HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 12.02.2009, C-466/07 - Kla­ren­berg

   
Schlagworte: Betriebsübergang
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-466/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.02.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Vorabentscheidungsersuchen Landesarbeitsgericht Düsseldorf
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Vier­te Kam­mer)

12. Fe­bru­ar 2009(*)

„So­zi­al­po­li­tik – Richt­li­nie 2001/23/EG – Über­gang von Un­ter­neh­men – Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer – Be­griff ‚Über­gang‘ – Ver­trag­li­che Über­tra­gung ei­nes Be­triebs­teils auf ein an­de­res Un­ter­neh­men – Or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit nach der Über­tra­gung“

In der Rechts­sa­che C‑466/07

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 234 EG, ein­ge­reicht vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 10. Au­gust 2007, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 22. Ok­to­ber 2007, in dem Ver­fah­ren

Diet­mar Kla­ren­berg

ge­gen

Fer­ro­tron Tech­no­lo­gies GmbH

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Vier­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten K. Lena­erts, des Rich­ters T. von Dan­witz, der Rich­te­rin R. Sil­va de La­pu­er­ta so­wie der Rich­ter G. Ares­tis und J. Ma­le­n­ovský (Be­richt­er­stat­ter),

Ge­ne­ral­an­walt: P. Men­goz­zi,

Kanz­ler: H. von Hol­stein, Hilfs­kanz­ler,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 4. Sep­tem­ber 2008,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– von Herrn Kla­ren­berg, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt J. Die­ker,

– der Fer­ro­tron Tech­no­lo­gies GmbH, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt M. Tray­er,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Lum­ma und C. Blasch­ke als Be­vollmäch­tig­te,

– der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch V. Kreu­schitz und J. En­e­gren als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 6. No­vem­ber 2008

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (ABl. L 82, S. 16).
2 Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Kla­ren­berg und der Fer­ro­tron Tech­no­lo­gies GmbH (im Fol­gen­den: Fer­ro­tron) über die Fest­stel­lung des Über­gangs von Ar­beits­verhält­nis­sen auf die­se Ge­sell­schaft.

Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht
3 Die Richt­li­nie 2001/23 ko­di­fi­ziert die Richt­li­nie 77/187/EWG des Ra­tes vom 14. Fe­bru­ar 1977 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (ABl. L 61, S. 26) in der durch die Richt­li­nie 98/50/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geänder­ten Fas­sung (im Fol­gen­den: Richt­li­nie 77/187).
4

Der ach­te Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2001/23 lau­tet:

„Aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und Trans­pa­renz war es er­for­der­lich, den ju­ris­ti­schen Be­griff des Über­gangs un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu klären. Durch die­se Klärung wur­de der An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie 77/187/EWG gemäß der Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof nicht geändert.“

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Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/23/EG be­stimmt:

„a) Die­se Richt­li­nie ist auf den Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­tei­len auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber durch ver­trag­li­che Über­tra­gung oder durch Ver­schmel­zung an­wend­bar.

b) Vor­be­halt­lich Buch­sta­be a) und der nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen die­ses Ar­ti­kels gilt als Über­gang im Sin­ne die­ser Richt­li­nie der Über­gang ei­ner ih­re Iden­tität be­wah­ren­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit im Sin­ne ei­ner or­ga­ni­sier­ten Zu­sam­men­fas­sung von Res­sour­cen zur Ver­fol­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Haupt- oder Ne­bentätig­keit.“

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Art. 3 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG sieht vor:

„Die Rech­te und Pflich­ten des Veräußerers aus ei­nem zum Zeit­punkt des Über­gangs be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trag oder Ar­beits­verhält­nis ge­hen auf­grund des Über­gangs auf den Er­wer­ber über.“

7

Art. 4 Abs. 2 der Richt­li­nie lau­tet:

„Kommt es zu ei­ner Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­trags oder Ar­beits­verhält­nis­ses, weil der Über­gang ei­ne we­sent­li­che Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen zum Nach­teil des Ar­beit­neh­mers zur Fol­ge hat, so ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­trags oder Ar­beits­verhält­nis­ses durch den Ar­beit­ge­ber er­folgt ist.“

8

Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 und 4 die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„So­fern das Un­ter­neh­men, der Be­trieb oder der Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil sei­ne Selbständig­keit behält, blei­ben die Rechts­stel­lung und die Funk­ti­on der Ver­tre­ter oder der Ver­tre­tung der vom Über­gang be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer un­ter den glei­chen Be­din­gun­gen er­hal­ten, wie sie vor dem Zeit­punkt des Über­gangs auf­grund von Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten oder auf­grund ei­ner Ver­ein­ba­rung be­stan­den ha­ben, so­fern die Be­din­gun­gen für die Bil­dung der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung erfüllt sind.

