HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/357

Be­triebs­über­gang durch Grund­stücks­kauf?

Die Ar­beits­ver­hält­nis­se von Haus­ver­wal­tern ge­hen nicht per Be­triebs­über­gang von der Haus­ver­wal­tungs­fir­ma auf den Käu­fer des ver­wal­te­ten Grund­stücks über: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.11.2012, 8 AZR 683/11
Wann geht ei­ne "wirt­schaft­li­che Ein­heit" auf ei­nen Er­wer­ber über?

16.11.2012. Ist die Über­nah­me wirt­schaft­lich "in­ter­es­san­ter" Tei­le ei­nes Un­ter­neh­mens als ein "Be­triebs­über­gang" im Sin­ne von § 613a Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) an­zu­se­hen, wird der Er­wer­ber kraft Ge­set­zes zum Ar­beit­ge­ber der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die dem über­nom­me­nen Be­trieb oder Be­triebs­teil zu­zu­ord­nen sind.

Da­durch wird der Be­stand von Ar­beits­ver­hält­nis­sen ge­schützt, gleich­zei­tig aber wird der Geld­beu­tel des Er­we­rers be­las­tet. Denn die lu­kra­ti­ven "As­sets" ei­nes Un­ter­neh­mens zu kau­fen ist ei­ne Sa­che. Ei­ne ganz an­de­re Sa­che ist es, die "dar­an hän­gen­de" kom­plet­te Be­leg­schaft mit­samt den be­ste­hen­den Ar­beits­ver­hält­nis­sen über­neh­men zu müs­sen.

Es ist da­her oft strei­tig, ob der Kauf be­stimm­ter Ver­mö­gens­ge­gen­stän­de zu ei­nem Be­triebs­über­gang führt oder nicht. In ei­nem ges­tern er­gan­ge­nen Ur­teil hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass der Er­werb ei­nes Haus­grund­stücks nicht da­zu führt, dass die Ar­beits­ver­hält­nis­se der An­ge­stell­ten der Haus­ver­wal­tungs­fir­ma per Be­triebs­über­gang auf den Käu­fer des ver­wal­te­ten Grund­stücks über­ge­hen: BAG, Ur­teil vom 15.11.2012, 8 AZR 683/11 (BAG-Pres­se­mit­tei­lung Nr.80/12 vom 15.11.2012)

Führt der Er­werb ei­nes Grundstücks zum Be­triebsüber­gang der Haus­ver­wal­tung?

Ein Be­triebsüber­gang im Sin­ne von § 613a BGB liegt dann vor, wenn ei­ne "wirt­schaft­li­che Ein­heit" auf ei­nen neu­en In­ha­ber über­tra­gen wird. Ei­ne "wirt­schaft­li­che Ein­heit" wie­der­um ist ei­ne Ge­samt­heit von sach­li­chen Be­triebs­mit­teln, Kun­den­be­zie­hun­gen, be­trieb­li­chem "Know How" und ei­nem nach Zahl und Sach­kun­de we­sent­li­chem Teil der Be­leg­schaft.

Die­se "wirt­schaft­li­che Ein­heit" muss vor der Über­tra­gung an ei­nen Er­wer­ber als ab­grenz­ba­res Ge­bil­de be­stan­den ha­ben, und der Er­wer­ber muss die wirt­schaft­li­che Ein­heit auch fortführen, d.h. als "iden­ti­sche Ein­heit" be­wah­ren. Hier kommt es vor al­lem dar­auf an, ob die be­trieb­li­chen Tätig­kei­ten vor und nach dem Über­gang "ähn­lich" sind: Wer­den die Ar­bei­ten vor und nach dem Über­gang in ei­ner ähn­li­chen Wei­se fort­geführt bzw. sind Be­triebs­me­tho­den und Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on im We­sent­li­chen gleich ge­blie­ben?

An die­ser Stel­le hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) An­fang 2009 zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer­sei­te klar­ge­stellt, dass die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Zu­ord­nung von über­nom­me­nen Ar­beit­neh­mer­teams zu neu­en Ab­tei­lun­gen im auf­neh­men­den Be­trieb ei­nen Be­triebs­teilüber­gang nicht in al­len Fällen aus­sch­ließt (EuGH, Ur­teil vom 12.02.2009, Rs. C-466/07 - Kla­ren­berg, wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 09/034 Be­triebs­teilüber­gang auch bei Ver­lust der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Selbständig­keit).

