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LAG Hamm, Ur­teil vom 07.08.2008, 11 Sa 284/08

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 11 Sa 284/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.08.2008
   
Leitsätze:
  1. Der öffentliche Arbeitgeber schuldet eine Entschädigung nach § 15 Abs.2 AGG, wenn er eine Arbeitsstelle im allgemeinen Vollzugsdienst für einen Bewerberkreis "20 - 25 Jahre alt" ausschreibt und einen 28jährigen Bewerber zurückweist, weil man aufgrund der geplanten späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis an die in der Stellenausschreibung genannte Altersgrenze gebunden sei.
  2. Die Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters ist nicht nach § 10 Satz 3 Nr.3 AGG aus den Erwägungen zulässig, mit denen die Höchstaltersgrenze für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis gerechtfertigt wird (Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand mit Bezug der beamtenrechtlichen Versorgung):
    1. Nach der Stellenausschreibung soll ein Arbeitsverhältnis und kein Beamtenverhältnis begründet werden. Das Arbeitsverhältnis eröffnet keinen Zugang zu einer beamtenrechtlichen Versorgung.
    2. Die Absicht, der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt (bei positiver Entwicklung) eine Übernahme in das Beamtenverhältnis folgen zu lassen, führt nicht dazu, dass die Ungleichbehandlung des Bewerbers objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 AGG gerechtfertigt ist. Ein vorgeschaltetes Arbeitsverhältnis ist laufbahnrechtlich nicht Voraussetzung für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst als Justizvollzugsobersekretäranwärter (Beamter auf Widerruf).

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Bielefeld
   

11 Sa 284/08

2 Ca 542/07 Ar­beits­ge­richt Bie­le­feld

 

Verkündet am 07.08.2008

Jes­ke Re­gie­rungs­beschäftig­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

hat die 11. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 07.08.2008
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Lim­berg
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bas­ler und Voßeler

für Recht er­kannt:

 

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Die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld vom 14.08.2007 - 2 Ca 542/07 - wird auf Kos­ten des be­klag­ten Lan­des zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

TAT­BESTAND :

Der Kläger nimmt das be­klag­te Land auf Entschädi­gung nach § 15 AGG we­gen al­ters­be­ding­ter Be­nach­tei­li­gung in An­spruch, nach­dem das be­klag­te Land sei­ne Be­wer­bung um ei­ne Ein­stel­lung als Mit­ar­bei­ter für den all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst am 08.01.2007 un­ter Hin­weis auf die be­ab­sich­tig­te späte­re Über­nah­me in ein Be­am­ten­verhält­nis we­gen sei­nes zu weit fort­ge­schrit­te­nen Al­ters von 28 Le­bens­jah­ren zurück­ge­wie­sen hat.

Der Kläger ist am 04.01.1979 ge­bo­ren. Er ab­sol­vier­te die Grund­schu­le, die Ge­samt­schu­le mit dem Ab­schluss Se­kun­dar­stu­fe I1 / Fach­ober­schul­rei­fe und die Kauf­mann­schu­le I1 in H1 – Be­rufs­schu­le – mit dem Ab­schluss der Se­kun­dar­stu­fe II. We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten des be­ruf­li­chen Wer­de­gangs des Klägers wird auf den vor­ge­leg­ten Le­bens­lauf ver­wie­sen (Blatt 3, 4 Bei­ak­te).
In der zwei­ten De­zem­berhälf­te 2006 in­se­rier­ten die B6 Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten wie folgt in der Zei­tung:

„ . . .

Die B6 Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten
su­chen meh­re­re

Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter
für den all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst

 

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Wir er­war­ten:
> mind. Haupt­schul­ab­schluss mit Be­rufs­aus­bil­dung oder Re­al­schul­ab­schluss/Ab­itur
> 20 bis 25 Jah­re alt
> körper­li­che Fit­ness
> si­che­res Auf­tre­ten
> Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein
> Gu­te PC-Kennt­nis­se (Word, Ex­cel)
> Be­reit­schaft zum Ein­satz in al­len ost­westfäli­schen
Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten

Wir bie­ten:
> ei­nen si­che­ren, nicht alltägli­chen Ar­beits­platz
> ein viel­sei­ti­ges in­ter­es­san­tes und her­aus­for­dern­des Auf­ga­ben­ge­biet
> ein gu­tes Ar­beits­kli­ma und die ge­ziel­te Förde­rung Ih­rer be­ruf­li­chen Ent­wick­lung
> leis­tungs­ge­rech­te Be­zah­lung
> ei­ne späte­re Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis ist vor­ge­se­hen
. . . "

Stel­len­aus­schrei­bun­gen für den all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst (mitt­le­rer Dienst) fan­den sich auch im In­ter­net­por­tal des Jus­tiz­mi­nis­te­ri­ums NRW. Aus­weis­lich ei­nes von dem Kläger vor­ge­leg­ten Aus­drucks vom 26.12.2006 such­ten u. a. die Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt B4-B5 I1, die Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt B4-S2, die Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt H2 und die Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt W2 I1 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter für den all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst (mitt­le­rer Dienst). Zum Stich­wort „Be­wer­ber­kreis" wird dort an­ge­ge­ben „Be­wer­ber/in­nen von 20 bis 26 Jah­ren", „Be­wer­be­rin­nen/Be­wer­ber von 20 bis 25 Jah­ren", „Be­wer­ber/in­nen im Al­ter von 20 bis 26 Jah­ren" und „Be­wer­ber/in­nen von 20 bis 27 Jah­ren".
We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten wird auf die zur Ak­te ge­reich­ten Ko­pi­en der Zei­tungs­an­zei­ge und der Stel­len­aus­schrei­bun­gen laut „NRW-Jus­tiz­por­tal: Jus­tiz-on­line" Be­zug ge­nom­men (Bl. 19 GA, Bl. 41 GA). Der Kläger be­warb sich mit Schrei­ben vom 03.01.2007 bei der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt B4-B5 I1. Auf die vor­ge­leg­te Ko­pie des Be­wer­bungs­schrei­bens wird Be­zug ge­nom­men (Bl. 1 Bei­ak­te). Mit Schrei­ben vom 08.01.2007 sand­te der Lei­ter der JVA B4-B5 I1 die Be­wer­bungs­un­ter­la­gen an den Kläger zurück. Im An­schrei­ben heißt es aus­zugs­wei­se (vollständi­ger Text: Ko­pie Bl. 20 GA):

„ . . .
für Ihr In­ter­es­se an ei­ner Ein­stel­lung be­dan­ke ich mich.
Auf­grund der ge­plan­ten späte­ren Über­nah­me in der Be­am­ten­verhält­nis bin ich lei­der an die an­ge­ge­be­ne Al­ters­gren­ze ge­bun­den, so dass ich Ih­re Be­wer­bung nicht berück­sich­ti­gen kann. . . ."

