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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 17.12.2009, 3 Sa 644/09

   
Schlagworte: Arbeitsvertrag, Befristung von Vertragsbestandteilen, Kündigung: Änderungskündigung, Probezeit, Widerrufsvorbehalt, AGB, Beförderung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 3 Sa 644/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.12.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 29.06.2009, 4 Ca 1090/09
   

3 Sa 644/09

4 Ca 1090/09
(ArbG München) 

 

Verkündet am: 17.12.2009

 

Kübler
Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le


Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL


In dem Rechts­streit

K.

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:


ge­gen

Fir­ma M.


- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

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hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 03. De­zem­ber 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ro­sen­fel­der und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bay­er und Jahn


für Recht er­kannt:


1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 29.06.2009 - 4 Ca 1090/09 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.


Tat­be­stand:


Die Par­tei­en strei­ten über die von der Be­klag­ten erklärte Kündi­gung ei­ner Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en.


Der Kläger ist seit 21.09.2006 bei der Be­klag­ten beschäftigt, zunächst als Flug­zeug­ab­fer­ti­ger. Er ist seit Ju­li 2008 Be­triebs­rats­mit­glied und wur­de zum Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den gewählt.


Der zunächst be­fris­tet ge­schlos­se­ne An­stel­lungs­ver­trag vom 21.09.2006 wur­de gemäß „1. Ver­trags­verlänge­rung“ vom 09.10.2007 bis 31.10.2008 verlängert und mit „Ver­tragsände­rung“ vom 09.05.2008 als un­be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag mit ei­ner wöchent­li­chen Grund­ar­beits­zeit von 42 St­un­den wei­ter­geführt. Am 21.07.2008 schlos­sen die Par­tei­en - wie­der­um schrift­lich - ei­ne als „Ver­tragsände­rung“ be­zeich­ne­te Ände­rungs­ver­ein­ba­rung, in de­ren § 1 be­stimmt ist, dass der Mit­ar­bei­ter un­be­fris­tet mit Wir­kung vom 01.09.2008 als Flug­zeug­ab­fer­ti­ger und Leis­tungs­dis­po­nent in der Ab­tei­lung Ope­ra­ti­ons mit ei­ner wöchent­li­chen Grund­ar­beits­zeit von 42 St­un­den wei­ter­beschäftigt wer­de. Gemäß § 2 die­ser Ver­ein­ba­rung sollt der Mit­ar­bei­ter ei­ne mo­nat­li­che Vergütung in Höhe von 1.952,30 €

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brut­to, dass heißt ein Ent­gelt der Ent­gelt­grup­pe G, Kom­pe­tenz­stu­fe P, er­hal­ten. Die Vergütung des Klägers ent­sprach ursprüng­lich der Ent­gelt­grup­pe D, Kom­pe­tenz­stu­fe 1. In § 3 der „Ver­tragsände­rung“ vom 21.07.2008 ist ge­re­gelt, dass ei­ne „in­ter­ne Pro­be­zeit“ von sechs Mo­na­ten ver­ein­bart wer­de, während der die­se Ver­tragsände­rung mit ei­ner Frist von zwei Wo­chen künd­bar sei. In die­sem Fall wer­de das Ar­beits­verhält­nis gemäß den Be­din­gun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 21.09.2006 fort­ge­setzt. Der Ände­rungs­ver­trag en­det da­mit, dass in § 4 be­stimmt ist, es gälten im Übri­gen die Be­stim­mun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 21.09.2006.


Mit Schrei­ben vom 07.01.2009 kündig­te die Be­klag­te die Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 or­dent­lich zum 23.01.2009. Den Be­triebs­rat be­tei­lig­te sie hier­bei nicht. Nach Er­he­bung der streit­ge­genständ­li­chen Kla­ge hörte sie den Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 24.03.2009 zur Ver­set­zung/Um­grup­pie­rung des Klägers an.


