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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/237

Be­rech­nung ei­ner Ab­fin­dung nach So­zi­al­plan

Kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung von Teil­zeit­kräf­ten, wenn Ab­fin­dungs­for­meln auf die zu­letzt be­zo­ge­ne Ver­gü­tung ab­stel­len: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 22.09.2009, 1 AZR 316/08
Taschenrechner auf Geldscheinen Zank­ap­fel So­zi­al­plan

22.12.2009. Wer lan­ge Jah­re voll­zei­tig ge­ar­bei­tet und ent­spre­chend viel ver­dient hat, soll­te bei ei­ner Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung be­den­ken, dass im Fall ei­ner Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses Ab­fin­dun­gen in der Re­gel nur nach dem zu­letzt be­zo­ge­nen Ge­halt be­rech­net wer­den.

Wird die Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung nach ei­ner El­tern­zeit ver­ein­bart, sind von ei­ner sol­chen Schlech­ter­stel­lung in den meis­ten Fäl­len Frau­en be­trof­fen, die Teil­zeit wün­schen, um Be­ruf und Kin­der­be­treu­ung mit­ein­an­der ver­ein­ba­ren zu kön­nen.

Trotz die­ser über­wie­gend Frau­en tref­fen­den fi­nan­zi­el­len Be­nach­tei­li­gung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) vor kur­zem ent­schie­den, dass Ar­beit­neh­mer nach ei­nem Wech­sel von Voll­zeit in Teil­zeit nur ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch auf der Grund­la­ge des zu­letzt er­hal­te­nen (Teil­zeit-) Ge­hal­tes ha­ben: BAG, Ur­teil vom 22.09.2009, 1 AZR 316/08.

Aus­wir­kun­gen der Ar­beits­dau­er auf die Ab­fin­dungs­be­rech­nung

Zahlt der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Ab­fin­dung, legt er nor­ma­ler­wei­se das zu­letzt be­zo­ge­ne Brut­to­mo­nats­ge­halt zu­grun­de so­wie die in Jah­ren ge­mes­se­ne Dau­er der Beschäfti­gung, wo­bei die Höhe der Ab­fin­dung dann im we­sent­li­chen vom "Fak­tor" abhängt, d.h. da­von, in wel­chem Um­fang das zu­letzt be­zo­ge­ne Mo­nats­ge­halt bei der Ab­fin­dungs­be­rech­nung zu­grun­de ge­legt wird.

Am häufigs­ten wird es mit dem Fak­tor 0,5 mul­ti­pli­ziert, d.h. das Mo­nats­ge­halt wird nur zur Hälf­te berück­sich­tigt. Wird das Mo­nats­ge­halt mit mehr als 0,5 Gehälter pro Beschäfti­gungs­jahr in An­satz ge­bracht, d.h. mit 0,75 oder gar mit 1,0, braucht sich der Ar­beit­neh­mer bei lan­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit über die Höhe der Ab­fin­dung meist nicht zu be­kla­gen, da dann rasch er­heb­li­che Sum­men zu­sam­men­kom­men.

An­ders ist es aber dann, wenn der gekündig­te und da­her mit ei­ner Ab­fin­dung be­dach­te Ar­beit­neh­mer lan­ge Jah­re voll­zei­tig tätig war, dann aber von Voll­zeit in Teil­zeit ge­wech­selt ist. Dann ist sein Brut­to­mo­nats­ge­halt teil­zeit­be­dingt nicht mehr das, was es ein­mal war, und die Ab­fin­dung fällt dem­ent­spre­chend ma­ger aus, je­den­falls aus Sicht des Ar­beit­neh­mers.

In die­se "Teil­zeit­fal­le" tap­pen natürlich oft El­tern klei­ner Kin­der. Ver­liert ei­ne frisch­ge­ba­cke­ne Teil­zeit­kraft dann ihr Ar­beits­verhält­nis und erhält ei­ne auf Ba­sis der Teil­zeit­vergütung be­rech­ne­te Ab­fin­dung, ist die Enttäuschung oft groß, d.h. der Ar­beit­neh­mer sieht in ei­ner so be­rech­ne­ten Ab­fin­dung kei­ne an­ge­mes­se­ne Kom­pen­sa­ti­on sei­ner für den Ar­beit­ge­ber er­brach­ten "Ge­samt­leis­tung".

