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BAG, Ur­teil vom 17.10.2017, 9 AZR 192/17

   
Schlagworte: Arbeitszeit
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 192/17
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.10.2017
   
Leitsätze: 1. Allein die Erhöhung der Arbeitszeit ohne eine damit verbundene Übertragung höherwertiger Tätigkeiten betrifft nicht den Zugang zu einem öffentlichen Amt iSv. Art. 33 Abs. 2 GG.
2. Ein freies Arbeitszeitvolumen, das der Arbeitgeber zur Erhöhung der Arbeitszeit bereits beschäftigter Teilzeitarbeitnehmer zur Verfügung stellt, ist kein freier Arbeitsplatz iSv. § 9 TzBfG. Der Arbeitgeber muss deshalb einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit angezeigt hat, bei gleicher Eignung nicht bevorzugt berücksichtigen. In diesem Fall ist er grundsätzlich in der Auswahl frei, welchen Teilzeitbeschäftigten er eine Verlängerung der Arbeitszeit anbietet.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 03.11.2015, 2 Ca 524/15
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2016, 13 Sa 460/16
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

9 AZR 192/17
13 Sa 460/16
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
17. Ok­to­ber 2017

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Ok­to­ber 2017 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer und Zim­mer­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Star­ke und Gell für Recht er­kannt:

 

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1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 27. Ok­to­ber 2016 - 13 Sa 460/16 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Auf­sto­ckung ih­res Un­ter­richts­de­pu­tats und in die­sem Zu­sam­men­hang darüber, ob die Be­klag­te be­rech­tigt war, zwei De­pu­ta­te von je­weils sechs Un­ter­richts­stun­den an an­de­re Per­so­nen zu über­tra­gen.

Die Kläge­rin ist seit 1997 als Mu­sik­schul­leh­re­rin (Kla­vier­leh­re­rin) an der Mu­sik- und Kunst­schu­le der be­klag­ten Stadt beschäftigt. Ih­re wöchent­li­che Un­ter­richts­ver­pflich­tung be­trug nach meh­re­ren, teil­wei­se be­fris­te­ten Ände­run­gen zu­letzt 11 St­un­den zu je 45 Mi­nu­ten. Das wöchent­li­che Un­ter­richts­de­pu­tat für ei­ne Voll­zeit­beschäfti­gung beläuft sich auf 30 Un­ter­richts­stun­den. Die Tätig­keit der Kläge­rin für die Be­klag­te um­fass­te ne­ben der Er­tei­lung des Mu­sik­schul­un­ter­richts und den da­mit ver­bun­de­nen Ne­bentätig­kei­ten auch ei­ne Un­ter­richtstätig­keit in dem durch ei­ne Lan­des­stif­tung fi­nan­zier­ten mu­sikpädago­gi­schen Pro­gramm „Je­Ki“ („Je­dem Kind ein In­stru­ment“). Die­ses Pro­gramm hat­te ei­nen in­stru­men­tel­len Grup­pen­un­ter­richt für bis zu fünf Kin­der zum Ge­gen­stand, der in be­tei­lig­ten Grund­schu­len statt­fand.

Die Be­klag­te schrieb En­de des Jah­res 2014 zwei un­be­fris­tet zu ver­ge­ben­de De­pu­ta­te von je­weils sechs Un­ter­richts­stun­den im Fach Kla­vier in­tern aus. In der Aus­schrei­bung hieß es:

„Mit­tei­lung des Fach­be­reichs Tas­ten­in­stru­men­te / Ge­sang / Tanz / Thea­ter
In­ter­ne Aus­schrei­bung von ins­ge­samt 12 Un­ter­richts­stun­den (zuzüglich Fe­ri­enüber­hang) im Fach Kla­vier,

 

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auf­ge­teilt in zwei De­pu­ta­te zu je­weils sechs Un­ter­richts­stun­den, zu be­set­zen ab Fe­bru­ar 2015. Es han­delt sich um un­be­fris­te­te Un­ter­richts­stun­den. Auch im aus­sch­ließlich be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis ste­hen­de Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen können sich be­wer­ben. Er­war­tet wird ein ab­ge­schlos­se­nes Mu­sik­stu­di­um im Fach Kla­vier oder der Nach­weis ei­nes ver­gleich­ba­ren Ab­schlus­ses.

Das Be­wer­bungs­ver­fah­ren fin­det in der drit­ten Ka­len­der­wo­che (12.01. bis 16.01.2015) statt. Wir er­war­ten von Ih­nen ein kur­zes Vor­spiel (ca. 5 Mi­nu­ten) so­wie ei­ne 30minüti­ge Lehr­pro­be mit ei­nem an­sch­ließen­den Gespräch.
Die Vergütung er­folgt nach TVöD. ... ...

