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ArbG Mag­de­burg, Ur­teil vom 25.01.2012, 3 Ca 1917/11

   
Schlagworte: Schlechtleistung, Kündigung: Verhaltensbedingt
   
Gericht: Arbeitsgericht Magdeburg
Aktenzeichen: 3 Ca 1917/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.01.2012
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ak­ten­zei­chen:

3 Ca 1917/11

Verkündet am:

25.01.2012


 

AR­BEITS­GERICHT MAG­DE­BURG

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

- Kläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

ge­gen

- Be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter: 

 

hat die 3. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 25. Ja­nu­ar 2012 durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den und die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 17.06.2011 nicht auf­gelöst wur­de.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu den im Ar­beits­ver­trag vom 09.07.2010 ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen als Mit­ar­bei­ter für Be­ton- und Fas­sa­den­sa­nie­rung bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag un­ter Zif­fer 1) wei­ter zu beschäfti­gen.

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3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

4. Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird auf 6.878,00 € fest­ge­setzt.

 

Tat­be­stand.

Die Par­tei­en strei­ten sich über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung. Der Kläger be­gehrt zu­dem sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung.

Der 1963 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 12.07.2010 auf Grund­la­ge ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges vom 09.07.2010 (Bl. 5 - 7 d.A.) an 40 St­un­den in der Wo­che als Mit­ar­bei­ter Be­ton- und Fas­sa­den­sa­nie­rung tätig und er­ziel­te da­bei durch­schnitt­lich 1.719,50 € brut­to im Mo­nat. Die Be­klag­te, wel­che oh­ne Aus­zu­bil­den­de mehr als 10 Ar­beit­neh­mer voll­zei­tig beschäftigt, be­fasst sich über­wie­gend mit der An­brin­gung von Wärme­ver­bund­sys­te­men, im ge­rin­ge­ren Um­fang auch mit Be­ton- und Brücken­sa­nie­rung, Brücken­ab­dich­tung, Fas­sa­den­sa­nie­rung, sta­ti­scher Verstärkung und Bau­werks­ab­dich­tung. Sie setzt hier­zu ins­ge­samt 4 Ko­lon­nen mit 2 - 3, bei Wärme­ver­bund­ar­bei­ten mit bis zu 6, Mit­ar­bei­tern ein. Ko-lon­nenführer sind die Mit­ar­bei­ter L., G., J. und R.. Die übri­ge per­so­nel­le Zu­sam­men­set­zung der Ko­lon­nen un­ter­liegt ei­nem häufi­gen Wech­sel. Die Ko­lon­nen L. und G. sind aus-schließlich im Be­reich der Wärme­ver­bund­sys­te­me tätig, die an­de­ren bei­den Ko­lon­nen auch in den übri­gen o.g. Be­rei­chen. Der Ein­satz des Klägers er­folg­te in der Ver­gan­gen­heit im Be­reich Wärme­ver­bund­sys­te­me so­wie zeit­wei­se im Be­reich der Bal­kon­sa­nie­rung. Er war schon in al­len Ko­lon­nen tätig, vor al­lem in der Ko­lon­ne L., am sel­tens­ten in der Ko­lon-ne G.

Die Be­klag­te stört sich an den häufi­gen krank­heits­be­ding­ten Aus­fall­zei­ten so­wie an dem Ar­beits­tem­po und der Ar­beits­qua­lität des Klägers. Darüber hin­aus liegt der Kläger -aus, wie er sel­ber sagt, persönli­chen Gründen- mit dem Ko­lon­nenführer L. im Streit.

Mit Schrei­ben vom 17.06.2011 (Bl.9 d.A.), dem Kläger noch am glei­chen Tag zu­ge­gan­gen, kündig­te die Be­klag­ten die­sem zum 01.07.2011. Sie be­gründe­te die­se hier­in im We­sent­li­chen da­mit, dass sich die an­de­ren Mit­ar­bei­ter auf­grund des ge­rin­gen Ar­beits­tem­pos

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und der ge­rin­gen Ar­beits­leis­tung des Klägers wei­gern würden, wei­ter­hin mit die­sem zu­sam­men­zu­ar­bei­ten und ei­ni­ge, ins­be­son­de­re die Ko­lon­nenführer L. und G., erklärt hätten, nicht mehr ar­bei­ten zu wol­len, wenn der Kläger wei­ter­hin beschäftigt würde.