 

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Hin­ter­grund für die aus­ge­wie­se­nen Al­ters­gren­zen ist das Ziel des be­klag­ten Lan­des, im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst möglichst vie­le Beschäftig­te als Be­am­te zu beschäfti­gen. Zu­grun­de liegt die Einschätzung, dass im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst fast aus­sch­ließlich Tätig­kei­ten im Be­reich der persönli­chen Be­treu­ung und Be­wa­chung der In­haf­tier­ten an­fal­len, die auch die Durch­set­zung von ge­setz­li­chen und ver­wal­tungs­in­ter­nen Vor­schrif­ten ggf. un­ter Ein­satz von un­mit­tel­ba­ren Zwang um­fas­sen. Nach § 22 Abs. 1 der Lauf­bahn­ver­ord­nung NW (LVO NW) ist ei­ne Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis nur möglich, wenn der be­tref­fen­de Mit­ar­bei­ter das 30. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat. Zu­vor muss der Mit­ar­bei­ter ei­nen zweijähri­gen Vor­be­rei­tungs­dienst er­folg­reich ab­ge­schlos­sen ha­ben. Dar­aus er­gibt sich die An­for­de­rung, dass der Mit­ar­bei­ter zu Be­ginn des Vor­be­rei­tungs­diens­tes das 28. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet ha­ben darf. Über den Aus­bil­dungs­gang verhält sich die Ver­ord­nung über die Aus­bil­dung und Prüfung für die Lauf­bahn des all­ge­mei­nen Voll­zugs­diens­tes bei Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­lens (VA­Pa­Voll­zd) in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 04. Sep­tem­ber 2000, zu­letzt geändert am 03.05.2005 (vollständi­ger Text: Bl. 153 ff GA).
Im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst des Lan­des NRW wer­den zu ca. 93 % Be­am­te und zu ca. 7 % An­ge­stell­te beschäftigt. Von den rund 430 An­ge­stell­ten sind ca. 30 älter als 28 Jah­re und ca. 400 jünger als 28 Jah­re. So­weit bei An­ge­stell­ten im all­ge­mei­nen Jus­tiz­dienst fest­steht, dass die­se nicht in den Vor­be­rei­tungs­dienst bzw. das Be­am­ten­verhält­nis über­nom­men wer­den, ist das be­klag­te Land dar­um bemüht, die Beschäfti­gungs­verhält­nis­se zu be­en­den. So­weit die Beschäfti­gungs­verhält­nis­se be­fris­tet sind, wird das Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf der Be­fris­tung be­en­det. Han­delt es sich um un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se, wird von dem be­klag­ten Land ver­sucht, ei­ne ein­ver­nehm­li­che Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses her­bei­zuführen. In ein­zel­nen Fällen wer­den auch Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen. Hin­ter­grund ist die Maßga­be des Lan­des, dass ho­heit­li­che Auf­ga­ben aus­sch­ließlich von Be­am­ten wahr­ge­nom­men wer­den sol­len.
Im An­schluss an die Ab­leh­nung sei­ner Be­wer­bung un­ter dem 08.01.2007 hat der Kläger mit Schrei­ben vom 19.01.2007 ge­genüber dem be­klag­ten Land ei­nen An­spruch auf Entschädi­gung we­gen al­ters­be­ding­ter Be­nach­tei­li­gung gel­tend ge­macht. Die Kla­ge auf Entschädi­gungs­zah­lung ist am 27.02.2007 bei dem Ar­beits­ge­richt ein­ge­reicht wor­den.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das be­klag­te Land ha­be ihn durch die an­ge­wand­te Höchst­al­ters­gren­ze im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren be­nach­tei­ligt und schul­de ihm des­halb ei­ne Entschädi­gung nach § 15 AGG in Höhe von drei Mo­nats­net­to­ein­kom­men in Höhe von je 1.500,00 €.

 

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Der Kläger hat be­an­tragt,

das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 4.500,00 € zu zah­len.

Das be­klag­te Land hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land hat die in der Stel­len­aus­schrei­bung vor­ge­ge­be­ne Höchst­al­ters­gren­ze da­mit ver­tei­digt, die Al­ters­gren­ze sei durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt und zur Er­rei­chung die­ses Zie­les an­ge­mes­sen und er­for­der­lich, nämlich im Hin­blick auf die ge­plan­te Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis. In der veröffent­lich­ten Stel­len­aus­schrei­bung sei ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren an­ge­ge­ben wor­den, um dem Um­stand Rech­nung zu tra­gen, dass sich für den Be­ginn des Vor­be­rei­tungs­diens­tes häufig War­te­zei­ten von 18 bis 24 Mo­na­ten ergäben. Dies be­ru­he dar­auf, dass nicht un­be­grenzt Plan­stel­len für die Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis zur Verfügung stünden und Mit­ar­bei­ter nur in dem Um­fang als Teil­neh­mer am Vor­be­rei­tungs­dienst be­ru­fen würden, wie ei­ne Ver­be­am­tung nach Ab­lauf des Vor­be­rei­tungs­diens­tes in zwei Jah­ren zu er­war­ten ste­he.

Das Ar­beits­ge­richt hat das be­klag­te Land mit Ur­teil vom 14.08.2007 ver­ur­teilt, an den Kläger 3.000,00 € zu zah­len. Im Übri­gen hat es die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das be­klag­te Land ha­be ge­genüber dem Kläger ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot nach § 1 AGG ver­s­toßen. Ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze sei ein an­schei­nend neu­tra­les Kri­te­ri­um bei der Be­wer­be­r­aus­wahl. Die ge­ne­rel­le An­wen­dung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze in ei­nem Be­wer­bungs­ver­fah­ren sei ei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung, wenn sie nicht nach § 3 Abs. 2 AGG ge­recht­fer­tigt sei. Mit der Auf­fas­sung des be­klag­ten Lan­des sei es ge­ne­rell zu­tref­fend, dass ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze für die Ein­stel­lung von Mit­ar­bei­tern im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt sei. In­des er­wei­se sich die kon­kret fest­ge­leg­te Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren vor­lie­gend nicht als er­for­der­li­ches und an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Ziel­er­rei­chung. Nach den Dar­le­gun­gen des Lan­des könne nicht er­kannt wer­den, dass ei­ne ge­ne­rel­le Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren er­for­der­lich sei, um zu si­chern, dass im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst wei­test­ge­hend Be­am­te ein­ge­setzt wer­den könn­ten. Selbst wenn man sich an der Höchst­al­ters­gren­ze aus § 22 LVO NW von 30 Jah­ren ori­en­tie­re, fol­ge

