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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 08.12.2009, 7 Sa 584/09

   
Schlagworte: Widerruf, AGB
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 7 Sa 584/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.12.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 14.05.2009, 22 Ca 9062/08
   

7 Sa 584/09

22 Ca 9062/08
(ArbG München) 

 

Verkündet am:

08.12.2009

 

Göppl
Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt München


Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

Dr. A.
A-Straße, A-Stadt


- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
Rechts­anwälte B.

B-Straße, B-Stadt

ge­gen

C.
C-Straße, C-Stadt


- Be­klag­ter und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:
Rechts­anwälte D.

D-Straße, B-Stadt


hat die 7. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 8. De­zem­ber 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ge­ri­cke und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schraml und Ger­standl

 

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für Recht er­kannt:


1. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 14.05.2009 – Az.: 22 Ca 9062/08 – wird ab­geändert.


2. Der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger € 2,503, 26 brut­to nebst 5 Pro­zent­punk­ten Zin­sen über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­er­he­bung zu zah­len.


3. Es wird fest­ge­stellt, dass der Wi­der­ruf des Aus­gleichs­be­trags für die So­zi­al­ver­si­che­rung mit Schrei­ben vom 10.09.2007 zum 31.12.2007 rechts­un­wirk­sam ist.


4. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits in bei­den Rechtszügen.


5. Der Streit­wert wird auf € 15.019,56 fest­ge­setzt.


6. Die Re­vi­si­on wird für den Be­klag­ten zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten auch in der Be­ru­fung über die Wirk­sam­keit des Wi­der­rufs ei­ner dem Kläger vom Be­klag­ten über lan­ge Jah­re hin­weg be­zahl­ten Zu­la­ge zum Aus­gleich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen gemäß § 3 Abs. 2 des zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Ar­beits­ver­trags.


Der Kläger und Be­ru­fungskläger (künf­tig: Kläger) ist bei dem Be­klag­ten und Be­ru­fungs­be­klag­ten (künf­tig: Be­klag­ter), der sich in der Rechts­form des ein­ge­tra­ge­nen Ver­eins mit Vor­sor­ge­maßnah­men ge­gen Tier­seu­chen in der Land­wirt­schaft beschäftigt, seit 01.01.1977 - zu­letzt auf der Grund­la­ge des vom Be­klag­ten vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trags vom 25.09.1990 (Bl. 5 d.A; künf­tig: Ar­beits­ver­trag) - als Tier­arzt un­ter weit­ge­hen­der Gleich­stel­lung mit ei­nem Be­am­ten des Frei­staats Bay­ern beschäftigt.

 

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In ei­nem Schrei­ben an al­le Tierärz­tIn­nen des Tier­ge­sund­heits­diens­tes Bay­ern e.V. vom 24.05.1971 (Bl. 8 d.A., dort dritt­letz­ter Satz) hat der Be­klag­te im Zu­ge sei­ner Fest­le­gung auf ei­ne Vergütung der Tierärz­tIn­nen nach be­am­ten­recht­li­chen Grundsätzen an­ge­ord­net:


„Zum Aus­gleich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen wird vom 01.01.1971 an al­len Tierärz­ten ei­ne nicht ge­samt­ver­sor­gungsfähi­ge Zu­la­ge in ent­spre­chen­der Höhe gewährt.“


§ 3 Ne­ben­ab­re­den, (dort Abs. 2 und 3) des Ar­beits­ver­trags lau­ten:


2) Zum Aus­gleich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen wird ei­ne nicht ge­samt­ver­sor­gungsfähi­ge Zu­la­ge in ent­spre­chen­der Höhe gewährt.


3) Die Ne­ben­ab­re­den un­ter 1) und 2) sind wi­der­ruf­lich.


Der Be­klag­te hat die Zu­la­ge gemäß § 3 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags bis 30.06.1992 un­ter An­pas­sung an die Erhöhun­gen der So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge an den Kläger aus­be­zahlt. Mit Schrei­ben vom 25.05.1992 (Bl. 22 d.A.) hat er die An­pas­sung der Zu­la­ge für die Zu­kunft ab 30.06.1992 aus wirt­schaft­li­chen Gründen wi­der­ru­fen.


Der vor­letz­te Ab­satz des Schrei­bens vom 25.05.1992 lau­tet:


„Wir be­hal­ten uns aus­drück­lich vor, auch den ein­ge­fro­re­nen Be­stand ganz oder teil­wei­se zu wi­der­ru­fen, wenn dies aus wirt­schaft­li­chen Gründen ge­bo­ten ist. Die Ent­schei­dung wird - wie ge­sagt – im Herbst fal­len, wenn wir endgültig wis­sen, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­cher Höhe Mit­tel von den Zu­schußge­bern zusätz­lich zur Verfügung ge­stellt wer­den.“


In ei­nem Mus­ter­pro­zess hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) (mit Ur­teil vom 10.07.1996 - 5 AZR 977/94) den Wi­der­ruf des Be­klag­ten – wie er ihn mit Schrei­ben vom 25.05.1992 erklärt hat­te – für wirk­sam erklärt.


Die Zu­la­ge des Klägers gemäß § 3 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags hat zu­letzt 417,21 € mo­nat­lich be­tra­gen.

