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LAG Köln, Be­schluss vom 08.02.2010, 5 TaBV 28/09

   
Schlagworte: Betriebsrat, Betriebsvereinbarung, Arbeitszeit, Arbeitszeitrecht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 5 TaBV 28/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 08.02.2010
   
Leitsätze:

1. Der Betriebsrat hat Anspruch auf Durchführung der mit dem Arbeitgeber geschlossenen Betriebsvereinbarungen. (Rn.34)

2. Zu dieser Durchführungspflicht gehört bei einer Betriebsvereinbarung über die betriebliche Arbeitszeit die Pflicht des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass sich die Arbeitnehmer an die festgelegten Arbeitszeitgrenzen halten. (Rn.35)

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln, 28. Oktober 2008, Az: 16 BV 77/08, Beschluss
   

5 TaBV 28/09

16 BV 77/08

Ar­beits­ge­richt Köln

Verkündet am 08. Fe­bru­ar 2010

Dal­le­ma­gne,

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT KÖLN

 

BESCHLUSS

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

 

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln

auf die münd­li­che Anhörung vom 18.01.2010

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Grie­se als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Sprack und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Ber­nard

b e s c h l o s s e n :

1. Die Be­schwer­de ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Köln vom 28.10.2008 – 16 BV 77/08 – wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

G r ü n d e

I. Die Be­tei­lig­ten strei­ten um die Ver­pflich­tung der An­trags­geg­ne­rin aus der
Be­triebs­ver­ein­ba­rung der Be­triebs­part­ner vom 24.04.2008 über die Dau­er der tägli­chen Ar­beits­zeit.

Der An­trag­stel­ler ist der bei der An­trags­geg­ne­rin am­tie­ren­de Be­triebs­rat. Die An­trags­geg­ne­rin ist ei­ne Ge­sell­schaft, die als Eu­ro­pa­zen­tra­le für ei­nen


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Au­to­mo­bil­her­stel­ler Ver­trieb und Mar­ke­ting über­nimmt und zwi­schen 70 und 90 Ar­beit­neh­mern beschäftigt.

Die Be­tei­lig­ten hat­ten be­reits 1998 ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung den Ar­beits­zeit­rah­men mit ei­nem frühestmögli­chen Be­ginn um 7.30 Uhr und ei­nem letztmögli­chen En­de der Ar­beits­zeit um 19.30 Uhr ver­ein­bart (Bl. 5 – 8 d.A.). Da­bei hat­ten die Be­tei­lig­ten be­reits in den Jah­ren 2007 und 2008 Streit darüber, ob die An­trags­geg­ne­rin aus­rei­chen­de Maßnah­men er­grif­fen hat­te, um zu ver­hin­dern, dass Mit­ar­bei­ter auch nach En­de der Be­triebs­ver­ein­ba­rung fest­ge­schrie­be­nen Ar­beits­end­zeit noch Ar­beits­leis­tun­gen für die An­trags­geg­ne­rin er­brach­ten.

Un­ter dem 24.04.2008 schlos­sen die Be­triebs­part­ner ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Ar­beits­zeit, die ab dem 01.06.2008 in Kraft trat (Text der Be­triebs­ver­ein­ba­rung Bl. 36 ff. d. A.

In die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung war fest­ge­legt, dass die Ar­beits­zeit mor­gens frühes­tens ab 7.00 Uhr be­gann und abends spätes­tens um 19.30 Uhr en­de­te. Ab­wei­chun­gen wa­ren mit vor­he­ri­ger Zu­stim­mung des An­trag­stel­lers möglich.

Nach­dem ver­schie­dent­lich Ar­beit­neh­mer das abend­li­che Ar­beits­zei­t­en­de über­schrit­ten hat­ten, rich­te­te die An­trags­geg­ne­rin mit Rund­schrei­ben vom 08.09.2008 (Bl. 143 d. A.) die Auf­for­de­rung an al­le Ar­beit­neh­mer, sich an die mit dem Be­triebs­rat ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit­gren­zen zu hal­ten.