Die­se Aus­schrei­bung er­folgt un­ter Hin­weis auf das Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz § 7 (Aus­schrei­bung, In­for­ma­ti­on über freie Ar­beitsplätze).“

Mit Schrei­ben vom 15. De­zem­ber 2014 be­warb sich die Kläge­rin um die aus­ge­schrie­be­nen Un­ter­richts­stun­den. Ne­ben der Kläge­rin be­war­ben sich acht wei­te­re bei der Be­klag­ten an­ge­stell­te Mu­sik­schul­leh­rer. Am 23. Ja­nu­ar 2015 führ­te die Be­klag­te ein Aus­wahl­ver­fah­ren durch. Die­ses be­stand aus ei­nem fünf­minüti­gen Vor­spiel, ei­ner 20-minüti­gen Lehr­pro­be und ei­nem fünf­minüti­gen Gespräch, in wel­chem dem Be­wer­ber Ge­le­gen­heit ge­ge­ben wur­de, Fra­gen zu stel­len. Der Aus­wahl­kom­mis­si­on gehörten die Lei­te­rin der Mu­sik- und Kunst­schu­le, der Fach­be­reichs­lei­ter Tas­ten­in­stru­men­te, Ge­sang, Tanz und Thea­ter so­wie ein Per­so­nal­rats­mit­glied an. Je­des Mit­glied der Kom­mis­si­on hat­te die Leis­tun­gen der Be­wer­ber im Vor­spiel und in der Lehr­pro­be mit je­weils bis zu fünf Punk­ten zu be­wer­ten. Die aus­ge­schrie­be­nen De­pu­ta­te soll­ten den bei­den Be­wer­bern mit der höchs­ten Punkt­zahl über­tra­gen wer­den. Die Aus­wahl fiel auf die Be­wer­ber N und H, de­ren wöchent­li­che Un­ter­richts­ver­pflich­tung sich auf 16 bzw. sechs St­un­den be­lief. Die zusätz­li­chen St­un­den­de­pu­ta­te wur­den ih­nen zunächst nur durch be­fris­te­te Ver­tragsände­run­gen über­tra­gen.

Mit ih­rer Kla­ge hat die Kläge­rin die Erhöhung ih­rer wöchent­li­chen Ar­beits­zeit um sechs Un­ter­richts­stun­den wei­ter­ver­folgt. Sie hat be­haup­tet, dass ihr der ehe­ma­li­ge Lei­ter der Mu­sik- und Kunst­schu­le in den Jah­ren 1997 bis 2000 wie­der­holt münd­lich zu­ge­sagt ha­be, ihr wöchent­li­ches Un­ter­richts­de­pu­tat

 

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auf min­des­tens 21 St­un­den un­be­fris­tet an­zu­he­ben, so­bald zusätz­li­che Un­ter­richts­stun­den zu ver­ge­ben sei­en. Zu­dem hat sie gel­tend ge­macht, ihr ste­he nach § 9 Tz­B­fG ein An­spruch auf die Verlänge­rung ih­rer Ar­beits­zeit zu. Auch ha­be die Be­klag­te bei der Ver­ga­be der aus­ge­schrie­be­nen St­un­den die ein­schlägi­gen Vor­ga­ben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht be­ach­tet. Die ge­trof­fe­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung sei nicht von Art. 33 Abs. 2 GG ge­deckt. Die Aus­wahl hätte auf sie als die am bes­ten ge­eig­ne­te Be­wer­be­rin fal­len müssen. Das durch­geführ­te Aus­wahl­ver­fah­ren ha­be nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spro­chen. Auch sei die Aus­wahl­kom­mis­si­on feh­ler­haft be­setzt ge­we­sen. Die­ser ha­be we­der ein aus­ge­bil­de­ter Pia­nist noch ei­ne Per­son mit staat­lich ge­prüftem Mu­sik­leh­rer­ex­amen im Fach Kla­vier an­gehört. Sch­ließlich ha­be die Be­klag­te auch die Vor­ga­ben des Ge­set­zes zur Gleich­stel­lung von Frau­en und Männern für das Land Nord­rhein-West­fa­len (LGG NRW) nicht be­ach­tet.

Die Kläge­rin hat zu­letzt - so­weit für die Re­vi­si­on von Be­deu­tung - be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Erhöhung ih­rer durch­schnitt­li­chen wöchent­li­chen Un­ter­richts­ver­pflich­tung mit Wir­kung zum 1. Fe­bru­ar 2015 auf wöchent­lich 17 Un­ter­richts­stun­den zu­zu­stim­men;

2. hilfs­wei­se über ih­re Be­wer­bung un­ter Be­ach­tung der Rechts­auf­fas­sung des Ge­richts neu zu ent­schei­den.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, we­der der An­wen­dungs­be­reich des § 9 Tz­B­fG noch der des Art. 33 Abs. 2 GG sei­en eröff­net. Bei den zu ver­ge­ben­den Un­ter­richts­stun­den han­de­le es sich nicht um ei­nen frei­en Ar­beits­platz iSv. § 9 Tz­B­fG. Die in­ter­ne Ver­ga­be ei­nes St­un­den­de­pu­tats zum Zweck der Ar­beits­zeit­erhöhung be­reits an­ge­stell­ter Teil­zeit-Mu­sik­schul­leh­rer sei kei­ne den Kri­te­ri­en des Art. 33 Abs. 2 GG un­ter­lie­gen­de Aus­wah­l­ent­schei­dung. Ei­ne bloße Ar­beits­zeit­erhöhung be­wir­ke nicht die dafür er­for­der­li­che Sta­tusände­rung.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Kla­ge­be­geh­ren wei­ter.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

Die nur teil­wei­se zulässi­ge Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das kla­ge­ab­wei­sen­de erst­in­stanz­li­che Ur­teil zu Recht zurück­ge­wie­sen. Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet.

A. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist teil­wei­se un­zulässig.

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum not­wen­di­gen In­halt der Re­vi­si­ons­be­gründung die An­ga­be der Re­vi­si­ons­gründe. Bei ei­ner Sachrüge muss der ver­meint­li­che Rechts­feh­ler des Lan­des­ar­beits­ge­richts so auf­ge­zeigt wer­den, dass Ge­gen­stand und Rich­tung des Re­vi­si­ons­an­griffs er­kenn­bar sind. Da­zu muss die Re­vi­si­ons­be­gründung ei­ne kon­kre­te Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gründen des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ent­hal­ten. Bei meh­re­ren Streit­ge­genständen muss für je­den ei­ne sol­che Be­gründung ge­ge­ben wer­den. Fehlt sie zu ei­nem Streit­ge­gen­stand, ist das Rechts­mit­tel in­so­weit un­zulässig (BAG 24. Ja­nu­ar 2017 - 1 AZR 774/14 - Rn. 10; 27. Ju­li 2010 - 1 AZR 186/09 - Rn. 13).

II. Da­nach ist die Re­vi­si­on un­zulässig, so­weit die Kläge­rin ihr Be­geh­ren auf ei­ne Erhöhung ih­rer Ar­beits­zeit auf die be­haup­te­te Zu­sa­ge des frühe­ren Schul­lei­ters stützt.

1. Die Kläge­rin hat den er­ho­be­nen An­spruch auf Erhöhung ih­rer wöchent­li­chen Un­ter­richts­zeit zum ei­nen auf die Zu­sa­ge des frühe­ren Schul­lei­ters und zum an­de­ren auf die ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen des Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 Tz­B­fG und des LGG NRW gestützt. Hier­bei han­delt es sich um un­ter­schied­li­che Le­bens­sach­ver­hal­te und da­mit um meh­re­re Streit­ge­genstände iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, de­ren Be­gründung nicht den­knot­wen­dig von­ein­an­der abhängt.

2. Die Re­vi­si­ons­be­gründung enthält kei­ne den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spre­chen­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gründen des Be­ru­fungs­ur­teils,

 

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so­weit die­ses ei­nen An­spruch auf Ar­beits­zeit­erhöhung auf­grund ei­ner in­di­vi­du­al­recht­li­chen Zu­sa­ge des frühe­ren Schul­lei­ters ver­neint hat. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat in die­sem Zu­sam­men­hang dar­auf ab­ge­stellt, dass der Kläge­rin ein Erhöhungs­an­spruch be­reits rechts­kräftig in ei­nem Vor­pro­zess ab­er­kannt wor­den sei. Auf die­se Ar­gu­men­ta­ti­on geht die Kläge­rin in ih­rer Re­vi­si­ons­be­gründung nicht ein.

B. So­weit die Re­vi­si­on zulässig ist, ist sie un­be­gründet.

I. Der Haupt­an­trag auf Zu­stim­mung der Be­klag­ten zur Erhöhung der wöchent­li­chen Un­ter­richts­ver­pflich­tung ist zulässig, je­doch un­be­gründet.

1. Der An­trag ist auf ei­ne Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten ge­rich­tet, das An­ge­bot der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags mit ei­ner um sechs Un­ter­richts­stun­den erhöhten wöchent­li­chen Ar­beits­zeit an­zu­neh­men. In die­ser Aus­le­gung ist der An­trag hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit Rechts­kraft ei­nes ob­sie­gen­den Ur­teils gölte die An­nah­me­erklärung nach § 894 Satz 1 ZPO als ab­ge­ge­ben. Zu wel­chem Zeit­punkt die fin­gier­te Ab­ga­be der An­nah­me­erklärung wirkt, be­ur­teilt sich nach ma­te­ri­el­lem Recht. Seit In­kraft­tre­ten des § 311a Abs. 1 BGB idF des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26. No­vem­ber 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Ver­ur­tei­lung zur Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung in Be­tracht, mit der ein Ver­trags­an­ge­bot an­ge­nom­men wer­den soll, das rück­wir­kend auf ei­ne Ver­tragsände­rung zu ei­nem in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Zeit­punkt ge­rich­tet ist (BAG 13. De­zem­ber 2016 - 9 AZR 606/15 - Rn. 15; 15. Sep­tem­ber 2009 - 9 AZR 643/08 - Rn. 15 mwN).

2. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch dar­auf, dass die Be­klag­te mit ihr ei­nen Ar­beits­ver­trag mit ei­ner Un­ter­richts­ver­pflich­tung von wöchent­lich ins­ge­samt 17 Un­ter­richts­stun­den schließt.

a) Der An­spruch folgt nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG.

aa) Nach die­ser Vor­schrift hat je­der Deut­sche nach sei­ner Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­chen Leis­tung glei­chen Zu­gang zu je­dem öffent­li­chen Amt. Öffent­li­che Ämter iSv. Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Be­am­ten­stel­len, son­dern

 

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auch sol­che Stel­len, die ein öffent­li­cher Ar­beit­ge­ber mit Ar­beit­neh­mern zu be­set­zen be­ab­sich­tigt. Der un­be­schränkt und vor­be­halt­los gewähr­te Grund­satz der Bes­ten­aus­le­se dient zum ei­nen dem öffent­li­chen In­ter­es­se an der bestmögli­chen Be­set­zung der Stel­len des öffent­li­chen Diens­tes. Zum an­de­ren trägt die Ver­fas­sungs­norm dem be­rech­tig­ten In­ter­es­se der Be­diens­te­ten an ei­nem an­ge­mes­se­nen be­ruf­li­chen Fort­kom­men da­durch Rech­nung, dass sie grund­rechts­glei­che Rech­te auf er­mes­sens- und be­ur­tei­lungs­freie Ein­be­zie­hung in die Be­wer­be­r­aus­wahl be­gründet. Be­am­ten und Ar­beit­neh­mern im öffent­li­chen Dienst steht des­halb bei der Be­set­zung von Ämtern des öffent­li­chen Diens­tes ein ver­fas­sungs­recht­li­cher Be­wer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch zu. Dar­aus folgt an­ge­sichts der Kri­te­ri­en Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­che Leis­tung in Art. 33 Abs. 2 GG ein sub­jek­ti­ves Recht je­des Be­wer­bers auf chan­cen­glei­che Teil­nah­me am Be­wer­bungs­ver­fah­ren (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2015 - 9 AZR 837/13 - Rn. 16). Nur der am bes­ten ge­eig­ne­te Be­wer­ber für die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le hat ei­nen Be­set­zungs­an­spruch (BAG 24. März 2009 - 9 AZR 277/08 - Rn. 15, BA­GE 130, 107; 21. Ja­nu­ar 2003 - 9 AZR 72/02 - zu A II 2 a aa (1) der Gründe, BA­GE 104, 295).

Der Be­wer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch ist ge­genüber der Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit des öffent­li­chen Ar­beit­ge­bers ab­zu­gren­zen. Die­se räumt ihm das Recht ein, zwi­schen ver­schie­de­nen Möglich­kei­ten, ei­ne Stel­le zu be­set­zen, zu wählen. Die in Art. 33 Abs. 2 GG nor­mier­ten Aus­wahl­grundsätze gel­ten da­bei nicht nur für die Be­gründung von Dienst- und Ar­beits­verhält­nis­sen. Ei­ne Aus­wahl nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG gilt zwin­gend auch für den Zu­gang zu Beförde­rungsämtern und -stel­len (vgl. BAG 19. Mai 2015 - 9 AZR 837/13 - Rn. 16; 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 492/06 - Rn. 40, BA­GE 121, 67). Ein Art. 33 Abs. 2 GG ent­spre­chen­des Aus­wahl­ver­fah­ren ist auch dann durch­zuführen, wenn der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber die zu be­set­zen­de Stel­le un­be­schränkt aus­ge­schrie­ben hat. Dann muss ei­ne Gleich­be­hand­lung zwi­schen Beförde­rungs- und an­de­ren Be­wer­bern er­fol­gen (BAG 12. April 2016 - 9 AZR 673/14 - Rn. 25, BA­GE 155, 29; 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 492/06 - Rn. 48, aaO). Ver­gibt der Ar­beit­ge­ber die Stel­le im We­ge der Um­set­zung oder Ver­set­zung an be­reits bei ihm beschäftig­te und mit gleich­wer­ti­gen Tätig­kei­ten be­fass­te Ar­beit­neh­mer, ist

 

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das Aus­wahl­ver­fah­ren nicht den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG un­ter­wor­fen (vgl. BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 492/06 - Rn. 40, 48, aaO; BVerwG 3. De­zem­ber 2014 - 2 A 3.13 - Rn. 38, BVerw­GE 151, 14; 13. De­zem­ber 2012 - 2 C 11.11 - Rn. 20 f., BVerw­GE 145, 237). Wie der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber sei­ne Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit nutzt, steht in sei­nem pflicht­gemäßen Er­mes­sen (BAG 12. April 2016 - 9 AZR 673/14 - Rn. 25, aaO; 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 492/06 - Rn. 40, aaO).

bb) Nach die­sen Grundsätzen war die Be­klag­te nicht ver­pflich­tet, bei der Zu­tei­lung der St­un­den­de­pu­ta­te von je­weils sechs Un­ter­richts­stun­den ein Art. 33 Abs. 2 GG ent­spre­chen­des Aus­wahl­ver­fah­ren durch­zuführen.