 

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Mit Schrei­ben vom 10.09.2007 (Bl. 9 d.A.)hat der Be­klag­te die Zu­la­ge gemäß § 3 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags ins­ge­samt wi­der­ru­fen und zur Be­gründung auf sei­ne an­geb­lich prekäre wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on ver­wie­sen.


Mit Schrift­satz sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 08.07.2008 zum Ar­beits­ge­richt München (künf­tig: Ar­beits­ge­richt), ein­ge­gan­gen am 10.07.2008 und dem Be­klag­ten am 22.07.2008 zu­ge­stellt, hat der Kläger die wei­te­re Zah­lung der Zu­la­ge gemäß § 3 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags mit der Ein­schränkung gemäß Schrei­ben des Be­klag­ten vom 22.05.1992 gel­tend ge­macht.


Zur Be­gründung sei­nes An­trags hat er vor dem Ar­beits­ge­richt aus­geführt, die freie Wi­der­rufsmöglich­keit von Zu­la­gen sei nach ak­tu­el­ler Recht­spre­chung des BAG nicht möglich. Für For­mu­lar­ar­beits­verträge vor dem 01.01.2002 sei im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zu er­mit­teln, wel­che Wi­der­rufs­gründe die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn sie die Un­wirk­sam­keit des frei­en Wi­der­rufs­vor­be­halts ge­kannt hätten. Es lie­ge na­he, dass die Par­tei­en ei­ne Wi­der­rufsmöglich­keit bei wirt­schaft­li­chen Ver­lus­ten ver­ein­bart hätten. Sol­che wirt­schaft­li­chen Ver­lus­te lägen je­doch nicht vor, denn der Be­klag­te sei nach ei­ner wirt­schaft­li­chen Re­struk­tu­rie­rung im Jahr 2006 wirt­schaft­lich ge­sun­det und ma­che kei­ne Ver­lus­te mehr.


Der Kläger hat vor dem Ar­beits­ge­richt be­an­tragt,


1. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 2.503,26 € brut­to nebst fünf Pro­zent­punk­te Zin­sen über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­er­he­bung zu be­zah­len.


2. Es wird fest­ge­stellt, dass der Wi­der­ruf des Aus­gleichs­be­trags für die So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge mit Schrei­ben vom 10.09.2007 zum 31.12.2007 rech­t­un­wirk­sam ist.


Der Be­klag­te hat erst­in­stanz­lich be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.


Zur Be­gründung sei­nes An­trags hat er aus­geführt, er ha­be sich bei Erklärung des Wi­der­rufs der Zu­la­ge in ei­ner schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on be­fun­den, die auch ge­genwärtig noch an­hal­te, wie der ne­ga­ti­ve Cash Flow für 2009 zei­ge. Die an­ste­hen­de Be­sol-


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dungs- und Ta­rif­erhöhung mit ei­ner Mehr­be­las­tung von 12 Mio. € und der er­war­te­te Rück­gang staat­li­cher Zuschüsse für 2008 mit 370.000,-- €, der zum Glück aus­ge­blie­ben sei, so­wie wei­te­re ne­ga­ti­ve wirt­schaft­li­che Ein­flüsse wie der Ver­lust­vor­trag für 2008 mit rund 2,8 Mio. € hätten zu­dem die Ent­schei­dung un­aus­weich­lich wer­den las­sen. Der Wi­der­ruf der Zu­la­ge führe zu ei­ner re­la­tiv ge­rin­gen Min­de­rung des Ge­samt­ein­kom­mens des Klägers und ent­spre­che da­mit bil­li­gem Er­mes­sen. Da al­le Tierärz­tIn­nen von dem Wi­der­ruf be­trof­fen sei­en, sei auch der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt.


Mit En­dur­teil vom 14.5.2009, auf das hin­sicht­lich sei­ner tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen und recht­li­chen Erwägun­gen im Übri­gen Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen und zur Be­gründung sei­ner Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­geführt, der freie Wi­der­rufs­vor­be­halt in § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags sei gemäß § 308 Nr. 4 BGB dem Kläger man­gels Ein­gren­zung auf be­stimm­te Wi­der­rufs­gründe nicht zu­mut­bar und da­mit un­wirk­sam. Ei­ne we­gen Vor­lie­gens ei­nes „Alt­ver­trags“ mögli­che ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung führe je­doch zu dem Er­geb­nis, dass die Par­tei­en bei Kennt­nis der Un­wirk­sam­keit des frei­en Wi­der­rufs­vor­be­halts ei­ne Wi­der­rufsmöglich­keit bei wirt­schaft­li­chen Ver­lus­ten ver­ein­bart hätten.


Auch die als zwei­ter Schritt vor­zu­neh­men­de Ausübungs­kon­trol­le führe zu dem Er­geb­nis der Wirk­sam­keit des Wi­der­rufs der Zu­la­ge, da er bil­li­gem Er­mes­sen ent­spre­che. Der Be­klag­te ha­be sei­ne prekäre wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on über­zeu­gend dar­ge­legt. Da­ge­gen sei die Ein­kom­mens­ein­buße beim Kläger mit ca. 7,3 % sei­nes mo­nat­li­chen Brut­to­ein­kom­mens re­la­tiv ge­ring. Außer­dem ha­be der Kläger we­gen des Teil­wi­der­rufs der Zu­la­ge und ih­rer Be­gründung im Schrei­ben des Be­klag­ten vom 22.05.1992 mit dem endgülti­gen Wi­der­ruf der Zu­la­ge rech­nen müssen.