Im Sep­tem­ber 2008 kam es zu wei­te­ren 4 Verstößen im Hin­blick auf die ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit.

Auf­grund des dar­auf­hin von dem An­trag­stel­ler ein­ge­lei­te­ten ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren hat das Ar­beits­ge­richt durch Be­schluss vom 28.10.2008 be­schlos­sen:


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1. Der Ar­beit­ge­be­rin wird un­ter­sagt, die Ar­beit von Ar­beit­neh­mern in ih­rem Be­trieb in B mor­gens vor 7.00 Uhr oder abends nach 19.30 Uhr ent­ge­gen­zu­neh­men, oh­ne dass der Be­triebs­rat der ab­wei­chen­den Ar­beits­zeit zu­ge­stimmt hat oder sei­ne Zu­stim­mung durch den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist.

2. Der Ar­beit­ge­be­rin wird für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung ge­gen das Ver­bot aus Zif­fer 1. ein Ord­nungs­geld von bis zu 3.000,-- € an­ge­droht.

Hier­ge­gen rich­tet sich die streit­ge­genständ­li­che Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin.
Zur Be­gründung ih­rer Be­schwer­de bringt die An­trags­geg­ne­rin vor, die Ar­beits­zeit­verstöße der Mit­ar­bei­ter könn­ten der An­trags­geg­ne­rin nicht an­ge­las­tet wer­den. Die An­trags­geg­ne­rin ha­be deut­lich ge­macht, dass sie die Verstöße nicht hin­neh­me. Das von ihr ver­fass­te Rund­schrei­ben vom 08.09.2008 brin­ge dies deut­lich zum Aus­druck. Bei den Verstößen ha­be es sich le­dig­lich um Ein­z­elfälle ge­han­delt. Die Ab­tei­lungs­lei­ter hätten von der An­trags­geg­ne­rin die Wei­sung er­hal­ten, Verstöße ge­gen die ver­ein­bar­ten Ar­beits­zei­ten so­fort zu rügen. Die wei­te­re Mit­tei­lung im Ju­ni 2009 (Bl. 191 d.A.) an al­le Ar­beit­neh­mer sei ei­ne aus­rei­chen­de Re­ak­ti­on auf die Über­schrei­tun­gen ge­we­sen.

Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts sei darüber hin­aus feh­ler­haft, weil der Be­schluss über den ge­stell­ten An­trag hin­aus­ge­he. Das Ar­beits­ge­richt ha­be nicht nur die Dul­dung von Ar­beit außer­halb der mit dem An­trag­stel­ler ver­ein­bar­ten Ar­beits­zei­ten un­ter­sagt, son­dern auch die Ent­ge­gen­nah­me die­ser


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Ar­beit. Die An­wei­sun­gen und Mit­tei­lun­gen der An­trags­geg­ne­rin sei­en aus­rei­chend ge­we­sen, um wei­te­re Verstöße zu ver­hin­dern. Nicht zu­ge­mu­tet wer­den können der An­trags­geg­ne­rin, aus die­sem Grund Ab­mah­nun­gen und Kündi­gun­gen aus­zu­spre­chen.

Die An­trags­geg­ne­rin hat darüber hin­aus im Anhörungs­ter­min vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt am 18.01.2010 in Fra­ge ge­stellt, dass der An­trag­stel­ler in ord­nungs­gemäßer Wei­se die Ein­lei­tung des vor­lie­gen­den Be­schluss­ver­fah­rens be­schlos­sen ha­be, ins­be­son­de­re dass zu der ent­spre­chen­den Be­triebs­rats­sit­zung ord­nungs­gemäß ein­ge­la­den wor­den und mehr als die Hälf­te der Be­triebs­rats­mit­glie­der an­we­send ge­we­sen sei.

Die An­trags­geg­ne­rin be­an­tragt un­ter Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts,

die Anträge des An­trag­stel­lers zurück­zu­wei­sen.