Behält das Un­ter­neh­men, der Be­trieb oder der Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil sei­ne Selbständig­keit nicht, so tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit die vom Über­gang be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer, die vor dem Über­gang ver­tre­ten wur­den, während des Zeit­raums, der für die Neu­bil­dung oder Neu­be­nen­nung der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tung er­for­der­lich ist, im Ein­klang mit dem Recht oder der Pra­xis der Mit­glied­staa­ten wei­ter­hin an­ge­mes­sen ver­tre­ten wer­den.“

9 Der Wort­laut der oben an­geführ­ten Be­stim­mun­gen des Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 ist im We­sent­li­chen iden­tisch mit dem der Be­stim­mun­gen des Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 77/187.

Na­tio­na­les Recht
10

§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lau­tet:

„Geht ein Be­trieb oder Be­triebs­teil durch Rechts­geschäft auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber über, so tritt die­ser in die Rech­te und Pflich­ten aus den im Zeit­punkt des Über­gangs be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­sen ein.“


Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­ge
11 Herr Kla­ren­berg war seit 1. Ja­nu­ar 1989 bei der ET Elec­tro­tech­no­lo­gy GmbH (im Fol­gen­den: ET), ei­nem auf die Ent­wick­lung und Fer­ti­gung von Pro­duk­ten im Be­reich der in­dus­tri­el­len Au­to­ma­ti­sie­rung so­wie der Mess- und Re­gel­tech­nik für die Stahl­in­dus­trie spe­zia­li­sier­ten Un­ter­neh­men, beschäftigt.
12 Ab 1. Mai 1992 war Herr Kla­ren­berg Ab­tei­lungs­lei­ter für den Be­reich „F+E/ET Sys­te­me/Netz­werk/IBS“. Die­se Ab­tei­lung war in drei Grup­pen ge­glie­dert, nämlich die von Herrn Kla­ren­berg ge­lei­te­te Grup­pe „F+E/ET-Sys­te­me“, die Grup­pe „EDV/Netz­werk/Ser­ver­sys­te­me/Da­ten­si­che­rung“ und die Grup­pe „Pro­duk­ti­on/Schalt­schränke/Pla­ti­nen“, die von Herrn Neu­mann ge­lei­tet wur­de, der auch stell­ver­tre­ten­der Lei­ter der ge­sam­ten Ab­tei­lung war.
13 Fer­ro­tron ist auf die Ent­wick­lung und Fer­ti­gung von Pro­duk­ten im Be­reich der Mess- und Re­gel­tech­nik für die Stahl­in­dus­trie spe­zia­li­siert.
14 Am 22. No­vem­ber 2005 schloss ET mit Fer­ro­tron und de­ren Mut­ter­ge­sell­schaft mit Sitz in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka ei­nen als „As­set and Busi­ness Sa­le and Purcha­se Agree­ment“ be­zeich­ne­ten Ver­trag über fol­gen­de von der Ab­tei­lung „F+E/ET Sys­te­me/Netz­werk/IBS“ ent­wi­ckel­te Pro­dukt­li­ni­en: „ET-De­cNT“, „ET-De­cNT light“, „ET Temp­Net“, „ET-Oxy­Net“ und „FT7000“.
15 Auf­grund die­ses Ver­trags er­warb die Mut­ter­ge­sell­schaft von Fer­ro­tron al­le Rech­te an der Soft­ware, den Pa­ten­ten, den Pa­tent­an­mel­dun­gen und den die frag­li­chen Pro­duk­te be­tref­fen­den Er­fin­dun­gen so­wie an den Pro­dukt­na­men und dem tech­ni­schen Know-how. Fer­ro­tron er­warb die Ent­wick­lungs-Hard­ware, das Pro­dukt­ma­te­ri­al-In­ven­tar von ET so­wie ei­ne dar­auf be­zo­ge­ne Lie­fe­ran­ten- und Kun­den­lis­te. Außer­dem über­nahm Fer­ro­tron ei­ni­ge An­ge­stell­te von ET, nämlich Herrn Neu­mann und drei In­ge­nieu­re der Grup­pe „F+E/ET-Sys­te­me“.
16 Aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung geht fer­ner her­vor, dass Fer­ro­tron ne­ben den Pro­duk­ten, die Ge­gen­stand des erwähn­ten Ver­trags sind, wei­te­re Pro­duk­te im Be­reich der me­tall­ur­gi­schen Mess­tech­nik ent­wi­ckelt, fer­tigt und ver­treibt, und dass die ehe­ma­li­gen An­ge­stell­ten von ET in die von Fer­ro­tron ein­ge­rich­te­te Struk­tur ein­ge­glie­dert wor­den sind. Im Übri­gen er­le­di­gen die­se An­ge­stell­ten auch Auf­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit Pro­duk­ten, die Fer­ro­tron nicht von ET er­wor­ben hat.