Ge­gen die­ses ihm am 19.06.2009 zu­ge­stell­te En­dur­teil wen­det sich der Kläger mit sei­ner am 17.07.2009 ein­ge­leg­ten und am 21.09.2009 be­gründe­ten Be­ru­fung. Zur Be­gründung sei­nes Rechts­mit­tels führt der Kläger im We­sent­li­chen un­ter Wie­der­ho­lung sei­nes ers­tin-stanz­li­chen Vor­trags aus, der Be­klag­te ha­be dem über­wie­gen­den An­teil der Fach­ge­biets-und Geschäfts­stel­len­lei­ter, die eben­so wie die Tierärz­tIn­nen vom Be­klag­ten die Zu­la­ge zum Aus­gleich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an der So­zi­al­ver­si­che­rung er­hal­ten hätten, ent­we­der die Zu­la­ge nicht gekürzt oder ih­nen ei­nen Er­satz durch an­de­re Zu­la­gen oder das


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An­ge­bot großzügi­ger Al­ters­teil­zeit­re­ge­lun­gen ge­schaf­fen. Auch sei die wirt­schaft­li­che La­ge des Be­klag­ten kei­nes­wegs prekär. Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung der un­wirk­sa­men Ver­trags­klau­sel sei zu­dem ver­fas­sungs­recht­lich be­denk­lich, zu­mal der Be­klag­te in­ner­halb der einjähri­gen Über­g­angs­frist des Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB nicht auf ei­ne Um­ge­stal­tung des Ar­beits­ver­trags in An­pas­sung an die AGB-Vor­schrif­ten des BGB ge­gen¬über sei­nen Tierärz­tIn­nen und da­mit auch dem Kläger hin­ge­wirkt ha­be.


Ergänzend zum Vor­trag des Klägers in der Be­ru­fung wird auf des­sen Schrift­satz vom 21.09.2009 (Bl. 159/166 d.A.) Be­zug ge­nom­men.


Der Kläger be­an­tragt in der Be­ru­fung,


1. das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 14.05.2009 – Ak­ten­zei­chen 22 Ca 9062/08 – wird auf­ge­ho­ben.


2. der Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 2.503,26 € brut­to nebst fünf Pro­zent­punk­te Zin­sen über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­er­he­bung zu be­zah­len.


3. Es wird fest­ge­stellt, dass der Wi­der­ruf des Aus­gleichs­be­trags für die So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge mit Schrei­ben vom 10.09.2007 zum 31.12.2007 rech­t­un­wirk­sam ist.


Der Be­klag­te be­an­tragt im zwei­ten Rechts­zug, die Be­ru­fung kos­ten­pflich­tig ab­zu­wei­sen.


Zur Be­gründung sei­nes An­trags führt er aus, ge­genüber al­len Tierärz­tIn­nen, auch den Fach­ge­biets- und Geschäfts­stel­len­lei­tern, die sämt­lich aus dem Kreis der Tierärz­tIn­nen kämen, sei die Zu­la­ge wi­der­ru­fen wor­den. Es tref­fe zu, dass Be­trof­fe­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen für Al­ters­teil­zeit erfüll­ten, dar­un­ter auch dem Kläger, ei­ne güns­ti­ge Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung an­ge­bo­ten wor­den sei. Ih­re wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on sei bei Wi­der­ruf der Zu­la­ge und an­hal­tend – auch heu­te noch – prekär. Die ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung des „Alt­ver­trags“ mit dem Kläger sei auch im Lich­te der neue­ren Recht­spre­chung des BAG möglich, da er sich in sei­nem Schrei­ben vom 22.05.1992 nur noch vor­be­hal­ten ha­be, die Zu­la­ge ins­ge­samt aus wirt­schaft­li­chen Gründen zu wi­der­ru­fen. Die neue­re Recht­spre­chung des BAG sei auch in­ner­halb des BAG of­fen­bar nicht un­um­strit­ten. Die ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung führe zu dem Er­geb­nis, dass die Par­tei­en bei Kennt­nis der Un-

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wirk­sam­keit ih­rer Wi­der­rufs­klau­sel nach den neu­en AGB-Vor­schrif­ten ei­ne Wi­der­rufsmög-lich­keit der Zu­la­ge bei fi­nan­zi­el­len Ver­lus­ten ver­ein­bart hätten; die­se lägen in dra­ma­ti­scher Wei­se vor. Der Wi­der­ruf der ge­sam­ten Zu­la­ge be­deu­te auch nach Recht­spre­chung des BAG kei­nen er­heb­lich stärke­ren Ein­griff in die Vergütungs­struk­tur des Klägers als der im Jah­re 1992, bil­li­ges Er­mes­sen sei so­mit ge­wahrt. Auch der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz sei we­gen Wi­der­rufs der Zu­la­ge ge­genüber al­len Tierärz­tIn­nen nicht ver­letzt.