Die Kla­ren­berg-Ent­schei­dung hat zur Fol­ge, dass in Zu­kunft mehr Fälle als ein Be­triebsüber­gang zu be­wer­ten sind als das vor­her der Fall war. Denn mit dem bloßen "Um-Eti­ket­tie­ren" ei­nes er­wor­be­nen Be­triebs­teils kann der "As­set"-Er­wer­ber die Rechts­fol­gen des § 613a BGB nicht (mehr) um­ge­hen.

Aber führt das auch da­zu, dass ei­ne Grundstücks­veräußerung künf­tig als Be­triebsüber­gang der Haus­ver­wal­tungstätig­kei­ten an­zu­se­hen ist? Das BAG meint in ei­ner Ent­schei­dung vom gest­ri­gen Ta­ge "nein": Der Er­werb ei­nes Grundstücks ist auch künf­tig nicht als Be­triebsüber­gang an­zu­se­hen.

Der Fall des BAG: An­ge­stell­ter ei­ner Haus­ver­wal­tungs­fir­ma ver­liert sei­ne Stel­le, nach­dem sein Ar­beit­ge­ber die Ver­wal­tung ei­nes Haus­grundstücks dem neu­en Grundstücks­ei­gentümer über­las­sen muss

Im Streit­fall ging es um ei­nen tech­nisch-kaufmänni­schen Sach­be­ar­bei­ter, der bei ei­ner Haus­ver­wal­tungs­fir­ma beschäftigt war. Ein­zi­ger Geschäfts­ge­gen­stand der Ver­wal­tungs­fir­ma war die Ver­wal­tung ei­nes Büro- und Geschäfts­hau­ses in Mag­de­burg, das der Ver­wal­tungs­fir­ma auch gehörte. Haupt­mie­te­rin des Büro- und Geschäfts­hau­ses war die Stadt Mag­de­burg.

Im Jahr 2010 er­warb die Stadt Mag­de­burg die Im­mo­bi­lie und ließ sie ab die­sem Zeit­punkt von der städti­schen Lie­gen­schafts­ver­wal­tung be­treu­en. Da die Ver­wal­tungs­fir­ma kei­ne an­de­ren Grundstücke be­saß und auch kei­ne an­de­ren Grundstücke ver­wal­te­te, wur­de sie nach der Veräußerung des Grundstücks li­qui­diert.

Der Sach­be­ar­bei­ter war der An­sicht, dass sein Ar­beits­verhält­nis im We­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs auf die Stadt Mag­de­burg über­ge­gan­gen sei. Er klag­te da­her auf Fest­stel­lung, dass sein Ar­beits­verhält­nis mit der Stadt als neu­em Ar­beit­ge­ber fort­be­stand. Da­mit hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg Er­folg (Ur­teil vom 02.11.2010, 9 Ca 278/10). Und auch das für die Be­ru­fung zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Sach­sen-An­halt ent­schied zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers (LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 20.07.2011, 4 Sa 442/10).

Da­bei mein­te das LAG, dass nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des BAG kein Be­triebsüber­gang vor­lag, weil die ge­werb­li­che Tätig­keit der Ver­mie­tung und Haus­ver­wal­tung ja nicht auf die Stadt über­tra­gen wor­den war. Die Stadt ver­wal­te­te die ge­kauf­te Im­mo­bi­lie nur als Ei­gentüme­rin und hat­te nicht vor, sich am Markt durch die Ver­mie­tung von Büroräum­en zu betäti­gen. Und die Veräußerung ei­nes Grundstücks als sol­che führt im All­ge­mei­nen nicht zu ei­nem Be­triebsüber­gang.

