen müssen) bzw. die Zah­lung hätte er­fol­gen müssen;

(b) in­ner­halb ei­nes wei­te­ren Zeit­raums, den das Ge­richt für an­ge­mes­sen er­ach­tet, falls es zu der Über­zeu­gung ge­langt, dass die Er­he­bung der Be­schwer­de vor Ab­lauf des Zeit­raums von drei bzw. sechs Mo­na­ten bei bil­li­ger Be­trach­tung nicht prak­tisch möglich war.

…“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

14 Herr King ar­bei­te­te für Sash WW vom 1. Ju­ni 1999 bis zu sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand am 6. Ok­to­ber 2012 auf der Ba­sis ei­nes „Selbständi­gen-Ver­trags aus­sch­ließlich ge­gen Pro­vi­si­on“. Gemäß die­sem Ver­trag er­hielt Herr King aus­sch­ließlich Pro­vi­sio­nen. Für ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub er­hielt er kei­ne Be­zah­lung.
15 Bei Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ver­lang­te Herr King von sei­nem Ar­beit­ge­ber die Zah­lung ei­ner Vergütung so­wohl für ge­nom­me­nen, aber nicht be­zahl­ten, als auch für nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laub für den ge­sam­ten Zeit­raum sei­ner Beschäfti­gung, d. h. für die Zeit vom 1. Ju­ni 1999 bis zum 6. Ok­to­ber 2012. Sash WW wies die­se For­de­rung mit der Be­gründung zurück, dass Herr King Selbständi­ger ge­we­sen sei.
16 Herr King er­hob Kla­ge beim zuständi­gen Em­ploy­ment Tri­bu­nal (Ar­beits­ge­richt, Ver­ei­nig­tes König­reich). Die­ses un­ter­schied drei Ka­te­go­ri­en von Jah­res­ur­laub, die un­strei­tig nicht vergütet wor­den wa­ren:

- „Ur­laubs­vergütung 1“: Ur­laub, der er­wor­ben, aber zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses während des letz­ten Be­zugs­jahrs (2012/2013) nicht ge­nom­men wor­den war;

- „Ur­laubs­vergütung 2“: Ur­laub, der zwi­schen 1999 und 2012 tatsächlich ge­nom­men, aber nicht vergütet wur­de;

- „Ur­laubs­vergütung 3“: Ur­laub, der Herrn King für sei­ne ge­sam­te Beschäfti­gungs­zeit zu­stand, den er aber nicht ge­nom­men hat­te, ins­ge­samt 24,15 Wo­chen.

