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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/172

"AGG-Hop­per" dür­fen nicht ver­öf­fent­licht wer­den

Gleiss Lutz schal­tet AGG-Hop­per off­line
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller Wird AGB-Hop­ping zum neu­en Trend?

22.09.2009. In der Pra­xis wird häu­fig ein Ent­schä­di­gungs­an­spruch hin­sicht­lich ei­ner be­haup­te­ten Dis­kri­mi­nie­rung gel­tend ge­macht, wenn ei­ne Stel­len­aus­schrei­bung un­ter Ver­stoß ge­gen § 11 AGG nicht „dis­kri­mi­nie­rungs­frei“ for­mu­liert wur­de a lá: „Wir su­chen jun­ge, mo­ti­vier­te Mit­ar­bei­ter“. Auf ei­ne sol­che Aus­schrei­bung hin ab­ge­lehn­te Be­wer­ber, ha­ben dann un­ter Um­stän­den An­spruch auf ei­ne Gel­dent­schä­di­gung.

Schon mit In­kraft­tre­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­gest­zes (AGG) wur­de al­ler­dings be­fürch­tet, dass die­ser An­spruch zu rechts­miss­bräuch­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­be­haup­tun­gen füh­ren könn­te. 

Die vor al­lem auf Ar­beit­ge­ber­sei­te tä­ti­ge Rechts­an­walts­kanz­lei Gleiss Lutz hat­te aus die­sem Grund ei­ne Aus­kunfts­stel­le im In­ter­net ein­ge­rich­tet, in der die­je­ni­gen Per­so­nen na­ment­lich be­nannt wur­den, die als AGG-Hop­per in Er­schei­nung ge­tre­ten wa­ren (www.agg-hop­ping.de). Das wie­der­um rief die Da­ten­schüt­zer auf den Plan ...

Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz (AGG) soll ins­be­son­de­re vor Dis­kri­mi­nie­run­gen im Be­rufs­le­ben schützen und ist da­her ei­nes der wich­tigs­ten ar­beits­recht­li­chen Ge­set­ze. Ar­beit­neh­mer, die im Be­rufs­le­ben we­gen der eth­ni­schen Her­kunft, des Ge­schlechts, der Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters, der se­xu­el­len Iden­tität oder aus ras­sis­ti­schen Gründen dis­kri­mi­niert wer­den, können sol­che Dis­kri­mi­nie­run­gen ab­weh­ren. Außer­dem ha­ben sie An­spruch auf Scha­dens­er­satz so­wie auf ei­ne Gel­dentschädi­gung we­gen der da­durch er­lit­te­nen Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung.

In der Pra­xis wird der ge­setz­li­che Entschädi­gungs­an­spruch oft in Fällen gel­tend ge­macht, in de­nen ei­ne Stel­len­aus­schrei­bung un­ter Ver­s­toß ge­gen § 11 AGG nicht „dis­kri­mi­nie­rungs­frei“ for­mu­liert wur­de („Ver­kaufs­lei­ter ge­sucht“, „Wir stel­len ein: As­sis­ten­tin der Geschäfts­lei­tung.“, „Wir su­chen ei­ne Verstärkung un­se­res jun­gen Teams.“). Mel­det sich dann ein Be­wer­ber, auf den die dis­kri­mi­nie­ren­de Stel­len­aus­schrei­bung nicht passt, weil er z.B. männ­li­chen Ge­schlechts ist, ob­wohl die Stel­len­aus­schrei­bung auf Frau­en gemünzt ist, und wird er ab­ge­lehnt, kann er Geld ver­lan­gen, und zwar in der Re­gel ei­ne Gel­dentschädi­gung in Höhe von drei Brut­to­mo­nats­gehältern gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Vor­aus­set­zung ist nach der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te al­ler­dings, dass er sich „ernst­haft“ auf die Stel­le be­wor­ben hat.

Schon als das AGG am 18.08.2006 in Kraft trat, befürch­te­ten Ar­beit­ge­ber, sie würden in großer Zahl von Ar­beit­neh­mern und vor al­lem von Stel­len­be­wer­ber in An­spruch ge­nom­men wer­den, die in rechts­miss­bräuch­li­cher Ab­sicht be­haup­ten, Op­fer ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung zu sein. Befürch­tet wur­de ei­ne von sog. „AGG-Hop­pern“ ver­ur­sach­te Kla­ge­flut (die aus­blieb).

Mit Blick auf die befürch­te­te Flut miss­bräuch­li­cher Be­ru­fun­gen auf die fi­nan­zi­el­len „Möglich­kei­ten“ des AGG rich­tet die vor al­lem auf Ar­beit­ge­ber­sei­te täti­ge re­nom­mier­te Rechts­an­walts­kanz­lei Gleiss Lutz ei­ne Aus­kunfts­stel­le im In­ter­net ein, die Ar­beit­ge­bern die­je­ni­gen Per­so­nen na­ment­lich be­kannt mach­te, die als AGG-Hop­per in Er­schei­nung ge­tre­ten wa­ren (www.agg-hop­ping.de).

