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BAG, Ur­teil vom 10.11.2011, 6 AZR 148/09

   
Schlagworte: Diskriminierung: Alter, BAT, Lebensaltersstufen
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 148/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.11.2011
   
Leitsätze:

1. Die in § 27 Abschn. A BAT angeordnete Bemessung der Grundvergütungen in den Vergütungsgruppen des BAT nach Lebensaltersstufen verstieß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und bewirkte außerhalb der Überleitung in den TV-L nach dem TVÜ-Länder die Unwirksamkeit der Stufenzuordnung, soweit Angestellte nicht der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe zugeordnet waren.

2. Die Anwendung des BAT durch das Land Berlin bis zum 31. März 2010 führt dazu, dass grundsätzlich allen Angestellten des Landes Berlin bis zu diesem Zeitpunkt das Grundgehalt der höchsten Lebensaltersstufe ihrer Vergütungsgruppe zusteht, sofern sie ihre weitergehenden Vergütungsansprüche innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist formgerecht geltend gemacht haben.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.08.2007, 86 Ca 1696/07, Urteil
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.09.2008, 20 Sa 2244/07
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 08.09.2011, Rs. C-297/10 und C-298/10, "Mai" und „Hennigs“
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


6 AZR 148/09
20 Sa 2244/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
10. No­vem­ber 2011

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

be­klag­tes, be­ru­fungs­be­klag­tes und re­vi­si­ons­kla­gen­des Land,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10. No­vem­ber 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Lauth und Jos­tes für Recht er­kannt:


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1. Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 11. Sep­tem­ber 2008 - 20 Sa 2244/07 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Das be­klag­te Land hat die Kos­ten der Re­vi­si­on ein­sch­ließlich des Zwi­schen­streits vor dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, wel­che Le­bens­al­ters­stu­fe der Be­rech­nung der ta­rif­li­chen Vergütung des Klägers zu­grun­de zu le­gen ist.

Der 1967 ge­bo­re­ne Kläger war vom 16. März 1998 bis zum 31. März 2009 beim be­klag­ten Land als An­ge­stell­ter beschäftigt. Im Ar­beits­ver­trag war ver­ein­bart, dass auf das Ar­beits­verhält­nis die für das be­klag­te Land gel­ten­den Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den. Am 31. Ju­li 2003 schloss das be­klag­te Land mit meh­re­ren Ge­werk­schaf­ten den Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung von Ta­rif­verträgen des öffent­li­chen Diens­tes (An­wen­dungs-TV). Die­ser Ta­rif­ver­trag re­gelt ua., dass sich die Ar­beits­verhält­nis­se der beim be­klag­ten Land beschäftig­ten An­ge­stell­ten mit be­stimm­ten Maßga­ben nach den Vor­schrif­ten des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trags (BAT) vom 23. Fe­bru­ar 1961 in der Fas­sung vom 31. Ja­nu­ar 2003 und den An­la­gen zum Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT für den Be­reich des Bun­des und für den Be­reich der Ta­rif­ge­mein­schaft deut­scher Länder (TdL) vom 31. Ja­nu­ar 2003 rich­ten.

Das be­klag­te Land hat mit den ver­schie­de­nen Ge­werk­schaf­ten ver.di, GEW, GdP und IG Bau am 12. März 2010 ei­ne Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen. In Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 die­ser Ver­ein­ba­rung ist ge­re­gelt, dass grundsätz­lich das Ta­rif­recht der TdL in dy­na­mi­scher Form mit Wir­kung zum 1. April 2010 über­nom­men wird.

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In Nr. 8 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung heißt es: 

„8. Es be­steht Ein­ver­neh­men, dass die Über­lei­tung in den TV-L ent­spre­chend der nach dem BAT/BAT-O maßgeb­li­chen Le­bens­al­ters­stu­fe, die im Ein­zel­fall er­reicht war, er­folgt. Der Schutz die­ses be­ste­hen­den, auf den bis­he­ri­gen in­di­vi­du­el­len Le­bens­al­ters­stu­fen ba­sie­ren­den Be­sitz­stan­des wird durch die An­knüpfung der Über­lei­tungs­re­ge­lun­gen an das Ver­gleichs­ent­gelt gem. § 5 TVÜ-Länder ge­re­gelt. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind sich - un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me auf das lau­fen­de Re­vi­si­ons­ver­fah­ren vor dem BAG - 6 AZR 148/09 - darüber ei­nig, kol­lek­tiv ei­ne ver­bind­li­che Re­ge­lung für das Über­lei­tungs- und Über­g­angs­recht zu tref­fen.