(1) Die Erhöhung der Ar­beits­zeit be­trifft we­der die Be­gründung ei­nes Dienst- oder Ar­beits­verhält­nis­ses noch den Zu­gang zu Beförde­rungsämtern und -stel­len. Der Be­wer­ber um ein wei­te­res Zeit­de­pu­tat oh­ne ei­ne da­mit ver­bun­de­ne Über­tra­gung höher­wer­ti­ger Tätig­kei­ten be­gehrt nicht den Zu­gang zu ei­nem öffent­li­chen Amt, son­dern ei­ne sta­tus­neu­tra­le bzw. „ämt­er­neu­tra­le“ Mo­di­fi­ka­ti­on der Be­din­gun­gen sei­ner Beschäfti­gung, für die sei­ne Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­che Leis­tung be­reits in ei­nem vor­aus­ge­gan­ge­nen Aus­wahl­ver­fah­ren über­prüft wor­den sind. Dem­ent­spre­chend geht es auch der Kläge­rin le­dig­lich dar­um, ih­re wöchent­li­che Ar­beits­zeit un­ter Bei­be­hal­tung des ihr über­tra­ge­nen „Amts“ um wöchent­lich sechs Un­ter­richts­stun­den zu erhöhen.

(2) Das Recht der Be­klag­ten, das frei ge­wor­de­ne Zeit­de­pu­tat außer­halb des Aus­wahl­ver­fah­rens nach Art. 33 Abs. 2 GG zu ver­tei­len, ist nicht auf­grund der er­folg­ten Aus­schrei­bung durch ei­ne „Selbst­bin­dung“ aus­ge­schlos­sen. Es han­del­te sich nicht um ei­ne Aus­schrei­bung, die ei­ne Be­wer­be­r­aus­wahl nach Maßga­be des Art. 33 Abs. 2 GG er­for­dert. Denn die Be­klag­te hat das Zeit­de­pu­tat nicht un­be­schränkt aus­ge­schrie­ben. Die Aus­schrei­bung rich­te­te sich aus­sch­ließlich an die be­reits bei ihr beschäftig­ten Mu­sik­schul­leh­re­rin­nen und Mu­sik­schul­leh­rer. Es stand we­der ein Zu­gang ex­ter­ner Drit­ter zu ei­nem Dienst­verhält­nis noch ei­ne Beförde­rung be­reits bei der Be­klag­ten beschäftig­ter Per­so­nen im Raum. Die Be­klag­te hat in der Aus­schrei­bung auch nicht das Ziel for­mu­liert, ei­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung nach den Grundsätzen der Bes­ten­aus­le­se iSd.

 

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Art. 33 Abs. 2 GG vor­zu­neh­men (vgl. BVerwG 26. Ja­nu­ar 1994 - 6 P 21.92 - zu II 2 d bb der Gründe, BVerw­GE 95, 73; OVG für das Land Nord­rhein-West­fa­len 25. No­vem­ber 2015 - 6 B 1013/15 -), son­dern sie - in Ausübung ih­rer Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit - auf­grund ih­res Ein­drucks aus ei­nem Vor­spiel, ei­ner Lehr­pro­be und ei­nem Gespräch zu tref­fen.

b) Ein An­spruch der Kläge­rin auf Erhöhung ih­rer wöchent­li­chen Ar­beits­zeit um sechs Un­ter­richts­stun­den lässt sich auch nicht aus § 9 Tz­B­fG her­lei­ten.

aa) § 9 Tz­B­fG ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber, ei­nen teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer, der ihm den Wunsch nach ei­ner Verlänge­rung sei­ner ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit an­ge­zeigt hat, bei der Be­set­zung ei­nes ent­spre­chen­den frei­en Ar­beits­plat­zes bei glei­cher Eig­nung be­vor­zugt zu berück­sich­ti­gen, es sei denn, dass drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe oder Ar­beits­zeitwünsche an­de­rer teil­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer dem ent­ge­gen­ste­hen. Die Vor­schrift be­gründet - un­ter näher ge­re­gel­ten - Vor­aus­set­zun­gen ei­nen An­spruch des Ar­beit­neh­mers ge­gen den Ar­beit­ge­ber auf Verlänge­rung der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit (vgl. BAG 18. Ju­li 2017 - 9 AZR 259/16 - Rn. 15; 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 18 ff., BA­GE 119, 194).

bb) Der An­spruch nach § 9 Tz­B­fG setzt vor­aus, dass ein „ent­spre­chen­der frei­er Ar­beits­platz“ zu be­set­zen ist. Da­zu muss zu­min­dest ein frei­er und nach dem Wil­len des Ar­beit­ge­bers zu be­set­zen­der Ar­beits­platz vor­han­den sein (BAG 23. März 2016 - 7 AZR 828/13 - Rn. 24, BA­GE 154, 354; 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/09 - Rn. 20, BA­GE 122, 235). Der Ar­beit­neh­mer hat re­gelmäßig kei­nen ge­setz­li­chen An­spruch dar­auf, dass der Ar­beit­ge­ber ein­zu­rich­ten­de und zu be­set­zen­de Ar­beitsplätze nach den Ar­beits­zeitwünschen des Ar­beit­neh­mers schafft, zu­schnei­det oder ihm die für ei­nen an­de­ren (Teil­zeit-)Ar­beits­platz vor­ge­se­he­ne Ar­beits­zeit ganz oder teil­wei­se zu­teilt (mit ausf. Be­gründung BAG 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 23 ff., BA­GE 119, 194; zu­letzt BAG 23. März 2016 - 7 AZR 828/13 - aaO).