 

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dar­aus nicht, dass Be­wer­ber für den zweijähri­gen Vor­be­rei­tungs­dienst nicht älter als 25 Jah­ren sein dürf­ten. Die be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen ent­hiel­ten kei­nen An­halts­punkt dafür, dass der Lan­des­ge­setz­ge­ber über die Höchst­al­ters­gren­ze für Be­am­te (§ 22 LVO NW) und den Vor­lauf ei­nes zweijähri­gen Vor­be­rei­tungs­diens­tes (§§ 20, 21 LVO NW) hier­aus ei­ne wei­te­re An­lauf­pha­se und da­mit ei­ne wei­te­re Her­ab­set­zung der Höchst­al­ters­gren­ze für not­wen­dig er­ach­tet hätte. Ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze von 28 Jah­ren (oder 27 Jah­ren) sei vor­lie­gend nicht zu prüfen. Denn der Tat­be­stand der mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung sei nach der vom Land ge­ne­rell an­ge­wand­ten Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren erfüllt. Die ge­schul­de­te Entschädi­gung sei mit zwei Mo­nats­ein­kom­men an­ge­mes­sen. Der Kläger ha­be sich bei der Höhe sei­ner Entschädi­gungs­for­de­rung an der Ober­gren­ze des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG mit drei Mo­nats­ein­kom­men ori­en­tiert. Er ha­be sich da­mit selbst als aus­sichts­lo­sen Be­wer­ber im Sin­ne von § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ein­geschätzt. Der Be­trag von zwei Mo­nats­ein­kom­men sei ei­ner­seits ei­ne spürba­re Entschädi­gung und er­for­der­lich und gleich­zei­tig aber auch aus­rei­chend, um das be­klag­te Land zu ver­an­las­sen, bei künf­ti­gen Stel­len­aus­schrei­bun­gen den An­for­de­run­gen des AGG Rech­nung zu tra­gen.

Das Ur­teil ist dem be­klag­ten Land am 23.08.2007 zu­ge­stellt wor­den. Das be­klag­te Land hat am 06.09.2007 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis zum 23.11.2007 am 23.11.2007 be­gründet.

Das be­klag­te Land wen­det ein, ent­ge­gen der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­rich­tes be­ste­he ein An­spruch auf Entschädi­gung nicht. Hilfs­wei­se sei zu be­ach­ten, dass die zu­ge­spro­che­ne Entschädi­gung deut­lich über­setzt sei.
Hin­ter­grund der Al­ter­san­for­de­rung im Be­wer­bungs­ver­fah­ren sei, dass die Be­wer­ber zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt in das Be­am­ten­verhält­nis über­nom­men wer­den soll­ten, und zwar zunächst während des Vor­be­rei­tungs­diens­tes als Be­am­ter auf Wi­der­ruf so­wie an­sch­ließend als Be­am­ter auf Pro­be bzw. nach er­folg­ter Bewährung als Be­am­ter auf Le­bens­zeit. Ei­ne Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis auf Pro­be sei gemäß § 22 Abs. 1 LVO NW nur vor der Voll­endung des 30. Le­bens­jah­res möglich. Da der Vor­be­rei­tungs­dienst zwei Jah­re daue­re, müsse noch vor Voll­endung des 28. Le­bens­jah­res mit dem Vor­be­rei­tungs­dienst be­gon­nen wer­den. Der Kläger in­des ha­be be­reits am Tag des Ein­gangs sei­ner Be­wer­bung am 04.01.2007 das 28. Le­bens­jahr voll­endet. Die an­ge­streb­te Über­nah­me des Klägers in ein Be­am­ten­verhält­nis sei da­mit von Be­ginn an aus­ge­schlos­sen ge­we­sen. In der Pra­xis sei es so, dass zwi­schen der An­stel­lung ei­nes Mit­ar­bei­ters als An­ge­stell­ter im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst zur Aus­bil­dung und dem Be­ginn ei­nes nach­fol­gen­den Vor­be­rei­tungs­diens­tes

 

