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LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 28.02.2012, 2 Sa 290/11

   
Schlagworte: Kündigungsbefugnis
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 2 Sa 290/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 28.02.2012
   
Leitsätze: Ein Niederlassungsleiter ist grundsätzlich zum Ausspruch von Kündigungen berechtigt. Eine ausdrückliche Mitteilung hierüber ist nicht erforderlich. Es ist jedoch erforderlich, dass der Arbeitgeber sich über die Person des Niederlassungsleiters im Klaren ist. Die Formulierung "Contact Center Manager" reicht hierfür nicht aus.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Rostock, Urteil vom 04.08.2011, 2 Ca 409/11
   

Te­nor

1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung so­wie um die Er­tei­lung ei­nes Zwi­schen­zeug­nis­ses. Die Kläge­rin ist seit dem 01.09.2000 im Te­le­fon­ser­vice beschäftigt. Sie er­zielt ei­ne Vergütung von 1.510,00 € zzgl. frei­wil­li­ger Leis­tun­gen und even­tu­el­ler Bo­ni. Mit Schrei­ben vom 07.03.2011 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich und hilfs­wei­se or­dent­lich zum 31.07.2011. Das Kündi­gungs­schrei­ben war von "x. y., Con­tact Cen­ter Ma­na­ger" un­ter­schrie­ben. Da­bei han­delt es sich um den Nie­der­las­sungs­lei­ter des Be­trie­bes. Der Ar­beits­ver­trag der Kläge­rin war durch ei­ne an­de­re Per­son, den da­ma­li­gen "Fa­ci­li­ty Di­rec­tor" un­ter­schrie­ben. Mit Schrei­ben vom 09.03.2011 wies die Kläge­rin die Kündi­gung gem. § 147 BGB man­gels Vor­la­ge ei­ner Voll­machts­ur­kun­de zurück. Durch Ur­teil vom 04.08.2011 – 2 Ca 409/11 – hat das Ar­beits­ge­richt Ros­tock für Recht er­kannt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin durch die schrift­li­che frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 07.03.2011, zu­ge­gan­gen am 07.03.2011, nicht auf­gelöst wor­den ist.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin durch die schrift­li­che or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 07.03.2011, zu­ge­gan­gen am 07.03.2011, nicht auf­gelöst wor­den ist.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, der Kläge­rin ein Zwi­schen­zeug­nis zu er­tei­len, das sich auf Ver­hal­ten und Leis­tung er­streckt.

4. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin zu den im Ar­beits­ver­trag ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über die Fest­stel­lungs­anträge wei­ter­zu­beschäfti­gen.

5. Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­strei­tes.

6. Der Streit­wert wird auf 6.714,36 EUR fest­ge­setzt.

In den Ent­schei­dungs­gründen hat das Ge­richt aus­geführt, die Kläge­rin sei zur Zurück­wei­sung der Kündi­gung gem. § 174 BGB be­rech­tigt. Sie sei nicht in sons­ti­ger Wei­se über ei­ne et­wai­ge Voll­machts­er­tei­lung zum Aus­spruch ei­ner Kündi­gung für den Con­tact Ma­na­ger in Kennt­nis ge­setzt wor­den. Es sei nicht er­sicht­lich, dass im deutsch­spra­chi­gen Raum mit dem Be­griff ei­nes Con­tact Cen­ter Ma­na­ger ur­ty­pi­scher­wei­se das Kündi­gungs­recht ver­bun­den sei. Im Übri­gen wird auf die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen die­ses Ur­teil hat die Be­klag­te form- und frist­ge­recht Be­ru­fung ein­ge­legt. Der Ar­beits­ver­trag sei durch den da­ma­li­gen Fa­ci­li­ty Di­rec­tor un­ter­zeich­net wor­den. Die­se Po­si­ti­on ent­spre­che der heu­ti­gen Po­si­ti­on und sei in­halt­lich nichts an­de­res als der Stand­ort- bzw. Nie­der­las­sungs­lei­ter. Die Be­nut­zung eng­lisch­spra­chi­ger Be­zeich­nun­gen sei üblich. Ver­trags­re­le­van­te Mit­tei­lun­gen ha­be die Kläge­rin durch den je­wei­li­gen Con­tact Cen­ter Ma­na­ger er­hal­ten. Ei­ne Auf­ga­ben­be­schrei­bung für den Con­tact Cen­ter Ma­na­ger sei für die Kläge­rin im In­tra­net zugäng­lich ge­we­sen. Auch an­de­re Kündi­gun­gen ha­be der Con­tact Cen­ter Ma­na­ger aus­ge­spro­chen. Im Übri­gen wird auf die Be­ru­fungs­be­gründung Be­zug ge­nom­men.

