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Übertragung von Führungsaufgaben in Matrixorganisationen
![Betriebsratssitzung, Versammlung, Konferenz, Meeting](/servlet/de.blueorange.xred.util.GetFile/Betriebsratssitzung_Versammlung_218x218.jpg?db=hensche&tbl=int_xredimage&key=id&keyval=122273&imgcol=xred_file)
14.07.2020. Möchte ein Arbeitgeber in einem Betrieb mit über 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern einen Arbeitnehmer einstellen, braucht er gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Zustimmung des Betriebsrates.
Aber was ist erforderlich, wenn eine Führungskraft Weisungsrechte für Mitarbeiter zweier verschiedener Betriebs erhalten soll? Müssen dann die Betriebsräte beider Betriebe informiert werden und zustimmen?
Ja, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Grundsatzentscheidung: BAG, Beschluss vom 22.10.2019, 1 ABR 13/18.
- Eine Einstellung, zwei Zustimmungsverfahren?
- Der Streitfall: Führungskraft mit Arbeitsort in Münster leitet auch zwei Arbeitnehmer eines Betriebs in Hannover an
- BAG: Bei der Einstellung einer Führungskraft mit Weisungsbefugnissen in zwei Betrieben müsse beide Betriebsräte zustimmen
Eine Einstellung, zwei Zustimmungsverfahren? ![](/images/gotop/gotop0.gif)
Im Sommer 2019 hatte das BAG entschieden, dass eine Einstellung gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG auch vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer, der regelmäßig in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens arbeitet und dort auch seinen Dienstsitz hat, zum Vorgesetzten von Arbeitnehmern eines anderen Betriebs bestellt wird.
Durch die Übertragung der Vorgesetztenstellung wird ein solcher Arbeitnehmer in dem Betrieb eingestellt, in dem er, gleichsam „aus der Ferne“, Führungsaufgaben gegenüber den ihm unterstellten Mitarbeitern wahrnimmt (BAG, Beschluss vom 12.06.2019, 1 ABR 5/18, s. dazu Arbeitsrecht aktuell: 20/050 Ernennung zum Vorgesetzten als Einstellung).
Aus dieser Entscheidung folgt, dass eine Einstellung im Sinne von § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG gleichzeitig in mehreren Betrieben desselben Unternehmens möglich sein kann (BAG, Beschluss vom 12.06.2019, 1 ABR 5/18, Rn.24). Diese Konsequenz hat das BAG jetzt in einer weiteren Entscheidung ausdrücklich klargestellt (Beschluss vom 22.10.2019, 1 ABR 13/18).
Der Streitfall: Führungskraft mit Arbeitsort in Münster leitet auch zwei Arbeitnehmer eines Betriebs in Hannover an ![](/images/gotop/gotop7.gif)
Ein Großunternehmen mit Betrieben in Frankfurt, Münster und Hannover stellte Herrn D. als Bereichsleiter mit Dienstsitz in Münster ein. Ihm wurde Personalverantwortung für Arbeitnehmer in Münster übertragen und außerdem für zwei Arbeitnehmer in Hannover. Die beiden dort tätigen Mitarbeitern leiten wiederum jeweils zehn bis 20 Arbeitnehmer an.
Je nach Arbeitsanfall arbeitet Herr D. tageweise in Münster oder in Hannover, hat aber nur in Münster ein eigenes Büro. Daher beteiligte das Unternehmen zwar den Betriebsrat des Betriebs in Münster, nicht aber den Betriebsrat in Hannover. Der beantragte daraufhin vor dem Arbeitsgericht Hannover, den Arbeitgeber zu verpflichten, die Einstellung von Herrn D. in Hannover aufzuheben (§ 101 Satz 1 BetrVG).
Damit hatte der Hannoveraner Betriebsrat weder vor dem Arbeitsgericht (Beschluss vom 07.09.2017, 4 BV 6/17) noch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen Erfolg (Beschluss vom 13.02.2018, 11 TaBV 91/17).
BAG: Bei der Einstellung einer Führungskraft mit Weisungsbefugnissen in zwei Betrieben müsse beide Betriebsräte zustimmen ![](/images/gotop/gotop9.gif)
Das BAG entschied pro Betriebsrat.
Denn Herr D. war wegen seiner Weisungsbefugnisse in die Arbeitsprozesse in Hannover eingebunden, d.h. in den dortigen Betrieb „eingegliedert“, so die Erfurter Richter. Dass Herr D. in Hannover kein Büro hatte, dort nur hin und wieder anwesend war und in Hannover seinerseits keinen Vorgesetzten hatte, schließt eine Eingliederung in diesen Betrieb nicht aus. Auch die arbeitsvertragliche Anbindung an Münster (Dienstsitz samt Büro) ändern daran nichts.
Daher wurde Herr D. in zwei Betriebe eingegliedert, nämlich in Münster und in Hannover (Beschluss, Rn.22). Folglich waren beide Betriebsräte gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG zu beteiligen, d.h. der Arbeitgeber brauchte die Zustimmung beider Betriebsräte. Dagegen war der (hier gebildete) Gesamtbetriebsrat nicht zuständig (BAG, Beschluss, Rn.11).
Fazit: Erteilen Unternehmen betriebsübergreifend Weisungsrechten an eine Führungskraft, müssen die Betriebsräte sämtlicher Betriebe gemäß § 99 Abs.1 Satz 1 BetrVG beteiligt werden, in denen Arbeitnehmer tätig sind, denen gegenüber die Führungskraft weisungsberechtigt ist.
Das sind bei einer sog. Matrixstruktur eines Unternehmens alle Betriebe, für die die Führungskraft in einem betriebsübergreifenden Unternehmensbereich zuständig ist.
Dagegen spielt es keine Rolle, an welchen Betrieb oder an Kostenstelle die Führungskraft arbeitsvertraglich „angebunden“ ist, von wo aus sie ihrerseits Weisungen erhält und an welchem Ort bzw. in welchem Betrieb sie ständig oder überwiegend persönlich anwesend ist.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.10.2019, 1 ABR 13/18
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12.06.2019, 1 ABR 5/18
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Leitender Angestellter
- Handbuch Arbeitsrecht: Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021
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