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ein Zeit­raum von ca. 18 bis 24 Mo­na­ten ver­strei­che. Die­se 18 bis 24 Mo­na­te dien­ten u. a. auch der wei­te­ren Er­pro­bung der (an­ge­stell­ten) Mit­ar­bei­ter in Be­zug auf de­ren Eig­nung so­wohl für die kon­kre­te Tätig­keit im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst als auch ge­ne­rell für die Über­nah­me in ein Be­am­ten­verhält­nis. An­ge­sichts des­sen hätten die zuständi­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen der JVA B4-B5 I1 25 Jah­re als Höchst­gren­ze er­mit­telt und fest­ge­setzt.
Die in § 18, 22 LVO NW ent­hal­te­ne Höchst­al­ters­gren­ze für die Ver­be­am­tung sei kei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters son­dern ei­ne nach § 10 Satz 3 Zif­fer 3 AGG zulässi­ge Fest­le­gung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze für die Über­nah­me von Beschäftig­ten. Es wer­de das le­gi­ti­me Ziel ver­folgt, dass Be­am­te un­ter Berück­sich­ti­gung der spe­zi­fi­schen be­am­ten­recht­li­chen Re­ge­lun­gen zur Al­ters­ver­sor­gung vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ei­ne an­ge­mes­se­ne Dienst­zeit zurück­leg­ten.
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­rich­tes sei die Fest­le­gung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren nicht zu be­an­stan­den. Die über die rein ma­the­ma­ti­sche Be­rech­nung hin­aus vor­ge­nom­me­ne wei­te­re Re­du­zie­rung der Höchst­gren­ze des Le­bens­al­ters auf 25 Jah­re sei durch das le­gi­ti­me Ziel ge­recht­fer­tigt, dass hin­sicht­lich sämt­li­cher neu ein­zu­stel­len­der Mit­ar­bei­ter die Möglich­keit be­ste­he, die­se in ein Be­am­ten­verhält­nis zu über­neh­men. Die Fest­le­gung der Höchst­al­ters­gren­ze auf 25 Le­bens­jah­re sei nicht un­vernünf­tig. Zu berück­sich­ti­gen sei, dass zwi­schen dem Ein­gang der Be­wer­bung und der tatsächli­chen Auf­nah­me der Tätig­keit un­ter Berück­sich­ti­gung von Aus­wahl­ver­fah­ren und Eig­nungs­prüfung ein Zeit­raum von min­des­tens drei Mo­na­ten und in der Re­gel so­gar von sechs Mo­na­ten ein­zu­kal­ku­lie­ren sei. Es sei da­her ge­bo­ten, die Höchst­al­ters­gren­ze der Be­wer­ber auf min­des­tens ma­xi­mal 26 Jah­re ab­zu­sen­ken. Zu berück­sich­ti­gen sei schließlich, dass die theo­re­ti­sche Aus­bil­dung der Teil­neh­mer am Vor­be­rei­tungs­dienst für den all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst jähr­lich nur ein­mal, nämlich am 01.07. des Jah­res, be­gin­ne. Auch dar­aus re­sul­tie­re u. U. ei­ne länge­re War­te­zeit für die Teil­nah­me an dem Vor­be­rei­tungs­dienst. Die Fest­le­gung der Höchst­al­ters­gren­ze lie­ge da­ne­ben auch im ei­ge­nen In­ter­es­se der Be­wer­ber, da die­se un­ter Berück­sich­ti­gung des In­hal­tes der Stel­len­aus­schrei­bung dar­auf ver­trau­en dürf­ten, dass sie bei er­folg­rei­cher Ab­sol­vie­rung des Vor­be­rei­tungs­diens­tes in ein Be­am­ten­verhält­nis über­nom­men würden.
Die Höhe der vom Ar­beits­ge­richt fest­ge­leg­ten Entschädi­gung von 3.000,00 € sei in kei­ner Wei­se an­ge­mes­sen. Zwar ha­be das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend ein­geräumt, dass der Kläger sich selbst als aus­sichts­lo­sen Be­wer­ber im Sin­ne von § 15 Abs. 2 AGG einschätze. Dem Kläger sei be­kannt ge­we­sen, dass die Über­nah­me in ein Be­am­ten­verhält­nis nur dann in Fra­ge kom­me, wenn der Be­wer­ber zu Be­ginn des Vor­be­rei­tungs­diens­tes das 28. Le­bens­jahr noch nicht voll­endet ha­be. Vor­lie­gend ha­be der Kläger je­doch be­reits am 04.01.2007 das 28. Le­bens­jahr voll­endet. Im Hin­blick dar­auf ha­be der Kläger kei­ne nach Art und Schwe­re nen­nens­wer­te Be­nach­tei­li­gung er­fah­ren. Zu berück­sich­ti­gen sei auch, dass der Kläger

 

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of­fen­sicht­lich gar nicht ernst­haft das Ziel ver­folgt ha­be, die aus­ge­schrie­be­ne Tätig­keit im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst an­zu­tre­ten. Der Kläger ha­be im An­schluss an das erst­in­stanz­li­che Ver­fah­ren durch sei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten ge­genüber der Pres­se erklären las­sen, er wol­le über­haupt nicht Be­am­ter wer­den. Of­fen­sicht­lich ha­be der Kläger es al­lein dar­auf an­ge­legt, ei­ne Entschädi­gung gemäß § 15 AGG ein­zu­for­dern. So­weit der Kläger be­reits in der Kla­ge­schrift vom Fe­bru­ar 2007 dem Vor­wurf des „AGG-Hop­pens" wi­der­spre­che, sei dies we­nig glaub­haft. Die un­mit­tel­bar nach Er­halt der Ab­leh­nung von dem Kläger ein­ge­leg­te Be­schwer­de nebst ausführ­li­cher Dar­le­gung sei­ner Rechts­auf­fas­sung ver­deut­li­che, dass der Kläger be­reits bei Ver­sen­dung der Be­wer­bung da­von aus­ge­gan­gen sei, kei­ne Berück­sich­ti­gung zu fin­den, und dass er es auch ge­nau hier­auf an­ge­legt ha­be. Das sei bei der Be­mes­sung der Entschädi­gung zu berück­sich­ti­gen. Sch­ließlich sei zu be­ach­ten, dass man nicht ge­dan­ken­los un­ter Miss­ach­tung des Ver­bots der Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters die Höchst­al­ters­gren­ze von 25 Jah­ren fest­ge­setzt ha­be. Im In­ter­es­se der Be­wer­ber sei das Höchst­al­ter so be­zif­fert wor­den, dass sämt­li­che Be­wer­ber ei­ne rea­lis­ti­sche Aus­sicht ge­habt hätten, zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt in ein Be­am­ten­verhält­nis über­nom­men zu wer­den. Ei­ne fahrlässi­ge oder gar vorsätz­li­che Miss­ach­tung des Ver­bots der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung ha­be nicht statt­ge­fun­den.

Das be­klag­te Land be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Bie­le­feld vom 14.08.2007 – 2 Ca 542/07 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. Das be­klag­te Land ha­be ihn durch die an­ge­wand­te Höchst­al­ters­gren­ze im Ein­stel­lungs­ver­fah­ren be­nach­tei­ligt. Trotz in­di­vi­du­el­ler Fähig­kei­ten würden bei der von dem be­klag­ten Land prak­ti­zier­ten Aus­wahl älte­re Be­wer­ber außen vor­ge­las­sen. Die ge­ne­rel­le und abs­trak­te An­wen­dung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze im Be­wer­bungs­ver­fah­ren sei ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne des § 3 AGG. Die zur Be­gründung der Höchst­al­ters­gren­ze an­geführ­te Per­spek­ti­ve der späte­ren Be­gründung ei­nes Be­am­ten­verhält­nis­ses sei kein maßgeb­li­ches Kri­te­ri­um. Es könn­ten auch nor­ma­le

 

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An­stel­lungs­verhält­nis­se be­gründet wer­den. Ei­ne Über­nah­me in ein Be­am­ten­verhält­nis sei nicht zwin­gend und auch im öffent­li­chen Dienst nicht an der Ta­ges­ord­nung. Ent­ge­gen der Dar­le­gung des be­klag­ten Lan­des könne der Vor­be­rei­tungs­dienst auch be­reits nach 1 1/2 Jah­ren ab­ge­schlos­sen sein. Im An­schluss an den erst­in­stanz­li­chen Ge­richts­ter­min sei von ihm le­dig­lich klar­ge­stellt wor­den, dass ihm natürlich an ei­nem Be­am­ten­verhält­nis lie­ge, er al­ler­dings ge­nau­so gut als nor­ma­ler Ar­bei­ter bzw. An­ge­stell­ter sei­ne Tätig­keit auf­neh­men wol­le.