17 Das Em­ploy­ment Tri­bu­nal (Ar­beits­ge­richt) stell­te in sei­ner Ent­schei­dung fest, dass Herr King Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der Richt­li­nie 2003/88 sei und ei­nen An­spruch auf die ge­for­der­ten drei Ar­ten von Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ha­be.
18 Sash WW leg­te ge­gen die­se Ent­schei­dung ein Rechts­mit­tel beim Em­ploy­ment Ap­peal Tri­bu­nal (Be­ru­fungs­ge­richt in Ar­beits­sa­chen, Ver­ei­nig­tes König­reich) ein. Die­ses gab dem Rechts­mit­tel statt und ver­wies die Sa­che an das Em­ploy­ment Tri­bu­nal (Ar­beits­ge­richt) zurück. Ge­gen die­se Ent­schei­dung leg­te Herr King ein Rechts­mit­tel und Sash WW ein An­schluss­rechts­mit­tel ein.
19 Vor dem vor­le­gen­den Ge­richt, dem Court of Ap­peal (Eng­land & Wa­les) (Ci­vil Di­vi­si­on) (Be­ru­fungs­ge­richt [Eng­land und Wa­les] [Ab­tei­lung für Zi­vil­sa­chen]) ist nun­mehr un­strei­tig, dass Herr King „Ar­beit­neh­mer“ im Sin­ne der Richt­li­nie 2003/88 ist und An­spruch auf die „Ur­laubs­vergütun­gen 1 und 2“ hat.
20 In Be­zug auf die „Ur­laubs­vergütung 3“ macht Sash WW gel­tend, dass Herr King nach Re­gu­la­ti­on 13(9)(a) der Ver­ord­nung von 1998 nicht be­rech­tigt ge­we­sen sei, Zei­ten nicht ge­nom­me­nen Jah­res­ur­laubs auf ein neu­es Be­zugs­jahr zu über­tra­gen. Da er kei­ne Be­schwer­de gemäß Re­gu­la­ti­on 30(1)(a) die­ser Ver­ord­nung ein­ge­legt ha­be, ha­be Herr King in­so­weit jeg­li­che Ansprüche in Be­zug auf sei­nen Jah­res­ur­laub ver­lo­ren, als ein An­trag auf ei­ne Vergütung für in den frag­li­chen Be­zugs­jah­ren nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ver­fris­tet sei.
21 Herr King ist da­ge­gen der Auf­fas­sung, dass sei­ne Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, den er des­halb nicht ge­nom­men ha­be, weil der Ar­beit­ge­ber ihn nicht vergütet ha­be, trotz Re­gu­la­ti­on 13(9)(a) der Ver­ord­nung von 1998 auf das nächs­te Be­zugs­jahr und an­sch­ließend bis zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses je­weils auf das nach­fol­gen­de Jahr über­tra­gen wor­den sei­en. Un­ter Be­ru­fung auf das Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a. (C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18), macht Herr King gel­tend, dass der An­spruch auf ei­ne Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub erst am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­stan­den und sei­ne Kla­ge da­mit frist­ge­recht er­ho­ben wor­den sei.
22 Das vor­le­gen­de Ge­richt, das fest­stellt, dass das Recht des Ver­ei­nig­ten König­reichs ei­ne Über­tra­gung von Jah­res­ur­laub über den Be­zugs­zeit­raum, für den der Ur­laub gewährt sei, hin­aus nicht zu­las­se und nicht un­be­dingt ei­nen wirk­sa­men Rechts­be­helf bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 vor­se­he, ist nicht si­cher, wie das für die Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Rechts­streits maßgeb­li­che Uni­ons­recht aus­zu­le­gen ist.
23 Hier­zu führt es ins­be­son­de­re aus, dass der Fall ei­ner Über­tra­gung von be­zahl­tem Jah­res­ur­laub, der we­gen der Wei­ge­rung des Ar­beit­ge­bers, ihn zu vergüten, nicht ge­nom­men wor­den sei, an­ders zu be­ur­tei­len sein könn­te als wenn es um Jah­res­ur­laub ge­he, den der Ar­beit­neh­mer aus Krank­heits­gründen nicht ge­nom­men ha­be. Die ein­schlägi­gen Vor­schrif­ten des Uni­ons­rechts sei­en vom Ge­richts­hof aber nur im Zu­sam­men­hang mit der letz­te­ren Si­tua­ti­on aus­ge­legt wor­den.
24 Un­ter die­sen Umständen hat der Court of Ap­peal (Eng­land & Wa­les) (Ci­vil Di­vi­si­on) (Be­ru­fungs­ge­richt [Eng­land und Wa­les] [Ab­tei­lung für Zi­vil­sa­chen]) be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen vor­zu­le­gen:

1. Ist es im Fall ei­ner Strei­tig­keit zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und ei­nem Ar­beit­ge­ber über die Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 hat, mit dem Uni­ons­recht und ins­be­son­de­re mit dem Grund­satz ei­nes wirk­sa­men Rechts­be­helfs ver­ein­bar, wenn der Ar­beit­neh­mer zunächst Ur­laub neh­men muss, ehe er fest­stel­len kann, ob er An­spruch auf Be­zah­lung hat?

2. Wenn der Ar­beit­neh­mer den ihm zu­ste­hen­den Jah­res­ur­laub in dem Be­zugs­zeit­raum, in dem ein An­spruch aus­zuüben ist, ganz oder teil­wei­se nicht nimmt, den Ur­laub aber ge­nom­men hätte, wenn nicht der Ar­beit­ge­ber die Vergütung für ge­nom­me­ne Ur­laubs­zei­ten ver­wei­gern würde, kann dann der Ar­beit­neh­mer gel­tend ma­chen, dass er an der Ausübung sei­nes An­spruchs auf be­zahl­ten Ur­laub ge­hin­dert ist, so dass der An­spruch so lan­ge über­tra­gen wird, bis der Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit zur Ausübung des An­spruchs hat?

3. Wenn der An­spruch über­tra­gen wird, er­folgt die Über­tra­gung dann zeit­lich un­be­grenzt oder gilt ein be­grenz­ter Zeit­raum für die Ausübung des über­tra­ge­nen An­spruchs in Ent­spre­chung zu den Gren­zen, die vor­ge­se­hen sind, wenn der Ar­beit­neh­mer den Ur­laubs­an­spruch im be­tref­fen­den Be­zugs­zeit­raum we­gen Krank­heit nicht ausüben kann?