17 Am 17. Ju­li 2006 wur­de über das Vermögen von ET das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net.
18 Herr Kla­ren­berg er­hob Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt We­sel, um sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung als Ab­tei­lungs­lei­ter bei Fer­ro­tron zu er­rei­chen. Das Ar­beits­ge­richt We­sel wies sei­ne Kla­ge mit Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2006 ab.
19 Ge­gen die­ses Ur­teil leg­te Herr Kla­ren­berg Be­ru­fung beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ein und be­an­trag­te, Fer­ro­tron zu ver­ur­tei­len, ihn als Ab­tei­lungs­lei­ter zu den Be­din­gun­gen des am 1. Ja­nu­ar 1989 mit ET ge­schlos­se­nen Ar­beits­ver­trags wei­ter­zu­beschäfti­gen. Hilfs­wei­se be­an­trag­te er die Fest­stel­lung, dass seit dem 9. De­zem­ber 2005 ein Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en be­ste­he.
20 Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist der Auf­fas­sung, dass es sich bei der von Herrn Kla­ren­berg ge­lei­te­ten Ab­tei­lung „F+E/ET-Sys­te­me/Netz­werk/IBS“ um ei­nen Be­triebs­teil im Sin­ne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB han­de­le, der we­gen des Er­werbs der we­sent­li­chen ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel so­wie der dar­auf be­zo­ge­nen Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­lis­te und der Über­nah­me ei­nes Teils der in dem Be­triebs­teil beschäftig­ten Know-how-Träger durch Fer­ro­tron so­wie des Er­werbs der Rech­te an den we­sent­li­chen Pro­duk­ten und Tech­no­lo­gi­en durch de­ren Mut­ter­ge­sell­schaft auf Fer­ro­tron über­ge­gan­gen sei.
21 Es stel­le sich je­doch die Fra­ge, ob es sich um ei­nen Über­gang im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23 han­de­le. Ei­ni­gen neue­ren Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu­fol­ge lie­ge kein Über­gang ei­nes Be­triebs­teils auf ei­nen neu­en In­ha­ber vor, wenn der Er­wer­ber den Be­triebs­teil nicht im We­sent­li­chen un­verändert und un­ter Wah­rung sei­ner Iden­tität fortführe. Nach die­ser Recht­spre­chung set­ze ein Über­gang vor­aus, dass der Be­triebs­teil beim Er­wer­ber als or­ga­ni­sa­to­risch selbständi­ger Be­triebs­teil er­hal­ten blei­be. Da­ge­gen sei ein Be­triebs­teil nicht als über­ge­gan­gen an­zu­se­hen, wenn er vollständig in die Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur des an­de­ren Un­ter­neh­mens ein­ge­glie­dert wer­de oder die Auf­ga­be in ei­ner deut­lich größeren Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur durch­geführt wer­de.
22 Im Aus­gangs­ver­fah­ren ha­be Fer­ro­tron die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit des be­tref­fen­den Be­triebs­teils nicht be­wahrt, da die über­nom­me­nen Ar­beit­neh­mer in ver­schie­de­ne Ab­tei­lun­gen ein­ge­glie­dert wor­den sei­en und die über­nom­me­nen Auf­ga­ben nun­mehr im Rah­men ei­ner an­de­ren Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur wahr­ge­nom­men würden.
23 Un­ter die­sen Umständen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen: Liegt ein Über­gang ei­nes Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teils auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber im Sin­ne von Art. 1 Nr. 1 a und b der Richt­li­nie 2001/23/EG nur vor, wenn der Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil bei dem neu­en In­ha­ber als or­ga­ni­sa­to­risch selbständi­ger Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil fort­geführt wird?