Et­wai­ge Rechts­fol­gen, die ggf. bis zum 31.03.2010 aus der Recht­spre­chung zu zie­hen wären, wer­den von den Über­lei­tungs­re­ge­lun­gen nicht be­trof­fen und blei­ben un­berührt.“


Der Kläger hat mit sei­ner dem be­klag­ten Land am 8. Fe­bru­ar 2007 zu­ge­stell­ten Kla­ge vom 25. Ja­nu­ar 2007 ua. ver­langt, dass er ab dem 1. Sep­tem­ber 2006 in die Vergütungs­grup­pe I a BAT, Le­bens­al­ters­stu­fe 47, ein­ge­ord­net wird. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Staf­fe­lung der Grund­vergütung nach Le­bens­al­ters­stu­fen stel­le ei­ne nicht zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters dar.

Der Kläger hat, so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von Be­deu­tung, vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt be­an­tragt fest­zu­stel­len,

dass das be­klag­te Land ver­pflich­tet ist, ihn ab dem 1. Sep­tem­ber 2006 gemäß der Vergütungs­grup­pe I a BAT in Ver­bin­dung mit dem Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung von Ta­rif­verträgen des öffent­li­chen Diens­tes (An­wen­dungs-Ta­rif­ver­trag Land Ber­lin vom 21. Ju­ni 2003) ent­spre­chend der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 zu vergüten.

Das be­klag­te Land hat zu sei­nem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen stel­le kei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen des Al­ters dar. Die Grund­vergütung knüpfe nicht in ers­ter Li­nie an das Le­bens­al­ter, son­dern an die Be­rufs­er­fah­rung an. Ei­ne et­wai­ge
 

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Be­nach­tei­li­gung sei des­halb je­den­falls ge­recht­fer­tigt. Selbst wenn ei­ne nicht­ge­recht­fer­tig­te Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters an­zu­neh­men wäre, müss­te ihm je­den­falls Ver­trau­ens­schutz gewährt wer­den. Es dürfe kei­ne An­pas­sung „nach oben“ er­fol­gen und dem Kläger nicht das End­grund­ge­halt sei­ner Vergütungs­grup­pe zu­ge­spro­chen wer­den. Ei­ne Zah­lung des je­wei­li­gen End­grund­ge­halts an al­le bei ihm beschäftig­ten An­ge­stell­ten (An­pas­sung „nach oben“) würde oh­ne Berück­sich­ti­gung der Zu­schuss­empfänger ein­sch­ließlich der Lohn­ne­ben­kos­ten zu Mehr­kos­ten von jähr­lich ca. 28 Mil­lio­nen Eu­ro führen. Bei ei­nem Vergütungs­auf­wand für die An­ge­stell­ten im un­mit­tel­ba­ren Ber­li­ner Lan­des­dienst von jähr­lich 1,566 Mil­li­ar­den Eu­ro mach­ten die Mehr­kos­ten da­mit ca. 1,8 vH aus. Es lie­ge auf der Hand, dass ei­ne „Ta­rif­loh­nerhöhung“ die­ses Aus­maßes ei­nen ekla­tan­ten Ein­griff in die Ta­rif­au­to­no­mie dar­stel­len würde.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf die Be­ru­fung des Klägers das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts teil­wei­se ab­geändert und der Kla­ge statt­ge­ge­ben, so­weit der Kläger die Ver­pflich­tung des be­klag­ten Lan­des fest­ge­stellt ha­ben woll­te, ihn nach Maßga­be des An­wen­dungs-TV un­ter Zu­grun­de­le­gung der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 der Vergütungs­grup­pe I a BAT zu vergüten. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt das be­klag­te Land die Wie­der­her­stel­lung der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung. Der Kläger be­an­tragt, die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des zurück­zu­wei­sen. Der Se­nat hat mit Be­schluss vom 20. Mai 2010 - 6 AZR 148/09 (A) - das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on gemäß Art. 267 AEUV fol­gen­de Fra­ge vor­ge­legt:


Verstößt ei­ne ta­rif­li­che Ent­gelt­re­ge­lung für die An­ge­stell­ten im öffent­li­chen Dienst, die wie § 27 Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) in Ver­bin­dung mit dem Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT die Grund­vergütun­gen in den ein­zel­nen Vergütungs­grup­pen nach Le­bens­al­ters­stu­fen be­misst, auch un­ter Berück­sich­ti­gung des primärrecht­lich gewähr­leis­te­ten Rechts der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auf Kol­lek­tiv­ver­hand­lun­gen (jetzt Art. 28 GRC) ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in sei­ner Kon­kre­ti­sie­rung durch die Richt­li­nie 2000/78/EG?


Nach der Ent­schei­dung der Zwei­ten Kam­mer des Ge­richts­hofs der 


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Eu­ropäischen Uni­on vom 8. Sep­tem­ber 2011 (- C-298/10 -) über die Vor­la­ge-fra­ge ha­ben die Par­tei­en in der Re­vi­si­ons­ver­hand­lung am 10. No­vem­ber 2011 die Haupt­sa­che hin­sicht­lich des noch streit­be­fan­ge­nen Fest­stel­lungs­an­trags für er­le­digt erklärt, so­weit sich der An­trag auf die Zeit nach dem 31. März 2009 er­streck­te.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben. Dem Kläger steht für die Mo­na­te Sep­tem­ber 2006 bis März 2009 die be­an­spruch­te Vergütung nach der Vergütungs­grup­pe I a BAT un­ter Zu­grun­de­le­gung der Le­bens­al­ters­stu­fe 47 nach Maßga­be des An­wen­dungs-TV zu.


I. Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig. Trotz des Ver­gan­gen­heits­be­zugs der Fest­stel­lungs­kla­ge liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO er­for­der­li­che Fest­stel­lungs­in­ter­es­se vor. Der ver­lang­te Ge­gen­warts­be­zug wird da­durch her­ge­stellt, dass der Kläger die Erfüllung kon­kre­ter Vergütungs­ansprüche aus ei­nem in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Zeit­raum und da­mit ei­nen ge­genwärti­gen recht­li­chen Vor­teil er­strebt. Das an­ge­streb­te Fest­stel­lungs­ur­teil ist ge­eig­net, den Kon­flikt der Par­tei­en endgültig bei­zu­le­gen und wei­te­re Pro­zes­se zwi­schen ih­nen zu ver­mei­den. Es kann vom be­klag­ten Land als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts er­war­tet wer­den, dass es ei­nem statt­ge­ben­den Fest­stel­lungs­ur­teil nach­kom­men wird und dem Kläger die End­grund­vergütung sei­ner Vergütungs­grup­pe zahlt (vgl. BAG 21. Ja­nu­ar 2010 - 6 AZR 449/09 - Rn. 14 mwN, AP BGB § 611 Dienst­ord­nungs-An­ge­stell­te Nr. 78 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dienst­ord­nungs-An­ge­stell­te Nr. 3).


II. Das be­klag­te Land ist auf­grund der Ver­ein­ba­rung im Ar­beits­ver­trag, wo­nach auf das Ar­beits­verhält­nis die für das be­klag­te Land gel­ten­den Ta­rif­verträge An­wen­dung fin­den, ver­pflich­tet, dem Kläger für die Mo­na­te Sep­tem­ber 2006 bis März 2009 Vergütung gemäß der Vergütungs­grup­pe I a BAT, Le­bens­al­ters­stu­fe 47, nach Maßga­be des An­wen­dungs-TV zu zah­len. Nur so kann die Dis­kri­mi­nie­rung des Klägers be­sei­tigt wer­den.