Der An­trag­stel­ler be­an­tragt, die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin zurück­zu­wei­sen und stellt fer­ner vor­sorg­lich den An­trag,

der An­trags­geg­ne­rin zu un­ter­sa­gen, die Ar­beit von Ar­beit­neh­mern in ih­rem Be­trieb in B mor­gens vor 7.00 Uhr oder abends nach 19.30 Uhr ent­ge­gen zu neh­men, oh­ne dass der An­trag­stel­ler der ab­wei­chen­den Ar­beits­zeit zu­ge­stimmt hat oder sei­ne Zu­stim­mung durch den Spruch ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le er­setzt wor­den ist.

Der An­trag­stel­ler ver­tei­digt den erst­in­stanz­li­chen Be­schluss. Un­zu­tref­fend sei die An­nah­me der An­trags­geg­ne­rin, das Ar­beits­ge­richt sei mit sei­nem Be­schluss über den An­trag des An­trag­stel­lers hin­aus­ge­gan­gen.


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Viel­mehr ha­be das Ar­beits­ge­richt dem An­trag zu­tref­fend statt­ge­ge­ben. Die An­trags­geg­ne­rin könne sich zu­dem nicht dar­auf be­ru­fen, dass sie al­les zur Ver­mei­dung von Ar­beits­zeit­verstößen ge­tan ha­be und es sich oh­ne­hin le­dig­lich um Ein­z­elfälle bei den auf­ge­tre­te­nen Verstößen ge­han­delt ha­be. We­der sei das Bemühen der An­trags­geg­ne­rin aus­rei­chend ge­we­sen, noch han­de­le es sich le­dig­lich um Ein­z­elfälle. Dies wer­de ins­be­son­de­re an der Viel­zahl wei­te­rer Verstöße, die noch während des Be­schwer­de­ver­fah­rens auf­ge­tre­ten sei­en, unüber­seh­bar deut­lich.

Der An­trag­stel­ler ha­be im Übri­gen die Ein­lei­tung des vor­lie­gen­den Be­schluss­ver­fah­rens ord­nungs­gemäß be­schlos­sen und die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te ord­nungs­gemäß mit der Durchführung des Ver­fah­rens be­auf­tragt.

We­gen wei­te­rer Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die zwi­schen den Be­tei­lig­ten ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

II. Die zulässi­ge Be­schwer­de ist nicht be­gründet. Zu Recht und mit zu­tref­fen­den Erwägun­gen hat das Ar­beits­ge­richt der An­trags­geg­ne­rin die Ent­ge­gen­nah­me von Ar­beit außer­halb der ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit­gren­zen un­ter­sagt und in­so­weit ein Ord­nungs­geld an­ge­droht.

1. Die Be­schwer­de ist zulässig. Sie ist ins­be­son­de­re statt­haft und form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

2. In der Sa­che hat­te die Be­schwer­de kei­nen Er­folg.

a. Der An­trag des An­trag­stel­lers ist zulässig.

Der An­trag­stel­ler hat die Ein­lei­tung des Be­schluss­ver­fah­rens und die Voll­macht an sei­ne Ver­fah­rens­ver­tre­te­rin rechts­wirk­sam be­schlos­sen.


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Ein sol­cher Be­schluss ist Zulässig­keits­vor­aus­set­zung für ein vom Be­triebs­rat be­trie­be­nes Be­schluss­ver­fah­ren (sie­he BAG, Be­schluss vom 09.12.2003 – 1 ABR 44/02 - , NZA 2004, Sei­te 746).

So­weit ei­ne sol­che Be­schluss­fas­sung zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­tig bleibt und ei­ne Be­weis­auf­nah­me er­for­der­lich wer­den soll­te, gilt für sie die Re­gel des Frei­be­wei­ses (s. BAG, Be­schluss vom 30.09.2008 – 1 ABR 54/07 – NZA 2009, Sei­te 502). Hat der Be­triebs­rat die ent­spre­chen­de Be­schluss­fas­sung im Ein­zel­nen dar­ge­legt, ist ein Be­strei­ten der An­trags­geg­ner­sei­te mit Nicht­wis­sen un­be­acht­lich (s. BAG, Be­schluss vom 09.12.2003 – 1 ABR 44/02 -, NZA 2004, Sei­te 746).