Mit Da­tum 20.11.2008 hat­te der für den Kläger zuständi­ge Ope­ra­ti­ve As­sis­tant ei­nen Gesprächs­ver­merk er­stellt über ein an die­sem Tag geführ­tes Gespräch mit dem Kläger bezüglich sei­ner Leis­tung im .... . Die­se Gesprächs­no­tiz lau­tet:


„Heu­te am 20.11.2008 fand ein Gespräch mit Herrn K. bezüglich sei­ner Leis­tung im .... statt.


Herr K. wur­de dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sei­ne Leis­tun­gen nicht un­se­ren Er­war­tun­gen ent­spre­chen und er sich doch bit­te mehr auf sei­ne ver­ant­wor­tungs­vol­le Tätig­keit als Schicht­lei­ter kon­zen­trie­ren sol­le. Herr K. bestätig­te uns, dass er ein De­fi­zit in der Lern­ziel­er­rei­chung hat und er mit sich sel­ber un­zu­frie­den ist. Während die­ses Gespräches bot Herr K. an, soll­te er die Lern­zie­le nicht bis En­de De­zem­ber 2008 er­rei­chen, würde er ger­ne wie­der in sei­ne ursprüng­li­che Tätig­keit als ITL zurück­keh­ren. Die­sen Vor­schlag nah­men wir zur Kennt­nis. Sein ei­ge­ner Vor­schlag, hat uns ge­zeigt, dass er in sei­nem neu­en Auf­ga­ben­ge­biet über­for­dert ist und sich selbst ei­ne letz­te Frist setzt.

Das Gespräch wur­de von mit geführt, bei­sit­zend wa­ren Frau H. und Herr S."

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Ob die­ses Gespräch über­haupt statt­ge­fun­den hat, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig.


Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge be­gehrt der Kläger die Fest­stel­lung, dass die Ände­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen durch die Teilkündi­gung vom 07.01.2009 rechts­un­wirk­sam sei. Fer­ner be­gehrt er die Fest­stel­lung, ihn bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung über den Kla­ge­an­trag I zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Flug­zeug­ab­fer­ti­ger und Leis­tungs­dis­po­nent (Ge­halts­stu­fe G, Kom­pe­tenz­stu­fe P) wei­ter­zu­beschäfti­gen.


Das Ar­beits­ge­richt München hat mit En­dur­teil vom 29.06.2009 - 4 Ca 1090/09 -, auf das hin­sicht­lich des erst­in­stanz­li­chen Vor­trags der Par­tei­en, der im ers­ten Rechts­zug ge­stell­ten Anträge so­wie der Ein­zel­hei­ten der recht­li­chen Erwägun­gen des Erst­ge­richts ver­wie­sen wird, der Kla­ge voll­umfäng­lich statt­ge­ge­ben. Es hat zur Be­gründung aus­geführt, die Be­klag­te sei nicht zur iso­lier­ten Kündi­gung der Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 be­rech­tigt ge­we­sen. Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts han­de­le es sich hier­bei um ei­ne Teilkündi­gung, die grundsätz­lich un­zulässig sei, da sie in das ver­ein­bar­te Ord­nungs- oder Äqui­va­lenz­gefüge des Ar­beits­ver­tra­ges ein­grei­fe. Ei­ne Aus­nah­me da­hin, dass hier meh­re­re Teil­verträge vorlägen, die­se als von vorn­her­ein lösbar an­ge­spro­chen sei­en und vorn­her­ein ein­deu­tig als lösbar auf­ge­fasst wer­den müss­ten, lie­ge nicht vor. Mit der Ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 hätten die Par­tei­en den In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges in den zen­tra­len Punk­ten - ge­schul­de­te Tätig­keit und zu zah­len­des Ge­halt - geändert. Da­mit hätten sie die Haupt­pflich­ten des Ar­beits­verhält­nis­ses neu de­fi­niert. Die­ser neue In­halt un­ter­lie­ge dem Kündi­gungs­schutz. Folg­lich würde die in § 3 der Ver­ein­ba­rung zu­ge­las­se­ne Kündi­gung den Schutz des § 2 KSchG um­ge­hen. Ei­ne Um­deu­tung der un­wirk­sa­men Teilkündi­gung in ei­ne Ände­rungskündi­gung schei­de aus. Auch sei die Kla­ge nicht treu­wid­rig; ein hin­rei­chend kla­rer Kla­ge­ver­zicht lie­ge nicht vor. Die Par­tei­en hätten sich in dem von der Be­klag­ten vor­ge­tra­ge­nen Per­so­nal­gespräch am 20.11.2008 nicht dar­auf ge­ei­nigt, dass der Kläger bei Nicht­er­rei­chung sei­ner Lern­zie­le bis De­zem­ber 2008 wie­der auf sei­ner al­ten Po­si­ti­on ein­ge­setzt wer­de. Der An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung fol­ge aus der vom Großen Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­wi­ckel­ten Grundsätzen zum vorläufi­gen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch.