Mit am 01.07.2011 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­ner und am 08.07.2011 der Be­klag­ten zu­ge­stell­ter Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die­se Kündi­gung.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te ha­be ins­be­son­de­re we­der die not­wen­di­gen Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung, noch für ei­ne Druckkündi­gung aus­rei­chend vor­ge­tra­gen, ge­schwei­ge denn un­ter Be­weis ge­stellt. Die Ar­beits­leis­tung des Klägers sei nicht näher spe­zi­fi­ziert und nicht zu ei­ner sol­chen mitt­le­rer Art und Güte ins Verhält­nis ge­setzt wor­den. Dass sich mehr Mit­ar­bei­ter, als le­dig­lich der Ko­lon­nenführer L., über ihn be­klagt hätten, be­strei­te er. Ei­ne ernst­haf­te Ge­fahr der Ar­beits­ver­wei­ge­rung oder Kündi­gung sei­tens an­de­rer Mit­ar­bei­ter ha­be nie be­stan­den bzw. wäre oh­ne Wei­te­res mit für den Kläger mil­de­ren Mit­teln ab­wend­bar ge­we­sen. So­gar die Be­klag­te sel­ber ha­be ein-geräumt, dass je­den­falls noch in der Ko­lon­ne R. ein Ein­satz möglich wäre.

Der Kläger be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 17.06.2011 nicht auf­gelöst wor­den ist,

2. den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, dem Kläger für den Fall des Ob­sie­gens mit dem Fest­stel­lungs­an­trag zu Zif­fer 1) zu den im Ar­beits­ver­trag vom 09.07.2010 ge­re­gel­ten Ar­beits­be­din­gun­gen als Mit­ar­bei­ter für Be­ton- und Fas­sa­den­sa­nie­rung bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klagt be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

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Die Be­klag­te trägt vor, dass vie­le ih­rer Mit­ar­bei­ter, ins­be­son­de­re die drin­gend von ihr benötig­ten, da die tra­gen­den Leis­tun­gen er­brin­gen­den, Ko­lon­nenführer, sich wei­gern würden, wei­ter­hin mit dem Kläger zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Einsätze in den Ko­lon­nen L., G. und R. sei­en be­reits ge­schei­tert. Ständig sei­en Fehl­leis­tun­gen des Klägers aus­zu­glei­chen, könn­ten Ziel­stel­lun­gen nicht er­reicht wer­den, würden die Leis­tun­gen der an­de­ren in Mit­lei­den­schaft ge­zo­gen, wer­de das Be­triebs­kli­ma gestört. Ei­ne Zu­sam­men­set­zung der Ko­lon­nen oh­ne Mit­ar­bei­ter, wel­che schon ne­ga­ti­ve Er­fah­run­gen mit dem Kläger ge­macht hätten, sei na­he­zu unmöglich. L. und G. hätten ge­droht, ih­re Ar­beits­leis­tung so lan­ge zurück­zu­hal­ten, wie der Kläger wei­ter­hin beschäftigt wäre. R. sei al­len­falls noch un­ter Druck be­reit, den Kläger in sei­ner Ko­lon­ne zu dul­den. Ein Ein­satz des Klägers außer­halb des Be­rei­ches Wärme­ver­bund­sys­te­me käme auf­grund des­sen ge­rin­ger Fer­tig­kei­ten oh­ne­hin nicht in Be­tracht. Ver­su­che, den Kläger zu ei­ner Ver­hal­tensände­rung zu be­we­gen oder die Mit­ar­bei­ter um­zu­stim­men, sei­en ge­schei­tert. So­weit der Kläger in sei­nem letz­ten Schrift­satz un­ter neu­em Tat­sa­chen­vor­trag ver­sucht ha­be, wei­ter­hin be­ste­hen­de Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten auf­zu­zei­gen, be­geh­re sie Schrift­satz­nach­lass, um dem ent­ge­gen­tre­ten zu können.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf die Ter­mins­pro­to­kol­le und die zur Ak­te ge­reich­ten Schriftsätze nebst An­la­gen ver­wie­sen.

 

Ent­schei­dungs­gründe.

Die Kla­ge ist zulässig und be­gründet.

Schrift­satz­nach­lass war dem Be­klag­ten man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der Ausführun­gen des Klägers zu ver­blei­ben­den Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten nicht zu gewähren.

I.

Die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 17.06.2011 hat das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht rechts­wirk­sam be­en­det. Der Be­klag­ten ist es nicht ge­lun­gen -wie es für die

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Wirk­sam­keit der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung er­for­der­lich ge­we­sen wäre- de­ren so­zia­le Recht­fer­ti­gung i.S.v. § 1 KSchG aus­rei­chend dar­zu­le­gen.

1) Die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 17.06.2011 gilt nicht be­reits man­gels recht­zei­ti­ger Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge nach Maßga­be von §§ 4, 7 KSchG als rechts­wirk­sam.