We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten des wech­sel­sei­ti­gen Sach­vor­tra­ges und we­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten der je­wei­li­gen recht­li­chen Ar­gu­men­ta­ti­on wird auf die zur Ak­te ge­reich­ten Schriftsätze der Par­tei­en ergänzend Be­zug ge­nom­men.

ENT­SCHEI­DUN­GSGRÜNDE :

I.

Die Be­ru­fung ist statt­haft und zulässig gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b) ArbGG. Die Be­ru­fung ist ent­spre­chend den An­for­de­run­gen der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form-und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II.

Die Be­ru­fung ist in der Sa­che un­be­gründet. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt das be­klag­te Land zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG ver­ur­teilt. Das be­klag­te Land hat den Kläger bei der Ab­leh­nung sei­ner Be­wer­bung un­zulässig we­gen sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt.

1. Die ge­setz­li­chen Fris­ten für die Rea­li­sie­rung ei­nes Entschädi­gungs­an­spruchs nach § 15 Abs. 2 AGG hat der Kläger ein­ge­hal­ten. Er hat noch im Ja­nu­ar 2007, al­so im Mo­nat der

 

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Ab­leh­nung sei­ner Be­wer­bung, den An­spruch schrift­lich gel­tend ge­macht und be­reits im Fe­bru­ar 2007 die Kla­ge anhängig ge­macht. Da­mit sind die Zwei-Mo­nats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG und die Drei-Mo­nats-Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG ge­wahrt.

2. Die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 2 AGG sind erfüllt. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein Beschäftig­ter bei ei­nem Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot nach dem AGG von dem Ar­beit­ge­ber für ei­nen Scha­den, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld ver­lan­gen.

a) Als Ein­stel­lungs­be­wer­ber ist der Kläger nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG Beschäftig­ter. Er gehört da­mit zu dem an­spruchs­be­rech­tig­ten Per­so­nen­kreis des § 15 Abs. 2 AGG.

b) Das be­klag­te Land hat das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG ver­letzt. Es hat die Be­wer­bung des Klägers aus­weis­lich des Ab­leh­nungs­schrei­bens vom 08.01.2007 un­strei­tig des­halb nicht berück­sich­tigt, weil der Kläger das in der Stel­len­an­zei­ge aus De­zem­ber 2007 ge­for­der­te Höchst­al­ter über­schrit­ten hat­te. Da­mit hat das be­klag­te Land den Kläger we­gen des in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­mals des Al­ters we­ni­ger güns­tig be­han­delt, als es ei­nen Be­wer­ber jünge­ren Al­ters be­han­delt hätte. Der Kläger ist we­gen sei­nes auf 28 Le­bens­jah­re vor­an­ge­schrit­te­nen Le­bens­al­ters un­mit­tel­bar be­nach­tei­ligt wor­den im Sin­ne des § 3 Abs. 1 AGG.

c) Die Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters ist nicht nach § 8 Abs. 1 AG zulässig. Ein Le­bens­al­ter von we­ni­ger als 28 Jah­ren ist we­der we­gen der Art der im Voll­zugs­dienst aus­zuüben­den Tätig­keit noch we­gen der Be­din­gun­gen ih­rer Ausübung ei­ne not­wen­di­ge be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne des § 8 Abs. 1 AGG. Die Tätig­keit im all­ge­mei­nen Voll­zugs­dienst kann viel­mehr in glei­cher Wei­se von Beschäftig­ten ei­nes Le­bens­al­ters von 20 bis 25 Jah­ren wie auch von deut­lich älte­ren Mit­ar­bei­tern ver­rich­tet wer­den. Tatsächlich gibt es im Voll­zugs­dienst des be­klag­ten Lan­des auch rund 30 Mit­ar­bei­ter, die älter als 28 Jah­re sind und auf ar­beits­ver­trag­li­cher Grund­la­ge beschäftigt wer­den. Die von dem be­klag­ten Land prak­ti­zier­te Al­ters­be­gren­zung ist des­halb nicht nach § 8 AGG zulässig.

d) Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters ist nicht nach § 10 AGG ge­recht­fer­tigt. Nach die­ser Be­stim­mung ist ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters auch zulässig, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist (§ 10 Satz 1 AGG). Die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels müssen

 

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an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sein (§ 10 Satz 2 AGG). In sei­nem Satz 3 nennt § 10 AGG bei­spiel­haft sechs Fall­ge­stal­tun­gen ei­ner zulässi­gen un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung we­gen des Al­ters.

aa) Die Ar­gu­men­ta­ti­on des be­klag­ten Lan­des ist der Fall­ge­stal­tung des § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG zu­zu­ord­nen. Nach die­ser Be­stim­mung kann ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters zulässig sein, wenn ein Höchst­al­ter für die Ein­stel­lung fest­ge­setzt wird, um spe­zi­el­len Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes zu genügen oder um der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ge­recht zu wer­den.