Sie be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Ros­tock vom 04.08.2011 – 2 Ca 409/11 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie tritt der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung bei. Die Kläge­rin verfüge über kei­ne Eng­lisch­kennt­nis­se. Dass der Be­griff des Con­tact Cen­ter Ma­na­ger mit dem des Nie­der­las­sungs­lei­ters iden­tisch sei, sei der Kläge­rin nicht be­kannt. Ei­ne Kündi­gungs­be­fug­nis bzw. ei­ne Stel­len­erläute­rung bezüglich der Po­si­ti­on von Herrn G. sei ihr nie mit­ge­teilt wor­den.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en wird auf die vor­lie­gen­den Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt Ros­tock hat mit zu­tref­fen­der Be­gründung der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft, das ein Be­vollmäch­tig­ter ei­nem an­de­ren ge­genüber vor­nimmt, un­wirk­sam, wenn der Be­vollmäch­tig­te ei­ne Voll­machts­ur­kun­de nicht vor­legt und der an­de­re das Rechts­geschäft aus die­sem Grun­de un­verzüglich zurück­weist. Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind erfüllt. Herr G. hat sei­ne Be­vollmäch­ti­gung ge­genüber der Kläge­rin beim Aus­spruch der Kündi­gung nicht durch Vor­la­ge ei­ner Voll­machts­ur­kun­de nach­ge­wie­sen. Die Zurück­wei­sung der Kündi­gung mit Schrei­ben vom 09.03.2011 ist recht­zei­tig (vgl. BAG vom 30.05.1978, 2 AZR 633/76).

Die Zurück­wei­sung war auch nicht gem. § 174 Abs. 2 BGB aus­ge­schlos­sen. Der Voll­macht­ge­ber hat die Kläge­rin nicht auf an­de­re Wei­se von der Be­vollmäch­ti­gung in Kennt­nis ge­setzt. Dies kann zwar grundsätz­lich auch da­durch ge­sche­hen, dass der be­tref­fen­de Mit­ar­bei­ter in ei­ne Stel­le be­ru­fen wird, mit der das Kündi­gungs­recht re­gelmäßig ver­bun­den ist, oh­ne dass der Ar­beit­neh­mer po­si­ti­ve Kennt­nis von der da­mit ver­bun­de­nen Kündi­gungs­be­fug­nis ha­ben muss (BAG vom 20. Au­gust 1997 – 2 AZR 518/96). Man kann da­von aus­ge­hen, dass der Lei­ter ei­ner Nie­der­las­sung grundsätz­lich zum Aus­spruch von Kündi­gun­gen als be­rech­tigt an­zu­se­hen ist. Dies reicht je­doch im vor­lie­gen­den Fall nicht aus. Es hätte ei­nes wei­te­ren Han­delns der Be­klag­ten be­durft, durch das der Kläge­rin zu­min­dest auf­ge­zeigt wor­den wäre, auf wel­che Wei­se sie den Na­men des ak­tu­el­len Nie­der­las­sungs­lei­ters er­fah­ren könne. Dies er­gibt sich aus dem Zweck des § 174 BGB (vgl. BAG vom 14.04.2011 – 6 AZR 727/09). Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass der Zu­satz un­ter dem Kündi­gungs­schrei­ben "Con­tact Cen­ter Ma­na­ger" nicht aus­sa­ge­kräftig ist. Aus die­sem Zu­satz er­sch­ließt sich für die Kläge­rin nicht, dass es sich bei die­ser Per­son um den Nie­der­las­sungs­lei­ter han­deln muss. Eben­so folgt aus dem Um­stand, dass ver­trags­re­le­van­te Mit­tei­lun­gen, die an die Kläge­rin ge­sandt wor­den sind, auch die Un­ter­schrift von Herrn G. tra­gen, nicht zwin­gend, dass es sich bei Herrn G. um den Nie­der­las­sungs­lei­ter han­deln muss. Es ist der Be­klag­ten ein­zuräum­en, dass ei­ne nicht un­er­heb­li­che Wahr­schein­lich­keit be­steht, dass die Kläge­rin ge­wusst hat, dass es sich bei Herrn G. um den Nie­der­las­sungs­lei­ter han­delt. Die­se Wahr­schein­lich­keit reicht je­doch nicht aus, um ein "In­kennt­nis­set­zen" i.S.d. § 174 Satz 2 BGB zu be­ja­hen. Die Be­klag­te hätte der Kläge­rin im Ar­beits­ver­trag oder während des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nen Weg auf­zei­gen müssen, auf dem die­se vor Zu­gang der Kündi­gung un­schwer er­fah­ren kann, wel­che Per­son die Po­si­ti­on in­ne hat, mit der das Kündi­gungs­recht ver­bun­den ist. Dass sich im In­tra­net ei­ne in eng­li­scher Spra­che ge­schrie­be­ne Auf­ga­ben­be­schrei­bung für Herrn G. be­fin­det, ist an­ge­sichts der nicht nach­ge­wie­se­nen Eng­lisch­kennt­nis­se der Kläge­rin oh­ne­hin un­er­heb­lich. Eben­so ist un­er­heb­lich, dass Herr G. in der Pres­se als Stand­ort­lei­ter be­zeich­net wor­den ist. Dies muss die Kläge­rin nicht ge­le­sen ha­ben. Das Ver­hal­ten der Kläge­rin ist auch nicht wi­dersprüchlich. Es hat aus­ge­reicht, dass sie die Kündi­gung man­gels Voll­machts­ur­kun­de zurück­weist. Sie konn­te zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt ih­ren Vor­trag noch da­hin ergänzen, über die Funk­ti­on des Herrn G. un­zu­rei­chend in­for­miert wor­den zu sein. In dem zurück­wei­sen­den Schrei­ben gem. § 174 BGB muss der Ar­beit­neh­mer kei­ne erschöpfen­de Dar­stel­lung der Gründe leis­ten, ob de­nen er sich über die Kündi­gungs­be­rech­ti­gung un­zu­rei­chend in­for­miert fühlt.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO. Zur Zu­las­sung der Re­vi­si­on gem. § 72 Abs. 2 ArbGG be­steht kein An­lass.

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