Der Kläger hat die Kündi­gung recht­zei­tig bin­nen drei Wo­chen ge­richt­lich an­ge­grif­fen (§ 4 KSchG). Frist­be­ginn war der Zu­gang der Kündi­gung am 17.06.2011, die Frist en­det dem­ent­spre­chend nicht vor Ab­lauf des 08.07.2011. Die Kla­ge­schrift ist noch vor dem 08.07.2011 im Ge­richt ein­ge­gan­gen (01.07.2011) und wur­de der Be­klag­ten ge­nau am 08.07.2011 und da­mit in­ner­halb die­ser Frist auch noch zu­ge­stellt. Es be­durft da­her nicht ein­mal ei­nes Rück­griffs auf § 167 ZPO.

2) Ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung des Klägers ist nur un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 1 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt und da­mit rechts­wirk­sam.

Denn der Kläger war zum Zu­gangs­zeit­punkt der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung un­strei­tig seit mehr als sechs Mo­na­ten un­un­ter­bro­chen im Be­trieb der Be­klag­ten tätig. Die An­zahl der von die­ser beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter über­schrei­tet zu­dem un­strei­tig den Schwel­len­wert nach § 23 KSchG.

3) Die Vor­aus­set­zun­gen nach § 1 KSchG lie­gen hier nicht vor.

a) So­weit der Be­klag­te die Kündi­gung auf Pflicht­ver­let­zun­gen sei­tens des Klägers zurückführt, gilt fol­gen­des.

Ei­ne Kündi­gung ist aus Gründen im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers gemäß § 1 Abs. 2 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ver­trags­pflich­ten er­heb­lich ver­letzt hat, das Ar­beits­verhält­nis da­durch auch künf­tig kon­kret be­ein­träch­tigt wird, ei­ne zu­mut­ba­re Möglich­keit ei­ner an­de­ren, ei­ne wei­te­re Störung zu­verlässig aus­sch­ließen­den Beschäfti­gung nicht be­steht und die Lösung des Ar­beits­verhält­nis­ses in Abwägung der

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In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le bil­li­gens­wert und an­ge­mes­sen er­scheint (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 293/09 zi­tiert über Ju­ris; 10.09.2009 - 2 AZR 257/08 AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 60; 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 14, AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 57). Der Ar­beit­neh­mer muss da­zu kei­ne Haupt­pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­letzt ha­ben. Auch die er­heb­li­che Ver­let­zung ei­ner ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht kann ei­ne Kündi­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen so­zi­al recht­fer­ti­gen (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 293/09; 10.09.2009 - 2 AZR 257/08 aaO; 02.03.2006 - 2 AZR 53/05 AP BGB § 626 Krank­heit Nr. 14).

Feh­ler­haf­te Ar­beit, wie­der­hol­te Leis­tungsmängel sind erst dann, wenn die Feh­ler­quo­te über das auch von an­de­ren Ar­beit­neh­mern zu er­war­ten­de hin­aus­geht, der Feh­ler auf be­son­de­re Pflicht­ver­ges­sen­heit zurück­zuführen ist oder des­sen Fol­gen be­son­ders nach­hal­tig sind -nach vor­he­ri­ger Ab­mah­nung- an sich ge­eig­net, ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung und nur im Aus­nah­me­fall ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen (vgl. BAG 11.12.2003 - 2 AZR 667/02, NZA 2004, 784; Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt Kündi­gungs­recht 3.Aufl. (APS) § 1 KSchG Rdn.278-281 und § 626 BGB Rdn.258; Ha­ko-Fie­big § 1 KSchG Rdn.383-385). Ein Ar­beit­neh­mer schul­det nicht un­be­dingt schnellstmögli­che und feh­ler-freie Ar­beit, auch nicht ob­jek­tiv durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen. Er muss viel­mehr ei­ne, bei an­ge­mes­se­ner An­span­nung sei­ner in­di­vi­du­el­len Kräfte und Fähig­kei­ten, nor­ma­le Ar­beits­leis­tung von mitt­le­rer Art und Güte er­brin­gen. Bleibt sei­ne Leis­tung bezüglich Qua­lität und/oder Qua­lität we­sent­lich hin­ter dem Durch­schnitt zurück, so hat sich der Ar­beit­neh­mer zu ent­las­ten (vgl. BAG 17.01.2008 - 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693). Um im Ein­zel­fall die von je­dem, auch dem sorgfältigs­ten Ar­beit­neh­mer von Zeit zu Zeit zu er­war­ten­de Feh­ler von ei­ner kündi­gungs­re­le­van­ten Ar­beits­wei­se ab­gren­zen zu können, ist es in der Re­gel er­for­der­lich, den her­an­ge­zo­ge­nen Ver­gleichs­maßstab, die be­son­de­ren Fol­gen oder die be­son­de­re Pflicht­ver­ges­sen­heit sub­stan­ti­iert vor­zu­tra­gen, da­mit das Ge­richt in die La­ge ver­setzt wird, selbständig fest­stel­len zu können, dass die Er­heb­lich­keits­schwel­le über­schrit­ten ist und ei­ne nicht mehr zu to­le­rie­ren­de Feh­ler­quel­le vor­liegt. Die le­dig­lich all­ge­mei­ne Be­schrei­bung feh­ler­haf­ter Ar­beits­leis­tun­gen genügt die­sen An­for­de­run­gen re­gelmäßig nicht (APS-Dörner a.a.O. Rdn. 281).