Zur Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens
24 In ih­ren Erklärun­gen hat Fer­ro­tron Zwei­fel an der Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens zum Aus­druck ge­bracht, in­dem sie die Er­heb­lich­keit des Er­su­chens für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­ver­fah­rens be­strit­ten hat.
25 In die­ser Hin­sicht ist dar­an zu er­in­nern, dass nach ständi­ger Recht­spre­chung das mit Art. 234 EG ein­ge­rich­te­te Ver­fah­ren ein In­stru­ment der Zu­sam­men­ar­beit zwi­schen dem Ge­richts­hof und den na­tio­na­len Ge­rich­ten ist, mit dem der Ge­richts­hof die­sen Ge­rich­ten Hin­wei­se zur Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts gibt, die sie zur Ent­schei­dung des bei ih­nen anhängi­gen Rechts­streits benöti­gen (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 5. Fe­bru­ar 2004, Schnei­der, C-380/01, Slg. 2004, I-1389, Rand­nr. 20, vom 14. Sep­tem­ber 2006, Stra­das­fal­ti, C-228/05, Slg. 2006, I-8391, Rand­nr. 44, und vom 16. Ok­to­ber 2008, Kir­tru­na und Vi­ga­no, C-313/07, Slg. 2008, I-0000, Rand­nr. 25).
26 Im Rah­men die­ser Zu­sam­men­ar­beit ist es al­lein Sa­che des mit dem Rechts­streit be­fass­ten na­tio­na­len Ge­richts, in des­sen Ver­ant­wor­tungs­be­reich die zu er­las­sen­de ge­richt­li­che Ent­schei­dung fällt, im Hin­blick auf die Be­son­der­hei­ten der Rechts­sa­che so­wohl die Er­for­der­lich­keit ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung für den Er­lass sei­nes Ur­teils als auch die Er­heb­lich­keit der dem Ge­richts­hof von ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen zu be­ur­tei­len. Be­tref­fen da­her die vor­ge­leg­ten Fra­gen die Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts, so ist der Ge­richts­hof grundsätz­lich ge­hal­ten, darüber zu be­fin­den (Ur­tei­le Schnei­der, Rand­nr. 21, vom 30. Ju­ni 2005, Längst, C-165/03, Slg. 2005, I-5637, Rand­nr. 31, so­wie Kir­tru­na und Vi­ga­no, Rand­nr. 26).
27 Hier­aus folgt, dass ei­ne Ver­mu­tung für die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Vor­la­ge­fra­gen ei­nes na­tio­na­len Ge­richts spricht, die es zur Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts in dem recht­li­chen und sach­li­chen Rah­men stellt, den es in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung fest­ge­legt und des­sen Rich­tig­keit der Ge­richts­hof nicht zu prüfen hat. Die Zurück­wei­sung des Er­su­chens ei­nes na­tio­na­len Ge­richts ist dem Ge­richts­hof nur möglich, wenn die er­be­te­ne Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts of­fen­sicht­lich in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Rea­lität oder dem Ge­gen­stand des Aus­gangs­rechts­streits steht, wenn das Pro­blem hy­po­the­ti­scher Na­tur ist oder wenn der Ge­richts­hof nicht über die tatsächli­chen und recht­li­chen An­ga­ben verfügt, die für ei­ne zweck­dien­li­che Be­ant­wor­tung der ihm vor­ge­leg­ten Fra­gen er­for­der­lich sind (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 5. De­zem­ber 2006, Ci­pol­la u. a., C-202/04 und C-94/04, Slg. 2006, I-11421, Rand­nr. 25, vom 7. Ju­ni 2007, van der Weerd u. a., C-222/05 bis C-225/05, Slg. 2007, I-4233, Rand­nr. 22, so­wie Kir­tru­na und Vi­ga­no, Rand­nr. 27).
28 Die Ver­mu­tung der Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit von Vor­la­ge­fra­gen kann nach der Recht­spre­chung nicht al­lein da­durch wi­der­legt wer­den, dass ei­ne der Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens be­stimm­te Tat­sa­chen be­strei­tet, de­ren Rich­tig­keit der Ge­richts­hof nicht zu über­prüfen hat und die den Streit­ge­gen­stand be­stim­men (Ur­tei­le Ci­pol­la u. a., Rand­nr. 26, so­wie van der Weerd u. a., Rand­nr. 23).