Ergänzend zum Vor­trag des Be­klag­ten in der Be­ru­fung wird auf des­sen Schrift­satz vom 26.11.2009 (Bl. 178/193 d.A.) ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe:

1. Die gemäß § 64 Abs.2 lit. b) statt­haf­te und auch in der rich­ti­gen Form und recht­zei­tig (§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, 520 Abs. 3 ZPO, § 66 Abs. 1 S. 1, 2 und 5 ArbGG) ein­ge­leg­te und be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers führt zur Abände­rung des En­dur­teils des Ar­beits­ge­richts München vom 14.05.2009 – Az.: 22 Ca 9062/08 -und zum Ob­sie­gen des Klägers.


2. Der Leis­tungs­an­trag des Klägers, der der Höhe nach vom Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­drück­lich für un­strei­tig erklärt wor­den ist (Bl.195 d.A.), ist zulässig und be­gründet, weil der Wi­der­ruf der Zu­la­ge durch den Be­klag­ten vom 10.09.2007 zum 31.12.2007 rechts­un­wirk­sam ist, so dass dem Kläger über den 31.12.2007 hin­aus der gel­tend ge­mach­te Be­trag von 417,21 € für die Mo­na­te Ja­nu­ar bis ein­sch­ließlich Ju­ni 2008 zu­steht.


3. Auch der Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers ist zulässig und be­gründet; er ist zulässig im Sin­ne von §§ 46 Abs. 2 S. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 256 Abs. 1 ZPO, weil der Kläger we­gen des Wi­der­rufs der Zu­la­ge vom 10.09.2007 zum 31.12.2007 kei­ne Zah­lun­gen mehr vom Be­klag­ten auf die Zu­la­ge erhält und ein ak­tu­el­les Rechts­schutz­in­ter­es­se dar­an be­sitzt fest­ge­stellt zu er­hal­ten, dass der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihm die Zu­la­ge auch in Zu-

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kunft un­verändert wei­ter­hin zu be­zah­len. Be­gründet ist der Fest­stel­lungs­an­trag, weil der Wi­der­ruf der Zu­la­ge durch den Be­klag­ten rechts­un­wirk­sam ist.


4. Der Wi­der­ruf der Zu­la­ge durch den Be­klag­ten hat kei­ne Rechts­wirk­sam­keit ent­fal­ten können, weil die Wi­der­rufs­klau­sel in § 3 Ziff. 3 des Ar­beits­ver­trags dem Be­klag­ten ei­nen frei­en Wi­der­ruf ermögli­chen soll, so dass die Klau­sel we­gen feh­len­der An­ga­be von Gründen, die ei­nen Wi­der­ruf recht­fer­ti­gen könn­ten und da­mit we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 308 Nr. 4 BGB mit der Fol­ge un­wirk­sam ist, dass gemäß § 306 Abs. 1 BGB der Ar­beits­ver­trag im Übri­gen wirk­sam bleibt und die Zu­la­ge als fest ver­ein­bar­ter Be­stand­teil des Ar­beits­ver­trags zwi­schen den Par­tei­en fort­gilt, §§ 306 Abs. 2, 611 BGB.


5. In­so­weit folgt die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer der sorgfältig und zu­tref­fend be­gründe­ten Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts München. Nach der kor­rekt vom Ar­beits­ge­richt München zi­tier­ten Recht­spre­chung des BGH und des BAG ist die Ver­ein­ba­rung ei­nes Wi­der­rufs­vor­be­halts für ei­ne Leis­tung in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen dann un­wirk­sam, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für den Wi­der­ruf in der Ver­trags­klau­sel nicht auf­geführt wer­den. Denn die Ver­ein­ba­rung ei­nes Wi­der­rufs­rechts ist dem Ar­beit­neh­mer nur zu­mut­bar, wenn der Wi­der­ruf nicht grund­los er­fol­gen soll, son­dern we­gen der Un­si­cher­heit der Ent­wick­lung der Verhält­nis­se als In­stru­ment der An­pas­sung not­wen­dig ist, vgl. BGH 19.10.1999 – XI ZR 8/99 – NJW 2000, 691. Vor­aus­set­zung und Um­fang der vor­be­hal­te­nen Ände­rung müssen in der Ver­trags­klau­sel möglichst kon­kret aus­geführt wer­den, da­mit der Ar­beit­neh­mer er­ken­nen kann, in wel­chen Fällen er mit dem vollständi­gen oder teil­wei­sen Wi­der­ruf der Leis­tung rech­nen muss, BAG 12.01.2005 5 AZR 364/04.


6. Ei­ne Wirk­sam­keit des aus wirt­schaft­li­chen Gründen erklärten Wi­der­rufs der Zu­la­ge über ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung, wie sie das Ar­beits­ge­richt München vor­ge­nom­men und als Er­geb­nis ge­se­hen hat, schei­det je­doch nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer in Übe­rein­stim­mung mit der ak­tu­el­len Rechts­spre­chung des BAG zu Klau­seln in vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­verträgen aus, die vor dem 01.01.2002 zu­stan­de ge­kom­men sind (so ge­nann­te „Alt­verträge“). Nach Auf­fas­sung des BAG (BAG 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 – NZA 2007, 812), der sich die Be­ru­fungs­kam­mer an­sch­ließt, kommt nämlich ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung bei Un­wirk­sam­keit ei­ner All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gung dann nicht in Fra­ge, wenn der Ar­beit­ge­ber in­ner­halb der einjähri­gen Über­g­angs­frist bis


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zum 01.01.2003 gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB nicht den Ver­such un­ter­nom­men hat, die nicht mehr den An­for­de­run­gen des § 308 Nr. 4 BGB ent­spre­chen­de Wi­der­rufs­klau­sel den geänder­ten Verhält­nis­sen an­zu­pas­sen.