4. Wenn es kei­ne ge­setz­li­che oder ver­trag­li­che Be­stim­mung zur Fest­le­gung ei­nes Über­tra­gungs­zeit­raums gibt, ist dann das Ge­richt zur Fest­set­zung ei­ner Gren­ze für den Über­tra­gungs­zeit­raum ver­pflich­tet, um si­cher­zu­stel­len, dass die An­wen­dung der na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten über die Ar­beits­zeit nicht den mit Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­folg­ten Zweck verfälscht?

5. Ist in die­sem Fall ein Zeit­raum von 18 Mo­na­ten nach dem En­de des Ur­laubs­jahrs, in dem der Ur­laub er­wor­ben wur­de, mit dem An­spruch aus Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar?

Zum An­trag auf Wie­de­reröff­nung des münd­li­chen Ver­fah­rens

25 Nach der Ver­le­sung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts am 8. Ju­ni 2017 hat Herr King mit Schrift­satz, der am 19. Ju­ni 2017 bei der Kanz­lei des Ge­richts­hofs ein­ge­gan­gen ist, die Wie­de­reröff­nung des münd­li­chen Ver­fah­rens be­an­tragt. Da­bei stützt er sich im We­sent­li­chen dar­auf, dass die Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts ein Miss­verständ­nis in Be­zug auf ei­nen ihm im Lau­fe des Jah­res 2008 an­ge­bo­te­nen Ar­beits­ver­trag ent­hiel­ten.
26 Hier­zu ist fest­zu­stel­len, dass der Ge­ne­ral­an­walt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV die Auf­ga­be hat, öffent­lich in völli­ger Un­par­tei­lich­keit und Un­abhängig­keit be­gründe­te Schluss­anträge zu den Rechts­sa­chen zu stel­len, in de­nen nach der Sat­zung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on sei­ne Mit­wir­kung er­for­der­lich ist. Die Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts oder ih­re Be­gründung bin­den den Ge­richts­hof nicht (Ur­teil vom 22. Ju­ni 2017, Fe­de­ra­tie Neder­land­se Vak­ver­eni­ging u. a., C-126/16, EU:C:2017:489, Rn. 31 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
27 Dass ein Be­tei­lig­ter nicht mit den Schluss­anträgen des Ge­ne­ral­an­walts ein­ver­stan­den ist, kann folg­lich un­abhängig von den dar­in un­ter­such­ten Fra­gen für sich ge­nom­men kein Grund sein, der die Wie­de­reröff­nung der münd­li­chen Ver­hand­lung recht­fer­tigt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015, Mo­ry u. a./Kom­mis­si­on, C-33/14 P, EU:C:2015:609, Rn. 26).
28 Al­ler­dings sieht Art. 83 der Ver­fah­rens­ord­nung des Ge­richts­hofs vor, dass die­ser je­der­zeit nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts die Wie­de­reröff­nung des münd­li­chen Ver­fah­rens be­sch­ließen kann, ins­be­son­de­re wenn er sich für un­zu­rei­chend un­ter­rich­tet hält, wenn ei­ne Par­tei nach Ab­schluss des münd­li­chen Ver­fah­rens ei­ne neue Tat­sa­che un­ter­brei­tet hat, die von ent­schei­den­der Be­deu­tung für die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs ist, oder wenn ein zwi­schen den Par­tei­en oder den in Art. 23 der Sat­zung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on be­zeich­ne­ten Be­tei­lig­ten nicht erörter­tes Vor­brin­gen ent­schei­dungs­er­heb­lich ist.
29 Dies ist hier je­doch nicht der Fall. Der Ge­richts­hof ist nämlich nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts der Auf­fas­sung, dass er über al­le An­ga­ben verfügt, die für sei­ne Ent­schei­dung er­for­der­lich sind.
30 Un­ter die­sen Umständen ist das münd­li­che Ver­fah­ren nicht wie­der­zu­eröff­nen.