Die Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit des Ar­beit­ge­bers darf je­doch nicht zur Um­ge­hung des § 9 Tz­B­fG ge­nutzt wer­den. Wenn der Ar­beit­ge­ber, an­statt die Ar­beits­zei­ten der auf­sto­ckungs­wil­li­gen Teil­zeit­beschäftig­ten zu verlängern, wei­te­re

 

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Teil­zeit­ar­beitsplätze oh­ne höhe­re Ar­beits­zeit ein­rich­tet, müssen für die­se Ent­schei­dung ar­beits­platz­be­zo­ge­ne Sach­gründe be­ste­hen (BAG 23. März 2016 - 7 AZR 828/13 - Rn. 24, BA­GE 154, 354; 13. Fe­bru­ar 2007 - 9 AZR 575/05 - Rn. 26, BA­GE 121, 199).

(1) Für das Vor­lie­gen ei­nes frei­en Ar­beits­plat­zes ist maßgeb­lich, ob un­ter Berück­sich­ti­gung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit des Ar­beit­ge­bers bei An­trag­stel­lung ein ge­eig­ne­ter Ar­beits­platz mit dem vom Ar­beit­neh­mer be­gehr­ten Ar­beits­zeit­vo­lu­men zum Zeit­punkt des be­an­trag­ten Be­ginns der Ar­beits­zeit­verlänge­rung vor­liegt (Laux in Laux/Schlach­ter Tz­B­fG 2. Aufl. § 9 Rn. 23; AR/Schüren 8. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 7). Ein frei­er Ar­beits­platz be­steht da­nach, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne Stel­le neu schafft oder die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung trifft, ei­nen un­be­setz­ten Ar­beits­platz neu zu be­set­zen (MüKoBGB/Müller-Glöge 7. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 6; AR/Schüren aaO Rn. 10; Ar­nold/Gräfl/Vos­sen Tz­B­fG 4. Aufl. § 9 Rn. 18). Der Se­nat hat an­ge­nom­men, dass in der Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers, ei­nen ent­stan­de­nen Ar­beits­kräfte­be­darf durch Erhöhung der Ar­beits­zeit ei­nes be­reits beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers zu be­frie­di­gen, nicht die Ein­rich­tung ei­nes ent­spre­chen­den frei­en Ar­beits­plat­zes iSv. § 9 Tz­B­fG liegt (vgl. BAG 13. Fe­bru­ar 2007 - 9 AZR 575/05 - Rn. 27, BA­GE 121, 199).

(2) Hier­an hält der Se­nat fest. Übt der Ar­beit­ge­ber sein Or­ga­ni­sa­ti­ons­er­mes­sen der­ge­stalt aus, dass er ein frei­es Ar­beits­zeit­vo­lu­men für be­stimm­te Auf­ga­ben ar­beits­plat­z­un­abhängig als Auf­sto­ckungs­vo­lu­men für be­reits beschäftig­te Teil­zeit­kräfte zur Verfügung stellt, er­gibt sich dar­aus auch dann kein frei­er Ar­beits­platz iSv. § 9 Tz­B­fG, wenn er un­ter meh­re­ren an ei­ner Ar­beits­zeit­erhöhung in­ter­es­sier­ten Ar­beit­neh­mern ei­ne Aus­wahl trifft.

(a) Ein Ar­beits­platz ist nach gebräuch­li­cher Aus­le­gung die Beschäfti­gung in ört­lich-räum­li­cher und zu­gleich in funk­tio­na­ler Hin­sicht (BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 23, BA­GE 122, 235). Er ist durch Art, Ort und Um­fang der Tätig­keit ge­kenn­zeich­net (vgl. BAG 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 24, BA­GE 119, 194). Durch die Ent­schei­dung, ei­nen be­stimm­ten Ar­beits­kräfte­be­darf durch die Ar­beits­zeit­erhöhung be­reits beschäftig­ter Teil­zeit­ar­beit­neh­mer ab­zu­de­cken, ist kein frei­er Ar­beits­platz in ört­lich-räum­li­cher und zu­gleich in

 

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funk­tio­na­ler Hin­sicht mit ei­nem erhöhten Ar­beits­zeit­vo­lu­men zu be­set­zen. Es wird le­dig­lich der zeit­li­che Zu­schnitt ei­nes be­reits be­setz­ten Ar­beits­plat­zes da­durch mo­di­fi­ziert, dass dem begüns­tig­ten Ar­beit­neh­mer ein be­stimm­tes Ar­beits­zeit­vo­lu­men zusätz­lich zu sei­nem be­ste­hen­den Teil­zeit­vo­lu­men zu­ge­wie­sen wird. Ein frei­er Ar­beits­platz mit dem zeit­li­chen Um­fang der zu­sam­men­gefügten Ar­beits­zeit­vo­lu­mi­na be­steht zu kei­ner Zeit.