Wird die Ab­fin­dung nicht frei aus­ge­han­delt, son­dern kann der Ar­beit­neh­mer sie auf­grund ei­nes So­zi­al­plans be­an­spru­chen, fragt sich, ob ei­ne auf die Höhe der zu­letzt be­zo­ge­nen mo­nat­li­chen Vergütung ab­stel­len­de Ab­fin­dungs­for­mel nicht zwin­gend ei­ne Aus­nah­me­re­ge­lung zu­guns­ten von teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern ent­hal­ten muss, wenn die­se ihr zu­vor voll­zei­ti­ges Ar­beits­verhält­nis aus fa­mi­liären Gründen in ein Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis um­ge­wan­delt ha­ben.

Mögli­cher­wei­se verstößt der So­zi­al­plan bzw. die Ab­fin­dungs­be­rech­nung an­sons­ten ge­gen das in § 4 Abs.1 Satz 1 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ver­an­ker­te Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung teil­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer. Zu die­ser Fra­ge hat das BAG in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung Stel­lung ge­nom­men (BAG, Ur­teil vom 22.09.2009, 1 AZR 316/08).

Der Fall des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes: Nach El­tern­zeit nur noch in Teil­zeit beschäftig­ter Kläge­rin wird Ab­fin­dung nach So­zi­al­plan nur noch auf Ba­sis des letz­ten Ge­hal­tes ge­zahlt

Die kla­gen­de Ar­beit­neh­me­rin war 1966 ge­bo­ren und bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber seit 1987 beschäftigt. Nach­dem sie zunächst lan­ge Jah­re voll­zei­tig ge­ar­bei­tet hat­te, re­du­zier­te sie ih­re Ar­beits­zeit nach ei­ner El­tern­zeit ab 2002 auf nur noch 7,6 St­un­den pro Wo­che. Auf die­ser Grund­la­ge be­trug ihr Mo­nats­ge­halt zu­letzt 676,45 EUR brut­to.

Ar­beit­ge­ber und Ge­samt­be­triebs­rat ver­ein­bar­ten 2006 ei­nen So­zi­al­plan mit Ab­fin­dungs­re­ge­lung. Da­nach be­rech­ne­te sich die Ab­fin­dung, die Ar­beit­neh­mer im Fal­le be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen er­hal­ten soll­ten, im Re­gel­fall auf der Grund­la­ge der zu­letzt er­hal­te­nen vol­len Brut­to­mo­nats­vergütung (ein­sch­ließlich Zu­la­gen).

Um ei­ner kurz vor dem Aus­schei­den ein­ge­tre­te­nen we­sent­li­chen Ände­run­gen der Ar­beits­zeit und der Vergütung Rech­nung zu tra­gen, ent­hielt der So­zi­al­plan fol­gen­de Son­der­re­ge­lung: Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­zeit sich in den letz­ten zwei Jah­ren vor Ab­schluss des So­zi­al­plans um mehr als 25 % ver­rin­gert oder erhöht hat­te, konn­ten ei­ne Ab­fin­dung be­an­spru­chen, die sich auf Ba­sis ih­res durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­gra­des während der ge­sam­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit er­rech­ne­te.

Die Kläge­rin hat­te al­ler­dings Pech, da ih­re Ar­beits­zeit be­reits vor dem im So­zi­al­plan fest­ge­leg­ten Stich­tag ver­rin­gert wor­den war. Sie er­hielt da­her in­fol­ge ei­ner zum 30.09.2006 aus­ge­spro­che­nen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung auf Ba­sis der So­zi­al­plan­re­ge­lun­gen ei­ne Ab­fin­dung von "nur" 20.058,49 EUR brut­to.

Mit die­ser auf Ba­sis ih­res Teil­zeit­ge­hal­tes be­rech­ne­ten Ab­fin­dung woll­te sich die Ar­beit­neh­me­rin nicht zu­frie­den ge­ben und zog vor das Ar­beits­ge­richt: Sie klag­te auf Zah­lung wei­te­rer 46.970,01 EUR brut­to, und zwar mit der Be­gründung, dass die­se wei­te­re Ab­fin­dung ihr zu­ste­hen würde, wenn man ih­ren persönli­chen durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad während ih­res ge­sam­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zu­grun­de le­gen würde.

Die Kla­ge wur­de vom Ar­beits­ge­richt ab­ge­wie­sen und hat­te auch in der Be­ru­fung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln kei­nen Er­folg (Ur­teil vom 22.01.2008, 9 Sa 1116/07). Hier­ge­gen ging die Kläge­rin in Re­vi­si­on zum BAG.