Im vor­lie­gen­den Fall ist die Kam­mer nach ih­rer ab­sch­ließen­den Be­ra­tung am 04.02.2010 der Auf­fas­sung, dass die ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung aus­rei­chend dar­ge­legt ist und ein re­le­van­tes Be­strei­ten der An­trags­geg­ne­rin zu die­sem Punkt nicht vor­liegt.

Der An­trag­stel­ler hat be­reits durch die im Kam­mer­ter­min am 18.1.2010 er­folg­te Über­rei­chung von Un­ter­la­gen, ins­be­son­de­re das an die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te des An­trag­stel­lers ge­rich­te­te Be­auf­tra­gungs­schrei­ben so­wie die vom Vor­sit­zen­den des An­trag­stel­lers un­ter­zeich­ne­te Voll­macht die ord­nungs­gemäße Be­auf­tra­gung be­legt. Der An­trag­stel­ler hat zu­dem durch ei­nen wei­te­ren Schrift­satz vom 26.1.2010, den die An­trags­geg­ne­rin zur Stel­lung­nah­me er­hal­ten hat, den ord­nungs­gemäßen Ab­lauf der ent­spre­chen­den Be­triebs­rats­sit­zung, auf der die Be­schluss­fas­sung er­folg­te (Ta­ges­ord­nung, An­we­sen­heits­lis­te und Sit­zungs­pro­to­koll – Bl. 282 bis 284 d. A.), dar­ge­legt. Die­ser Schrift­satz ist der An­trags­geg­ner­sei­te mit der Möglich­keit, bis zum 4.1.2010 Stel­lung zu neh­men, am 27.1.2010 über­sandt wor­den. Re­le­van­tes Ge­gen­vor­brin­gen, dass die ord­nungs­gemäße Be­schluss­fas­sung in Fra­ge stel­len könn­te, ist von der An­trags­geg­ner­sei­te nicht vor­ge­bracht wor­den.


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Nicht durch­grei­fend ist fer­ner der Ein­wand der An­trags­geg­ner­sei­te, das Ar­beits­ge­richt sei mit sei­nem Be­schluss­te­nor, die An­trags­geg­ne­rin zu ver­ur­tei­len, die Ent­ge­gen­nah­me von Ar­beits­leis­tun­gen über den ma­xi­mal zulässi­gen Zeit­punkt des Ar­beits­en­des hin­aus zu un­ter­las­sen, über den vom An­trag­stel­ler be­gehr­ten An­trag hin­aus­ge­gan­gen. Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt in sach­ge­rech­ter Aus­le­gung des An­trag­stel­lers die
Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung hin­sicht­lich der Ent­ge­gen­nah­me von Ar­beits­leis­tun­gen aus­ge­spro­chen. Ei­ne sol­che Te­n­o­rie­rung war ins­be­son­de­re des­halb bei sach­ge­rech­ter Aus­le­gung des An­trags der An­trag­stel­ler­sei­te ge­bo­ten, weil die be­gehr­te Un­ter­las­sungs­pflicht da­mit ver­bun­den war, dass der Ver­pflich­te­te in­ner­halb sei­nes Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­reichs auf Drit­te ein­wir­ken muss, um den Ein­tritt ei­nes be­stimm­ten Er­fol­ges zu ver­hin­dern.

Tritt der Er­folg gleich­wohl ein, ist er­for­der­li­chen­falls im Rah­men ei­ner nach § 890 ZPO er­fol­gen­den Zwangs­voll­stre­ckung bei der Verhängung von Ord­nungs­mit­teln zu prüfen, ob der Schuld­ner dass ihm Mögli­che und Zu­mut­ba­re zur Ver­hin­de­rung des Er­fol­ges ge­tan hat (s. BAG, Be­schluss vom 29.04.2004 – 1 ABR 30/02 - , NZA 2004, Sei­te 670).