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur ers­ten Fra­ge

31 Mit sei­ner ers­ten Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 und das in Art. 47 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on (im Fol­gen­den: Char­ta) ver­an­ker­te Recht auf ei­nen wirk­sa­men Rechts­be­helf da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie es im Fall ei­ner Strei­tig­keit zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und sei­nem Ar­beit­ge­ber über die Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß der erst­ge­nann­ten Vor­schrift hat, ver­bie­ten, dass der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ur­laub zunächst neh­men muss, ehe er fest­stel­len kann, ob er für die­sen Ur­laub An­spruch auf Be­zah­lung hat.
32 In­so­weit ist ers­tens dar­auf hin­zu­wei­sen, dass je­der Ar­beit­neh­mer, wie sich be­reits aus dem Wort­laut von Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 er­gibt – ei­ner Be­stim­mung, von der die­se Richt­li­nie kei­ne Ab­wei­chung zulässt –, An­spruch auf ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen hat. Die­ser An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ist als ein be­son­ders be­deut­sa­mer Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on an­zu­se­hen, des­sen Um­set­zung durch die zuständi­gen na­tio­na­len Stel­len nur in den Gren­zen er­fol­gen kann, die in der Richt­li­nie 2003/88 selbst aus­drück­lich vor­ge­se­hen sind (Ur­teil vom 30. Ju­ni 2016, Sobc­zy­szyn, C-178/15, EU:C:2016:502, Rn. 19 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
33

Zwei­tens ist fest­zu­stel­len, dass der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub in Art. 31 Abs. 2 der Char­ta, der von Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che recht­li­che Rang wie den Verträgen zu­er­kannt wird, aus­drück­lich ver­an­kert ist (Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C-214/10, EU:C:2011:761, Rn. 37).