29 Fer­ro­tron macht ers­tens gel­tend, dass ein Be­triebsüber­gang im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23 be­reits des­halb aus­schei­de, weil nicht dar­ge­tan sei, dass die von Fer­ro­tron er­wor­be­nen Ele­men­te ei­ne Ein­heit dar­stell­ten, die Ge­gen­stand ei­nes sol­chen Über­gangs sein könne. Da­her sei die Vor­la­ge­fra­ge für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits nicht re­le­vant.
30 Es ist je­doch fest­zu­stel­len, dass das vor­le­gen­de Ge­richt die­se Fra­ge an­ders be­ur­teilt. Nach sei­ner Auf­fas­sung ist die Ab­tei­lung „F+E/ET-Sys­te­me/Netz­werk/IBS“ nämlich ein Be­triebs­teil im Sin­ne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, der we­gen des Er­werbs der we­sent­lichs­ten ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel so­wie der dar­auf be­zo­ge­nen Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­lis­te und der Über­nah­me ei­nes Teils der in dem Be­triebs­teil beschäftig­ten Know-how-Träger durch Fer­ro­tron so­wie des Er­werbs der Rech­te an den we­sent­li­chen Pro­duk­ten und Tech­no­lo­gi­en durch de­ren Mut­ter­ge­sell­schaft auf Fer­ro­tron über­ge­gan­gen sei. An­ge­sichts die­ser vom vor­le­gen­den Ge­richt an­geführ­ten Ge­sichts­punk­te und der Schluss­fol­ge­rung, zu der die­ses in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung ge­langt ist, ist die Er­heb­lich­keit der von die­sem Ge­richt ge­stell­ten Vor­la­ge­fra­ge nicht in Zwei­fel zu zie­hen.
31 Zwei­tens führt Fer­ro­tron aus, selbst wenn ein Be­triebsüber­gang auf der Grund­la­ge der Richt­li­nie 2001/23 an­ge­nom­men würde, wäre da­mit nicht der Ar­beits­ver­trag des Klägers des Aus­gangs­ver­fah­rens über­ge­gan­gen, da er sei­ne Tätig­kei­ten bei ET zum großen Teil in an­de­ren Ab­tei­lun­gen als der Ab­tei­lung „F+E/ET-Sys­te­me/Netz­werk/IBS“ aus­geübt ha­be, so dass sie die­ser nicht zu­ge­ord­net wer­den könn­ten.
32 Die Vor­la­ge­ent­schei­dung weist je­doch in ih­rer Dar­stel­lung des Tat­sa­chen­rah­mens, in den sich die vor­ge­leg­te Fra­ge einfügt, im Ge­gen­teil aus­drück­lich dar­auf­hin, dass der Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens die Ab­tei­lung „F+E/ET-Sys­te­me/Netz­werk/IBS“ lei­te­te. Wie aus Rand­nr. 27 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, nimmt das na­tio­na­le Ge­richt ei­ne sol­che Tat­sa­chenwürdi­gung aber in al­lei­ni­ger Ver­ant­wor­tung vor, und es ist nicht Sa­che des Ge­richts­hofs, ih­re Rich­tig­keit zu über­prüfen.
33 Drit­tens ist Fer­ro­tron der An­sicht, Herr Kla­ren­berg ha­be das Recht ver­wirkt, den Über­gang sei­nes Ar­beits­ver­trags gel­tend zu ma­chen, da er, ob­wohl er Kennt­nis von der Ver­ein­ba­rung zwi­schen ihr und ET ge­habt ha­be, mit der Gel­tend­ma­chung sei­ner Ansprüche ge­genüber Fer­ro­tron ge­war­tet ha­be, bis die In­sol­venz von ET ab­seh­bar ge­wor­den sei.
34 Wie aus Rand­nr. 28 die­ses Ur­teils her­vor­geht, ist es nicht Sa­che des Ge­richts­hofs, die Fra­ge zu über­prüfen, ob es in Deutsch­land Rechts­vor­schrif­ten gibt, die ei­ne Frist vor­se­hen, nach de­ren Ab­lauf der Kläger im Aus­gangs­ver­fah­ren den Über­gang sei­nes Ar­beits­ver­trags nicht mehr gel­tend ma­chen kann.
35 Nach al­le­dem ist fest­zu­stel­len, dass das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen zulässig ist.