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Die Be­klag­te hat ge­gen das ihr am 07.07.2009 zu­ge­stell­te En­dur­teil vom 29.06.2009 mit ei­nem am 31.07.2009 beim Be­ru­fungs­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 07.09.2009 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.


Sie bleibt da­bei, dass die Teilkündi­gung wirk­sam sei und dass we­gen der Leis­tungsmängel des Klägers als Leis­tungs­dis­po­nent am 20.11.2008 ein Mit­ar­bei­ter­gespräch mit dem in der „Do­ku­men­ta­ti­on Mit­ar­bei­ter­gespräch“ fest­ge­hal­te­nen In­halt geführt wor­den sei. Die Be­klag­te meint, der vom Kläger gel­tend ge­mach­te Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch be­ste­he nicht. Die Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 hält die Be­klag­te für ei­nen selbstständig lösba­ren Teil­ver­trag im Sin­ne der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Be­reits die Künd­bar­keit spre­che für ei­ne selbstständi­ge Lösbar­keit. Auch hätten die Par­tei­en kei­ne Ände­rung der Haupt­leis­tungs­pflicht vor­ge­nom­men, da kein Ein­griff in das Äqui­va­lenz- oder Ord­nungs­gefüge des Ar­beits­ver­tra­ges vor­lie­ge; denn das Verhält­nis der Haupt­leis­tungs­pflich­ten zu­ein­an­der sei nicht verändert wor­den. Die ver­trag­lich ver­ein­bar­te Teilkünd­bar­keit ent­spre­che so­mit den §§ 1, 2 KSchG. Auch aus der Sicht des Klägers sei die Teilkündi­gung das mil­de­re Mit­tel ge­we­sen. Für ih­re Rechtmäßig­keit spre­che auch ih­re Ver­gleich­bar­keit mit dem Fall der Be­fris­tung ein­zel­ner Ar­beits­be­din­gun­gen. Die Be­klag­te meint wei­ter­hin, die ge­gen die Teilkündi­gung ge­rich­te­te Kla­ge sei treu­wid­rig.


Sie be­an­tragt da­her:


1. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts München vom 29.06.2009 - 4 Ca 1090/09 - wird ab­geändert.


2. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.


3. Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Der Kläger be­an­tragt, die­se Anträge kos­ten­pflich­tig ab­zu­wei­sen.

 

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Er be­kräftigt sei­nen be­reits erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­ge­nen Stand­punkt und bleibt ins­be­son­de­re da­bei, dass die Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom Ge­samt­ver­trag nicht lösbar sei. Fer­ner be­zieht er sich auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur In­halts­kon­trol­le von Wi­der­rufs­vor­be­hal­ten.


Hin­sicht­lich des sons­ti­gen Vor­trags der Par­tei­en im zwei­ten Rechts­zug wird auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 07.09.2009 und des Klägers vom 12.10.2009 so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 03.12.2009 ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe:


Die Be­ru­fung ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht fest­ge­stellt, dass die (Teil-) Kündi­gung vom 07.01.2009 rechts­un­wirk­sam ist. Fer­ner hat es die Be­klag­te zu Recht zur wei­te­ren Beschäfti­gung zu den in der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 fest­ge­hal­te­nen Be­din­gun­gen ver­ur­teilt, wo­bei es sich hier al­ler­dings nicht um ei­nen An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung auf­grund der vom Großen Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bei strei­ti­gem bzw. gekündig­tem Ar­beits­verhält­nis ent­wi­ckel­ten Grundsätzen han­delt, son­dern schlicht um den An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung bei un­strei­tig fort­be­ste­hen­dem Ar­beits­verhält­nis.


1. Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig und be­gründet.


a) Sie ist zulässig, ob­wohl das Schrei­ben der Be­klag­ten vom 07.01.2009 kei­ne Be­en­di­gungs- oder Ände­rungskündi­gung dar­stellt. Für ei­ne Ände­rungskündi­gung fehlt ei­ne (auf­schie­bend be­ding­te) Be­en­di­gungs­erklärung für den Fall der Nicht­an­nah­me der dem Kläger an­ge­son­ne­nen Ver­tragsände­rung (BAG 25.02.1988 - 2 AZR 346/87, Ju­ris-Rn. 42).


Das für die Fest­stel­lungs­kla­ge er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se folgt schon aus dem Ge­sichts­punkt der Pro­zessöko­no­mie.

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b) Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist be­gründet.


Die Teilkündi­gung vom 07.10.2009 ist un­wirk­sam. Denn sie greift durch ein­sei­ti­ge Ände­rung ein­zel­ner Ver­trags­be­din­gun­gen in das Ver­trags­gefüge ein (BAG 25.02.1988 - 2 AZR 346/87, Ju­ris-Rn. 48; BAG 14.11.1990 - 5 AZR 464/89, Ju­ris-Rn. 24 f). Auch hält die Kündi­gungs­re­ge­lung gemäß § 3 der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 der In­halts­kon­trol­le gemäß §§ 305 ff. BGB nicht stand.

aa) Die Kündi­gungs­re­ge­lung des § 3 der „Ver­tragsände­rung“ vom 21.07.2008 be­trifft
ein­zel­ne Ver­trags­be­din­gun­gen - und zwar die Re­ge­lung der Haupt­pflich­ten der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en - un­ter Auf­recht­er­hal­tung des Ar­beits­ver­tra­ges ins­ge­samt. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten liegt kein aus meh­re­ren Teil­verträgen zu­sam­men­ge­setz­tes Ge-samt­ver­trags­verhält­nis vor. Durch die Ände­rungs­ver­ein­ba­rung wur­de nicht ei­ne Neu­re­ge­lung ne­ben ei­ne fort­gel­ten­de bis­he­ri­ge Re­ge­lung ge­setzt. Viel­mehr wur­den die Haupt­pflich­ten auf un­be­stimm­te Dau­er - nicht et­wa le­dig­lich be­fris­tet - geändert. Da­mit wur­de die bis­he­ri­ge Ver­ein­ba­rung über die Haupt­pflich­ten der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en dau­er­haft ab­gelöst. Die ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen des ursprüng­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges gel­ten ab Wirk­sam­wer­den der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung nicht mehr. Dar­aus folgt zwang­los, dass nach wie vor ein ein­heit­li­ches und nicht ein aus Teil­verträgen zu­sam­men­ge­setz­tes Ar­beits­verhält­nis vor­liegt.


bb) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten be­wirkt die Teilkündi­gung ei­nen Ein­griff in den Kern­be­reich des Ar­beits­verhält­nis­ses, ob­wohl die in­so­weit vom Bun­des­ar­beits­ge­richt wie­der­holt ge­nann­te Schran­ke von ca. 25 % (bis 30 %) der bis­he­ri­gen Vergütung durch den Weg­fall der höhe­ren Ent­gelt­stu­fe nicht über­schrit­ten ist (zu die­ser „Kern­ge­halts­gren-ze“ vgl. BAG 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, Ju­ris-Rn. 23 bis 25; BAG 12.01.2005 - 5 AZR 364/04, Ju­ris-Rn. 25 und 30). Denn die Teilkündi­gung zielt nicht al­lein auf ei­ne Ände­rung der Vergütung ab, das heißt der Haupt­pflicht des Ar­beit­ge­bers. Viel­mehr be­zweckt sie auch ei­ne Ände­rung der Art der ge­schul­de­ten Tätig­keit, al­so der Haupt­pflicht des Ar­beit­neh­mers. In­so­weit aber liegt - un­abhängig von der Ände­rung der Vergütung - ein Ein­griff in den Kern­be­reich des Ar­beits­verhält­nis­ses vor mit der Fol­ge, dass der Ver­trags­in­halts-schutz gemäß § 2 KSchG tan­giert ist. Die Ver­ein­ba­rung der Künd­bar­keit der „Ver­tragsände­rung“ um­geht in un­zulässi­ger Wei­se den Ände­rungs­schutz des § 2 KSchG.