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1. Mit der Ent­schei­dung der Zwei­ten Kam­mer des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on vom 8. Sep­tem­ber 2011 (- C-297/10 und C-298/10 - NZA 2011, 1100) über die Vor­la­ge­fra­ge des Se­nats ist geklärt, dass die in § 27 Ab­schn. A BAT an­ge­ord­ne­te Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters, das in Art. 21 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on (GRC) vom 12. De­zem­ber 2007 ver­an­kert und durch die Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (RL 2000/78) kon­kre­ti­siert wor­den ist, verstößt und ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters im Sin­ne von Art. 2 RL 2000/78 dar­stellt, die nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 ge­recht­fer­tigt ist. Da­mit ist nur noch darüber zu ent­schei­den, auf wel­che Art und Wei­se der Ver­s­toß ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot zu be­sei­ti­gen ist.


2. Dem Kläger steht auf­grund der Un­wirk­sam­keit der in § 27 Ab­schn. A BAT an­ge­ord­ne­ten Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen nicht nur in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 612 Abs. 2 BGB die übli­che Vergütung zu (Hens­s­ler/Till­manns FS Rolf Birk S. 179, 193; Mei­nel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c). Bei ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me auf ein un­wirk­sa­mes ta­rif­li­ches Vergütungs­sys­tem kommt zwar in Be­tracht, in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 612 Abs. 2 BGB auf die übli­che Vergütung ab­zu­stel­len (vgl. Beh­rendt/Gau­mann/Lie­ber­mann ZTR 2009, 614, 620 f.). Be­trifft die Nich­tig­keit al­lein die Vergütungs­ver­ein­ba­rung, fin­giert § 612 Abs. 1 BGB die Vergütungs­ver­ein­ba­rung, während sich die Höhe der Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB be­stimmt (Münch­KommBGB/Müller-Glöge 5. Aufl. § 612 Rn. 7). Je­doch würde da­durch, dass dem Kläger die übli­che Vergütung ge­zahlt wird, die Dis­kri­mi­nie­rung des Klägers we­gen sei­nes Al­ters nicht be­sei­tigt. Die Dis­kri­mi­nie­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers we­gen sei­nes Al­ters wird noch nicht da­durch auf­ge­ho­ben, dass ihm die übli­che Vergütung ge­zahlt wird. Die­se könn­te so­gar nied­ri­ger sein als das Ar­beits­ent­gelt, das der auf­grund sei­nes Al­ters dis­kri­mi­nier­te Ar­beit­neh­mer bis­her er­hal­ten hat. Zur Be­sei­ti­gung der Be­nach­tei­li­gung ist viel­mehr er­for­der-


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lich, dass der Ar­beit­neh­mer die Vergütung erhält, die sein Ar­beit­ge­ber den nicht we­gen ih­res Al­ters dis­kri­mi­nier­ten Ar­beit­neh­mern ge­zahlt hat.

3. Al­ler­dings ist dem be­klag­ten Land ein­zuräum­en, dass mit dem Ur­teil der Zwei­ten Kam­mer des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on vom 8. Sep­tem­ber 2011 in den ver­bun­de­nen Rechts­sa­chen - C-297/10 und C-298/10 - (NZA 2011, 1100) nur geklärt ist, dass die in § 27 Ab­schn. A BAT an­ge­ord­ne­te Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen un­wirk­sam ist, je­doch noch nicht ent­schie­den ist, ob der Ver­s­toß ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters nur durch ei­ne An­pas­sung „nach oben“ oder auch auf an­de­re Art und Wei­se be­sei­tigt wer­den kann.

a) Wenn­gleich über­wie­gend bei ei­nem Ver­s­toß ei­nes ta­rif­ver­trag­li­chen Vergütungs­sys­tems ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters ei­ne An­pas­sung „nach oben“ befürwor­tet wird und die­se An­pas­sung auch der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik ent­spricht (vgl. Hens­s­ler/Till­manns FS Rolf Birk S. 179, 187; Mei­nel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG/Schleu­se­ner 3. Aufl. § 7 Rn. 52 mwN), be­steht doch kei­ne völli­ge Ei­nig­keit, wie der Ver­s­toß des Vergütungs­sys­tems des BAT ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot zu be­he­ben ist. Dies ist der Be­son­der­heit ge­schul­det, dass nicht ein­zel­ne Ar­beit­neh­mer oder Ar­beit­neh­mer­grup­pen von ei­ner Leis­tung des Ar­beit­ge­bers aus­ge­nom­men und da­durch be­nach­tei­ligt wer­den, son­dern ein ta­rif­li­ches Vergütungs­sys­tem ins­ge­samt gemäß § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam ist und dies zu ei­nem Re­ge­lungs­va­ku­um führt (vgl. Lin­ge­mann/Go­tham NZA 2007, 663, 667; Ka­man­ab­rou ZfA 2006, 327, 333).