(1) Ob die An­for­de­rung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze für die Ver­be­am­tung nach den be­am­ten­recht­li­chen Re­geln mit dem AGG ver­ein­bar ist, ist um­strit­ten.
Das OVG NRW hat in meh­re­ren Ur­tei­len der Jah­re 2007 und 2008 ent­schie­den, dass die Höchst­al­ters­gren­ze von 35 Jah­ren für die Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis auf Pro­be bei Leh­rern gemäß §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NW mit dem AGG so­wie mit der Richt­li­nie 2000/78/EG (EGRL 78/2000) ver­ein­bar ist. Mit der Höchst­al­ters­re­ge­lung ver­folgt der Ver­ord­nungs­ge­ber des Lan­des, so das OVG, ein le­gi­ti­mes Ziel. Die Höchst­al­ters­re­ge­lung dient dem Zweck, ein an­ge­mes­se­nes Verhält­nis zwi­schen der Beschäfti­gungs­zeit als Be­am­ter und dem An­spruch auf Ver­sor­gung im Ru­he­stand her­zu­stel­len, so­wie ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Al­ters­struk­tur in den je­wei­li­gen Lauf­bah­nen zu gewähr­leis­ten. Die Si­cher­stel­lung ei­nes an­ge­mes­se­nen Verhält­nis­ses zwi­schen ak­ti­ver Dienst­zeit und dem Ver­sor­gungs­an­spruch im Ru­he­stand ist we­sent­li­che Grund­la­ge für die Funk­ti­onsfähig­keit des be­am­ten­recht­li­chen Ver­sor­gungs­sys­tems. Dem In­ter­es­se des Lauf­bahn­be­wer­bers, auch noch im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter in das Be­am­ten­verhält­nis ein­tre­ten zu können, steht das öffent­li­che In­ter­es­se ge­genüber, mit ei­ner nied­ri­gen Al­ters­gren­ze ei­ne möglichst lan­ge ak­ti­ve Dienst­zeit der Be­am­ten si­cher­zu­stel­len. Dar­an ge­mes­sen ist die Fest­le­gung der Al­ters­gren­ze auf 35 Jah­re nach Auf­fas­sung des OVG NRW nicht zu be­an­stan­den (OVG NRW 30.05.2008 – 6 A 3734/05 –; OVG NRW 15.03.2007 – 6 A 2007/04 –; OVG NRW 15.03.2007 – 6 A 942/05 –; OVG NRW 18.07.2007 – 6 A 2008/04 –; eben­so OVG Rh-Pf. 10.08.2007 – 2 A 10294/07 – DÖD 2008, 66).

Ge­gen die Auf­fas­sung des OVG NRW ar­gu­men­tiert das VG Frank­furt mit sei­nem Ur­teil vom 21.04.2008. Nach die­ser Ent­schei­dung stellt das Höchst­al­ter für die Ein­stel­lung in den mitt­le­ren feu­er­tech­ni­schen Dienst von 30 Jah­ren ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung älte­rer Be­wer­ber auf­grund ih­res Al­ters im Sin­ne von §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 1 AGG dar. Das Ziel, durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 Feu­er­wehr­lauf­bahn­ver­ord­nung ei­ne aus­ge­gli­che­ne Al­ters­struk­tur

 

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her­zu­stel­len, stel­le – so das VG Frank­furt – kein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne von § 10 Satz 1 AGG dar. Die Ziel­set­zung, ein aus­ge­wo­ge­nes Verhält­nis zwi­schen der Beschäfti­gungs­zeit und dem An­spruch auf Ver­sor­gung her­zu­stel­len, sei zwar le­gi­tim und grundsätz­lich mit der Vor­ga­be in § 10 Satz 1 AGG ver­ein­bar. Die kon­kret fest­ge­setz­te Höchst­al­ters­gren­ze für den mitt­le­ren feu­er­tech­ni­schen Dienst von 30 Jah­ren sei aber als Mit­tel zur Her­stel­lung ei­nes an­ge­mes­se­nen Verhält­nis­ses zwi­schen ak­ti­ver Beschäfti­gungs­zeit und dem An­spruch auf Ver­sor­gung we­der an­ge­mes­sen noch not­wen­dig im Sin­ne von § 10 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 AGG. Ei­ne Min­dest­zeit von mehr als 19,5 Jah­ren (§§ 4, 14 Be­am­ten­ver­sor­gungs­ge­setz) sei nicht mehr an­ge­mes­sen und not­wen­dig im Sin­ne von § 10 AGG, weil in­ner­halb die­ser Zeit die Min­dest­ver­sor­gung re­gelmäßig durch tatsächli­che Dienst­leis­tung er­dient wer­de (VG Frank­furt 21.04.2008 – 9 E 3856/07 –: Ver­fah­rens­aus­set­zung und Vor­la­ge an den Eu­ropäischen Ge­richts­hof zur Vor­ab­ent­schei­dung von Fra­gen zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 2000/78/EG; eben­so von Ro­et­te­ken, Anm. zu OVG Müns­ter 15.03.2007 – 6 A 4625/04 – ju­ris­PR-ArbR 26/2007 Anm. 3 –).
Dem­ge­genüber ver­tritt Ber­tels­mann die Auf­fas­sung, dass ei­ne Al­ters­gren­ze von (höchs­tens) 35 Jah­ren beim Vor­be­rei­tungs­dienst zu ei­ner Lauf­bahn des ein­fa­chen öffent­li­chen Diens­tes nicht ge­recht­fer­tigt wer­den könne. Al­len­falls ei­ne deut­lich höhe­re Al­ters­schwel­le könne ge­recht­fer­tigt sein, wenn das Verhält­nismäßig­keits­prin­zip be­ach­tet wer­de. Even­tu­ell ent­ste­hen­de Ru­he­geld­pro­ble­me müss­ten mit ei­ner An­pas­sung der Ru­he­geld­re­ge­lun­gen gelöst wer­den (Rust/Fal­ke - Ber­tels­mann, AGG 2007, § 10 AGG Rn. 185 – 188).
Nach Brors kann nicht pau­schal ar­gu­men­tiert wer­den, Höchst­al­ters­gren­zen recht­fer­tig­ten sich aus den her­ge­brach­ten Grundsätzen des Be­rufs­be­am­ten­tums. Die­se könn­ten eben­so dis­kri­mi­nie­rend sein. Ei­ne Recht­fer­ti­gung aus § 10 Satz Nr. 3 AGG schei­de auch bezüglich des Hin­wei­ses aus, die Al­ters­stu­fen­re­ge­lun­gen sei­en im Hin­blick auf das be­am­ten­recht­li­che Ver­sor­gungs­sys­tem er­for­der­lich. Das Be­ste­hen ei­nes be­stimm­ten Ver­sor­gungs­sys­tems sei kei­ne Recht­fer­ti­gung. Viel­mehr be­ru­he das Sys­tem auf ei­ner Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers, die selbst dis­kri­mi­nie­rend sein könne. Der Ar­beit­ge­ber könne Ver­sor­gungs­sys­te­me um­stel­len. Höchst­al­ters­gren­zen sei­en da­her mit Aus­nah­me tätig­keits­be­zo­ge­ner Recht­fer­ti­gun­gen nicht mehr halt­bar (Däubler/Bertz­bach - Brors, AGG, 2007, § 10 AGG Rn. 79 ex­pli­zit ge­gen OVG Müns­ter 18.07.2007 – 6 A 4770/04 –).