Da­zu zähl­te man al­le die­je­ni­gen Per­so­nen, die sich ge­zielt auf ei­ne Viel­zahl dis­kri­mi­nie­rend for­mu­lier­ter Stel­len­an­zei­gen be­war­ben, oh­ne tatsächlich an der Stel­le in­ter­es­siert zu sein, um da­durch ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch zu er­strei­ten. Kri­te­ri­um für die Auf­nah­me in die Da­ten­bank war, dass ei­ne Per­son mehr als zwei Mal we­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung ge­gen Ar­beit­ge­ber vor­ge­gan­gen war.

Nun ist es zwar nicht von der Hand zu wei­sen, dass im Ein­zel­fall Kläger das AGG aus­nut­zen, um sich ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch zu er­strei­ten, oh­ne dis­kri­mi­niert wor­den zu sein.

So gab es im Ein­zel­fall Kläger, die über hun­dert An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­kla­gen führ­ten, ei­ne Zahl die tatsächlich den drin­gen­den Ver­dacht auf­kom­men lässt, dass es um „AGG-Hop­ping“ ging. Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Dil­ler von Gleiss Lutz, der die Da­ten­bank maßgeb­lich be­treut hat, schätzt die Zahl der „pro­fes­sio­nel­len AGG-Hop­per“ auf we­ni­ger als 100 Per­so­nen in Deutsch­land.

Die Aus­kunfts­da­tei birgt die Ge­fahr, dass Per­so­nen, die Op­fer rea­ler Dis­kri­mi­nie­run­gen ge­wor­den sind, zu Un­recht öffent­lich als AGG-Hop­per an­ge­pran­gert wer­den. Da­bei sagt die bloße An­zahl der Kla­gen für sich ge­nom­men nichts über die Be­weg­gründe ei­nes Klägers aus. In be­stimm­ten Bran­chen mögen Dis­kri­mi­nie­run­gen be­son­ders ver­brei­tet sein oder es setzt sich ein Kläger eben be­son­ders kon­se­quent ge­gen sei­ne Dis­kri­mi­nie­rung zur Wehr.

Pro­ble­ma­tisch an der Aus­kunfts­da­tei war da­bei zu­dem, dass Per­so­nen, die dort ge­nannt wur­den, kei­ne Möglich­keit hat­ten, sich hier­ge­gen zu weh­ren (Schu­fa-Ef­fekt).

Der Deut­sche Ju­ris­tin­nen­bund hat­te des­halb da­ten­schutz­recht­li­che Be­den­ken an­ge­mel­det. Die­se An­sicht teil­ten die Da­ten­schutz­behörden, die die von Gleiss Lutz be­trie­be­ne Da­ten­bank nur un­ter er­heb­li­chen Ände­run­gen für wei­terführ­bar ge­hal­ten hätten und Gleiss Lutz ein Bußgeld an­droh­ten, wenn die Kanz­lei die Da­ten­bank un­verändert fortführen würde. Gleiss Lutz hat die Da­ten­bank des­halb am 15.08.2009 ge­schlos­sen.

Und das wohl zu­recht. Ei­ne geschäftsmäßige Da­ten­ver­ar­bei­tung im Sin­ne des § 29 Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG), um die es sich in die­sem Fall han­deln dürf­te, ist nämlich nach Abs.1 die­ser Vor­schrift nur dann zulässig, wenn
1. kein Grund zu der An­nah­me be­steht, dass der Be­trof­fe­ne ein schutzwürdi­ges In­ter­es­se an dem Aus­schluss der Er­he­bung, Spei­che­rung oder Verände­rung sei­ner Da­ten hat, oder
2. die Da­ten aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len ent­nom­men wer­den können, es sei denn, dass das schutzwürdi­ge In­ter­es­se des Be­trof­fe­nen an dem Aus­schluss der Da­ten­ver­ar­bei­tung of­fen­sicht­lich über­wiegt.

Im vor­lie­gen­den Fall dürf­te es aber ein er­heb­li­ches und schutzwürdi­ges In­ter­es­se der Be­trof­fe­nen ge­ben, nicht in der AGG-Hop­per-Da­tei veröffent­lich zu wer­den. Die Veröffent­li­chung hat nämlich Kon­se­quen­zen für das be­ruf­li­che Fort­kom­men und stellt auch im übri­gen ei­nen er­heb­li­chen Ein­griff in das Persönlich­keits­recht dar. Schutzwürdig ist das In­ter­es­se dar­an, nicht in der Da­tei ge­nannt zu wer­den, weil die Auf­nah­me­kri­te­ri­en letzt­lich un­taug­lich wa­ren: Wie erwähnt, wur­de oh­ne Fe­der­le­sen be­reits der auf­ge­nom­men, der mehr­fach we­gen Dis­kri­mi­nie­rung ge­gen an­de­re vor­ge­gan­gen war.

Im übri­gen fragt sich auch, wie groß der tatsächli­che Nut­zen der Da­ten­bank für Ar­beit­ge­ber tatsächlich war. Da die An­zahl der wirk­li­chen AGG-Hop­per bun­des­weit doch eher ge­ring ist und weil die Ge­rich­te oh­ne­hin nicht auf­grund der bloßen Zahl be­reits geführ­ter Kla­gen ge­gen den Kläger ent­schei­den können, dürf­te der Nutz­ef­fekt ei­nes Ver­wei­ses auf die Da­ten­bank vor Ge­richt nicht all­zu hoch ge­we­sen sein.

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Letzte Überarbeitung: 14. September 2016

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