aa) So wird im Schrift­tum die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Dog­ma ei­ner ge­ne­rel­len An­pas­sung „nach oben“ hätte ab­sur­de prak­ti­sche Kon­se­quen­zen (Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 29). Auch soll das An­fangs­grund­ge­halt in den Vergütungs­grup­pen des BAT die Re­gel­leis­tung sein, von der Stu­fe für Stu­fe gleich­heits­wid­ri­ge Aus­nah­men vor­ge­se­hen wer­den (Kreb­ber Eu­ZA 2009, 200, 213). Dies soll zur Fol­ge ha­ben, dass sich der An­spruch al­ler


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An­ge­stell­ten auf die­se Re­gel­leis­tung be­schränkt, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht in­ner­halb ei­ner ih­nen ein­zuräum­en­den Über­g­angs­frist die dis­kri­mi­nie­ren­den Re­ge­lun­gen er­set­zen.


bb) Die An­nah­me, die An­fangs­grund­vergütung sei die Re­gel­leis­tung, über­zeugt je­doch nicht. Die Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen ist nach § 27 Ab­schn. A Abs. 1 BAT die Re­gel. Die höhe­ren Grund­vergütun­gen wer­den nicht nur „aus­nahms­wei­se“ ge­zahlt. Viel­mehr ist dies bei der An­fangs­grund­vergütung der Fall. Im Übri­gen wird An­ge­stell­ten nie die An­fangs­grund­vergütung ge­zahlt, wenn sie bei ih­rer Ein­stel­lung be­reits das 23. bzw. 25. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben. Hin­zu kommt, dass nach Art. 16 Buchst. b RL 2000/78 die ver­bots­wid­ri­gen Re­ge­lun­gen ent­we­der für nich­tig erklärt wer­den müssen oder erklärt wer­den können oder si­cher­ge­stellt wer­den muss, dass sie geändert wer­den. Hätten al­le An­ge­stell­ten nur An­spruch auf die An­fangs­grund­vergütung ih­rer Vergütungs­grup­pe, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en kei­ne dis­kri­mi­nie­rungs­freie Re­ge­lung tref­fen, fehl­te es an ei­ner Sank­ti­on, die ei­nen tatsächli­chen und wirk­sa­men Rechts­schutz gewährt und ab­schre­cken­de Wir­kung hat (vgl. Ka­man­ab­rou ZfA 2006, 327, 330; Hens­s­ler/Till­manns FS Rolf Birk S. 179, 191).


b) Die Un­gleich­be­hand­lung kann nur durch ei­ne An­pas­sung „nach oben“ be­sei­tigt wer­den.


aa) Stellt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ei­nen Gleich­heits­ver­s­toß fest, hat der Ge­setz­ge­ber in der Re­gel meh­re­re Möglich­kei­ten, die­sen zu be­he­ben. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt überlässt ihm aus kom­pe­tenz­recht­li­chen Gründen des­halb grundsätz­lich die Ent­schei­dung, in wel­cher Wei­se er den An­for­de­run­gen des Gleich­heits­sat­zes genügen will, sieht re­gelmäßig vom Nich­tig­keits­aus­spruch ab und be­schränkt sich auf ei­ne Un­ver­ein­bar­keits­erklärung (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 52). Bei gleich­heits­wid­ri­gen Ta­rif­verträgen ha­ben die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen zwar die Ver­wer­fungs­kom­pe­tenz, auch hier stellt sich je­doch die Fra­ge, ob die Ent­schei­dung, auf wel­che Art und Wei­se die Be­nach­tei­li­gung be­sei­tigt wird, auf­grund der Gewähr­leis­tung der Ta­rif­au­to­no­mie des Art. 9 Abs. 3 GG den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ob­liegt oder ob die