7. Wört­lich führt das BAG aus:


„Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung kommt nur dann in Be­tracht, wenn sich das Fest­hal­ten am Ver­trag für den Ver­wen­der als un­zu­mut­ba­re Härte im Sin­ne des § 306 Abs. 3 BGB dar­stel­len würde oder wenn ei­ne ver­fas­sungs­kon­for­me, den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit wah­ren­de Aus­le­gung und An­wen­dung der un­wirk­sa­men Ver­trags­klau­sel ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung des­halb ge­bie­ten, weil die §§ 307 ff. BGB hin­sicht­lich der An­for­de­run­gen an wirk­sa­me Ver­trags­for­mu­lie­run­gen für Alt­verträge auf ei­ne ech­te Rück­wir­kung hin­aus­lau­fen (vgl. BA­GE 113, 140 = NZA 2005, 465 = NJW 2005, 1820). Die­se Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung lie­gen nicht vor. Ei­ne ergänzen­de Aus­le­gung der un­wirk­sa­men Wi­der­rufs­klau­sel da­hin­ge­hend, dass ein Wi­der­ruf der Ge­stel­lung ei­nes Fir­men­wa­gens zur Pri­vat­nut­zung dann zulässig ist, wenn der Kläger we­gen sei­ner Frei­stel­lung das Fahr­zeug aus dienst­li­chen Gründen nicht mehr benötigt, würde der Be­klag­ten das Ri­si­ko der un­zulässig zu weit ge­fass­ten Klau­sel vollständig neh­men und ei­ne Ver­trags­hil­fe al­lein zu ih­ren Guns­ten dar­stel­len. Die Un­wirk­sam­keit der ver­wen­de­ten Klau­sel führt nicht zu ei­ner der­art kras­sen Störung des Gleich­ge­wichts, dass ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung zu Guns­ten der Be­klag­ten ge­bo­ten wäre. Es hätte an ihr ge­le­gen, sich ge­gen die­ses Ri­si­ko durch ei­ne wirk­sa­me, ein­schränken­de Fas­sung der Wi­der­rufs­klau­sel ab­zu­si­chern. Da in Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB al­len Ar­beit­ge­bern ei­ne einjähri­ge Über­g­angs­frist bis zum 01.01.2003 ein­geräumt wor­den war, hätte sie die­se Zeit nut­zen können, nach an­walt­li­cher Be­ra­tung die im Dienst­wa­gen­ver­trag ent­hal­te­ne Wi­der­rufs­klau­sel auf das nach dem AGB-Recht zulässi­ge Maß zurück­zuführen.

Durch die Einräum­ung der Über­g­angs­frist hat der Ge­setz­ge­ber dem Ver­trau­ens­schutz der Be­klag­ten in die Wirk­sam­keit ih­rer Ver­trags­klau­seln genügt. Der im Jahr 2001 ver­ein­bar­te Dienst­wa­gen­ver­trag un­ter­lag zunächst nicht der In­halts­kon­trol­le nach den erst am 01.01.2002 in Kraft ge­tre­te­nen Vor­schrif­ten der §§ 307 ff. BGB. We­gen der Be­reichs­aus­nah­me für Verträge auf dem Ge­biet des Ar­beits­rechts fand auch das AGB-Ge­setz auf sie kei­ne An­wen­dung (§ 23 Abs. 1 AGBG in der bis zum 31.12.2001 gel­ten­den Fas­sung).


Le­dig­lich wenn die Be­klag­te den Ver­such un­ter­nom­men hätte, die nicht mehr den An­for­de­run­gen des § 308 Nr. 4 BGB ent­spre­chen­de Wi­der­rufs­klau­sel der neu­en Ge­set­zes­la­ge an­zu­pas­sen und im Dienst­wa­gen­ver­trag die Gründe auf­zu­neh­men, die sie zum Wi­der­ruf des Nut­zungs­rechts am Fir­men­wa­gen be­rech­ti­gen soll­ten, könn­te zu ih­ren Guns­ten ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung in Fra­ge kom­men. Hätte sie dem Kläger ein ent­spre­chen­des Ver­tragsände­rungs­an­ge­bot un­ter­brei­tet, durch wel­ches das bis­lang ver­ein­bar­te Wi­der­rufs­recht auf recht­lich zulässi­ge Fall­ge­stal­tun­gen re­du­ziert wor­den wäre, hätte der Kläger die­ses An­ge­bot red­li­cher­wei­se an­neh­men müssen (vgl. Se­nat, NZA 2006, 1042 = NJW 2006, 3083 = AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14). Wenn sich der Kläger zu ei­ner
 