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Der Ar­beit­ge­ber hat al­le tatsächli­chen Vor­aus­set­zun­gen, für das Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des (BAG 06.08.1987 - 2 AZR 226/87, EzA § 626 BGB n.F. Nr.109; Rei­ne­cke NZA 1989, 584ff;) und ge­ge­be­nen­falls für den Aus­spruch wirk­sa­mer vor­he­ri­ger Ab­mah­nun­gen dar­zu­le­gen und im Be­strei­tens­fall zu be­wei­sen. Vom Ar­beit­neh­mer vor­ge­tra­ge­ne Recht­fer­ti­gungs­gründe für das be­an­stan­de­te Ver­hal­ten sind vom Ar­beit­ge­ber ge­ge­be­nen­falls zu wi­der­le­gen (BAG 24.11.1983 - 2 AZR 327/82, AP Nr.76 § 626 BGB; Be-cker/Schaff­ner BB 1992, 562). Ent­spre­chen­des gilt, so­weit der Ar­beit­neh­mer Umstände vorträgt, die ei­nen zunächst aus­rei­chen­den In­di­zwert des Sach­ver­hal­tes ent­kräften (BAG 14.09.1994 - 2 AZR 164/94 zi­tiert über Ju­ris).

Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers, die da­nach ei­ne Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Zwar rügt die Be­klag­te ganz all­ge­mein die Ar­beits­leis­tung des Klägers in Be­zug auf Tem­po und Feh­ler­haf­tig­keit. Sie un­ter­mau­ert die­se Be­haup­tung je­doch nicht durch kon­kre­ten Tat­sa­chen­vor­trag. Ein­deu­ti­ge An­ga­ben zu Zeit, Ort, Ar­beit, Ar­beits­men­ge, Ar­beits­qua­lität etc. feh­len. Darüber hin­aus macht sie auch kei­ne An­ga­ben, die dem Ge­richt ei­ne ver­glei­chen­de Be­trach­tung und ei­nen Rück­schluss dar­auf, ob sich Tem­po und Feh­ler­quo­te noch im Rah­men des nor­ma­len be­we­gen bzw. der Kläger nicht sei­ne vol­le Leis­tungsfähig­keit ausschöpft, ermögli­chen würden. Die bloße Be­haup­tung oder selbst der Nach­weis, dass ge­ge­be­nen­falls auch Drit­te bzw. ih­re Mit­ar­bei­ter in Be­zug auf die Ar­beits­leis­tung des Klägers mögli­cher­wei­se die ne­ga­ti­ve Auf­fas­sung der Be­klag­ten tei­len, kann ei­nen sol­chen Vor­trag nicht er­set­zen. Ent­schei­dend sind nicht sub­jek­ti­ve Auf­fas­sun­gen und Wer­tun­gen noch so vie­ler wei­te­rer Per­so­nen, son­dern ob­jek­ti­ve Tat­sa­chen, wel­che dem Ge­richt ei­nen ei­ge­nen Schluss ermögli­chen.

b) So­weit die Be­klag­te die häufi­gen Er­kran­kun­gen des Klägers rügt gilt fol­gen­des.

Die Krank­heit ei­nes Ar­beit­neh­mers als sol­che ist kein Kündi­gungs­grund, steht aber des­sen Kündi­gung auch nicht ent­ge­gen. Kündi­gungs­grund kann die mit ei­ner Er­kran­kung (al­so ei­ner per­so­nen­be­ding­ten Ur­sa­che) ver­bun­de­ne Nicht- oder Schlech­terfüllung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tun­gen so­wie die da­durch ver­ur­sach­te er­heb­li­che Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen und wirt­schaft­li­chen Be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers sein. Da­bei geht es nicht dar­um, Fehl­zei­ten in der Ver­gan­gen­heit zu sank­tio­nie­ren, son­dern die be-