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Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen ei­ne An­pas­sung „nach oben“ vor­neh­men dürfen, in­dem sie die für die Bes­ser­ge­stell­ten gel­ten­den Ta­rif­be­stim­mun­gen auf die Be­nach­tei­lig­ten er­stre­cken (Wie­de­mann/Pe­ters RdA 1997, 100, 107). Ei­ne An­pas­sung „nach oben“ für die Ver­gan­gen­heit ist bis­her grundsätz­lich nur bei Nich­tig­keit ei­ner Aus­nah­me­re­ge­lung er­folgt, wenn nach dem Re­ge­lungs­tat­be­stand un­ter Berück­sich­ti­gung der Zu­satz­be­las­tung des Ar­beit­ge­bers an­zu­neh­men war, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Re­ge­lung auch mit er­wei­ter­tem An­wen­dungs­be­reich ge­trof­fen hätten (vgl. BAG 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BA­GE 79, 236), oder die Be­nach­tei­li­gung für die Ver­gan­gen­heit nur durch ei­ne An­pas­sung „nach oben“ be­sei­tigt wer­den konn­te (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 43, AP GG Art. 3 Nr. 322 = EzTöD 320 TVÜ-VKA § 5 Abs. 2 Orts­zu­schlag Nr. 20; 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 54, BA­GE 133, 354; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dis­kri­mi­nie­rung se­xu­el­le Ori­en­tie­rung Nr. 1; 18. De­zem­ber 2008 - 6 AZR 287/07 - Rn. 37, BA­GE 129, 93; 13. No­vem­ber 1985 - 4 AZR 234/84 - BA­GE 50, 137). Im Ur­teil vom 28. Mai 1996 (- 3 AZR 752/95 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Me­tall­in­dus­trie Nr. 143 = EzA GG Art. 3 Nr. 55) hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts an­ge­nom­men, dass die be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer für zurück­lie­gen­de Zei­ten ei­nen An­spruch auf den ih­nen vor­ent­hal­te­nen Zu­schuss ha­ben, wenn der Ar­beit­ge­ber nicht si­cher­ge­stellt hat, dass sei­ne Rück­for­de­rungs­ansprüche ge­gen die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, de­nen er den Zu­schuss gewährt hat, nicht ver­fal­len und wenn ihm be­wusst war, dass die Zu­schuss­re­ge­lung mögli­cher­wei­se ins­ge­samt un­wirk­sam ist.


bb) Für die Zeit bis zum 31. März 2010 ist ei­ne An­glei­chung „nach oben“ schon des­halb ge­recht­fer­tigt, weil der An­spruch auf ein höhe­res Grund­ge­halt den älte­ren An­ge­stell­ten nicht rück­wir­kend ent­zo­gen wer­den kann, so dass nur die­se Möglich­keit be­steht (vgl. Wank FS Wißmann S. 599, 617; Kitt-ner/Däubler/Zwan­zi­ger/Zwan­zi­ger KSchR 8. Aufl. Art. 3 GG Rn. 35).


(1) Das be­klag­te Land wäre be­reits auf­grund der ta­rif­li­chen sechs­mo­na­ti­gen Aus­schluss­frist des § 70 BAT bzw. des § 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L ge­hin­dert, be­reits ver­fal­le­ne Ge­haltsrück­for­de­rungs­ansprüche ge­genüber älte­ren An­ge­stell­ten mit Er­folg gel­tend zu ma­chen.