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cc) Im Übri­gen hält die Kündi­gungs­re­ge­lung in § 3 der „Ver­tragsände­rung“ der In­halts­kon­trol­le gemäß §§ 305 ff. BGB nicht stand. § 3 der „Ver­tragsände­rung“ un­terfällt der In­halts­kon­trol­le je­den­falls gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 308 Nr. 4 BGB.


Die Ver­ein­ba­rung der ein­sei­ti­gen Lösbar­keit von ein­zel­nen Ver­trags­be­din­gun­gen wirkt der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu­fol­ge, der sich die Be­ru­fungs­kam­mer an­sch­ließt, als Wi­der­rufs­vor­be­halt (vgl. BAG 25.02.1988 - 2 AZR 346/87, Ju­ris-Rn. 48) bzw. Ände­rungs­vor­be­halt (vgl. BAG 09.05.2006 - 9 AZR 424/05, Ju­ris-Rn. 18, 21; BAG 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, Ju­ris-Rn. 18, 19; vgl. auch ErfK/Preis, 8. Aufl., §§ 305 bis 310 BGB, Rn. 63).


§ 3 der „Ver­tragsände­rung“ lässt die An­ge­mes­sen­heit und Zu­mut­bar­keit der Ände­rung der Tätig­keit im Sin­ne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht er­ken­nen (vgl. BAG 02.09.2009 - 7 AZR 233/08, Ju­ris-Rn. 25). So­weit auf­grund der Kündi­gungs­re­ge­lung der ge­nann­ten Ver­trags­be­stim­mung die Vergütung geändert wer­den kann, berück­sich­tigt die Ver­ein­ba­rung der Künd­bar­keit nicht hin­rei­chend die In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers in Be­zug auf die Ände­rung der Vergütung im Sin­ne von § 308 Nr. 4 BGB (vgl. BAG 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, Ju­ris-Rn. 18, 27, 28). Denn die Vor­aus­set­zun­gen der Ände­run­gen sind nicht hin­rei­chend kon­kret be­zeich­net. Zwar er­gibt sich dar­aus, dass die Künd­bar­keit der „Ver­tragsände­rung“ an ei­ne „in­ter­ne Pro­be­zeit“ ge­knüpft ist, ei­ne be­ab­sich­tig­te Abhängig­keit der Ent­schei­dung über die Fortführung der Ände­rung von der Be­ur­tei­lung der Leis­tun­gen des Klägers durch die Be­klag­te. In­so­weit wird - al­ler­dings nur in ganz gro­ber und va­ger Wei­se und mit­tel­bar - die un­gefähre Rich­tung der Vor­aus­set­zun­gen der Ände­rung an­ge­deu­tet. Dies ist je­doch un­zu­rei­chend, weil da­mit le­dig­lich in ganz all­ge­mei­ner Form auf die Leis­tung oder auch das Ver­hal­ten (?) des Ar­beit­neh­mers ab­ge­stellt wird (vgl. hier­zu BAG 11.10.2006 - 5 AZR 721/05, Ju­ris-Rn. 28).


§ 3 der „Ver­tragsände­rung“ lässt nicht er­ken­nen, un­ter wel­chen kon­kre­ten Vor­aus­set­zun­gen der Wi­der­ruf der „Pro­be­zeit­beförde­rung“ er­fol­gen soll. Vor al­lem sind die Maßstäbe für die Vor­nah­me der Be­ur­tei­lung nicht ein­mal an­satz­wei­se er­kenn­bar. Der Kläger konn­te auf­grund der ge­nann­ten Ver­trags­re­ge­lung schlech­ter­dings nicht pro­gnos­ti­zie­ren, un­ter

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wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er die Pro­be­zeit be­ste­hen bzw. nicht be­ste­hen wer­de. § 3 der „Ver­tragsände­rung“ be­grenzt le­dig­lich die Ände­rungsmöglich­keit - we­gen Nicht­be­ste­hens der Pro­be­zeit - in zeit­li­cher Hin­sicht, lässt aber kei­ner­lei auch nur ei­ni­ger­maßen fass­ba­re in­halt­li­che Kri­te­ri­en er­ken­nen.