34 Drit­tens er­gibt sich aus dem Wort­laut der Richt­li­nie 2003/88 und der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs, dass es zwar Sa­che der Mit­glied­staa­ten ist, die Vor­aus­set­zun­gen für die Ausübung und die Um­set­zung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub fest­zu­le­gen, sie da­bei aber nicht be­reits die Ent­ste­hung die­ses sich un­mit­tel­bar aus der Richt­li­nie er­ge­ben­den An­spruchs von ir­gend­ei­ner Vor­aus­set­zung abhängig ma­chen dürfen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 28).
35 Vier­tens geht aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs eben­falls her­vor, dass die Richt­li­nie 2003/88 den An­spruch auf Jah­res­ur­laub und den auf Zah­lung des Ur­laubs­ent­gelts als zwei As­pek­te ei­nes ein­zi­gen An­spruchs be­han­delt. Durch das Er­for­der­nis der Zah­lung die­ses Ur­laubs­ent­gelts soll der Ar­beit­neh­mer während des Jah­res­ur­laubs in ei­ne La­ge ver­setzt wer­den, die in Be­zug auf das Ent­gelt mit den Zei­ten ge­leis­te­ter Ar­beit ver­gleich­bar ist (vgl. Ur­teil vom 22. Mai 2014, Lock, C-539/12, EU:C:2014:351, Rn. 17 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
36 Aus dem Vor­ste­hen­den er­gibt sich, dass der Ar­beit­neh­mer, wenn er sei­nen Jah­res­ur­laub nimmt, das Ent­gelt er­hal­ten können muss, auf das er gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 An­spruch hat.
37 Der Zweck des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub liegt nämlich dar­in, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zu er­ho­len und über ei­nen Zeit­raum für Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 25, und vom 30. Ju­ni 2016, Sobc­zy­szyn, C-178/15, EU:C:2016:502, Rn. 25).
38 Je­doch wäre, wie die Kom­mis­si­on in ih­ren schrift­li­chen Erklärun­gen dar­legt, ein Ar­beit­neh­mer, der mit Umständen kon­fron­tiert ist, die ge­eig­net sind, während sei­nes Jah­res­ur­laubs Un­si­cher­heit in Be­zug auf das ihm ge­schul­de­te Ent­gelt aus­zulösen, nicht in der La­ge, die­sen Ur­laub voll und ganz als Zeit­raum für Ent­span­nung und Frei­zeit gemäß Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 zu ge­nießen.
39 Sol­che Umstände können den Ar­beit­neh­mer außer­dem da­von ab­hal­ten, sei­nen Jah­res­ur­laub zu neh­men. In­so­weit ist fest­zu­stel­len, dass auch je­de Pra­xis oder Un­ter­las­sung ei­nes Ar­beit­ge­bers, die den Ar­beit­neh­mer da­von ab­hal­ten kann, den Jah­res­ur­laub zu neh­men, ge­gen das mit dem Recht auf Jah­res­ur­laub ver­folg­te Ziel verstößt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 22. Mai 2014, Lock, C-539/12, EU:C:2014:351, Rn. 23 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
40 In die­sem Zu­sam­men­hang kann die Wah­rung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ent­ge­gen dem Vor­brin­gen des Ver­ei­nig­ten König­reichs in sei­nen schrift­li­chen Erklärun­gen nicht von ei­ner Tat­sa­chenwürdi­gung der fi­nan­zi­el­len La­ge abhängen, in der sich der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer zu dem Zeit­punkt be­fin­det, zu dem er den Ur­laub nimmt.
41 Was die Rechts­we­ge be­trifft, die dem Ar­beit­neh­mer im Fall ei­ner Strei­tig­keit mit dem Ar­beit­ge­ber of­fen­ste­hen müssen, um sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß der Richt­li­nie 2003/88 gel­tend ma­chen zu können, so enthält die­se Richt­li­nie zwar hier­zu kei­ner­lei Be­stim­mun­gen. Es steht je­doch fest, dass die Mit­glied­staa­ten in die­sem Zu­sam­men­hang die Be­ach­tung des in Art. 47 der Char­ta ver­an­ker­ten Rechts auf ei­nen wirk­sa­men Rechts­be­helf gewähr­leis­ten müssen (vgl. ent­spre­chend Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2016, Star Sto­r­a­ge u. a., C-439/14 und C-488/14, EU:C:2016:688, Rn. 46).
42 Im vor­lie­gen­den Fall geht aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung her­vor, dass der in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­ne An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub im Ver­ei­nig­ten König­reich durch zwei ver­schie­de­ne Re­gu­la­ti­ons der Ver­ord­nung von 1998 um­ge­setzt wird, nämlich zum ei­nen Re­gu­la­ti­on 13 der Ver­ord­nung, die ei­nen An­spruch auf Jah­res­ur­laub vor­sieht, und zum an­de­ren Re­gu­la­ti­on 16 der Ver­ord­nung, die den An­spruch auf Be­zah­lung die­ses Ur­laubs be­gründet. Der­sel­ben Lo­gik fol­gend er­kennt Re­gu­la­ti­on 30(1) die­ser Ver­ord­nung dem Ar­beit­neh­mer das Recht auf zwei ge­richt­li­che Rechts­be­hel­fe („claims“) zu. Die­ser kann ein Ge­richt an­ru­fen, um ent­we­der die Wei­ge­rung sei­nes Ar­beit­ge­bers, ihm den ihm nach Re­gu­la­ti­on 13 zu­ste­hen­den An­spruch auf Jah­res­ur­laub zu gewähren, an­zu­fech­ten oder gel­tend zu ma­chen, dass sein Ar­beit­ge­ber ihm sei­nen Ur­laub ent­ge­gen Re­gu­la­ti­on 16 nicht oder teil­wei­se nicht be­zahlt hat.
43 In Be­zug auf den Aus­gangs­rechts­streit geht aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung her­vor, dass das Em­ploy­ment Ap­peal Tri­bu­nal (Be­ru­fungs­ge­richt in Ar­beits­sa­chen) die­se Be­stim­mun­gen da­hin aus­ge­legt hat, dass ein Ar­beit­neh­mer ers­tens ei­nen Ver­s­toß ge­gen sei­nen An­spruch auf Jah­res­ur­laub gemäß Re­gu­la­ti­on 13 der Ver­ord­nung von 1998 nur gel­tend ma­chen könne, so­weit sein Ar­beit­ge­ber ihn über­haupt kei­nen Ur­laub – be­zahlt oder un­be­zahlt – neh­men las­se, und zwei­tens auf der Grund­la­ge von Re­gu­la­ti­on 16 der Ver­ord­nung die Be­zah­lung nur für tatsächlich ge­nom­me­nen Ur­laub be­an­spru­chen könne.
44 Die­se Aus­le­gung der ein­schlägi­gen na­tio­na­len Rechts­be­hel­fe führt aber in dem Fall, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer nur un­be­zahl­ten Ur­laub gewährt, zu dem Er­geb­nis, dass sich der Ar­beit­neh­mer vor Ge­richt nicht auf sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Ur­laub als sol­chen be­ru­fen kann. Er wäre zunächst ge­zwun­gen, un­be­zahl­ten Ur­laub zu neh­men und dann des­sen Be­zah­lung ein­zu­kla­gen.
45 Ein sol­ches Er­geb­nis ist mit Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 aus den in den Rn. 36 bis 40 des vor­lie­gen­den Ur­teils dar­ge­leg­ten Gründen nicht ver­ein­bar.
46 Erst recht macht ei­ne Aus­le­gung der na­tio­na­len Rechts­be­hel­fe in dem in Rn. 43 des vor­lie­gen­den Ur­teils be­schrie­be­nen Sin­ne es ei­nem Ar­beit­neh­mer in der La­ge von Herrn King unmöglich, sich nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf ei­nen Ver­s­toß ge­gen Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 we­gen ge­schul­de­ten, aber nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs zu be­ru­fen, um die in Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie ge­nann­te Vergütung zu er­hal­ten. Ei­nem Ar­beit­neh­mer wie dem Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens wird da­mit ein wirk­sa­mer Rechts­be­helf vor­ent­hal­ten.
47 Nach al­le­dem ist auf die ers­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 und das in Art. 47 der Char­ta ver­an­ker­te Recht auf ei­nen wirk­sa­men Rechts­be­helf da­hin aus­zu­le­gen sind, dass sie es im Fall ei­ner Strei­tig­keit zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und sei­nem Ar­beit­ge­ber über die Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß der erst­ge­nann­ten Vor­schrift hat, ver­bie­ten, dass der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ur­laub zunächst neh­men muss, ehe er fest­stel­len kann, ob er für die­sen Ur­laub An­spruch auf Be­zah­lung hat.