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(2) Auch so­weit die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist nicht ent­ge­gen­steht, muss die Be­sei­ti­gung von in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den Fol­gen der Be­nach­tei­li­gung das Ver­trau­en der älte­ren An­ge­stell­ten auf die Wirk­sam­keit des Vergütungs­sys­tems des BAT schützen (Schlach­ter FS Schaub S. 651, 662). Die Nor­mun­ter­wor­fe­nen und da­mit auch die älte­ren An­ge­stell­ten dürfen grundsätz­lich auf den Fort­be­stand der ta­rif­li­chen Ord­nung ver­trau­en. Nur so kann der Ta­rif­ver­trag sei­ner Auf­ga­be ge­recht wer­den und den In­di­vi­dual­par­tei­en bei­der­seits Pla­nungs­si­cher­heit gewähren (Däubler/Dei­nert TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 35). In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist des­halb an­er­kannt, dass die Ge­stal­tungs­frei­heit der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur rück­wir­ken­den Ände­rung ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen durch den Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes der Nor­mun­ter­wor­fe­nen be­grenzt ist (BAG 23. No­vem­ber 1994 - 4 AZR 879/93 - BA­GE 78, 309; 18. März 2010 - 6 AZR 434/07 - Rn. 58, AP GG Art. 3 Nr. 321 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Dis­kri­mi­nie­rung se­xu­el­le Ori­en­tie­rung Nr. 1). Je­den­falls vor Be­kannt­wer­den des Vor­la­ge­be­schlus­ses des Se­nats muss­ten älte­re An­ge­stell­te nicht da­von aus­ge­hen, dass ih­re Grund­vergütung rück­wir­kend neu be­rech­net wird und sie ei­ne nied­ri­ge­re Vergütung er­hal­ten. Des­halb hilft dem be­klag­ten Land auch sein Hin­weis nicht wei­ter, die nachträgli­che Re­ge­lungslücke sei im Rah­men ei­ner ergänzen­den Aus­le­gung in An­leh­nung an die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen im TV-L und TVöD durch ei­ne pau­scha­lier­te Berück­sich­ti­gung der Be­rufs­er­fah­rung in Form von Dienst­al­ters­stu­fen zu schließen.


cc) Ent­schei­dend kommt hin­zu, dass das be­klag­te Land und die Ge­werk­schaf­ten ver.di, GEW, GdP und IG Bau we­der für die Zeit vor dem 1. April 2010 ei­ne vom Vergütungs­sys­tem des BAT ab­wei­chen­de, dem Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ge­recht wer­den­de Re­ge­lung rück­wir­kend ge­trof­fen ha­ben noch be­reit sind, ei­ne sol­che rück­wir­ken­de Er­satz­re­ge­lung zu ver­ein­ba­ren.


(1) In Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 ist ge­re­gelt, dass das Vergütungs­sys­tem des BAT er­setzt wird und grundsätz­lich das Ta­rif­recht der an­de­ren Länder in dy­na­mi­scher Form mit Wir­kung ab dem 1. April 2010 über­nom­men wird. In Nr. 8 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 ha­ben das be­klag­te Land und die


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Ge­werk­schaf­ten ver.di, GEW, GdP und IG Bau fest­ge­hal­ten, dass Ein­ver­neh­men be­steht, dass die Über­lei­tung in den TV-L ent­spre­chend der nach dem BAT/BAT-O maßgeb­li­chen Le­bens­al­ters­stu­fe, die im Ein­zel­fall er­reicht war, er­folgt und dass der Schutz die­ses be­ste­hen­den, auf den bis­he­ri­gen in­di­vi­du­el­len Le­bens­al­ters­stu­fen ba­sie­ren­den Be­sitz­stan­des durch die An­knüpfung der Über­lei­tungs­re­ge­lun­gen an das Ver­gleichs­ent­gelt gemäß § 5 TVÜ-Länder ge­re­gelt wird. Gemäß Nr. 8 Abs. 1 Satz 3 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 wa­ren sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me auf das vor­lie­gen­de Re­vi­si­ons­ver­fah­ren darüber ei­nig, kol­lek­tiv ei­ne ver­bind­li­che Re­ge­lung für das Über­lei­tungs- und Über­g­angs­recht zu tref­fen. Et­wai­ge Rechts­fol­gen, die ge­ge­be­nen­falls bis zum 31. März 2010 aus der Recht­spre­chung zu zie­hen wären, wer­den nach Nr. 8 Abs. 2 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 von den Über­lei­tungs­re­ge­lun­gen nicht be­trof­fen und blei­ben un­berührt. Dies zeigt, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne ab­sch­ließen­de Re­ge­lung tref­fen woll­ten und nicht be­reit sind, das vor dem 1. April 2010 be­ste­hen­de Vergütungs­sys­tem rück­wir­kend zu ändern oder durch ein an­de­res Vergütungs­sys­tem zu er­set­zen oder den Zeit­punkt der grundsätz­li­chen Über­nah­me des Ta­rif­rechts der TdL ab dem 1. April 2010 vor­zu­ver­le­gen. Dies hätte nämlich zur Fol­ge, dass die Über­lei­tung nicht mehr ent­spre­chend den nach dem BAT maßgeb­li­chen Le­bens­al­ters­stu­fen er­fol­gen könn­te, son­dern die Ver­gleichs­ent­gel­te neu er­mit­telt wer­den müss­ten. Bei ei­ner Vor­ver­le­gung des Über­lei­tungs­zeit­punkts könn­ten bei der Er­mitt­lung des Ver­gleichs­ent­gelts nicht mehr in An­knüpfung an die Re­ge­lung in § 5 TVÜ-Länder die den Beschäftig­ten im März 2010 zu­ste­hen­den Bezüge nebst den ehe­gat­ten­be­zo­ge­nen Ent­gelt­be­stand­tei­len zu­grun­de ge­legt wer­den. Wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Fal­le ei­ner Un­wirk­sam­keit des auf Le­bens­al­ters­stu­fen ab­stel­len­den Vergütungs­sys­tems des BAT an den am 1. April 2010 von ih­nen in Kraft ge­setz­ten Ent­gelt­re­ge­lun­gen nicht hätten fest­hal­ten wol­len, hätten sie in Nr. 8 Abs. 1 Satz 3 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 nicht un­ter aus­drück­li­cher Be­zug­nah­me auf das lau­fen­de Re­vi­si­ons­ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt - 6 AZR 148/09 - for­mu­lie­ren dürfen, dass sie sich darüber ei­nig sind, kol­lek­tiv ei­ne ver­bind­li­che Re­ge­lung für das Über­lei­tungs- und Über­g­angs­recht zu tref­fen. Die­se von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­kun­de­te Ei­nig­keit hin­dert die


