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ARBEITSRECHT AKTUELL // 19/189

Kla­ge­an­trag bei Än­de­rungs­schutz­kla­gen

Bei recht­zei­ti­ger An­nah­me des Än­de­rungs­an­ge­bots un­ter Vor­be­halt ge­nügt zur Wah­rung der Kla­ge­frist ein nor­ma­ler Kün­di­gungs­schutz­an­trag: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 21.05.2019, 2 AZR 26/19
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14.08.2019. Wer sich als Ar­beit­neh­mer ge­gen ei­ne vom Ar­beit­ge­ber aus­ge­spro­che­ne Kün­di­gung ge­richt­lich zur Wehr set­zen möch­te, muss in­ner­halb von drei Wo­chen nach Er­halt der Kün­di­gung Kla­ge bei Ge­richt ein­rei­chen.

Im Fal­le ei­ner Än­de­rungs­kün­di­gung, die un­ter Vor­be­halt an­ge­nom­men wur­de, ist bin­nen drei Wo­chen ei­ne Än­de­rungs­schutz­kla­ge ein­zu­rei­chen.

In ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) klar­ge­stellt, dass bei recht­zei­ti­ger An­nah­me des Än­de­rungs­an­ge­bots durch den Ar­beit­neh­mer ein „nor­ma­ler“ Kün­di­gungs­schutz­an­trag die Drei­wo­chen­frist wahrt: BAG, Ur­teil vom 21.05.2019,2 AZR 26/19.

Ein­hal­tung der Kla­ge­frist nach Er­halt ei­ner Ände­rungskündi­gung - auch mit fal­schem Kla­ge­an­trag?

In ei­ner Ände­rungskündi­gung sind zwei Erklärun­gen des Ar­beit­ge­bers ent­hal­ten, nämlich ers­tens die (in der Re­gel frist­gemäße) Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, so­wie zwei­tens ein Ver­trags­an­ge­bot, dem zu­fol­ge das Ver­trags­verhält­nis wei­ter fort­ge­setzt wer­den soll, al­ler­dings zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen.

Ist der gekündig­te Ar­beit­neh­mer länger als ein hal­bes Jahr in dem Be­trieb des Ar­beit­ge­bers beschäftigt und sind dort mehr als zehn Ar­beit­neh­mer tätig, kann sich der Ar­beit­neh­mer auf das Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) be­ru­fen und hat da­her ins­ge­samt vier ver­schie­de­ne Möglich­kei­ten, sich im Fal­le ei­ner Ände­rungskündi­gung zu ver­hal­ten:

Er kann die Kündi­gung hin­neh­men (d.h. gar nicht re­agie­ren), oder Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein­rei­chen (un­ter Ab­leh­nung des Ände­rungs­an­ge­bots), oder das Ände­rungs­an­ge­bot oh­ne Wenn und Aber an­neh­men, oder schließlich das An­ge­bot zwar an­neh­men, al­ler­dings un­ter dem Vor­be­halt des § 2 KSchG. Die­se Vor­schrift lau­tet:

„Kündigt der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis und bie­tet er dem Ar­beit­neh­mer im Zu­sam­men­hang mit der Kündi­gung die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu geänder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen an, so kann der Ar­beit­neh­mer die­ses An­ge­bot un­ter dem Vor­be­halt an­neh­men, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt ist (§ 1 Abs.2 Satz 1 bis 3, Abs.3 Satz 1 und 2). Die­sen Vor­be­halt muss der Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber in­ner­halb der Kündi­gungs­frist, spätes­tens je­doch in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung erklären.“

Hat man ei­nen Vor­be­halt gemäß die­ser Re­ge­lung ein­mal erklärt, soll­te man auch kon­se­quen­ter­wei­se Ände­rungs­schutz­kla­ge er­he­ben, d.h. die so­zia­le Recht­fer­ti­gung der Ände­rungskündi­gung ge­richt­lich über­prüfen las­sen, denn an­dern­falls hätte man sich den Vor­be­halt spa­ren können. Für die Er­he­bung ei­ner Ände­rungs­schutz­kla­ge gilt die­sel­be dreiwöchi­ge Kla­ge­frist wie für ei­ne nor­ma­le Kündi­gungs­schutz­kla­ge (§ 4 Satz 1 und 2, § 7 KSchG).