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triebs­wirt­schaft­lich un­ver­tret­ba­re Be­set­zung ei­nes Ar­beits­plat­zes für die Zu­kunft zu ver­hin­dern. Die Über­prüfung ei­ner krank­heits­be­ding­ten Kündi­gung hat in drei Stu­fen zu er­fol­gen. Zunächst be­darf es ei­ner ne­ga­ti­ven Pro­gno­se hin­sicht­lich des wei­te­ren Ge­sund­heits­zu­stan­des des zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mers. Im An­schluss dar­an ist zu prüfen, ob die ent­stan­de­nen und pro­gnos­ti­zier­ten Fehl­zei­ten zu ei­ner er­heb­li­chen Be­ein­träch­ti­gung der be­trieb­li­chen In­ter­es­sen führen - 2. Stu­fe. In der 3. und letz­ten Stu­fe wird dann nach Maßga­be ei­ner ein­zel­fall­be­zo­ge­nen In­ter­es­sen­abwägung ge­prüft, ob die er­heb­li­chen be­trieb­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen zu ei­ner bil­li­ger­wei­se nicht mehr hin­nehm­ba­ren be­trieb­li­chen und wirt­schaft­li­chen Be­las­tung des Ar­beit­ge­bers führen (vgl. Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt 2.Aufl. § 1 KSchG Rdn.136, 138 m.w.N.). Es be­steht ei­ne ab­ge­stuf­te Dar­le­gungs- und Be­weis­last (vgl. APS-Dörner a.a.O. Rdn.204ff.).

Er­kran­kun­gen des Klägers, die da­nach ei­ne Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­ten, sind nicht er­sicht­lich. Die Be­klag­te hat nicht ein­mal nähe­re An­ga­ben da­zu ge­macht, von wann bis wann der Kläger krank­heits­be­dingt aus­ge­fal­len ist. Erst recht feh­len al­le übri­gen, ei­nen Rück­schluss auf die drei oben ge­nann­ten Stu­fen ermögli­chen­den, An­ga­ben.

c) So­weit die Be­klag­te sich durch Äußerun­gen ih­rer Mit­ar­bei­ter un­ter Druck ge­setzt fühlt, gilt fol­gen­des.

Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts liegt ei­ne sog. Druckkündi­gung vor, wenn Drit­te, d.h. Mit­ar­bei­ter, Be­triebs­rat, Geschäfts­part­ner, Kun­den etc., un­ter An­dro­hung von Nach­tei­len für den Ar­beit­ge­ber, von die­sem die Ent­las­sung ei­nes be­stimm­ten Ar­beit­neh­mers ver­lan­gen. Es sind da­bei zwei Fall­ge­stal­tun­gen zu un­ter­schei­den: Das Ver­lan­gen des Drit­ten kann ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber durch ein Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers oder durch ei­nen in des­sen Per­son lie­gen­den Grund ob­jek­tiv ge­recht­fer­tigt sein. In die­sem Fall liegt es im Er­mes­sen des Ar­beit­ge­bers, ob er ei­ne per­so­nen- oder ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung aus­spricht. Fehlt es an ei­ner ob­jek­ti­ven Recht­fer­ti­gung der Dro­hung, kommt ei­ne Kündi­gung aus be­triebs­be­ding­ten Gründen in Be­tracht (BAG 26.06.1997 - 2 AZR 502/96 zi­tiert über Ju­ris; BAG 31.01.1996 - 2 AZR 158/95, AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündi­gung; BAG 18.09.1975 - 2 AZR 311/74, BA­GE 27, 263;

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BAG 26.01.1962 - 2 AZR 244/61, BA­GE 12, 220; LAG Hamm 20.01.2011 - 15 Sa 20/10 zi­tiert über Ju­ris; Hess. LAG 29.10.2010 - 19 Sa 275/10, LA­GE § 626 BGB 2002 Nr.29a).

Ent­schei­dungs­er­heb­lich wird die sog. Druckkündi­gung da­mit re­gelmäßig nur in ih­rer be­triebs­be­ding­ten Form. Denn die­se schließt ei­ne Lücke, in­dem sie auch Fälle er­fasst, die man­gels aus­rei­chen­der per­so­nen- oder ver­hal­tens­be­ding­ter Gründe auf Sei­ten des Ar­beit­neh­mers, sonst ei­ne wirk­sa­me Kündi­gung nicht ermögli­chen würden. Erst das Hin­zu­tre­ten oder so­gar aus­sch­ließlich das Ver­hal­ten Drit­ter ver­ur­sacht hier ei­ne kündi­gungs­re­le­van­te Störung. Nach­dem un­ter a) und b) an­de­re Möglich­kei­ten, so­weit hier denk­bar, be­reits aus-ge­schlos­sen wur­den, bleibt auch im vor­lie­gen­den Fall nur noch der be­triebs­be­ding­te An­satz. Ge­ra­de in die­sem Fall ist al­lein das Ver­lan­gen Drit­ter, ei­nen be­stimm­ten Ar­beit­neh­mer zu kündi­gen, aber noch nicht oh­ne Wei­te­res ge­eig­net, des­sen Kündi­gung zu be­gründen. Ein sol­ches kann für sich ge­nom­men zunächst ein­mal nicht mehr Kündi­gungs­re­le-vanz ha­ben, als das bloße Ver­lan­gen des Ar­beit­ge­bers selbst. Viel­mehr wer­den an die Zulässig­keit ei­ner sol­chen Kündi­gung stren­ge An­for­de­run­gen ge­stellt.