Zu den Fra­gen zwei bis fünf

48 Mit sei­nen Fra­gen zwei bis fünf, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen es ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­wehrt ist, Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, die in meh­re­ren auf­ein­an­der­fol­gen­den Be­zugs­zeiträum­en we­gen der Wei­ge­rung des Ar­beit­ge­bers, die­se Ur­laubs­zei­ten zu vergüten, nicht aus­geübt wor­den sind, bis zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu über­tra­gen und ge­ge­be­nen­falls an­zu­sam­meln.
49 Zur Be­ant­wor­tung der ge­stell­ten Fra­gen ist in­so­weit dar­auf hin­zu­wei­sen, dass der Ge­richts­hof, ins­be­son­de­re in sei­nem Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a. (C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18), be­reits über Fra­gen zu ent­schei­den hat­te, die den An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ei­nes Ar­beit­neh­mers be­tra­fen, der sei­nen Ur­laubs­an­spruch aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen, nämlich we­gen Krank­heit, bis zum En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ausüben konn­te.
50 Im vor­lie­gen­den Fall hat Herr King sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub aber ge­ra­de aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen vor sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand nicht aus­geübt. In­so­weit ist klar­zu­stel­len, dass es für die Be­ant­wor­tung der vor­lie­gen­den Vor­ab­ent­schei­dungs­fra­gen un­er­heb­lich ist, ob der Be­trof­fe­ne zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt sei­nes Ver­trags­verhält­nis­ses mit sei­nem Ar­beit­ge­ber ei­nen an­de­ren Ver­trag hätte an­neh­men können, der ei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor­sah. Der Ge­richts­hof hat nämlich das Ar­beits­verhält­nis zu berück­sich­ti­gen, wie es be­stand und – aus wel­chem Grund auch im­mer – bis zum Ein­tritt von Herrn King in den Ru­he­stand fort­dau­er­te, oh­ne dass die­ser sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ausüben konn­te.
51 So­mit ist ers­tens dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Richt­li­nie 2003/88 es den Mit­glied­staa­ten we­der er­laubt, die Ent­ste­hung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub aus­zu­sch­ließen, noch vor­zu­se­hen, dass der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ei­nes an der Ausübung die­ses An­spruchs ge­hin­der­ten Ar­beit­neh­mers nach Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums er­lischt (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 47 und 48 so­wie die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
52 Darüber hin­aus geht aus der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs her­vor, dass ein Ar­beit­neh­mer, der aus von sei­nem Wil­len un­abhängi­gen Gründen nicht in der La­ge war, sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses aus­zuüben, An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 hat. Die­se Vergütung ist in der Wei­se zu be­rech­nen, dass der Ar­beit­neh­mer so ge­stellt wird, als hätte er den Ur­laubs­an­spruch während der Dau­er sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus­geübt (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a. C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 61).
53 Zwei­tens ist fest­zu­stel­len, dass in den Rechts­sa­chen, in de­nen die Ur­tei­le des Ge­richts­hofs zu Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 er­gan­gen sind, die be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer we­gen krank­heits­be­ding­ter Fehl­zei­ten an der Ausübung ih­res An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­hin­dert wa­ren.
54 In die­sem be­son­de­ren Zu­sam­men­hang hat der Ge­richts­hof ent­schie­den, dass es nicht mehr dem Zweck des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ent­spre­chen würde, wenn ein Ar­beit­neh­mer, der während meh­re­rer Be­zugs­zeiträume in Fol­ge ar­beits­unfähig ist, be­rech­tigt wäre, un­be­grenzt al­le während des Zeit­raums sei­ner Ab­we­sen­heit von der Ar­beit er­wor­be­nen Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub an­zu­sam­meln (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C-214/10, EU:C:2011:761, Rn. 29 und 30).
55 Un­ter den be­son­de­ren Umständen, dass ein Ar­beit­neh­mer während meh­re­rer Be­zugs­zeiträume in Fol­ge ar­beits­unfähig ist, hat der Ge­richts­hof al­so mit Blick nicht nur auf den Schutz des Ar­beit­neh­mers, den die Richt­li­nie 2003/88 be­zweckt, son­dern auch auf den des Ar­beit­ge­bers, der sich der Ge­fahr der An­samm­lung von zu lan­gen Ab­we­sen­heits­zei­ten des Ar­beit­neh­mers und den Schwie­rig­kei­ten, die sich dar­aus für die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­ge­ben können, aus­ge­setzt sieht, ent­schie­den, dass Art. 7 die­ser Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten nicht ent­ge­gen­steht, die die Möglich­keit für ei­nen während meh­re­rer Be­zugs­zeiträume in Fol­ge ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mer, Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub an­zu­sam­meln, da­durch ein­schränken, dass sie ei­nen Über­tra­gungs­zeit­raum von 15 Mo­na­ten vor­se­hen, nach des­sen Ab­lauf der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­lischt (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C-214/10, EU:C:2011:761, Rn. 38, 39 und 44).