(2) Die so­eben dar­ge­stell­te Kon­tro­ver­se zur Zulässig­keit be­am­ten­recht­li­cher Höchst­al­ters­gren­zen muss hier nicht ent­schie­den wer­den. Hier geht es nicht um ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach dem Al­ter bei der Be­gründung ei­nes Be­am­ten­verhält­nis­ses. Die Stel­len­an­zei­ge des be­klag­ten Lan­des und die Be­wer­bung des Klägers ziel­ten auf den Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges. Der ent­schei­den­de Ge­sichts­punkt, der für die Recht­fer­ti­gung der Höchst­al­ters­gren­zen für die Ver­be­am­tung an­geführt wird, die

 

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Si­cher­stel­lung ei­nes aus­ge­wo­ge­nen Verhält­nis­ses zwi­schen ak­ti­ver Dienst­zeit und der Zeit der be­am­ten­recht­li­chen Ver­sor­gung im Ru­he­stand, trifft auf das hier zu be­gründen­de Rechts­verhält­nis nicht zu. Der auf ar­beits­ver­trag­li­cher Grund­la­ge täti­ge Beschäftig­te des öffent­li­chen Diens­tes nimmt an dem be­am­ten­recht­li­chen Ver­sor­gungs­sys­tem nicht teil. Das Bedürf­nis der Si­cher­stel­lung ei­nes an­ge­mes­se­nen Verhält­nis­ses von Beschäfti­gungs­zeit zur Ru­he­stands­zeit stellt sich in ei­nem Ar­beits­verhält­nis nicht in der Wei­se wie bei ei­nem Be­am­ten­verhält­nis. Im Ar­beits­verhält­nis wer­den mo­nat­lich So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge u. a. für die Al­ters­ver­sor­gung ent­rich­tet. Hin­zu kom­men Auf­wen­dun­gen für die Zu­satz­ver­sor­gung des öffent­li­chen Diens­tes. Für pri­vat­recht­li­che Ar­beits­verhält­nis­se stellt sich die Fra­ge nach den Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze für Ein­stel­lun­gen da­mit völlig an­ders. Ein Er­for­der­nis ei­ner an­ge­mes­se­nen Min­dest­beschäfti­gungs­zeit kann hier nicht in Be­zug auf die späte­ren Ren­ten­zah­lun­gen an­ge­nom­men wer­den (von Ro­et­te­ken, ju­ris­PR-ArbR 26/2007 Anm. 3 un­ter D).
(3) Der Hin­weis des be­klag­ten Lan­des, es sei be­ab­sich­tigt, die ge­eig­ne­ten Be­wer­ber noch vor Er­rei­chen des 28. Le­bens­jah­res aus dem Ar­beits­verhält­nis in ein Be­am­ten­verhält­nis zu über­neh­men, ist kei­ne ob­jek­ti­ves und an­ge­mes­se­nes und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tig­tes Kri­te­ri­um i.S.d. § 10 AGG für ei­ne al­ters­be­ding­te schlech­te­re Be­hand­lung des Klägers. Die recht­li­chen Vor­schrif­ten se­hen nicht vor, dass ei­nem Be­am­ten­verhält­nis ein Ar­beits­verhält­nis vor­aus­zu­ge­hen hat. Nach § 5 Abs.1 LVO NW er­wer­ben Lauf­bahn­be­wer­ber die Befähi­gung für ih­re Lauf­bahn durch Ab­leis­ten des Vor­be­rei­tungs­diens­tes im Be­am­ten­verhält­nis auf Wi­der­ruf oder in ei­nem öffent­lich-recht­li­chen Aus­bil­dungs­verhält­nis gemäß § 14 Abs. 1 LVO NW. Le­dig­lich an­de­re Be­wer­ber müssen die Befähi­gung für die Lauf­bahn, in der sie ver­wen­det wer­den sol­len, durch Le­bens- und Be­rufs­er­fah­rung in­ner­halb oder außer­halb des öffent­li­chen Diens­tes er­wor­ben ha­ben, § 15 Abs.2 LVO NW. Ar­beits­verhält­nis und Be­am­ten­verhält­nis wer­den als al­ter­na­ti­ve Beschäfti­gungs­for­men im öffent­li­chen Dienst ge­se­hen und – un­ter Be­ach­tung der in­sti­tu­tio­nel­len Vor­ga­ben des Art. 33 GG - rea­li­siert. Der An­teil der Be­am­ten am ge­sam­ten öffent­li­chen Dienst beträgt der­zeit rund ein Drit­tel. Die Wahl zwi­schen Be­am­ten- und An­ge­stell­ten­sta­tus rich­tet sich viel­fach nach Op­por­tu­nitäts­ge­sichts­punk­ten (v.Man­goldt-Klein, Bon­ner Grund­ge­setz Kom­men­tar, Bd.2, 4.Auf­la­ge 2000, Art. 33 Abs.4 GG Rn.38). Auch der § 1 „Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen" der VA­Pa­Voll­zd sieht ein vor­ge­schal­te­tes Ar­beits­verhält­nis für Be­wer­ber mit dem schu­li­schen und be­ruf­li­chen Hin­ter­grund des Klägers nicht vor (158/159 GA). Will das be­klag­te Land den Kläger auf ar­beits­ver­trag­li­cher Grund­la­ge beschäfti­gen, oh­ne ihm die Rechts­po­si­ti­on ei­nes Be­am­ten ein­zuräum­en, so kann es kei­ne Al­ters­dif­fe­ren­zie­run­gen vor­neh­men, die sich al­lein aus den be­am­ten­recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen des öffent­li­chen Dienst­herrn recht­fer­ti­gen las­sen. An­ge­sichts der zu Ge­bo­te ste­hen­den Hand­lungs­al­ter­na­ti­ven des be­klag­ten Lan­des ist es nicht not­wen­dig, den Kläger bei der Be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses we­gen des

 

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vor­an­ge­schrit­te­nen Al­ters zu be­nach­tei­li­gen. Es ist nicht an­ge­mes­sen, den Kläger we­gen sei­nes Le­bens­al­ters von 28 Jah­ren von jeg­li­cher Tätig­keit im Voll­zugs­dienst des be­klag­ten Lan­des aus­zu­sch­ließen, ob­wohl das be­klag­te Land un­strei­tig lan­des­weit et­wa 400 Beschäftig­te auf ar­beits­ver­trag­li­cher Grund­la­ge im Voll­zugs­dienst beschäftigt und da­von wie­der­um et­wa 30 An­ge­stell­te trotz Über­schrei­tens der hier re­kla­mier­ten Al­ters­gren­ze.

