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LAG Köln, Be­schluss vom 24.11.2010, 5 Ta 361/10

   
Schlagworte: Zurückbehaltungsrecht, Einstweilige Verfügung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 5 Ta 361/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 24.11.2010
   
Leitsätze: Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist ein Feststellungsantrag unzulässig, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass dem Antragsteller ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 15.10.2010, 17 Ga 119/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, 5 Ta 361/10

 

Te­nor:

Die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Be­schwer­deführers ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 15.10.2010 wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

 

Gründe:

I. Mit der so­for­ti­gen Be­schwer­de wen­det sich der Be­schwer­deführer da­ge­gen, dass das Ar­beits­ge­richt durch Be­schluss vom 15.10.2010 sei­nen An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­ge­wie­sen hat.

Mit dem am 14.10.2010 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen An­trag be­gehr­te der Be­schwer­deführer den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung mit dem In­halt fest­zu­stel­len, dass dem Be­schwer­deführer bis zu ei­ner Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che ge­genüber sei­nem Ar­beit­ge­ber, dem Be­schwer­de­geg­ner, ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 14 AGG und § 273 BGB zu­ste­he.

Zur Be­gründung hat der Be­schwer­deführer gel­tend ge­macht, er wer­de am Ar­beits­platz durch sei­ne Vor­ge­setz­te und sei­ne Ar­beits­kol­le­gen dis­kri­mi­niert und ge­mobbt und ins­be­son­de­re we­gen sei­ner se­xu­el­len Ori­en­tie­rung als ho­mo­se­xu­el­ler Mann und we­gen sei­ner eth­ni­schen Her­kunft be­nach­tei­ligt.

Durch Be­schluss vom 15.10.2010 hat das Ar­beits­ge­richt den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­ge­wie­sen und zur Be­gründung aus­geführt, die be­gehr­te Fest­stel­lung könne nicht Ge­gen­stand ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung sein. Fest­stel­len­de einst­wei­li­ge Verfügun­gen sei­en in der Re­gel un­zulässig. Die be­an­trag­te Fest­stel­lung lau­fe auf ei­ne gut­ach­ter­lich zu be­ant­wor­ten­de Fra­ge hin­aus, ob der Be­schwer­deführer bei Nicht­auf­nah­me der grundsätz­lich ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ar­beit, ir­gend­ein fi­nan­zi­el­les Ri­si­ko ein­ge­he. Hierfür kom­me ein vorläufi­ges Rechts­schutz­ver­fah­ren von vor­ne­her­ein nicht in Be­tracht.

Ge­gen die­sen Be­schluss hat der Be­schwer­deführer am 20.10.2010 bei Ge­richt die 

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vor­lie­gen­de so­for­ti­ge Be­schwer­de ein­ge­legt. Zur Be­gründung hat der Be­schwer­deführer aus­geführt, die be­an­trag­te Fest­stel­lung könne sehr wohl Ge­gen­stand ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung sein. Da die Be­schwer­de­geg­ne­rin das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des Be­schwer­deführers be­strei­te, han­de­le es sich um die Re­ge­lung ei­nes strei­ti­gen Rechts­verhält­nis­ses, wes­halb das Rechts­in­sti­tut der Re­ge­lungs­verfügung ge­ge­ben sein. An­dern­falls wer­de das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht des § 14 AGG un­ter­lau­fen und prak­tisch wir­kungs­los. Würde dem Be­schwer­deführer der Weg des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes ver­wehrt, bestünde für ihn über­haupt kei­ne Möglich­keit mehr, die Be­schwer­de­geg­ne­rin zur Ab­stel­lung und Un­ter­bin­dung der fort­lau­fen­den Be­ein­träch­ti­gun­gen und Belästi­gun­gen zu ver­an­las­sen.

Der Be­schwer­deführer be­an­tragt, 

un­ter Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts vom 15.10.2010 fest­zu­stel­len, dass dem Be­schwer­deführer bis zu ei­ner Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che ge­genüber der Be­schwer­de­geg­ne­rin das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 14 AGG und § 273 BGB zu­ste­he.