Da hier der von der An­trag­stel­ler­sei­te er­sicht­lich mit dem An­trag er­streb­te Er­folg dar­in be­stand, dass die An­trags­geg­ne­rin es un­ter­las­sen soll­te, sich die nach En­de der ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit noch er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen zu Nut­ze zu ma­chen, war dies mit der Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung, sol­che Ar­beits­leis­tun­gen nach En­de der Ar­beits­zeit noch ent­ge­gen­zu­neh­men, sach­ge­recht zum Aus­druck ge­bracht. Die An­trag­stel­ler­sei­te hat zu­dem durch den in der Be­schwer­de­instanz klar­stel­lend und vor­sorg­lich ge­stell­ten An­trag auf Un­ter­las­sung der Ent­ge­gen­nah­me die An­trags­for­mu­lie­rung gewählt, die dem ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schluss­te­nor ent­spricht. An­lass zur Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Be­schluss­te­nors be­stand dem­nach nicht.

b. In der Sa­che ist der An­trag der An­trag­stel­ler­sei­te, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend her­ge­lei­tet hat, be­gründet. Ein Be­triebs­rat hat An­spruch auf


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Durchführung der mit dem Ar­beit­ge­ber ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Zu die­ser Durchführungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers gehört auch, dass er be­triebs­ver­ein­ba­rungs­wid­ri­ge Maßnah­men un­terlässt und dafür sorgt, dass sich auch die Ar­beit­neh­mer in sei­nem Be­trieb an die Re­ge­lung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung hal­ten (s. BAG, Be­schluss vom 29.04.2004 – 1 ABR 30/02 – NZA 2004, Sei­te 670). Im vor­lie­gen­den Fall ist un­strei­tig, dass Ar­beit­neh­mer im Be­trieb der An­trag­stel­le­rin in vielfälti­ger und häufi­ger Wei­se ge­gen die Ar­beits­zeit­gren­zen der maßgeb­li­chen Be­triebs­ver­ein­ba­rung ver­s­toßen ha­ben. Wa­ren zunächst nur ei­ni­ge Verstöße fest­zu­stel­len, hat sich die Zahl der Verstöße im Ver­lauf des Rechts­streits noch er­heb­lich aus­ge­wei­tet.

Die Ar­gu­men­ta­ti­on der An­trags­geg­ner­sei­te, es ha­be sich nur um Ein­z­elfälle ge­han­delt, die trotz ent­spre­chen­der Bemühun­gen der An­trags­geg­ne­rin nicht zu ver­hin­dern ge­we­sen sei­en, ist je­doch durch die Viel­zahl der im Lau­fe des Rechts­streits auf­ge­tre­te­nen Verstöße wi­der­legt. Denn aus den von der An­trag­stel­ler­sei­te bei­ge­brach­ten Un­ter­la­gen ist er­sicht­lich, dass das in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vor­ge­se­he­ne Ar­beits­zei­t­en­de nicht nur in we­ni­gen Ein­z­elfällen und um kur­ze Zeiträume über­schrit­ten wur­de, son­dern dass ei­ne Rei­he von Zeitüber­schrei­tun­gen in den Mo­na­ten De­zem­ber 2008 bis Mai 2009 und Sep­tem­ber bis No­vem­ber 2009 Mo­nat für Mo­nat (im ein­zel­nen Zeit­da­tenüber­sicht Bl. 202 bis 238, fer­ner Bl. 252 bis 265 und Bl. 268 bis 274 d.A.) auf­ge­tre­ten sind, bei de­nen es sich kei­nes­wegs nur um sol­che Über­schrei­tun­gen von we­ni­gen Mi­nu­ten han­del­te.

Die An­trags­geg­ne­rin hat die­se un­ter Zeitüber­schrei­tung er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen auch ent­ge­gen­ge­nom­men. Da­bei geht die Kam­mer zu­guns­ten der An­trags­geg­ner­sei­te da­von aus, dass der Vor­trag der An­trags­geg­ner­sei­te, den die­se nach dem münd­li­chen Anhörungs­ter­min am 18.01.2010 bei­ge­bracht hat, rich­tig ist, wo­nach die Ar­beits­zeit nach Ab­lauf des ma­xi­mal zulässi­gen Ar­beits­zei­t­en­des im Re­gel­fall nicht be­zahlt wor­den ist. Un­abhängig von der Be­zah­lung steht aber der Um­stand, dass die An­trags­geg­ne­rin da­mit emp­fangs­be­reit für Ar­beits­leis­tun­gen, die nach En­de des zulässi­gen Ar­beits­zei­t­en­des er­bracht wer­den, ge­we­sen ist und sich da­mit in


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die La­ge ver­setzt die­se Ar­beits­leis­tun­gen auch für sich zu nut­zen, statt sie zurück­zu­wei­sen.

