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BAG, Ur­teil vom 09.09.2010, 2 AZR 493/09

   
Schlagworte: Kündigung: Betriebsbedingt
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 493/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.09.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 18.09.2008, 6 Ca 1110/08
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28.04.2009, 6 Sa 429/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 493/09

6 Sa 429/08

Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

9. Sep­tem­ber 2010

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. Sep­tem­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmitz-Scho­le­mann, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger so­wie den eh­ren-


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amt­li­chen Rich­ter Kri­chel und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pitsch für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt vom 28. April 2009 - 6 Sa 429/08 - wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner von der Be­klag­ten auf

be­trieb­li­che Gründe gestütz­ten Kündi­gung.

Die Kläge­rin trat 1984 in die Diens­te der Rechts­vorgänge­rin der be-

klag­ten Lan­des­haupt­stadt. Auf das Ar­beits­verhält­nis sind kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me die Vor­schrif­ten des TVöD an­wend­bar. Die Kläge­rin war zu­letzt als Al­ten­pfle­ge­rin beschäftigt. Sie ist be­hin­dert mit dem Grad 40 und ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt.

Die Kläge­rin er­hielt ab 1. Ju­li 2006 - zunächst bis zum 30. Sep­tem­ber

2009 be­fris­tet - Ren­te we­gen vol­ler Er­werbs­min­de­rung. In­zwi­schen wur­de die Ren­ten­be­zugs­dau­er verlängert bis zum 30. Ju­ni 2012.

Die Be­klag­te führ­te die von ihr un­ter­hal­te­nen Se­nio­ren­wohn­an­la­gen

und Pfle­ge­hei­me bis zum 31. De­zem­ber 2007 als Ei­gen­be­trieb. Zum 1. Ja­nu­ar 2008 über­trug sie die­se Ein­rich­tun­gen auf ei­ne neu ge­gründe­te Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung. Nach Un­ter­rich­tung durch die Be­klag­te wi­der­sprach die Kläge­rin dem Über­gang ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses auf die GmbH nach § 613a Abs. 6 BGB.

Nach Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten or­dent-

li­chen Kündi­gung be­an­trag­te die Be­klag­te am 20. März 2008 die Zu­stim­mung des zuständi­gen Per­so­nal­rats. Der Per­so­nal­rat nahm den An­trag „zur Kennt­nis“, oh­ne sich wei­ter zu äußern. Dar­auf­hin kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits-


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verhält­nis der Par­tei­en mit Schrei­ben vom 11. April 2008 zum 31. De­zem­ber 2008.

Die Kläge­rin hat die Kündi­gung für so­zi­al­wid­rig ge­hal­ten. Die von der

Be­klag­ten an­geführ­ten be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se sei­en nicht dring­lich ge­we­sen. Weil das Ar­beits­verhält­nis noch bis zum 30. Ju­ni 2012 ru­he, wir­ke sich der Weg­fall der Beschäfti­gungsmöglich­keit nicht aus. Die Be­klag­te müsse ab­war­ten, ob bei Ab­lauf der Ru­hens­zeit ei­ne Beschäfti­gung wie­der möglich sei.

Die Kläge­rin hat be­an­trag

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den

Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung vom 11. April 2008 auf­gelöst wird.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Kündi-

gung für so­zi­al ge­recht­fer­tigt ge­hal­ten. Der Ar­beits­platz der Kläge­rin als Al­ten­pfle­ge­rin sei auf­grund des Be­triebsüber­gangs und dem von der Kläge­rin erklärten Wi­der­spruch dau­er­haft ent­fal­len. Freie Ar­beitsplätze, die der Qua­li­fi­ka­ti­on der Kläge­rin entsprächen, stünden nicht zur Verfügung.

Das Ar­beits­ge­richt hat nach dem Kla­ge­an­trag er­kannt. Das Lan­des-

ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on er­strebt die Kläge­rin die Wie­der­her­stel­lung des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Kündi­gung ist we­der nach den Vor-

schrif­ten des Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­zes Sach­sen-An­halt (I.) noch nach § 85 SGB IX (II.) oder § 33 Abs. 2 TVöD (III.) un­wirk­sam. Sie ist durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 KSchG ge­recht­fer­tigt (IV.).