Al­ler­dings, so das LAG, sei die­se al­te BAG-Recht­spre­chung seit der Kla­ren­berg-Ent­schei­dung des EuGH nicht mehr gültig. Und im Lich­te des Kla­ren­berg-Ur­teils müsse man hier ei­nen Be­triebsüber­gang an­neh­men. Denn nach die­sem Ur­teil, so das LAG, sei schon "der nack­te Im­mo­bi­li­en­er­werb" als Be­triebsüber­gang zu be­wer­ten, falls die Nut­zung der Im­mo­bi­lie un­verändert bleibt. Und das war hier der Fall, da die Stadt das Grundstück nach des­sen Er­werb eben­so nutz­te wie sie das zu­vor als Mie­te­rin ge­tan hat­te.

BAG: Die Ar­beits­verhält­nis­se von Haus­ver­wal­tern ge­hen nicht per Be­triebsüber­gang von der Haus­ver­wal­tungs­fir­ma auf den Käufer des ver­wal­te­ten Grundstücks über

Das BAG be­wer­te­te den Fall an­ders als die Vor­in­stan­zen und ent­schied zu­guns­ten der be­klag­ten Stadt. Zur Be­gründung heißt es in der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den BAG-Pres­se­mel­dung:

Das von ei­ner Haus­ver­wal­tungs­fir­ma be­treu­te Grundstück gehört nicht zu dem Be­triebs­mit­teln der Haus­ver­wal­tung, son­dern ist das Ob­jekt ih­rer Ver­wal­tungstätig­keit. Da­her ge­hen die Ar­beits­verhält­nis­se der Ar­beit­neh­mer, die ei­ne Haus­ver­wal­tungs­fir­ma bei der Grundstücks­ver­wal­tung ein­setzt, nicht auf den Er­wer­ber der ver­wal­te­ten Im­mo­bi­lie über.

Und auch im vor­lie­gen­den Streit­fall war der Be­triebs­zweck der mag­de­bur­ger Haus­ver­wal­tungs­fir­ma al­lein die Ver­wal­tung ih­res Haus­grundstücks. Die Ver­wal­tungs­fir­ma war dem­nach ein Dienst­leis­tungs­be­trieb, so das BAG. Die­sen Be­trieb hat die Stadt aber ge­ra­de nicht über­nom­men. Viel­mehr hat sie nur das Grundstück er­wor­ben und es ab die­sem Zeit­punkt selbst ver­wal­tet.

Fa­zit: Der Be­trieb ei­nes Haus­ver­wal­tungs­un­ter­neh­mens be­steht in der Ver­wal­tung, d.h. in ei­ner Dienst­leis­tung. Ob die­se Dienst­leis­tung für an­de­re Auf­trag­ge­ber er­bracht wird oder "nur" für die Ver­wal­tung ei­ner ei­ge­nen Im­mo­bi­lie, spielt da­bei kei­ne Rol­le. Da­her gehören die ver­wal­te­ten Grundstücke nicht zu den Be­triebs­mit­teln ei­ner Haus­ver­wal­tungs­fir­ma, son­dern die­se be­ste­hen z.B. in EDV-gestütz­ten Ar­beitsplätzen, in spe­zi­el­ler Soft­ware für das Fa­ci­li­ty Ma­nage­ment usw.

Sol­che Be­triebs­mit­tel hat­te die Stadt Mag­de­burg hier im Streit­fall aber nicht über­nom­men. Da­her be­rief sich das LAG auch zu Un­recht auf die Kla­ren­berg-Ent­schei­dung des EuGH. Denn der EuGH be­ton­te in die­sem Ur­teil nur, dass ein Be­triebs­teil auch dann über­ge­hen kann, wenn der über­tra­ge­ne Be­triebs­teil im Be­trieb des Er­wer­bers auf­geht und dort sei­ne bis­he­ri­ge or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit ver­liert - so­lan­ge nur die "funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren" bei­be­hal­ten wird.

Ei­ne sol­che funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen der Haus­ver­wal­tertätig­keit und ei­nem ver­wal­te­ten Grundstück kann man aber auch un­ter Be­ru­fung auf das Kla­ren­berg-Ur­teil nicht an­neh­men, denn ein von ei­ner Haus­ver­wal­tungs­fir­ma be­treu­tes Grundstück gehört ge­ra­de nicht zu ih­ren "Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren".

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das BAG sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil des BAG fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 28. März 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de