Die an­ge­droh­ten bzw. dro­hen­den Nach­tei­le, für den Fall, dass der Ar­beit­ge­ber dem Druck nicht nach­gibt, müssen von er­heb­li­chem Ge­wicht sein, et­wa schwe­re wirt­schaft­li­che Schäden ernst­haft dro­hen (BAG 04.10.1990 - 2 AZR 201/90, NZA 1991, 468; LAG Ham-burg 03.04.2009 - 6 Sa 47/08 zi­tiert über Ju­ris; LAG Rhein­land-Pfalz 18.02.2008 - 5 Sa 381/07, zi­tiert über Ju­ris). Als Bei­spie­le kom­men an­de­ren­falls tatsächlich zu er­war­ten­de/r Streiks, Mas­senkündi­gun­gen, Ent­zug wich­ti­ger Auf­träge in Be­tracht. Des Wei­te­ren darf der Ar­beit­ge­ber die Druck­si­tua­ti­on nicht in vor­werf­ba­rer Wei­se selbst her­bei­geführt ha­ben (BAG 04.10.1990 - 2 AZR 201/90 a.a.O.; LAG Rhein­land-Pfalz 18.02.2008 - 5 Sa 381/07, zi­tiert über Ju­ris). Zu­dem hat sich der Ar­beit­ge­ber beim Feh­len ei­nes ob­jek­ti­ven Kündi­gungs­grun­des schützend vor den Ar­beit­neh­mer zu stel­len und al­les ihm Zu­mut­ba­re zu ver­su­chen, um Drit­te von de­ren Dro­hung ab­zu­brin­gen (BAG 31.01.1996 - 2 AZR 158/95 a.a.O; BAG 19.06.1986 - 2 AZR 562/85, AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung). Nur dann, wenn die­se Ver­su­che des Ar­beit­ge­bers er­folg­los blei­ben, al­so et­wa die Be­leg­schaft wei­ter­hin ernst­haft die Zu­sam­men­ar­beit mit dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ab­lehnt, kann ei­ne Kündi­gung ge­recht­fer­tigt sein (BAG 04.10.1990 - 2 AZR 201/90 a.a.O.; LAG Hamm 20.01.2011 - 15 Sa 20/10 zi­tiert über Ju­ris; LAG Ham­burg

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03.04.2009 - 6 Sa 47/08 zi­tiert über Ju­ris). Zu­dem gilt auch bei der Druckkündi­gung das Ul­ti­ma-Ra­tio-Prin­zip. Die be­triebs­be­ding­te Druckkündi­gung muss das ein­zig prak­tisch in Be­tracht kom­men­de Mit­tel sein, um Schäden ab­zu­wen­den (Hess. LAG 08.09.2010 - 3 Sa 2008/09 zi­tiert über Ju­ris).

Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner da­nach zulässi­gen Druckkündi­gung sind hier nicht aus­rei­chend vor­ge­tra­gen. Es er­scheint be­reits frag­lich, ob die Be­klag­te da­mit über­haupt den rich­ti­gen An­satz gewählt hat. Sch­ließlich stellt sich für die Kam­mer der Sach­ver­halt eher so dar, dass nicht der „Druck Drit­ter“, son­dern die ver­meint­lich „Schlech­te Ar­beits­leis­tung“ des Klägers den Kündi­gungs­grund bil­den, der mühsa­me­re Vor­trag ei­ner kündi­gungs­re­le­van­ten Schlecht­leis­tung je­doch ge­scheut wird. In je­dem Fal­le aber ist die Kündi­gung des Klägers kei­nes­wegs das ein­zig prak­tisch in Be­tracht kom­men­de Mit­tel, um den Druck ab­zu­wen­den und da­mit ein­her­ge­hen­de schwe­re wirt­schaft­li­che Schäden zu ver­mei­den.

Nach An­ga­ben der Be­klag­ten soll der Druck von den an­de­ren Mit­ar­bei­tern, ins­be­son­de­re den, für ihn be­son­ders wich­ti­gen, Ko­lon­nenführern aus­ge­hen. Die­se sol­len ei­ne wei­te­re Zu­sam­men­ar­beit ab­leh­nen, so­gar mit Ei­genkündi­gung ge­droht ha­ben. Wie ernst­haft ge­meint die­se Dro­hun­gen wa­ren, wenn sie denn so er­folgt sind, kann da­bei zunächst da­hin­ge­stellt blei­ben. Die Be­klag­te hat nicht vor­ge­tra­gen, dass de­ren Be­weg­gründe hierfür dar­in lie­gen, dass sie Un­fall­ge­fah­ren, Belästi­gun­gen, Be­lei­di­gun­gen, Be­dro­hun­gen, Vermögens­de­lik­te o.ä. durch den Kläger bzw. des­sen Ak­ti­vitäten während der Ar­beits­zeit befürch­ten. Die Ur­sa­chen sol­len viel­mehr eben in der be­sag­ten schlech­ten Ar­beits­leis­tung des Klägers zu su­chen sein.