Da­bei hat­te das Drängen des An­trag­stel­lers auf Ein­hal­tung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­nen sach­li­chen Hin­ter­grund im Ar­beits­zeit­ge­setz. Denn zwi­schen dem ar­beitstägli­chen ma­xi­ma­len Ar­beits­zei­t­en­de um 19.30 Uhr und dem dar­auf­fol­gen­den frühestmögli­chen Ar­beits­zeit­be­ginn um 7.00 Uhr la­gen 12 1/2 St­un­den. Bei Über­zie­hung des Ar­beits­zei­t­en­des droh­te da­mit ei­ne Ver­let­zung von § 5 Ar­beits­zeit­ge­setz. Denn nach § 5 Abs. 1 Ar­beits­zeit­ge­setz müssen Ar­beit­neh­mer nach Be­en­di­gung der tägli­chen Ar­beits­zeit ei­ne un­un­ter­bro­che­ne Ru­he­zeit von min­des­tens 11 St­un­den ha­ben. Zu­dem stand die ma­xi­mal zulässi­ge Ar­beits­zeit gemäß § 3 Satz 2 Arb­ZG in Höhe von zehn St­un­den in Fra­ge.

Nicht zu fol­gen ver­mag die Kam­mer schließlich dem Ar­gu­ment der An­trags­geg­ner­sei­te, es sei ihr nicht zu­mut­bar, wei­te­re Maßnah­men zu er­grei­fen, da als Sank­ti­on le­dig­lich noch Ab­mah­nung und Kündi­gung blie­ben. Hier­zu ist zum ei­nen fest­zu­hal­ten, dass das Rund­schrei­ben der An­trags­geg­ne­rin vom 08.09.2008 (Bl. 143 d. A.) wie auch die wei­te­re Mit­tei­lung auf Ju­ni 2009 (Bl. 191 ff. d. A.) we­nig Nach­drück­lich­keit und Kon­se­quenz er­ken­nen las­sen. Zu­dem ste­hen der An­trags­geg­ne­rin auch wei­te­re Möglich­kei­ten zur Verfügung, die Ent­ge­gen­nah­me von Ar­beits­leis­tun­gen zu ver­hin­dern et­wa da­durch, dass die be­trieb­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ein­rich­tun­gen für be­trof­fe­ne Mit­ar­bei­ter bei Er­rei­chen des ma­xi­ma­len Ar­beits­zei­t­en­des ab­ge­stellt oder die Ar­beitsräume ver­schlos­sen wer­den. Fest­zu­hal­ten ist je­den­falls, dass aus­rei­chen­de Maßnah­men, die die Viel­zahl der Verstöße ver­hin­dert hätten, nicht er­grif­fen wor­den sind.

3. Ins­ge­samt hat­te die Be­schwer­de der An­trags­geg­ne­rin da­her kei­nen Er­folg und muss­te zurück­ge­wie­sen wer­den.


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Die Rechts­be­schwer­de konn­te nicht zu­ge­las­sen wer­den, ei­ne Ein­zel­fall­ent­schei­dung auf der Grund­la­ge der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu tref­fen war und we­der ei­ne rechts­grundsätz­li­che Be­deu­tung der Sa­che noch Di­ver­genz vor­lag.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­sen Be­schluss ist kein wei­te­res Rechts­mit­tel ge­ge­ben. Hin­sicht­lich ei­ner Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de wird auf die in § 92 a ArbGG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen ver­wie­sen.

 

Dr. Grie­se

Sprack

Ber­nard

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