Zur Vor­la­ge­fra­ge
36 Mit sei­ner Fra­ge möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/23 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er auch dann an­ge­wen­det wer­den kann, wenn der neue In­ha­ber die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit des über­tra­ge­nen Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teils nicht be­wahrt.
37 Ein­lei­tend ist dar­an zu er­in­nern, dass nach ständi­ger Recht­spre­chung bei der Aus­le­gung ei­ner Ge­mein­schafts­vor­schrift nicht nur ihr Wort­laut, son­dern auch ihr Zu­sam­men­hang und die Zie­le zu berück­sich­ti­gen sind, die mit der Re­ge­lung, zu der sie gehört, ver­folgt wer­den (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 18. Mai 2000, KVS In­ter­na­tio­nal, C-301/98, Slg. 2000, I-3583, Rand­nr. 21, vom 6. Ju­li 2006, Kom­mis­si­on/Por­tu­gal, C-53/05, Slg. 2006, I-6215, Rand­nr. 20, und vom 16. Ok­to­ber 2008, Bun­des­ver­band der Ver­brau­cher­zen­tra­len und Ver­brau­cher­verbände, C-298/07, Slg. 2008, I-0000, Rand­nr. 15).
38 Schon aus dem Wort­laut von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie 2001/23 geht her­vor, dass je­der Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­tei­len auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber durch ver­trag­li­che Über­tra­gung oder durch Ver­schmel­zung in den An­wen­dungs­be­reich die­ser Richt­li­nie fällt.
39 Vor­be­halt­lich des Vor­lie­gens der ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen, muss der Über­gang, da­mit die Richt­li­nie 2001/23 an­wend­bar ist, je­doch auch noch die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b fest­ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllen, nämlich auf ei­ne „wirt­schaft­lich[e] Ein­heit im Sin­ne ei­ner or­ga­ni­sier­ten Zu­sam­men­fas­sung von Res­sour­cen zur Ver­fol­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Haupt- oder Ne­bentätig­keit“ be­zo­gen sein, die nach dem Über­gang ih­re „Iden­tität“ be­wahrt.
40 Die­se Be­stim­mung wur­de, wie aus dem ach­ten Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2001/23 her­vor­geht, auf­ge­nom­men, um den Be­griff des Über­gangs un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu klären (vgl. ins­be­son­de­re Ur­tei­le vom 7. Fe­bru­ar 1985, Bot­zen u. a., 186/83, Slg. 1985, 519, Rand­nr., 6 und vom 18. März 1986, Spi­jkers, 24/85, Slg. 1986, 1119, Rand­nr. 11). Nach die­ser Recht­spre­chung zielt die Richt­li­nie 2001/23 dar­auf ab, die Kon­ti­nuität der im Rah­men ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se un­abhängig von ei­nem In­ha­ber­wech­sel zu gewähr­leis­ten und da­mit die Ar­beit­neh­mer im Fall ei­nes sol­chen Wech­sels zu schützen.
41 Aus Art. 1 Abs. 1 Buchst. a in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/23 geht her­vor, dass, wenn ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität nicht be­wahrt, die Haupt­be­stim­mung des Art. 1 Abs. 1 Buchst. a durch die An­wen­dung der Be­stim­mun­gen des Abs. 1 Buchst. b ver­drängt wird. Hier­aus er­gibt sich, dass die letzt­ge­nann­te Be­stim­mung ge­eig­net ist, die Trag­wei­te von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie 2001/23 und da­mit den Um­fang des von die­ser Richt­li­nie gewähr­ten Schut­zes zu be­schränken. Die­se Be­stim­mung ist da­her eng aus­zu­le­gen.
42 Die Be­klag­te des Aus­gangs­ver­fah­rens macht nun gel­tend, dass die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/23 de­fi­nier­te wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität nur dann be­wah­re, wenn das die Ge­samt­heit von Per­so­nen und/oder Sa­chen ver­ei­nen­de or­ga­ni­sa­to­ri­sche Band er­hal­ten blei­be. Da­ge­gen be­wah­re die veräußer­te wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität nicht, wenn sie in­fol­ge der Veräußerung ih­re or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit ver­lie­re, in­dem die er­wor­be­nen Res­sour­cen vom Er­wer­ber in ei­ne voll­kom­men neue Struk­tur ein­ge­glie­dert würden.