Ernst­haft be­las­ten­de Aus­wir­kun­gen für die an­de­ren Mit­ar­bei­ter können in sol­chen Fällen in der Re­gel je­doch nur dann ent­ste­hen, wenn hier­durch ein vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­ge­be­ner Grup­pen­ak­kord bzw. ei­ne durch den Ar­beit­ge­ber vom Bau­stellen­er­geb­nis abhängig ge­mach­te Prämie ver­dor­ben wird oder der Ar­beit­ge­ber, hier­aus re­sul­tie­rend, nach In­halt, zeit­li­cher La­ge oder Ent­loh­nungshöhe be­las­ten­de Nach­ar­bei­ten an­ord­net. War­um dies im vor­lie­gen­den Fall an­ders sein soll­te, er­sch­ließt sich der Kam­mer an­hand des Vor­trags der Be­klag­ten nicht. D.h. aber, der Ar­beit­ge­ber hat den Um­fang der Aus­wir­kun­gen für sei­ne Mit­ar­bei­ter, die aus der Ar­beits­leis­tung des Be­trof­fe­nen re­sul­tie­ren, im We­sent­li­chen

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selbst in der Hand. Die Be­klag­te kann folg­lich ei­ner even­tu­ell ent­ste­hen­den Un­zu­frie­den­heit über den Kläger, auf­grund des­sen Ar­beits­leis­tung, kei­nes­wegs nur mit be­schwich­ti­gen­den Äußerun­gen oder des­sen Kündi­gung be­geg­nen. Viel­mehr kann sie auch mit an­de­ren, die üb-ri­gen Mit­ar­bei­ter maßgeb­lich ent­las­ten­den, Maßnah­men re­agie­ren (Her­aus­rech­nung der Ar­beits­leis­tung des Klägers, Erhöhung der An­zahl der Mit­ar­bei­ter der Ko­lon­ne, Mehrar-beits­zu­schläge etc). Ob die­se selbst dann noch ernst­haft ei­ne Ei­genkündi­gung der Wei­ter-beschäfti­gung des Klägers vor­zie­hen würden, er­scheint mehr als frag­lich. Ent­spre­chen­de ver­geb­li­che Ver­su­che sind von der Be­klag­ten je­den­falls nicht vor­ge­tra­gen wor­den. Als bei ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers un­ver­meid­bar kann nicht et­wa die mögli­che Ar­beits­ver­wei­ge­rung und/oder Ei­genkündi­gung an­de­rer Mit­ar­bei­ter an­ge­se­hen wer­den. Als un­ver­meid­bar im Fal­le schlech­ter Ar­beits­leis­tung und Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers ist le­dig­lich die hier­aus ent­ste­hen­de Störung des Gleich­ge­wichts zwi­schen Ar­beits­leis­tung und Ent­loh­nung an­zu­se­hen.

II.
Die Be­klag­te ist nach Maßga­be von §§ 611, 613, 242 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG ver­pflich­tet, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­rechts­streits ver­trags­gemäß wei­ter­zu­beschäfti­gen (sog. all­ge­mei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch).

Während des Be­stan­des sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses hat ein Ar­beit­neh­mer nach ein­hel­li­ger An­sicht in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur grundsätz­lich ei­nen An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung. Die­ser An­spruch entfällt nicht oh­ne Wei­te­res al­lein des­we­gen, weil ein Pro­zess über die Wirk­sam­keit oder Un­wirk­sam­keit ei­nes Be­en­di­gungs­tat­be­stan­des geführt wird. Sch­ließlich kann sich in des­sen Er­geb­nis her­aus­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis die gan­ze Zeit un­verändert fort­be­stand. So­lan­ge je­doch noch kei­ne da­hin­ge­hen­de rechts­kräfti­ge Ent­schei­dung vor­liegt und der Ar­beit­neh­mer den­noch sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu den bis­he­ri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen auch nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist ver­langt, kann nur mit Hil­fe ei­ner In­ter­es­sen­abwägung, bei der ins­be­son­de­re die Pro­zess­chan­cen und die tatsächli­che Beschäfti­gungsmöglich­keit ei­ne Rol­le spie­len, ei­ne an­ge­mes­se­ne Ent­schei­dung ge­trof­fen wer­den. In der Re­gel über­wiegt das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers bei Un­si­cher­heit über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses den Ar­beit­neh­mer nicht un­verändert wei­ter­beschäfti­gen zu müssen (BAG 27.02.1985 -