I. Die nach § 67 Abs. 1 Nr. 8, § 61 Abs. 1 LPers­VG er­for­der­li­che Zu-

stim­mung des Per­so­nal­rats gilt nach § 61 Abs. 3 Satz 8 LPers­VG als er­teilt. Der Per­so­nal­rat hat die Zu­stim­mung nicht in­ner­halb der zweiwöchi­gen Frist des


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§ 61 Abs. 3 Satz 3 LPers­VG ver­wei­gert. Die Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats war nicht feh­ler­haft. Die Be­klag­te hat zwar ei­ne un­zu­tref­fen­de Kündi­gungs­frist an­ge­ge­ben: 7 Mo­na­te zum Schluss ei­nes Ka­len­der­mo­nats, § 622 Abs. 2 BGB statt 6 Mo­na­te zum En­de des Ka­len­der­vier­tel­jah­res, § 34 Abs. 1 TVöD. Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt aber fest­ge­stellt hat, be­ruh­te dies auf ei­nem Irr­tum der Be­klag­ten, der nach den Grundsätzen der sub­jek­ti­ven De­ter­mi­na­ti­on nicht zur Feh­ler­haf­tig­keit der Un­ter­rich­tung führt. Aus dem Anhörungs­schrei­ben er­gab sich im Übri­gen die An­wend­bar­keit des TVöD, so­dass der Per­so­nal­rat die zu­tref­fen­de Kündi­gungs­frist leicht er­ken­nen konn­te.

II. Die nach § 85 SGB IX not­wen­di­ge Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­amts
liegt vor.

III. Die Kündi­gung ist nicht nach § 33 Abs. 2 TVöD un­wirk­sam. Die
Re­ge­lung des § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD ord­net das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses an, wenn der Ar­beit­neh­mer be­fris­tet voll er­werbs­ge­min­dert ist. Da­mit ist kein be­son­de­rer Kündi­gungs­schutz ver­bun­den.

1. Auch ru­hen­de Ar­beits­verhält­nis­se können, bei Vor­lie­gen der all
ge­mei­nen ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen, gekündigt wer­den. Das gilt ins­be­son­de­re für be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen. Der Ar­beit­neh­mer im ru­hen­den Ar­beits­verhält­nis kann - oh­ne be­son­de­re ge­setz­li­che oder ta­rif­ver­trag­li­che An­ord­nung - nicht al­lein um des Ru­hens sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses wil­len bes­ser geschützt sein als der „ak­ti­ve“ Ar­beit­neh­mer.

2. Zu der mit § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD im We­sent­li­chen in­halts­glei­chen
Re­ge­lung des § 59 Abs. 1 BAT hat der Se­nat ent­schie­den, dass sie ei­ner per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung aus Krank­heits­gründen nicht ent­ge­gen­steht (vgl.

3. De­zem­ber 1998 - 2 AZR 773/97 - BA­GE 90, 230). Dar­an hält der Se­nat für die Be­stim­mung des § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD fest. Wie die Über­schrift des § 33 TVöD („Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses oh­ne Kündi­gung“) be­legt, re­gelt die Vor­schrift al­lein die Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Ar­beits­verhält­nis oh­ne Kündi­gung en­det. Die Be­en­di­gung durch Kündi­gung be­han­delt da­ge­gen § 34 TVöD. Die­se Vor­schrift be­stimmt auch, in wel­chen Fällen ein

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über das Ge­setz hin­aus­ge­hen­der Schutz ge­gen Kündi­gun­gen gewährt wird. Der Fall des Ru­hens nach § 33 Abs. 2 Satz 6 TVöD ist dort nicht erwähnt.

IV. Die Kündi­gung ist nicht so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt iSd. § 1 KSchG. Sie ist

durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt, die der Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ent­ge­gen­ste­hen.

1. Als ei­ne die Ge­rich­te grundsätz­lich bin­den­de un­ter­neh­me­ri­sche Or­ga­ni 17
sa­ti­ons­ent­schei­dung, die zum Weg­fall von Ar­beitsplätzen führen und ein drin­gen­des be­trieb­li­ches Er­for­der­nis für ei­ne Kündi­gung dar­stel­len kann, ist die Ver­ga­be von bis­her im Be­trieb durch­geführ­ten Ar­bei­ten an ein an­de­res Un­ter­neh­men an­er­kannt (Se­nat 7. De­zem­ber 2006 - 2 AZR 748/05 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 88 = EzA KSchG § 1 So­zia­le Aus­wahl Nr. 74; 16. De­zem­ber 2004 - 2 AZR 66/04 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 133 = EzA KSchG § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 136).