43 In­des kann ei­ner sol­chen, al­lein auf das Kri­te­ri­um der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Selbständig­keit ab­stel­len­den Auf­fas­sung von der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit ins­be­son­de­re an­ge­sichts des mit der Richt­li­nie 2001/23 ver­folg­ten Zwecks nicht ge­folgt wer­den, die, wie aus Rand­nr. 40 die­ses Ur­teils her­vor­geht, dar­auf ab­zielt, im Fall ei­nes Über­gangs ei­nen wirk­sa­men Schutz der Rech­te der Ar­beit­neh­mer si­cher­zu­stel­len. Sie würde nämlich da­zu führen, dass die An­wend­bar­keit der Richt­li­nie 2001/23 auf die­sen Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil al­lein des­halb aus­ge­schlos­sen wäre, weil sich der Er­wer­ber ent­schließt, den er­wor­be­nen Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil auf­zulösen und in sei­ne ei­ge­ne Struk­tur ein­zu­glie­dern, wo­durch den be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mern der von die­ser Richt­li­nie gewähr­te Schutz vor­ent­hal­ten würde.
44 Zum Kri­te­ri­um der Or­ga­ni­sa­ti­on hat der Ge­richts­hof zwar ent­schie­den, dass es zu den Kri­te­ri­en für die Be­stim­mung der Iden­tität ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit gehört (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 11. März 1997, Süzen, C-13/95, Slg. 1997, I-1259, Rand­nr. 15, vom 2. De­zem­ber 1999, Al­len u. a., C-234/98, Slg. 1999, I-8643, Rand­nr. 27, vom 26. Sep­tem­ber 2000, Ma­y­eur, C-175/99, Slg. 2000, I-7755, Rand­nr. 53, und vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne, C-172/99, Slg. 2001, I-745, Rand­nr. 34), er hat aber auch ent­schie­den, dass ei­ne Ände­rung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der über­tra­ge­nen Ein­heit der An­wen­dung der Richt­li­nie 2001/23 nicht ent­ge­gen­ste­hen kann (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 7. März 1996, Merckx und Neu­huys, C-171/94 und C-172/94, Slg. 1996, I-1253, Rand­nrn. 20 und 21, Ma­y­eur, Rand­nr. 54, so­wie vom 13. Sep­tem­ber 2007, Joui­ni u. a., C-458/05, Slg. 2007, I-7301, Rand­nr. 36).
45 Im Übri­gen de­fi­niert Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/23 selbst die Iden­tität ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit als „or­ga­ni­siert[e] Zu­sam­men­fas­sung von Res­sour­cen zur Ver­fol­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Haupt- oder Ne­bentätig­keit“ und be­tont so­mit nicht al­lein das Merk­mal der Or­ga­ni­sa­ti­on der über­tra­ge­nen Ein­heit, son­dern auch das der Ver­fol­gung ih­rer wirt­schaft­li­chen Tätig­keit.
46 Nach al­le­dem ist die Vor­aus­set­zung in Be­zug auf die Wah­rung der Iden­tität ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23 un­ter Berück­sich­ti­gung der bei­den in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richt­li­nie 2001/23 vor­ge­se­he­nen Ele­men­te, die zu­sam­men­ge­nom­men die­se Iden­tität aus­ma­chen, so­wie des mit die­ser Richt­li­nie ver­folg­ten Zwecks des Ar­beit­neh­mer­schut­zes aus­zu­le­gen.
47 Im Ein­klang mit die­sen Erwägun­gen und um der Richt­li­nie 2001/23 nicht ei­nen Teil ih­rer prak­ti­schen Wirk­sam­keit zu neh­men, ist die ge­nann­te Vor­aus­set­zung nicht da­hin aus­zu­le­gen, dass sie ver­langt, die kon­kre­te Or­ga­ni­sa­ti­on der ver­schie­de­nen über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren durch den Un­ter­neh­mer bei­zu­be­hal­ten, son­dern, wie der Ge­ne­ral­an­walt in den Nrn. 42 und 44 sei­ner Schluss­anträge fest­ge­stellt hat, da­hin, dass die Bei­be­hal­tung der funk­tio­nel­len Ver­knüpfung der Wech­sel­be­zie­hung und ge­gen­sei­ti­gen Ergänzung zwi­schen die­sen Fak­to­ren er­for­der­lich ist.
48 Die Bei­be­hal­tung ei­ner sol­chen funk­tio­nel­len Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Fak­to­ren er­laubt es nämlich dem Er­wer­ber, die­se, selbst wenn sie nach der Über­tra­gung in ei­ne neue, an­de­re Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ein­ge­glie­dert wer­den, zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 14. April 1994, Schmidt, C-392/92, Slg. 1994, I-1311, Rand­nr. 17).
49 Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, un­ter Berück­sich­ti­gung der vor­ste­hend ge­nann­ten Ge­sichts­punk­te im Rah­men ei­ner Ge­samtwürdi­gung al­ler den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den tatsächli­chen Umstände (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 18. März 1986, Spi­jkers, 24/85, Slg. 1986, 1119, Rand­nr. 13, vom 19. Mai 1992, Red­mond Sticht­ing, C-29/91, Slg. 1992, I-3189, Rand­nr. 24, Süzen, Rand­nr. 14, so­wie Al­len u. a., Rand­nr. 26) fest­zu­stel­len, ob die Iden­tität der über­tra­ge­nen wirt­schaft­li­chen Ein­heit be­wahrt wor­den ist.