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sol­chen Ver­trags­an­pas­sung nicht be­reit erklärt hätte, wäre es ei­ne un­zu­mut­ba­re Be­las­tung für die Be­klag­te, wenn zu ih­ren Las­ten von der Un­wirk­sam­keit der Wi­der­rufs­klau­sel aus­ge­gan­gen würde. In ei­nem sol­chen Fal­le müss­te in Aus­rich­tung am hy­po­the­ti­schen Par­tei­wil­len und am Maßstab der §§ 307 ff. BGB ei­ne lücken­ausfüllen­de Er­satz­re­ge­lung ge­fun­den wer­den. Da­bei könn­te als Grund­la­ge zur Er­mitt­lung des Par­tei­wil­lens ein von der Be­klag­ten un­ter­brei­te­tes An­ge­bot der Ver­trags­an­pas­sung her­an­ge­zo­gen wer­den. Da aber ein sol­cher Ver­such der Be­klag­ten un­ter­blie­ben ist, während der einjähri­gen Über­g­angs­frist des Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB den Dienst­wa­gen­ver­trag der neu­en Rechts­la­ge an­zu­pas­sen, ver­dient ihr Ver­trau­en in den Fort­be­stand der im Dienst­wa­gen­ver­trag ver­ein­bar­ten un­wirk­sam ge­wor­de­nen Ver­trags­klau­sel kei­nen Schutz.“


8. Die­se Recht­spre­chung fin­det of­fen­bar in­ner­halb des BAG Ver­brei­tung (vgl. et­wa BAG 11.04.2006 – 9 AZR 610/05 – NZA 2006, dort 1046 Rn. 37; BAG 11.02.2009 – 10 AZR 228/08 – NZA 2009, 431, dort Rn. 36; kri­tisch da­zu Gaul/Mückl NZA 2009, 1233 – 1238)


9. Die Ent­schei­dung des BAG vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465 – 469 nimmt je­doch ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung vor, ob­wohl auch im dort ent­schie­de­nen Fall der Ar­beit­ge­ber die Über­g­angs­frist nicht ge­nutzt hat­te, dem Ar­beit­neh­mer ei­ne den neu­en Verhält­nis­sen an­ge­pass­te Ver­trags­ver­si­on vor­zu­le­gen).


10. Art. 229 § 5 S. 2 BGB lau­tet:


„Satz 1 gilt für Dau­er­schuld­verhält­nis­se mit der Maßga­be, dass an­stel­le der in Satz 1 be­zeich­ne­ten Ge­set­ze vom 01. Ja­nu­ar 2003 an nur das Bürger­li­che Ge­setz­buch,
das Han­dels­ge­setz­buch in der dann gel­ten­den Fas­sung an­zu­wen­den sind.“


11. Da­mit hat der Ge­setz­ge­ber deut­lich ge­macht, dass für die Ver­trags­part­ner von „Alt­verträgen“, die Dau­er­schuld­verhält­nis­se wa­ren und sind, mit In­kraft­tre­ten der AGB-Re­ge­lun­gen An­lass be­stand, schleu­nigst über ei­ne An­pas­sung ih­rer Dau­er­schuld­verhält­nis­se an die geänder­te Rechts­la­ge zu ver­han­deln, da er an­gekündigt hat, dass die­se neue Rechts­la­ge ein Jahr nach In­kraft­tre­ten der AGB-Re­ge­lun­gen auf die Alt­verträge un­ein­ge­schränkt an­ge­wen­det wer­den würde. Ver­trau­ens­schutz ha­ben die Ver­trags­part­ner von Alt­verträgen ent­ge­gen der von Gaul/Mückl (vgl. oben) un­ter dem Ti­tel „5 Jah­re AGB-Kon­trol­le von Ar­beits­verträgen – Ab­schied vom Ver­trau­ens­schutz?“ geäußer­ten Mei­nung durch Art. 229 § 5 S. 2 BGB al­so in aus­rei­chen­dem Maß er­hal­ten. Die Über­g­angs­frist kann nur zu dem Zweck vom Ge­setz­ge­ber ein­ge­rich­tet wor­den sein, den Ver­trags­par­tei­en


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von Dau­er­schuld­verhält­nis­sen die Möglich­keit der An­pas­sung zu ge­ben, weil da­nach die neue Rechts­la­ge für sie gel­ten soll. Wenn ein Ar­beit­ge­ber sich nicht die Mühe ge­macht hat, sei­ne Alt­verträge auf Übe­rein­stim­mung mit der neu­en Rechts­la­ge über­prüfen zu las­sen und ge­ge­be­nen­falls sei­nen Ar­beit­neh­merIn­nen Ände­rungs­an­ge­bo­te zu un­ter­brei­ten, oder sich die Vor­tei­le der Re­ge­lung im Alt­ver­trag auch un­ter dem Ri­si­ko, die­se könne un­wirk­sam sein, für die Zu­kunft si­chern will – vie­le der be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­merIn­nen wer­den die Un­wirk­sam­keit der Klau­sel mögli­cher­wei­se gar nicht er­ken­nen -, ver­dient er kei­nen wei­ter­ge­hen­den Ver­trau­ens­schutz, son­dern muss die Un­wirk­sam­keit der Klau­sel und die sich dar­aus für ihn er­ge­ben­den Nach­tei­le hin­neh­men. Die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer stellt klar, dass sie dem Be­klag­ten kei­ne Böswil­lig­keit un­ter­stellt; er kann die An­pas­sungsmöglich­keit auch le­dig­lich über­se­hen ha­ben.


12. Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung bei Alt­verträgen - Dau­er­schuld­verhält­nis­sen, die vor dem 01.01.2002 zu­stan­de ge­kom­men sind - vor­zu­neh­men, de­ren An­pas­sung zu ver­su­chen die Ver­trags­par­tei­en in­ner­halb der Über­g­angs­frist bis zum 01.01.2003 un­ter­las­sen ha­ben, ist nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer schlicht ge­setz­wid­rig, weil durch sie ei­ne vom Wil­len des Ge­setz­ge­bers nicht mehr mit­ge­tra­ge­ne Re­ge­lung, nämlich die ufer­lo­se Wei­ter­gel­tung der nach den AGB-Re­ge­lun­gen an sich ab 01.01.2003 un­wirk­sa­men Klau­seln zu Guns­ten der Klau­sel­ver­wen­ders ge­fun­den wer­den könn­te, die die Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers ze­men­tiert. Letzt­lich läuft die ge­gen­tei­li­ge Mei­nung dar­auf hin­aus, dass Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB überflüssig wäre, weil durch die Möglich­keit der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung Dau­er­schuld­verhält­nis­se im Er­geb­nis wie sons­ti­ge Alt­verträge gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB geschützt wer­den würden.


13. Die Un­wirk­sam­keit der Wi­der­rufs­klau­sel in § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags wird auch nicht – wie der Be­klag­te meint - durch sei­ne Erklärung im Schrei­ben vom 25.05.1992 (Bl. 22 d.A.) auf­grund et­wai­ger Kon­kre­ti­sie­rung der Wi­der­rufsmöglich­keit auf wirt­schaft­li­che Ver­lus­te be­sei­tigt.


14. Der Satz des Be­klag­ten in die­sem Schrei­ben, dem er ei­ne Kon­kre­ti­sie­rung der Wi­der­rufsmöglich­keit auf das Vor­lie­gen wirt­schaft­li­cher Gründe, die den Wi­der­ruf not­wen­dig ma­chen, ent­nimmt, lau­tet:

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„Wir be­hal­ten uns aus­drück­lich vor, auch den ein­ge­fro­re­nen Be­stand ganz oder teil­wei­se zu wi­der­ru­fen, wenn dies aus wirt­schaft­li­chen Gründen ge­bo­ten ist. Die Ent­schei­dung wird - wie ge­sagt – im Herbst fal­len, wenn wir endgültig wis­sen, ob und ge­ge­be­nen­falls in wel­cher Höhe Mit­tel von den Zu­schußge­bern zusätz­lich zur Verfügung ge­stellt wer­den.“


15. Mit die­sem Satz hat der Be­klag­te zunächst ei­nen kla­ren Be­zug zu der kon­kre­ten Ent­schei­dungs­si­tua­ti­on her­ge­stellt, die ihn be­reits zum Ein­frie­ren der Aus­gleichs­zu­la­ge ver­an­lasst hat­te, so dass ei­ne ge­ne­rell – al­so auch für künf­ti­ge wirt­schaft­li­che Pro­blem­la­gen - von ihm ge­woll­te Ein­schränkung der ver­trag­lich aus­be­dun­ge­nen Wi­der­rufsmöglich­keit be­reits der For­mu­lie­rung nicht zu ent­neh­men ist. Der Be­klag­te hat da­mals kei­nen endgülti­gen Wi­der­ruf der Zu­la­ge vor­ge­nom­men, so dass die Ver­trags­klau­sel für die fort­be­ste­hen­de „ein­ge­fro­re­ne“ Zu­la­ge wei­ter­hin Gültig­keit be­hal­ten soll­te.


16. Hin­zu kommt, dass die Erklärung des Be­klag­ten be­reits nach ih­rem mögli­chen Wort­sinn un­zwei­fel­haft gar kein An­ge­bot an die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­merIn­nen enthält, die ver­trag­lich aus­be­dun­ge­ne freie Wi­der­rufsmöglich­keit der Zu­la­ge im We­ge der Selbst­bin­dung da­hin­ge­hend ein­zu­schränken, dass der Wi­der­ruf künf­tig nur noch aus wirt­schaft­li­chen Gründen möglich sein wird, das die Ar­beit­neh­merIn­nen nur noch an­zu­neh­men brauch­ten, son­dern le­dig­lich ei­ne ein­sei­ti­ge Erklärung des Be­klag­ten be­inhal­tet. Wäre die ein­sei­ti­ge Erklärung ein An­ge­bot, käme in der Tat in Be­fol­gung der Recht­spre­chung des BAG (vgl. oben) ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung in Be­tracht, wenn die Ar­beit­neh­merIn­nen das An­ge­bot des Be­klag­ten nicht an­ge­nom­men hätten; bei sei­ner An­nah­me läge ei­ne auch den An­for­de­run­gen der AGB-Re­ge­lun­gen ent­spre­chen­de Klau­sel vor.