2. Die Be­klag­te hat die städti­schen Se­nio­ren­wohn­an­la­gen und Pfle­ge-
hei­me, bei de­nen die Kläge­rin beschäftigt war, zum 1. Ja­nu­ar 2008 an die von ihr ge­gründe­te ge­meinnützi­ge GmbH über­tra­gen. Da­mit war bei Zu­gang der Kündi­gung am 16. April 2008 die bis­he­ri­ge Beschäfti­gungsmöglich­keit für die Kläge­rin be­reits seit meh­re­ren Mo­na­ten ent­fal­len.

3. Die Kündi­gung war nicht un­verhält­nismäßig.

a) Ei­ne Be­en­di­gungskündi­gung ist un­ter Be­ach­tung des in § 1 Abs. 2

Satz 2 KSchG zum Aus­druck kom­men­den Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit auch dann nicht ge­bo­ten und des­halb so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, wenn der zu kündi­gen­de Ar­beit­neh­mer an ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz in dem­sel­ben Be­trieb oder in ei­nem an­de­ren Be­trieb des Un­ter­neh­mens - ggf. zu veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen - wei­ter beschäftigt wer­den kann. In die­sem Fall ist an­stel­le ei­ner Be­en­di­gungskündi­gung ei­ne den ver­blie­be­nen Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten Rech­nung tra­gen­de Ände­rungskündi­gung aus­zu­spre­chen (vgl. nur Se­nat


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26. Ju­ni 2008 - 2 AZR 1109/06 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 180).

aa) Maßgeb­li­cher Zeit­punkt für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ein Kündi-

gungs­grund vor­liegt, ist der­je­ni­ge des Kündi­gungs­zu­gangs. Da das Feh­len ei­ner an­der­wei­ti­gen Beschäfti­gungsmöglich­keit zum Kündi­gungs­grund gehört, sind auch die in­so­weit maßgeb­li­chen Tat­sa­chen aus dem Blick­win­kel des Zeit­punkts der Kündi­gung zu be­ur­tei­len (Se­nat 25. April 2002 - 2 AZR 260/01 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 121 = EzA KSchG § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 121).

bb) Da­bei kann die Er­wei­te­rung des Blick­fel­des auf in der Ver­gan­gen­heit

lie­gen­de Umstände und auf sol­che zukünf­ti­gen Ent­wick­lun­gen ge­bo­ten sein, für die be­reits bei Kündi­gung greif­ba­re An­halts­punk­te be­ste­hen. Ei­ne Rück­schau muss ins­be­son­de­re in­so­weit statt­fin­den, als der Ar­beit­ge­ber nicht durch zweck­vol­le Be­stim­mung des Kündi­gungs­zeit­punkts auf der Hand lie­gen­de an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten außer Acht las­sen und da­durch den Kündi­gungs­grund selbst her­beiführen kann, in­dem er bei­spiels­wei­se den Kündi­gungs­zeit­punkt ver­schiebt, um zunächst freie Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten zu be­sei­ti­gen (Se­nat 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 107/07 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 178 = EzA KSchG § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 161; 15. Au­gust 2002 - 2 AZR 195/01 - BA­GE 102, 197). Ei­ne Vor­aus­schau zu Guns­ten des Ar­beit­ge­bers fin­det statt, wenn der Beschäfti­gungs­be­darf zwar bei Aus­spruch der Kündi­gung noch be­steht, aber sein Weg­fall bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist si­cher ab­seh­bar ist. Zu Guns­ten des Ar­beit­neh­mers ist ggf. zu berück­sich­ti­gen, dass er zwar nicht bei Aus­spruch der Kündi­gung, wohl aber bei Ab­lauf der Kündi­gungs­frist im sel­ben Be­trieb oder Un­ter­neh­men auf ei­nem an­de­ren frei­en Ar­beits­platz wei­ter­beschäftigt wer­den kann (Se­nat 15. De­zem­ber 1994 - 2 AZR 327/94 - AP KSchG 1969 § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 67 = EzA KSchG § 1 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung Nr. 75).

cc) Be­steht nach die­sen Grundsätzen ein Kündi­gungs­grund, so ist ei­ne

Kündi­gung so­zi­al ge­recht­fer­tigt. Vom Ar­beit­ge­ber kann dann nicht ver­langt


