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ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/050

Er­nen­nung zum Vor­ge­setz­ten als Ein­stel­lung

Sol­len Füh­rungs­kräf­te Ar­beit­neh­mer ei­nes an­de­ren Be­triebs an­lei­ten, muss der dor­ti­ge Be­triebs­rat ge­mäß § 99 Be­trVG zu­stim­men: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 12.06.2019, 1 ABR 5/18
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04.04.2020. In Un­ter­neh­men mit über 20 Ar­beit­neh­mern muss der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat über je­de Ein­stel­lung vor­ab in­for­mie­ren und sei­ne Zu­stim­mung ein­ho­len, § 99 Abs.1 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG).

Im Ge­setz nicht ein­deu­tig ge­re­gelt ist die Fra­ge, ob ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ein­stel­lung auch dann vor­liegt, wenn ei­ner Füh­rungs­kraft Lei­tungs­auf­ga­ben über­tra­gen wer­den, die sie nur per E-Mail und Te­le­fon wahr­nimmt, d.h. oh­ne die un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter per­sön­lich zu se­hen. Wird ein sol­cher "di­gi­ta­ler Vor­ge­setz­ter" in dem Be­trieb "ein­ge­stellt", de­ren Ar­beit­neh­mer er an­lei­tet, auch wenn sein ei­ge­ner Dienst­sitz an ei­nem an­de­ren Ort ist?

Ja, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner Grund­satz­ent­schei­dung vom Som­mer letz­ten Jah­res (BAG, Be­schluss vom 12.06.2019, 1 ABR 5/18).

In dem Fall des BAG hat­te ein Un­ter­neh­men ei­ne Füh­rungs­kraft, die in der Un­ter­neh­mens­zen­tra­le in Düs­sel­dorf ar­bei­te­te, zum Vor­ge­setz­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers ge­macht, der sei­ner­seits ein Team von et­wa 35 Mit­ar­bei­tern lei­te­te, al­ler­dings in ei­nem an­de­ren Be­trieb, d.h. au­ßer­halb der Düs­sel­dor­fer Zen­tra­le. Der Be­triebs­rat des Be­triebs, des­sen Ar­beit­neh­mer von der Zen­tra­le aus an­ge­lei­tet wer­den soll­ten, ver­wei­ger­te die Zu­stim­mung, u.a. un­ter Be­ru­fung auf ei­ne Ge­samt­be­triebs­ver­ein­ba­rung (GBV). Da­her klag­te das Un­ter­neh­men auf Zu­stim­mungs­er­set­zung (§ 99 Abs.4 Be­trVG).

Das BAG stell­te klar, dass die Maß­nah­me ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ein­stel­lung war. Trotz­dem hat­te der Be­triebs­rat schluss­end­lich doch kei­nen Er­folg, d.h. das BAG er­setz­te sei­ne Zu­stim­mung, da es die GBV an­ders als der Be­triebs­rat in­ter­pre­tier­te. Der Leit­satz der BAG-Ent­schei­dung lau­tet:

„Ei­ne Ein­stel­lung iSv. § 99 Abs.1 Satz 1 Be­trVG liegt auch vor, wenn ein Ar­beit­neh­mer, der sei­nen Dienst­sitz in ei­nem be­stimm­ten Be­trieb des Un­ter­neh­mens hat und dort re­gel­mä­ßig tä­tig ist, zum Vor­ge­setz­ten von un­ter­neh­mens­an­ge­hö­ri­gen Ar­beit­neh­mern ei­nes an­de­ren Be­triebs be­stellt und durch die Wahr­neh­mung die­ser Füh­rungs­auf­ga­ben (auch) der ar­beits­tech­ni­sche Zweck die­ses an­de­ren Be­triebs ver­wirk­licht wird.“

Fa­zit: Wird ein be­triebs­ex­ter­ner Mit­ar­bei­ter zum Vor­ge­setz­ten von be­triebs­an­ge­hö­ri­gen Ar­beit­neh­mern, liegt in der Re­gel ei­ne Ein­stel­lung im Sin­ne von § 99 Abs.1 Satz 1 Be­trVG vor. Denn laut BAG wird der neue Vor­ge­setz­te in den Be­trieb ein­ge­glie­dert, des­sen Mit­ar­bei­ter er an­lei­ten soll.

Al­ler­dings wird da­durch kein frei­er Ar­beits­platz be­setzt, so­lan­ge der Vor­ge­setz­te sei­nen bis­he­ri­gen Ar­beits­platz bzw. Dienst­sitz in ei­nem an­de­ren Be­trieb be­hält. Der Be­triebs­rat hat da­her in der Re­gel kein Recht zur Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung ge­mäß § 99 Abs.2 Nr.5 Be­trVG in Verb. mit § 93 Be­trVG. Er kann da­her ei­nen Wi­der­spruch im Re­gel­fall nicht da­mit be­grün­den, dass ei­ne an­geb­lich ge­mäß § 93 Be­trVG er­for­der­li­che Aus­schrei­bung ei­nes frei­en Ar­beits­plat­zes im Be­trieb un­ter­blie­ben ist.

Sei­ne neue Li­nie hat das BAG mitt­ler­wei­le in ei­ner wei­te­ren Ent­schei­dung be­kräf­tigt (BAG, Be­schluss vom 22.10.2019, 1 ABR 13/18). Da­bei hat es klar­ge­stellt, dass die Über­tra­gung von Wei­sungs­be­fug­nis­sen ge­gen­über Ar­beit­neh­mern in zwei ver­schie­de­nen Be­trie­ben da­zu führt, dass die Be­triebs­rä­te bei­der Be­trie­be ge­mäß § 99 Be­trVG zu­stim­men müs­sen, denn die Füh­rungs­kraft wird dann zu­gleich in zwei Be­trie­ben ein­ge­stellt.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

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