17. Ein „Sich-Vor­be­hal­ten“ ist be­reits sprach­lich nicht als An­ge­bot des Be­klag­ten an sei­ne Ar­beit­neh­merIn­nen zu ver­ste­hen, ei­ne ein­sei­ti­ge Selbst­be­schränkung des Be­klag­ten für die Zu­kunft im Sin­ne ei­ner ver­bind­li­chen Zu­sa­ge ist ei­ner sol­chen Erklärung schon von ih­rem Wort­laut und dem Sinn­zu­sam­men­hang her eben­falls beim bes­ten Wil­len nicht zu ent­neh­men. Sch­ließlich würde die Wirk­sam­keit ei­ner Ver­tragsände­rung, so­fern man die Erklärung des Be­klag­ten im Schrei­ben vom 25.05.1992 ent­ge­gen al­len Aus­le­gungs­re­geln als auf ei­ne Ein­schränkung des Wi­der­rufs­rechts des Be­klag­ten auf Fälle wirt­schaft­li­cher Gründe ge­rich­te­tes An­ge­bot zur Ver­tragsände­rung ver­ste­hen könn­te, das die Ar­beit-neh­merIn­nen durch kon­klu­den­tes Schwei­gen an­neh­men soll­ten, be­reits an der Schrift­form­klau­sel des Ar­beits­ver­trags schei­tern. Letz­te­res – das Vor­lie­gen ei­nes An­ge­bots an
 


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die Ar­beit­neh­merIn­nen in der Erklärung vom 25.05.1992 - be­haup­tet aber auch der Be­klag­te nicht


18. Dem Schrei­ben des Be­klag­ten an sei­ne Ar­beit­neh­merIn­nen vom 24.05.1971 (Bl. 8 d.A.) kommt für die Ent­schei­dung des Rechts­streits kei­ne Be­deu­tung zu. Sei­ne An­ord­nung:


„Zum Aus­gleich der Ar­beit­neh­mer­an­tei­le an den So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen wird vom 01.01.1971 an al­len Tierärz­ten ei­ne nicht ge­samt­ver­sor­gungsfähi­ge Zu­la­ge in ent­spre­chen­der Höhe gewährt“


konn­te sich be­griffs­not­wen­dig nur an die­je­ni­gen Per­so­nen rich­ten, die sich da­mals be­reits im Ar­beits­verhält­nis zum Be­klag­ten be­fun­den ha­ben; der Kläger hat erst Jah­re später den Ar­beits­ver­trag mit dem Be­klag­ten ab­ge­schlos­sen. Ein Wil­le des Be­klag­ten, später ein­tre­ten­de Ar­beit­neh­merIn­nen mit den sich be­reits am 24.05.1971 im Ar­beits­verhält­nis be­fin­den­den Ar­beit­neh­merIn­nen gleich­zu­be­han­deln, ist nicht nur nicht er­sicht­lich, viel­mehr zeigt der Ar­beits­ver­trag des Klägers deut­lich ei­nen ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len des Be­klag­ten.


19. Auf­grund des ge­fun­de­nen Er­geb­nis­ses kommt es zwar nicht dar­auf an, je­doch weist die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer dar­auf hin, dass die wirt­schaft­lich prekäre Si­tua­ti­on vom Be­klag­ten zwar ein­drucks­voll und schlüssig vor­ge­tra­gen wor­den ist – be­ein­dru­ckend ist be­reits der vom Be­klag­ten be­haup­te­te Ver­lust­vor­trag für das Jahr 2008 von 2.844.685,63 €, des­sen Ab­bau bei dem aus 2007 ver­gleich­ba­ren Ge­win­nen et­wa sie­ben Jah­re in An­spruch neh­men würde -, der Kläger sie je­doch wie­der­holt en­er­gisch be­strit­ten hat. So­fern man ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer zur Wirk­sam­keit der Wi­der­rufs­klau­sel gemäß § 3 Abs. 3 des Ar­beits­ver­trags kom­men soll­te, müss­ten dem­nach wohl zunächst die zur Stützung der Be­haup­tung des Be­klag­ten, es lägen wirt­schaft­li­che Gründe vor, die ei­nen Wi­der­ruf der Zu­la­ge für die Zu­kunft er­for­der­lich mach­ten, an­ge­bo­te­nen Be­wei­se er­ho­ben wer­den, be­vor der Wi­der­ruf ge­ge­be­nen­falls – je nach Be­wei­s­er­geb­nis - als wirk­sam an­ge­se­hen wer­den kann.


20. Als un­ter­le­ge­ne Par­tei hat der Be­klag­te die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen, § 91 ZPO.
 


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21. Das Ge­richt hat für den Be­klag­ten die Re­vi­si­on zu­ge­las­sen, weil sei­ne Ent­schei­dung von der des BAG vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04 – NZA 2005, 465 – 469 ab­weicht, wie oben be­reits ge­zeigt.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung:


Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Be­klag­te Re­vi­si­on ein­le­gen.


Für den Kläger ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.


Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat ein­ge­legt und in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten be­gründet wer­den.


Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung des Ur­teils.


Die Re­vi­si­on muss beim


Bun­des­ar­beits­ge­richt

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Post­an­schrift:
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ein­ge­legt und be­gründet wer­den.


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Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.


Es genügt auch die Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der Ge­werk­schaf­ten und von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie von Zu­sam­men­schlüssen sol­cher Verbände
- für ih­re Mit­glie­der
- oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der


oder

von ju­ris­ti­schen Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich in wirt­schaft­li­chem Ei­gen­tum ei­ner der im vor­ge­nann­ten Ab­satz be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen,
- wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt
- und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.


In je­dem Fall muss der Be­vollmäch­tig­te die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.


Zur Möglich­keit der Re­vi­si­ons­ein­le­gung mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hin­ge­wie­sen. Ein­zel­hei­ten hier­zu un­ter http://www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de/.


Dr. Ge­ri­cke 

Schraml 

Ger­standl

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