50 Wie so­wohl das vor­le­gen­de Ge­richt in sei­nem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen als auch die deut­sche Re­gie­rung und die Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten in ih­ren Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof fest­ge­stellt ha­ben, wird durch den Wort­laut von Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 und 4 der Richt­li­nie 2001/23 bestätigt, dass die­se Richt­li­nie nach der Vor­stel­lung des Ge­mein­schafts­ge­setz­ge­bers auf je­den Über­gang an­wend­bar sein soll, der den Vor­aus­set­zun­gen von Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie ent­spricht, un­abhängig da­von, ob die über­ge­gan­ge­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Selbständig­keit in­ner­halb der Struk­tur des Er­wer­bers be­wahrt oder nicht.
51 Sch­ließlich ist auf das Vor­brin­gen des Be­klag­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens ein­zu­ge­hen, wo­nach die Kon­ti­nuität der Ar­beits­verhält­nis­se, die die Richt­li­nie 2001/23 gewähr­leis­ten sol­le, im Fall des Ver­lusts der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Selbständig­keit der über­tra­ge­nen wirt­schaft­li­chen Ein­heit je­den­falls nicht si­cher­ge­stellt wer­den könne, da der von Herrn Kla­ren­berg früher be­setz­te Ar­beits­platz als Ab­tei­lungs­lei­ter kei­nem ent­spre­chen­den Ar­beits­platz in der von der Er­wer­be­rin ge­schaf­fe­nen neu­en Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on zu­ge­ord­net wer­den könne.
52 Hier­zu ist dar­an zu er­in­nern, dass der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den hat, dass ei­ne ge­ge­be­nen­falls be­ste­hen­de Ver­pflich­tung, pri­vat­recht­li­che Ar­beits­verträge beim Über­gang ei­ner Tätig­keit auf ei­ne ju­ris­ti­sche Per­son des öffent­li­chen Rechts zu be­en­den, gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richt­li­nie 77/187 ei­ne we­sent­li­che Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen zum Nach­teil des Ar­beit­neh­mers dar­stellt, die un­mit­tel­bar aus dem Über­gang folgt, so dass in ei­nem sol­chen Fall da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die Be­en­di­gung die­ser Ar­beits­verträge durch den Ar­beit­ge­ber er­folgt ist (Ur­teil Ma­y­eur, Rand­nr. 56). Eben­so ist fest­zu­stel­len, dass ei­ne ge­ge­be­nen­falls be­ste­hen­de Unmöglich­keit, ei­nem Ar­beit­neh­mer im Fall des Über­gangs in der vom Er­wer­ber ge­schaf­fe­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ei­nen Ar­beits­platz zu­zu­wei­sen, der dem ent­spricht, den die­ser Ar­beit­neh­mer beim Veräußerer in­ne­hat­te, als ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­trags durch den Ar­beit­ge­ber im Sin­ne die­ser Vor­schrift an­ge­se­hen wer­den könn­te, wenn sie zu ei­ner we­sent­li­chen Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen zum Nach­teil des Be­tref­fen­den führt.
53 So­mit ist auf die vom vor­le­gen­den Ge­richt ge­stell­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/23 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass die­se Vor­schrift auch dann an­ge­wandt wer­den kann, wenn der über­tra­ge­ne Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil sei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit nicht be­wahrt, so­fern die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren bei­be­hal­ten wird und sie es dem Er­wer­ber er­laubt, die­se Fak­to­ren zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen; es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen zu prüfen.

Kos­ten
54   Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Vier­te Kam­mer) für Recht er­kannt:
  Art. 1 Abs. 1 Buchst. a und b der Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len ist da­hin aus­zu­le­gen, dass die­se Vor­schrift auch dann an­ge­wandt wer­den kann, wenn der über­tra­ge­ne Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­teil sei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Selbständig­keit nicht be­wahrt, so­fern die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung zwi­schen den über­tra­ge­nen Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren bei­be­hal­ten wird und sie es dem Er­wer­ber er­laubt, die­se Fak­to­ren zu nut­zen, um der­sel­ben oder ei­ner gleich­ar­ti­gen wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­zu­ge­hen; es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen zu prüfen.

* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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