Mit der An­for­de­rung ei­ner nähe­ren Kon­kre­ti­sie­rung der Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne „Rückände­rung“ der ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen wird von der Be­klag­ten nichts Unmögli­ches oder Un­zu­mut­ba­res ver­langt. Es ist verhält­nismäßig leicht, das „Nicht­be­ste­hen“ der Pro­be­zeit an ei­ni­ger­maßen grif­fi­gen Kri­te­ri­en fest­zu­ma­chen. Dies zeigt schon der von der Be­klag­ten selbst ver­wen­de­te und im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren vor­ge­leg­te Be­ur­tei­lungs­bo­gen.


dd) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist die Er­he­bung der Fest­stel­lungs­kla­ge nicht treu­wid­rig gemäß § 242 BGB. Ei­ne Il­loya­le Rechts­ausübung liegt nicht vor.


Dies gilt auch dann, wenn der Vor­trag der Be­klag­ten zum Mit­ar­bei­ter­gespräch vom 20.11.2008 als wahr un­ter­stellt wird. Denn auch un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ses Vor­trags hat der Kläger im Ver­lauf des Gesprächs der Be­klag­ten nicht rechts­ver­bind­lich ein (Rück-) Ände­rungs­an­ge­bot un­ter­brei­tet. Viel­mehr hat er nur ei­nen Vor­schlag zur Lösung des Pro­blems ge­macht in dem Sin­ne, dass er sei­ne all­ge­mei­ne Be­reit­schaft zur Rück­kehr zu den frühe­ren Ver­trags­be­din­gun­gen bei Nicht­er­rei­chung der Zie­le bis En­de De­zem­ber 2008 zum Aus­druck ge­bracht hat. Ei­ne rechts­ver­bind­li­che Erklärung in Rich­tung auf ei­ne Rückände­rung hat er da­ge­gen schon des­halb nicht ab­ge­ge­ben, weil er of­fen­sicht­lich doch noch mit ei­ner „Bewährung“ bis zum Jah­res­en­de rech­ne­te. Selbst die Gesprächs­no­tiz vom 20.11.2008 geht le­dig­lich von ei­nem „Vor­schlag“ des Klägers aus.


ee) Da so­nach die Teilkündi­gung vom 07.01.2009 un­wirk­sam ist, kann da­hin­ste­hen, ob der Be­triebs­rat ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wur­de. Es kommt auch nicht auf die - feh­ler­haf­te Rechts­auf­fas­sung des Klägers an, der­zu­fol­ge die Pro­be­zeit­ver­ein­ba­rung ge­gen § 14 Abs. 1 Nr. 5 Tz­B­fG verstößt.


2. Aus dem zu 1. Aus­geführ­ten er­gibt sich, dass der Kläger An­spruch auf ver­trags­gemäße Beschäfti­gung zu den­je­ni­gen Be­din­gun­gen hat, die sich aus den ar­beits­ver­trag­li-

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chen Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en un­ter Ein­schluss der Ände­rungs­ver­ein­ba­rung vom 21.07.2008 er­ge­ben. Wie be­reits aus­geführt wur­de, han­delt es sich in­so­weit je­doch nicht um ei­nen An­spruch auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung, son­dern auf Beschäfti­gung bei un­strei­tig fort­be­ste­hen­dem Ar­beits­ver­trag.

3. Die Be­klag­te hat die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen.


Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen. Auf die Möglich­keit, Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de zum Bun­des­ar­beits­ge­richt zu er­he­ben, wird hin­ge­wie­sen.

Dr. Ro­sen­fel­der 

Bay­er 

Jahn

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