Die Be­schwer­de­geg­ne­rin be­an­tragt, 

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen. 

Die Be­schwer­de­geg­ne­rin macht gel­tend, die be­gehr­te Fest­stel­lung könne nicht Ge­gen­stand ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung sein. Zu­dem sei die Be­schwer­de auch un­be­gründet, da der Be­schwer­deführer kein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 14 AGG so­wie kein Zurück­be­hal­tungs­recht nach § 273 BGB in An­spruch neh­men könne, da ent­ge­gen dem Vor­trag des Be­schwer­deführers kei­ne Be­nach­tei­li­gun­gen oder Dis­kri­mi­nie­run­gen vor­ge­fal­len sei­en.

II. Die zulässi­ge, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te und be­gründe­te so­for­ti­ge Be­schwer­de ist in der Sa­che nicht be­gründet. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­ge­wie­sen.

1. Der An­trag, im Rah­men ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung fest­stel­len zu las­sen, dass dem Be­schwer­deführer ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht zu­ste­he, ist be­reits un­zulässig. Im ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren kann eben­so wie im sons­ti­gen zi­vil­recht­li­chen Ver­fah­ren Ge­gen­stand ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung nur ein An­spruch sein, der im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung durch­ge­setzt wer­den kann. Denn nach § 936 ZPO fin­den auf die An­ord­nung einst­wei­li­ger Verfügun­gen die Ar­rest­vor­schrif­ten der §§ 916 ff. ZPO An­wen­dung. § 916 Abs. 1 ZPO be­stimmt aber, dass der Ar­rest zur Si­che­rung der Zwangs­voll­stre­ckung statt­haft ist. Mit­hin muss es sich um Zah­lungs-, Leis­tungs-, Hand­lungs- oder Un­ter­las­sungs­ansprüche han­deln, die nach § 803 ff. oder § 883 ff. voll­streckt wer­den können.

Der Be­schwer­deführer kann sich in­so­weit auch nicht auf ei­ne Re­ge­lungs­verfügung nach § 940 ZPO be­ru­fen. Denn auch ei­ne Re­ge­lungs­verfügung hat zum In­halt, dass ein Rechts­verhält­nis der­ge­stalt ge­re­gelt wird, dass die Ver­pflich­tung zu Hand­lun­gen oder Un­ter­las­sun­gen aus­ge­spro­chen wird. Des­halb wird die Re­ge­lungs­verfügung zum Teil auch als Un­ter­fall der Leis­tungs­verfügung ein­ge­ord­net (sie­he Zöller/Voll­kom­mer, Zi­vil­pro­zess­ord­nung, 27. Auf­la­ge, § 940 ZPO, Rand­num­mer 1 f).

Auf ei­ne denk­ba­re Aus­nah­me - weil an­de­ren­falls ef­fek­ti­ver Rechts­schutz nach Ar­ti­kel 19 Abs. 4 GG nicht zu er­rei­chen wäre - kann sich der Be­schwer­deführer nicht be­ru­fen. Denn als mögli­ches Re­ak­ti­ons­mit­tel auf Be­nach­tei­li­gun­gen und Dis­kri­mi­nie­run­gen steht dem Be­schwer­deführer das Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht nach § 14 AGG und § 273 BGB oh­ne­hin zu. Al­ler­dings be­deu­tet die Ausübung die­ser Rech­te ein Ri­si­ko für den

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Ar­beit­neh­mer. Wenn sich im wei­te­ren Ver­lauf er­weist, dass kei­ne Be­nach­tei­li­gun­gen oder Dis­kri­mi­nie­run­gen vor­la­gen und da­mit die In­an­spruch­nah­me der Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rech­te rechts­wid­rig war, be­steht für den Ar­beit­neh­mer die Ge­fahr nach­tei­li­ger Re­ak­tio­nen sei­nes Ar­beit­ge­bers, ins­be­son­de­re in Ge­stalt von Ab­mah­nung und Kündi­gung.