56 Hier­aus folgt, dass drit­tens zu prüfen ist, ob Umstände wie die im Aus­gangs­rechts­streit ge­ge­be­nen „be­son­de­re“ Umstände im Sin­ne der in der vor­ste­hen­den Rand­num­mer an­geführ­ten Recht­spre­chung sind, so dass sie – eben­so wie ei­ne länge­re Ab­we­sen­heit des Ar­beit­neh­mers we­gen Krank­schrei­bung – ei­ne Aus­nah­me von dem in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 und in Art. 31 Abs. 2 der Char­ta auf­ge­stell­ten Grund­satz recht­fer­ti­gen, wo­nach ein An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nach Ab­lauf des Be­zugs­zeit­raums und/oder ei­nes im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Über­tra­gungs­zeit­raums nicht er­lischt, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht in der La­ge war, sei­nen Ur­laub zu neh­men.
57 In die­sem Zu­sam­men­hang ist auf fol­gen­de Ge­sichts­punk­te hin­zu­wei­sen.
58 Ers­tens darf der An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht re­strik­tiv aus­ge­legt wer­den (vgl. Ur­teil vom 22. April 2010, Zen­tral­be­triebs­rat der Lan­des­kran­kenhäuser Ti­rols, C-486/08, EU:C:2010:215, Rn. 29). Ab­wei­chun­gen von der Uni­ons­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung müssen da­her so aus­ge­legt wer­den, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie ermögli­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010, Uni­on syn­di­ca­le So­li­dai­res Isère, C-428/09, EU:C:2010:612, Rn. 40 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
59 Un­ter Umständen wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den er­scheint aber ein Schutz der In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers nicht zwin­gend not­wen­dig und ver­mag da­her ein Ab­wei­chen vom An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht zu recht­fer­ti­gen.
60 Es ist nämlich fest­zu­stel­len, dass die Be­ur­tei­lung des An­spruchs ei­nes Ar­beit­neh­mers wie Herr King auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht mit ei­ner Si­tua­ti­on in Zu­sam­men­hang steht, in der sein Ar­beit­ge­ber mit Ab­we­sen­heits­zei­ten von Herrn King kon­fron­tiert ge­we­sen wäre, aus de­nen sich – wie bei ei­ner Krank­schrei­bung von lan­ger Dau­er – Schwie­rig­kei­ten für die Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on er­ge­ben hätten. Der Ar­beit­ge­ber konn­te viel­mehr bis zum Ein­tritt sei­nes Ar­beit­neh­mers in den Ru­he­stand da­von pro­fi­tie­ren, dass die­ser sei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit bei ihm nicht un­ter­bro­chen hat, um be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men.
61 Zwei­tens ist der Um­stand, dass Sash WW irrtümlich da­von aus­ging, dass Herr King kei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ha­be, selbst dann un­er­heb­lich, wenn er er­wie­sen wäre. Es ob­liegt nämlich dem Ar­beit­ge­ber, sich um­fas­send m über sei­ne Ver­pflich­tun­gen in die­sem Be­reich zu in­for­mie­ren.
62 Wie sich aus Rn. 34 des vor­lie­gen­den Ur­teils er­gibt, darf nicht be­reits die Ent­ste­hung des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub von ir­gend­ei­ner Vor­aus­set­zung abhängig ge­macht wer­den, da die­ser An­spruch dem Ar­beit­neh­mer un­mit­tel­bar durch die Richt­li­nie 2003/88 ver­lie­hen wird. So­mit ist es, was das Aus­gangs­ver­fah­ren be­trifft, ir­re­le­vant, ob Herr King im Lau­fe der Jah­re be­zahl­ten Jah­res­ur­laub be­an­tragt hat oder nicht (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 27 und 28).
63 Aus dem Vor­ste­hen­den er­gibt sich, dass an­ders als im Fall des An­sam­melns von Ansprüchen auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub durch ei­nen Ar­beit­neh­mer, der aus Krank­heits­gründen dar­an ge­hin­dert war, die­sen Ur­laub zu neh­men, der Ar­beit­ge­ber, der ei­nen Ar­beit­neh­mer nicht in die La­ge ver­setzt, sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub aus­zuüben, die sich hier­aus er­ge­ben­den Fol­gen zu tra­gen hat.
64 Drit­tens darf un­ter sol­chen Umständen, wenn es kei­ne na­tio­na­le ge­setz­li­che oder ver­trag­li­che Vor­schrift gibt, die ei­ne Be­gren­zung der Über­tra­gung von Ur­laubs­ansprüchen im Ein­klang mit den An­for­de­run­gen des Uni­ons­rechts vor­sieht (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C-214/10, EU:C:2011:761 und vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263), die in der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­ne Uni­ons­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung nicht re­strik­tiv aus­ge­legt wer­den. Ließe man un­ter die­sen Umständen ein Erlöschen der vom Ar­beit­neh­mer er­wor­be­nen Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu, würde man da­mit nämlich im Er­geb­nis ein Ver­hal­ten bestäti­gen, das zu ei­ner un­rechtmäßigen Be­rei­che­rung des Ar­beit­ge­bers führt und dem ei­gent­li­chen Zweck der Richt­li­nie, die Ge­sund­heit des Ar­beit­neh­mers zu schützen, zu­wi­derläuft.
65