bb) Wei­te­re der in § 10 AGG ge­nann­ten Recht­fer­ti­gungs­ge­sichts­punk­te sind im hier zu ent­schei­den­den Fall nicht ein­schlägig. Dass das Le­bens­al­ter von 28 Jah­ren un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Al­ters­struk­tur ein le­gi­ti­mes Ein­stel­lungs­hin­der­nis dar­stellt, kann nach dem un­ter­brei­te­ten Sach­ver­halt nicht fest­ge­stellt wer­den und wird von dem be­klag­ten Land auch nicht gel­tend ge­macht. Die Al­ters­dif­fe­ren­zie­rung er­folgt auch nicht im In­ter­es­se der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung von be­son­ders fürsor­ge­bedürf­ti­gen Per­so­nen (§ 10 Satz 3 Nr. 1 AGG). § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG ist tat­be­stand­lich nicht ein­schlägig, weil es dort um Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter und nicht um Höchst­al­ters­gren­zen für die Ein­stel­lung geht. Die Num­mern 4, 5, 6 des Sat­zes 3 des § 10 AGG be­tref­fen nicht Al­ters­dif­fe­ren­zie­run­gen bei der Ein­stel­lung son­dern ver­hal­ten sich zu Re­geln für Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung, zu Ver­ein­ba­run­gen über die Be­en­di­gung von Beschäfti­gungs­verhält­nis­sen und zu Dif­fe­ren­zie­run­gen bei Leis­tun­gen in So­zi­alplänen.

e) Das be­klag­te Land kann sei­ner In­an­spruch­nah­me nicht mit dem Ein­wand des Rechts­miss­brau­ches be­geg­nen. An­halts­punk­te dafür, dass der Kläger sich nicht sub­jek­tiv ernst­haft be­wor­ben hat, be­ste­hen nicht. Die ver­gleichs­wei­se schnel­le Gel­tend­ma­chung des An­spru­ches nach § 15 Abs.2 AGG trägt ei­ne sol­che Schluss­fol­ge­rung nicht, zu­mal die Ab­leh­nung den Kläger an­ge­sichts der Stel­len­aus­schrei­bung nicht un­er­war­tet ge­trof­fen ha­ben wird. Die Be­wer­bung des Klägers ist sorgfältig er­stellt, aus­sa­ge­kräftig und enthält um­fang­rei­che An­ga­ben zum schu­li­schen und be­ruf­li­chen Wer­de­gang. Nach Le­bens­weg und Qua­li­fi­ka­ti­on „passt" die Be­wer­bung des Klägers zur Stel­len­aus­schrei­bung. Der Kläger genügt auch ob­jek­tiv dem An­for­de­rungs­pro­fil – ab­ge­se­hen von dem gewünsch­ten Al­ter. Er ist ein ob­jek­tiv ge­eig­ne­ter Be­wer­ber.

f) We­gen der un­strei­tig ge­sche­he­nen un­zulässi­gen Be­nach­tei­li­gung steht dem Kläger ein An­spruch auf ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Der Be­stand die­ses An­spru­ches An­spruch hängt nicht da­von ab, ob dem Ar­beit­ge­ber ein Ver­schul­dens­vor­wurf ge­macht wer­den kann (vgl. Bau­er/Göpfert/Krie­ger, AGG, 2. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 32; Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb-An­nuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 7).

 

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3. Das be­klag­te Land schul­det die Entschädi­gung auch in der von dem Ar­beits­ge­richt aus­ge­ur­teil­ten Höhe von 3.000,00 €.
Das Ge­setz sieht in § 15 Abs.2 AGG zum Aus­gleich des be­wirk­ten Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung in Geld vor. Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf bei ei­ner Nicht­ein­stel­lung die Entschädi­gung drei Mo­nats­gehälter nicht über­stei­gen, wenn der oder die Beschäftig­te auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht ein­ge­stellt wor­den wäre. Bei der Fra­ge der An­ge­mes­sen­heit ha­ben die Ge­rich­te ei­nen wei­ten Be­ur­tei­lungs­spiel­raum. Im Vor­der­grund steht der Er­satz des im­ma­te­ri­el­len Scha­dens, da­ne­ben sind bei der Be­mes­sung der Entschädi­gungshöhe aber auch As­pek­te zur Ver­hal­tens­len­kung zu berück­sich­ti­gen. Maßge­bend sind die Umstände des Ein­zel­falls. Da­zu zählen et­wa Art und Schwe­re der Be­nach­tei­li­gung, ih­re Dau­er und ih­re Fol­gen und der Grad des Ver­schul­dens. Zusätz­lich ist der Sank­ti­ons­zweck der Norm zu berück­sich­ti­gen. Die Höhe ist auch da­nach zu be­mes­sen, was zur Er­zie­lung ei­ner ab­schre­cken­den Wir­kung er­for­der­lich ist. (Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb-An­nuß/Rupp, 3. Aufl. 2008, § 15 AGG Rn. 8).
Die von dem Ar­beits­ge­richt aus­ge­ur­teil­te und von dem be­klag­ten Land für zu hoch er­ach­te­te Entschädi­gung be­wegt sich nach Auf­fas­sung der Kam­mer mit dem Be­trag von (nur) zwei Mo­nats­net­to­ent­gel­ten im un­te­ren Be­reich des An­ge­mes­se­nen. Der Kläger ist in sei­ner persönlich­keits­recht­li­chen Po­si­ti­on ver­letzt wor­den, in­dem sei­ne Be­wer­bung oh­ne je­de wei­te­re sach­li­che Prüfung und oh­ne auch nur an­satz­wei­se die vom Kläger ge­bo­te­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen zu berück­sich­ti­gen, aus­sor­tiert wor­den ist. An­de­re Ge­sichts­punk­te als das (un­zulässi­ge) Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um des Al­ters ha­ben da­bei kei­ner­lei Rol­le ge­spielt. Un­ter Berück­sich­ti­gung des­sen und un­ter Berück­sich­ti­gung des As­pek­tes der Ver­hal­tens­len­kung ist der Be­trag von 3.000,00 € kei­nes­falls zu hoch ver­an­schlagt.

III.

Da das be­klag­te Land mit sei­ner Be­ru­fung un­ter­le­gen ist, hat es gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen.

We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che hat die Kam­mer gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen.

 

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der be­klag­ten Par­tei Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den. Für die kla­gen­de Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: (0361) 2636 - 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Lim­berg 

Bas­ler 

Voßeler
/je

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