Ein Kündi­gungs­schutz­an­trag gemäß § 4 Satz 1 KSchG soll­te fol­gen­der­maßen lau­ten:

„Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis des Klägers/der Kläge­rin durch die Kündi­gung des/der Be­klag­ten vom XX.XX.20XX nicht auf­gelöst ist.“

Dem­ge­genüber soll­te ein Ände­rungs­schutz­an­trag gemäß § 4 Satz 2 KSchG fol­gen­der­maßen lau­ten:

„Es wird fest­ge­stellt, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen des Klägers/der Kläge­rin gemäß der Ände­rungskündi­gung des/der Be­klag­ten vom XX.XX.20XX so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt oder aus an­de­ren Gründen rechts­un­wirk­sam ist.“

Frag­lich ist, wel­che Fol­gen es hat, wenn der gekündig­te Ar­beit­neh­mer zwar recht­zei­tig das Ände­rungs­an­ge­bot un­ter Vor­be­halt an­nimmt (= in­ner­halb von drei Wo­chen, § 2 Satz 2 KSchG), und wenn er auch in­ner­halb der dreiwöchi­gen Kla­ge­frist (§ 4 Satz 1 KSchG) ge­gen die Kündi­gung klagt, d.h. ei­ne Kla­ge­schrift bei Ge­richt ein­reicht, wenn al­ler­dings die­se Kla­ge­schrift zunächst ei­nen „nor­ma­len“ Kündi­gungs­schutz­an­trag enthält, den der Ar­beit­neh­mer es später im Ver­lauf des Ver­fah­rens kor­ri­giert.

Mögli­cher­wei­se ist in ei­nem sol­chen Fall die dreiwöchi­ge Kla­ge­frist für die Ein­rei­chung ei­ner Ände­rungs­schutz­kla­ge ver­stri­chen, denn der Ar­beit­neh­mer hat ja ei­ne nor­ma­le Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein­ge­reicht.

Im Streit: Au­to­ma­ten­tech­ni­ker ei­ner Spiel­hal­le soll künf­tig als Ser­vice­mit­ar­bei­ter ar­bei­ten

Im Streit­fall hat­te der Be­trei­ber ei­ner Spiel­hal­le, in der mehr als zehn Ar­beit­neh­mer tätig wa­ren, ei­nen langjährig beschäftig­ten Au­to­ma­ten­tech­ni­ker frist­gemäß gekündigt und ihm an­ge­bo­ten, ihn nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist als „Ser­vice­mit­ar­bei­ter“ für ei­ne deut­lich ge­rin­ge­re Be­zah­lung zu beschäfti­gen.

Die mit der neu­en Tätig­keit ver­bun­de­nen Ar­beits­auf­ga­ben wa­ren im Kündi­gungs­schrei­ben nicht näher be­schrie­ben, was im Streit­fall zu ei­ner Un­klar­heit des Ände­rungs­an­ge­bo­tes führ­te, denn im Be­trieb des Ar­beit­ge­bers wur­den zwei ver­schie­de­ne Ar­ten von Ser­vice­mit­ar­bei­tern ein­ge­setzt: Zum ei­nen die nor­ma­len Ser­vice­mit­ar­bei­ter und zum an­de­ren sol­che, die als sog. Tech­nik­be­auf­trag­te höher­wer­ti­ge­re Tätig­kei­ten ver­rich­te­ten.

Der Kläger erklärte frist­ge­recht die An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots un­ter dem Vor­be­halt des § 2 KSchG, und er reich­te auch in­ner­halb von drei Wo­chen nach Zu­gang der Kündi­gung beim Ar­beits­ge­richt ei­ne "nor­ma­le" Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein. Der Kla­ge fügte er kei­ne An­la­gen bei und erwähn­te auch nicht, dass die Kündi­gung ei­ne Ände­rungskündi­gung war. Später stell­te er dann den Kündi­gungs­schutz­an­trag (noch in der ers­ten In­stanz) auf ei­nen Ände­rungs­schutz­an­trag um.

Das Ar­beits­ge­richt Duis­burg (Ur­teil vom 17.04.2018, 2 Ca 43/18) und das für die Be­ru­fung zuständi­ge Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf (Ur­teil vom 28.11.2018, 12 Sa 402/18) hiel­ten die Aus­wechs­lung des Kla­ge­an­trags für zulässig und ga­ben dem Ände­rungs­schutz­an­trag statt.