Es ist aber nicht Auf­ga­be des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens, dem Ar­beit­neh­mer die­ses Ri­si­ko ab­zu­neh­men. Er ist viel­mehr ge­hal­ten, sorgfältig selbst zu prüfen, ob aus­rei­chen­de Gründe für ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht auf­ge­tre­ten sind oder nicht. An­sons­ten würde, wor­auf das Ar­beits­ge­richt mit Recht hin­ge­wie­sen hat, das einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren zu ei­nem gut­ach­ter­li­chen Ver­fah­ren, wel­ches in Form ei­nes vorläufi­gen Rechts­gut­ach­tens die Be­rech­ti­gung von Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rech­ten fest­stel­len würde. Das aber ist nicht Auf­ga­be des einst­wei­li­gen Rechts­schutz­ver­fah­rens und auch nicht Auf­ga­be ei­ner Re­ge­lungs­verfügung.

Der Ar­beit­neh­mer ist des­wei­te­ren auch des­halb nicht rechts­schutz­los im Sin­ne des Ar­ti­kels 19 Abs. 4 GG, da die Möglich­keit be­steht, kon­kre­te, in Zu­kunft dro­hen­de Ehr­ver­let­zun­gen oder Dis­kri­mi­nie­run­gen durch ei­ne aus­rei­chend kon­kre­ti­sier­te Un­ter­las­sungs­verfügung im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung durch­zu­set­zen.

Der An­trag auf Fest­stel­lung der Be­rech­ti­gung zur Ausübung ei­nes Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­rechts ist da­her un­zulässig.

2. Un­abhängig vom Vor­her­ge­sag­ten ist der An­trag auch un­be­gründet. We­der Verfügungs­an­spruch noch Verfügungs­grund sind schlüssig dar­ge­legt. Ins­be­son­de­re er­gibt sich aus dem bis­he­ri­gen Vor­trag des Be­schwer­deführers nicht, dass ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der se­xu­el­len Ori­en­tie­rung oder we­gen der eth­ni­schen Her­kunft un­ter Berück­sich­ti­gung des sum­ma­ri­schen Prüfungs­maßsta­bes im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren er­kannt wer­den könn­te.

So­weit der Kläger als Grund anführt, dass er über sein Grund­ge­halt hin­aus von 5.160,00 € brut­to kei­ne wei­te­ren Ge­halts­erhöhun­gen, Son­der­zah­lun­gen und Bo­ni er­hal­ten ha­be und an­ders als an­de­re Mit­ar­bei­ter nicht befördert wor­den sei, ist nicht er­kenn­bar, dass dies - nach dem vom Kläger ge­schil­der­ten Ar­beit­ge­ber­ver­hal­ten - ei­nen Zu­sam­men­hang mit sei­ner se­xu­el­len Ori­en­tie­rung oder sei­ner eth­ni­schen Her­kunft ha­ben könn­te. Eben­so we­nig eig­nen sich die Emails der Frau H nach der kur­so­ri­schen Prüfung, die im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren vor­zu­neh­men ist, zur An­nah­me ei­ner Be­nach­tei­li­gung gemäß § 3 AGG, denn dar­in wird je­weils oh­ne Be­zug­nah­me auf se­xu­el­le Ori­en­tie­rung oder eth­ni­sche Her­kunft die Weh­lei­dig­keit des Be­schwer­deführers kri­ti­siert und er zu verstärk­ter Mo­ti­va­ti­on, auch im Hin­blick auf das von ihm be­zo­ge­ne Ge­halt, auf­ge­for­dert.

Darüber hin­aus fehlt es auch an nach­voll­zieh­ba­ren Dar­le­gun­gen für ei­nen Verfügungs­grund.

3. Ins­ge­samt konn­te die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Be­schwer­deführers nicht er­folg­reich sein und muss­te mit der Kos­ten­fol­ge des § 97 Abs. 1 ZPO zurück­ge­wie­sen wer­den.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­sen Be­schluss ist kein wei­te­res Rechts­mit­tel zu­ge­las­sen.

Dr. Grie­se
 

 

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