Nach al­le­dem ist auf die Fra­gen zwei bis fünf zu ant­wor­ten, dass Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen es ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­wehrt ist, Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, die in meh­re­ren auf­ein­an­der­fol­gen­den Be­zugs­zeiträum­en we­gen der Wei­ge­rung des Ar­beit­ge­bers, die­se Ur­laubs­zei­ten zu vergüten, nicht aus­geübt wor­den sind, bis zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu über­tra­gen und ge­ge­be­nen­falls an­zu­sam­meln.

Kos­ten

66 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Fünf­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung und das in Art. 47 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on ver­an­ker­te Recht auf ei­nen wirk­sa­men Rechts­be­helf sind da­hin aus­zu­le­gen, dass sie es im Fall ei­ner Strei­tig­keit zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und sei­nem Ar­beit­ge­ber über die Fra­ge, ob der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub gemäß der erst­ge­nann­ten Vor­schrift hat, ver­bie­ten, dass der Ar­beit­neh­mer sei­nen Ur­laub zunächst neh­men muss, ehe er fest­stel­len kann, ob er für die­sen Ur­laub An­spruch auf Be­zah­lung hat.

2. Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen es ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­wehrt ist, Ansprüche auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, die in meh­re­ren auf­ein­an­der­fol­gen­den Be­zugs­zeiträum­en we­gen der Wei­ge­rung des Ar­beit­ge­bers, die­se Ur­laubs­zei­ten zu vergüten, nicht aus­geübt wor­den sind, bis zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu über­tra­gen und ge­ge­be­nen­falls an­zu­sam­meln.

Un­ter­schrif­ten

 

Ver­fah­rens­spra­che: Eng­lisch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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