(b) Be­zo­gen auf die Kläge­rin be­deu­tet dies, dass bei der Be­klag­ten kein „frei­er Ar­beits­platz“ mit dem von ihr gewünsch­ten Un­ter­richts­de­pu­tat von 17 Wo­chen­stun­den be­stan­den hat, bei des­sen Be­set­zung sie hätte be­vor­zugt berück­sich­tigt wer­den müssen. Auf § 9 Tz­B­fG kann die Kläge­rin des­halb ent­ge­gen der von ihr ver­tre­te­nen Auf­fas­sung kei­nen An­spruch auf Zu­tei­lung der von der Be­klag­ten aus­ge­schrie­be­nen sechs Un­ter­richts­stun­den zusätz­lich zu ih­rem be­ste­hen­den Teil­zeit­vo­lu­men stützen.

(3) Die Ausübung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit durch den Ar­beit­ge­ber da­hin­ge­hend, ein frei­es Ar­beits­zeit­de­pu­tat als Auf­sto­ckungs­vo­lu­men für be­reits beschäftig­te Teil­zeit­kräfte zu nut­zen, führt nicht zu ei­ner Um­ge­hung des § 9 Tz­B­fG. Der Ar­beit­ge­ber be­frie­digt in die­sem Fall ge­ra­de nicht den be­ste­hen­den Be­darf an frei ge­wor­de­ner Ar­beits­zeit­ka­pa­zität durch die Schaf­fung ei­nes neu­en Ar­beits­plat­zes mit le­dig­lich ge­rin­gem Ar­beits­zeit­um­fang, son­dern ermöglicht außer­halb des An­wen­dungs­be­reichs des § 9 Tz­B­fG die durch die­se Vor­schrift in­ten­dier­te Ar­beits­zeit­erhöhung be­reits beschäftig­ter Teil­zeit­kräfte.

(4) Auch ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung des § 9 Tz­B­fG führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Mit dem Tz­B­fG soll­te zu­gleich die Richt­li­nie 97/81/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit (ABl. EG L 14 vom 20. Ja­nu­ar 1998 S. 9, ber. ABl. EG L 128 vom 30. April 1998 S. 71) idF der Richt­li­nie 98/23/EG vom 7. April 1998 (ABl. EG L 131 vom 5. Mai 1998 S. 10, Teil­zeit­richt­li­nie) um­ge­setzt wer­den (vgl. BT-Drs. 14/4374 S. 11). Ziel der Rah­men­ver­ein­ba­rung ist es nach ih­rem § 1 Buchst. b, die Ent­wick­lung der Teil­zeit­ar­beit auf frei­wil­li­ger Ba­sis zu fördern und zu ei­ner fle­xi­blen Or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beits­zeit bei­zu­tra­gen, die den Bedürf­nis­sen der Ar­beit­ge­ber und der Ar­beit-

 

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neh­mer Rech­nung trägt. § 5 Nr. 3 Buchst. b der Rah­men­ver­ein­ba­rung sieht vor, dass die Ar­beit­ge­ber, so­weit dies möglich ist, Anträge von Teil­zeit­beschäftig­ten auf Wech­sel in ein Voll­zeit­ar­beits­verhält­nis oder auf Erhöhung ih­rer Ar­beits­zeit, wenn sich die­se Möglich­keit er­gibt, berück­sich­ti­gen „soll­ten“. Die­ses Ziel wird nicht be­ein­träch­tigt, wenn die ex­klu­siv für auf­sto­ckungs­wil­li­ge Teil­zeit­kräfte aus­ge­lob­ten Ar­beits­zeit­vo­lu­mi­na nicht dem An­wen­dungs­be­reich des § 9 Tz­B­fG un­ter­fal­len. Die durch § 5 Abs. 3 Buchst. b der Rah­men­ver­ein­ba­rung be­zweck­te Erhöhung der Ar­beits­zeit ist der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dung des Ar­beits­ge­bers be­reits im­ma­nent.

c) Die Be­klag­te war auch nicht nach den Grundsätzen bil­li­gen Er­mes­sens ver­pflich­tet, die Kläge­rin un­ter al­len Be­wer­bern aus­zuwählen, um mit ihr die be­gehr­te Ar­beits­zeit­erhöhung zu ver­ein­ba­ren.

aa) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin war die Be­klag­te bei der Aus­wahl, mit wel­cher Teil­zeit­kraft ei­ne Ar­beits­zeit­erhöhung ver­ein­bart wird, we­der an be­stimm­te Eig­nungs­vor­aus­set­zun­gen noch an die Grundsätze bil­li­gen Er­mes­sens ge­bun­den. So­weit - wie hier - kein neu­er Ar­beits­platz ein­ge­rich­tet bzw. kein frei­er Ar­beits­platz be­setzt wird und da­mit der An­wen­dungs­be­reich des § 9 Tz­B­fG nicht eröff­net ist, ist der Ar­beit­ge­ber in der Aus­wahl frei, wel­chen Teil­zeit­beschäftig­ten er ei­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit an­bie­tet (vgl. BAG 13. Fe­bru­ar 2007 - 9 AZR 575/05 - Rn. 29, BA­GE 121, 199). Das zi­vil­recht­li­che Ver­trags­recht, wo­zu auch das Ar­beits­ver­trags­recht zählt, kennt grundsätz­lich kei­nen Kon­tra­hie­rungs­zwang und da­mit auch kei­nen An­spruch, das sei­tens ei­nes Ver­trags­part­ners un­ter­brei­te­te Ände­rungs­an­ge­bot an­zu­neh­men (BAG 18. Ju­li 2017 - 9 AZR 259/16 - Rn. 15).

bb) Auf ei­ne be­son­de­re Qua­li­fi­ka­ti­on der an der Aus­wahl be­tei­lig­ten Per­so­nen und be­stimm­te Kri­te­ri­en für die Be­ur­tei­lung der in­ter­es­sier­ten Teil­zeit­kräfte (ein­sch­ließlich der Punkt­ver­ga­be) kommt es vor­lie­gend so­mit eben­so we­nig an wie auf die auf die kon­kre­te Durchführung des Aus­wahl­ver­fah­rens durch Vor­spiel, Lehr­pro­be und Gespräch.