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Ab­fin­dung kom­pen­siert fi­nan­zi­el­le Ein­bußen durch Ver­lust des Ar­beits­plat­zes – letz­tes Ge­halt als Maßstab des­halb ak­zep­ta­bel

Auch das BAG hielt die Kla­ge für un­be­gründet, die da­mit in drei In­stan­zen kei­nen Er­folg hat­te.

Im Er­geb­nis verstößt die strei­ti­ge Ab­fin­dungs­for­mel nach An­sicht des BAG we­der ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz noch ge­gen das ge­setz­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung von Teil­zeit­beschäftig­ten (§ 4 Abs.1 Satz 1 Tz­B­fG). Auch der grund­ge­setz­li­che Schutz von Ehe und Fa­mi­lie (Art. 6 Grund­ge­setz - GG) wird laut BAG nicht ver­letzt.

Hin­ter die­sem Er­geb­nis steht die zen­tra­le Über­le­gung, dass ei­ne Ab­fin­dung ge­ra­de nicht die be­reits er­brach­te Ar­beits­leis­tung noch­mals vergüten soll, da dies ja auf ei­ne zwei­fa­che Be­zah­lung hin­aus­lie­fe. Viel­mehr ist ei­ne Ab­fin­dung rein zu­kunfts­be­zo­gen zu se­hen, d.h. sie soll ein Aus­gleich für künf­ti­ge, in­fol­ge des Ar­beits­platz­ver­lus­tes dro­hen­de Ein­bußen sein.

Und der fi­nan­zi­el­le Aus­fall, den ei­ne Teil­zeit­kraft in­fol­ge des Ar­beits­platz­ver­lus­tes er­lei­det, ist nun ein­mal ge­rin­ger als der Aus­fall ei­ner Voll­zeit­kraft. Je­den­falls gilt dies, so ei­ne der Über­le­gun­gen des BAG, wenn sich die Teil­zeit­si­tua­ti­on be­reits ver­fes­tigt hat, d.h. wenn der Ar­beit­neh­mer seit länge­rem be­reits in Teil­zeit ar­bei­tet.

So rich­tig die­se all­ge­mei­nen Über­le­gun­gen auch sind: In dem Son­der­fall ei­ner Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung aus Gründen der Kin­der­be­treu­ung ist dies ein we­nig fragwürdig, da es hier nicht nur um die Fra­ge ei­ner mögli­chen Dis­kri­mi­nie­rung von Teil­zeit­beschäftig­ten geht, son­dern auch und vor al­lem um die Ge­fahr ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung weib­li­cher Beschäftig­ter.

Im­mer­hin hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) vor kur­zem für den Fall ei­ner el­tern­zeit­be­ding­ten Ar­beits­zeit­verkürzung ent­schie­den, dass ei­ne Kündi­gung während der El­tern­zeit nicht da­zu führen darf, dass die dem gekündig­ten Ar­beit­neh­mer ge­zahl­te Ent­las­sungs­entschädi­gung le­dig­lich auf Ba­sis des el­tern­zeit­be­dingt ver­rin­ger­ten Ge­hal­tes be­rech­net wird (EuGH, Ur­teil vom 22.10.2009, Rs. C-116/08 - Chris­tel Meerts).

Fa­zit: Ar­beits­zeit­re­du­zie­run­gen und die mit ihr ver­bun­de­nen Ge­halts­re­du­zie­run­gen können von Rechts we­gen ge­rin­ge­re Ab­fin­dungs­zah­lun­gen zur Fol­ge ha­ben. Dies gilt, so je­den­falls das BAG, auch dann, wenn ei­ne ihr Kind be­treu­en­de, ehe­mals voll­zei­tig täti­ge Ar­beit­neh­me­rin die Dum­me ist und wenn es um ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dungs­for­mel geht.

Al­ler­dings soll­ten Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat vor­sich­tig sein und Über­g­angs­re­ge­lun­gen wie im hier ent­schie­de­nen Fall ver­ein­ba­ren, um zu ver­hin­dern, dass ei­ne kurz vor Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­gon­ne­ne Teil­zeit oh­ne Ein­schränkun­gen Ab­fin­dungs­ansprüche "ab­ra­siert".

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Letzte Überarbeitung: 2. November 2020

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