BAG: Bei recht­zei­ti­ger An­nah­me des Ände­rungs­an­ge­bots un­ter Vor­be­halt genügt zur Wah­rung der Kla­ge­frist ein nor­ma­ler Kündi­gungs­schutz­an­trag

Auch in Er­furt hat­te der Ar­beit­ge­ber kei­nen Er­folg. Zur Be­gründung heißt es in dem BAG-Ur­teil:

Aus § 4 Satz 2 KSchG in Verb. mit § 7 KSchG könn­te zwar der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass nur ein for­mal rich­ti­ger Ände­rungs­schutz­an­trag ver­hin­dert, dass die Ände­rungskündi­gung gemäß § 7 KSchG als wirk­sam an­zu­se­hen ist. Ge­gen ei­ne sol­che Aus­le­gung spre­chen aber Sinn und Zweck der Be­gren­zung der Kla­ge­frist auf drei Wo­chen.

Denn die kur­ze Frist dient dem In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, der rasch Si­cher­heit darüber ha­ben soll, ob der Ar­beit­neh­mer die Kündi­gung gel­ten las­sen möch­te oder nicht. Die In­for­ma­ti­on, dass der Ar­beit­neh­mer die Kündi­gung nicht ak­zep­tiert, erhält der Ar­beit­ge­ber aber auch durch ei­ne zunächst un­rich­ti­ge Fas­sung des Kla­ge­an­trags, so das BAG. Der Ar­beit­ge­ber erfährt nämlich auch bei ei­nem un­rich­ti­gen Kla­ge­an­trag,

„dass der Ar­beit­neh­mer die (Ände­rungs-)Kündi­gung nicht ge­gen sich gel­ten las­sen will. Der Ar­beit­neh­mer er­strebt stets den un­veränder­ten Fort­be­stand sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses (…). Dass es sich bei der kon­kret an­ge­grif­fe­nen Kündi­gung um ei­ne Ände­rungskündi­gung han­delt, weiß der Ar­beit­ge­ber, weil er sie selbst erklärt hat.“ (Ur­teil, Rn.23)

Im Übri­gen stützt das BAG sei­ne An­sicht aus­drück­lich nicht auf ei­ne sinn­gemäße An­wen­dung von § 6 KSchG, wo­nach Un­wirk­sam­keits­gründe ge­gen ei­ne Kündi­gung noch bis zum Ab­schluss des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens gel­tend ge­macht wer­den können. Da hier § 6 KSchG nicht gilt, ist ei­ne An­tragsände­rung auch noch in der Be­ru­fungs­in­stanz zulässig (Ur­teil, Rn.25).

Die Ände­rungs­schutz­kla­ge hat­te hier im Streit­fall auch in der Sa­che Er­folg, was dar­an lag, dass das Ände­rungs­an­ge­bot zu un­be­stimmt war. Denn der Kläger konn­te aus dem Kündi­gungs­schrei­ben bzw. dem dar­in ent­hal­te­nen Ände­rungs­an­ge­bot nicht ent­neh­men, wel­che „Ser­vice“-Tätig­kei­ten er künf­tig ver­rich­ten soll­te. Ist das Ände­rungs­an­ge­bot aber zu un­ge­nau, hat ei­ne Ände­rungs­schutz­kla­ge Er­folg, wie das BAG be­reits vor ei­ni­gen Jah­ren ent­schie­den hat (BAG, Ur­teil vom 26.01.2017, 2 AZR 68/16; wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 17/127 Ände­rungskündi­gung zur Fest­le­gung neu­er Ar­beits­auf­ga­ben).

Fa­zit: Kündi­gungs­schutz- und Ände­rungs­schutz­ver­fah­ren sind kläger­freund­lich aus­ge­stal­tet. Ar­beits­ge­rich­te sind sel­ten be­reit, Ar­beit­neh­mer auf­grund un­ge­schickt for­mu­lier­ter Anträge „ins Fris­ten­mes­ser lau­fen“ zu las­sen.

Trotz­dem soll­te man bei Kündi­gungs­schutz- und Ände­rungs­schutz­kla­gen dar­auf ach­ten, von vorn­her­ein die rich­ti­gen Anträge an­zukündi­gen, und man soll­te als Vor­sichts­maßre­gel im­mer die re­le­van­ten Schriftstücke (ins­be­son­de­re Kündi­gungs­schrei­ben) der Kla­ge beifügen. Denn wenn sich aus Ver­se­hen im Kla­ge­an­trag ei­ne Un­rich­tig­keit ein­ge­schli­chen hat, kann das Ge­richt den An­trag be­rich­ti­gend im Sin­ne des Klägers aus­le­gen, vor­aus­ge­setzt, das Kündi­gungs­schrei­ben liegt der Kla­ge­schrift in Ko­pie bei.

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Letzte Überarbeitung: 28. September 2021

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