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wer­den, sei­nen Kündi­gungs­ent­schluss, zB weil das Ar­beits­verhält­nis ruht und ihn kaum „be­las­tet“, so lan­ge zu ver­schie­ben, bis das Ar­beits­verhält­nis nicht mehr ruht, der Kündi­gungs­grund aber - mögli­cher­wei­se - wie­der ent­fal­len ist (Se­nat 21. April 2005 - 2 AZR 241/04 - BA­GE 114, 258 für den Fall der So­zi­al­aus­wahl). Das dem Ar­beit­ge­ber ein­geräum­te Recht zum Aus­spruch der Kündi­gung bei Vor­lie­gen der in § 1 Abs. 2 KSchG nor­mier­ten Vor­aus­set­zun­gen lässt sich nicht da­durch bei­sei­te schie­ben, dass ihm, zB mit Blick auf das Ru­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses, an­ge­son­nen wird, so­lan­ge zu war­ten, bis die Gründe even­tu­ell nicht mehr vor­lie­gen. Die Ein­be­zie­hung zukünf­ti­ger Ent­wick­lun­gen ist nur für die­je­ni­gen Umstände ge­recht­fer­tigt, die aus dem Blick­win­kel des Zeit­punkts der Kündi­gung für den Ar­beit­ge­ber er­kenn­bar sind, nicht aber für sol­che, de­ren späte­rer Ein­tritt un­ge­wiss ist. An­dern­falls wäre dem Ar­beit­ge­ber die Möglich­keit ge­nom­men, ei­ne ra­tio­na­le Kündi­gungs­ent­schei­dung zu tref­fen.

b) Hier­an ge­mes­sen fehlt es im Streit­fall nicht we­gen an­der­wei­ti­ger Be-

schäfti­gungsmöglich­keit an den vom Ge­setz ver­lang­ten drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen.

aa) Bei Aus­spruch der Kündi­gung war kein frei­er Ar­beits­platz für die Kläge-

rin vor­han­den. Das hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, oh­ne dass die Kläge­rin in­so­weit ei­ne Ver­fah­rensrüge er­ho­ben hätte.

bb) Die Be­klag­te war auch nicht, wie die Kläge­rin meint, ver­pflich­tet, ab­zu-

war­ten, ob nach Ab­lauf der Frist, für die ihr Ren­te we­gen Er­werbs­min­de­rung be­wil­ligt wor­den war, ei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit entstünde. Ei­ne sol­che Möglich­keit war bei Aus­spruch der Kündi­gung nicht ab­seh­bar. Die Kläge­rin hat hier im We­sent­li­chen auf die zwei­fel­los ge­ge­be­ne Möglich­keit ver­wie­sen, dass die Pri­va­ti­sie­rung des Al­ten­pfle­ge­be­reichs von der Be­klag­ten auf­grund neu­er Über­le­gun­gen wie­der rückgängig ge­macht wer­den könn­te. Da­mit ist aber kei­ne si­cher er­kenn­ba­re zukünf­ti­ge Ein­satzmöglich­keit dar­ge­tan. Nicht ab­seh­bar war im Übri­gen auch, wie lan­ge die Er­werbs­min­de­rung vor­lie­gen und des­halb das Ar­beits­verhält­nis ru­hen würde. Wie der späte­re Ver­lauf zeigt, wur­de die ursprüng­li­che Frist um drei Jah­re verlängert. Es ist nicht aus­zu­sch­ließen, dass die


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Frist er­neut verlängert wird oder ei­ne Er­werbsfähig­keit bei der Kläge­rin gar nicht mehr ein­tritt.

cc) Es kommt auch nicht dar­auf an, wel­che wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der

Ver­zicht auf den Kündi­gungs­aus­spruch zei­ti­gen würde. Es ist nicht Vor­aus­set­zung ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung, dass ihr Un­ter­blei­ben den Ar­beit­ge­ber schädigt. Maßgeb­lich ist al­lein, ob bei ih­rem Aus­spruch die Beschäfti­gungsmöglich­keit auf Dau­er ent­fal­len ist. Dies ist hier der Fall. Dass das Ar­beits­verhält­nis sei­ner Funk­ti­on, dem Leis­tungs­aus­tausch, nicht nur man­gels Beschäfti­gungsmöglich­keit, son­dern zusätz­lich in­fol­ge des Ru­hens der ver­trag­li­chen Pflich­ten nicht mehr die­nen kann, ver­schlägt nichts. Dass ein Rechts­verhält­nis nicht nur aus ei­nem, son­dern aus meh­re­ren Gründen funk­ti­ons­los ge­wor­den ist, ist kein über­zeu­gen­des Ar­gu­ment für sei­ne Auf­recht­er­hal­tung.

V. Die Kos­ten der Re­vi­si­on fal­len nach § 97 Abs. 1 ZPO der Kläge­rin zur

Last.

Kreft Ber­ger Schmitz-Scho­le­mann

Kri­chel Pitsch

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