 

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d) Ein An­spruch der Kläge­rin auf die Zu­wei­sung des aus­ge­schrie­be­nen St­un­den­de­pu­tats er­gibt sich auch nicht aus Be­stim­mun­gen des LGG NRW. Die in § 7 LGG NRW an­ge­ord­ne­te be­vor­zug­te Berück­sich­ti­gung von Frau­en bei glei­cher Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­cher Leis­tung be­zieht sich auf die Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LGG NRW), die Über­tra­gung höher­wer­ti­ger Tätig­kei­ten (§ 7 Abs. 2 Satz 2 LGG NRW) und Ver­set­zun­gen und Um­set­zun­gen, die mit der Über­tra­gung ei­nes höher­be­wer­te­ten Dienst­pos­tens oder der erst­ma­li­gen Über­tra­gung ei­ner gleich be­wer­te­ten Vor­ge­setz­ten- oder Lei­tungs­funk­ti­on der­sel­ben oder ei­ner an­de­ren Lauf­bahn ver­bun­den sind (§ 7 Abs. 5 LGG NRW), nicht da­ge­gen auf die Erhöhung der Ar­beits­zeit.

e) Ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung der Kläge­rin hätte die Aus­wah­l­ent­schei­dung auch nicht des­halb auf sie ent­fal­len müssen, weil sie als ein­zi­ge Be­wer­be­rin die aus ih­rer Sicht er­for­der­li­che „Be­triebs­zu­gehörig­keit“ auf­weist. Zu­guns­ten der Kläge­rin exis­tiert kein Rechts­satz, dem zu­fol­ge ein dem Be­trieb oder der Dienst­stel­le zu­zu­ord­nen­der Ar­beit­neh­mer bei ei­ner Erhöhung der Ar­beits­zeit ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern des­sel­ben Ar­beit­ge­bers be­vor­zugt zu berück­sich­ti­gen wäre. Nicht ein­mal der An­spruch auf Erhöhung der Ar­beits­zeit nach § 9 Tz­B­fG, des­sen sich die Kläge­rin berühmt, ist be­triebs-, son­dern un­ter­neh­mens­be­zo­gen (so be­reits BAG 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 31, BA­GE 119, 194). Dies folgt aus der Be­stim­mung des § 7 Abs. 2 Tz­B­fG, die den Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, ei­nen Ar­beit­neh­mer, der ihm den Wunsch nach ei­ner Verände­rung von Dau­er und La­ge sei­ner ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ar­beits­zeit an­ge­zeigt hat, über ent­spre­chen­de Ar­beitsplätze zu in­for­mie­ren, die im Be­trieb oder Un­ter­neh­men be­setzt wer­den sol­len. Die­ser In­for­ma­ti­ons­an­spruch dient ua. der Ver­wirk­li­chung der Ansprüche nach § 9 Tz­B­fG. Der ände­rungs­wil­li­ge teil­zeit­beschäftig­te Ar­beit­neh­mer soll durch die In­for­ma­ti­ons­pflicht des Ar­beit­ge­bers nach § 7 Abs. 2 Tz­B­fG die Möglich­keit er­hal­ten, sei­ne Ansprüche nach § 9 Tz­B­fG durch­zu­set­zen (BAG 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 25, BA­GE 122, 235). Auf­grund die­ser in­ne­ren Ver­knüpfung zwi­schen § 7 Abs. 2 und § 9 Tz­B­fG ist aus dem Un­ter­neh­mens­be­zug der In­for­ma­ti­ons­pflicht ab­zu­lei­ten, dass auch die Ansprüche aus § 9 Tz­B­fG un­ter­neh­mens­be­zo­gen aus­ge­stal­tet sind.

 

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II. Der zur Ent­schei­dung an­ste­hen­de Hilfs­an­trag auf Neu­be­schei­dung ist un­be­gründet. Für ei­ne Neu­be­schei­dung ist kein Raum, weil die streit­ge­genständ­li­che Erhöhung der Ar­beits­zeit nicht un­ter den An­wen­dungs­be­reich des Art. 33 Abs. 2 GG fiel und die Be­klag­te frei ent­schei­den durf­te, wel­chen teil­zeit­beschäftig­ten Lehr­kräften sie die St­un­den­de­pu­ta­te über­trug.

C. Die Kläge­rin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die durch ih­re er­folg­lo­se Re­vi­si­on ver­ur­sach­ten Kos­ten zu tra­gen.

Brühler
Krasshöfer
Zim­mer­mann
Star­ke
Gell

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