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GS 1/84, NZA 1985 S.702ff.). Dies ist je­doch an­ders zu se­hen, wenn zum ei­nen das an­ge­ru­fe­ne Ge­richt zu­vor oder gleich­zei­tig zu dem Er­geb­nis ge­kom­men ist, dass der streit­ge­genständ­li­che Be­en­di-gungs­tat­be­stand das Ar­beits­verhält­nis nicht be­en­det hat und zum an­de­ren bis­her kein an­de­rer Be­en­di­gungs­tat­be­stand in Re­de steht. Lie­gen die­se Vor­aus­set­zun­gen vor, stellt dies, auch wenn noch nicht fest­steht, ob die ge­richt­li­che Ent­schei­dung später auch in Rechts­kraft erwächst, zunächst ein so star­kes In­diz für den letzt­end­li­chen un­veränder­ten Wei­ter­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses dar, dass es dem Ar­beit­ge­ber re­gelmäßig zu­mut­bar ist, ab die­sem Zeit­punkt den Ar­beit­neh­mer auch während des Lau­fes der Be­stands­strei­tig­keit zu den al­ten ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen zu beschäfti­gen (BAG 27.02.1985 a.a.O.). Im vor­lie­gen­den Fall ist mit der Statt­ga­be des Kla­ge­an­trags zu 1. erst­in­stanz­lich fest­ge­stellt wor-den, dass die Kündi­gung mit Schrei­ben vom 17.06.2011 das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht be­en­det hat.

Ein be­son­de­res In­ter­es­se der Be­klag­ten, den­noch bis da­hin kei­ne Wei­ter­beschäfti­gung un­ter den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen vor­neh­men zu müssen, ist von ihr nicht aus­rei­chend sub­stan­ti­iert und un­ter Be­weis­an­tritt vor­ge­tra­gen wor­den.

III.

Die Kos­ten des Rechts­streits hat nach Maßga­be von § 91 Abs.1 ZPO die Be­klag­te als un­ter­le­ge­ne Par­tei zu tra­gen.

Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG fest­zu­set­zen war, be­stimmt sich nach Maßga­be von §§ 3ff. ZPO.
Aus­schlag­ge­bend ist der wirt­schaft­li­che Wert der Kla­ge­for­de­run­gen un­ter Außer­acht­las­sung der als Ne­ben­for­de­rung an­zu­se­hen­den Zin­sen. In ent­spre­chen­der Her­an­zie­hung von § 42 Abs.3 GKG war da­nach der Kla­ge­an­trag zu 1 mit drei Brut­to­mo­nats­ver­diens­ten des Klägers zu be­wer­ten. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag (Kla­ge­an­trag zu 2) ist re­gelmäßig mit ei­nem wei­te­ren Brut­to­mo­nats­ver­dienst zu berück­sich­ti­gen.

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R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g


Für den Kläger ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.


Die Be­klag­te kann ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­le­gen.

Die Be­ru­fung muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat

nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim

Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt
Jus­tiz­zen­trum Hal­le, Thürin­ger Str. 16,
06112 Hal­le

ein­ge­legt wer­den. Die Be­ru­fungs­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Be­ru­fung ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Be­ru­fung ein­ge­legt wer­de. Ihr soll fer­ner ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils bei­gefügt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von 2 Mo­na­ten

nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich zu be­gründen.

Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein. Sie können auch von ei­nem Ver­tre­ter von Ge­werk­schaf­ten oder von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern oder von Zu­sam­men­schlüssen sol­cher Verbände un­ter­zeich­net wer­den, wenn die­se Ver­tre­ter kraft

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Sat­zung oder Voll­macht zur Ver­tre­tung be­fugt sind und der Zu­sam­men­schluss, der Ver­band oder de­ren Mit­glie­der Par­tei sind.

Auf die Möglich­keit der Ein­rei­chung elek­tro­ni­scher Do­ku­men­te bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt nach der Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr bei den Ge­rich­ten und Staats­an­walt­schaf­ten des Lan­des Sach­sen-An­halt (ER­WO LSA vom 01.10.2007 - GV­BI. LSA 2007, S. 330), zu­letzt geändert durch Ver­ord­nung vom 04.02.2011 (GV­BI. LSA 2011, S. 65), wird hin­ge­wie­sen. Die be­son­de­ren tech­ni­schen Teil­nah­me­vor­aus­set­zun­gen für den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr können un­ter der fol­gen­den Adres­se ab­ge­ru­fen wer­den: www.mj.sach­sen-an­halt.de.

* Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Hin­weis der Geschäfts­stel­le

Es wird ge­be­ten, im Fal­le der Be­ru­fungs­ein­le­gung die Be­ru­fungs­be­gründung eben­so wie die Be­ru­fungs­er­wi­de­rung in fünf­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.
Die bei­den Überstücke wer­den für die ord­nungs­gemäße In­for­ma­ti­on der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter benötigt.


 

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