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An­nah­me, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en würden für die Zeit bis zum 31. März 2010 ein neu­es Vergütungs­sys­tem ver­ein­ba­ren, das nicht ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters verstößt, son­dern ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 ver­mei­det.


(2) Den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en darf auch nicht un­ter­stellt wer­den, dass sie nicht vor Au­gen hat­ten, dass sie durch ei­ne rück­wir­ken­de ta­rif­li­che Re­ge­lung ei­ne Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung nur er­rei­chen können, wenn sie ent­we­der al­le Beschäftig­ten der je­weils höchs­ten Le­bens­al­ters­stu­fe ih­rer Vergütungs­grup­pe zu­ord­nen oder die Grund­vergütun­gen der den höchs­ten Le­bens­al­ters­stu­fen zu­ge­ord­ne­ten Beschäftig­ten ver­min­dern. Letz­te­re Möglich­keit schied aber auf­grund des auch von Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu ach­ten­den Ver­trau­ens­schut­zes aus.

(3) Auf­grund des übe­rein­stim­men­den, ein­deu­ti­gen Wil­lens der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, un­abhängig von der Wirk­sam­keit des Vergütungs­sys­tems des BAT kei­ne Er­satz­re­ge­lung zu tref­fen, über­zeugt das Ar­gu­ment nicht, ei­ne Er­satz­re­ge­lung für die Zeit bis zum 31. März 2010 sei den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vor­be­hal­ten. Kor­rek­tu­ren des Ta­rif­rechts durch den Se­nat für die Zeit vor dem 1. April 2010 be­deu­ten an­ge­sichts des in Nr. 8 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 deut­lich zum Aus­druck ge­kom­me­nen Wil­lens der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, kei­ne ta­rif­li­che Er­satz­re­ge­lung für die Ver­gan­gen­heit mehr zu tref­fen, kei­nen un­zulässi­gen Ein­griff in die Ta­rif­au­to­no­mie. Ein sol­cher Ein­griff setzt vor­aus, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­reit sind, ei­ne un­wirk­sa­me ta­rif­li­che Re­ge­lung durch ei­ne wirk­sa­me zu er­setz­ten. Ein sol­cher Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en fehlt für die Zeit vor dem 1. April 2010 und da­mit auch für den Kla­ge­zeit­raum. Der ge­gen­tei­li­ge Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist zu ach­ten. Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­te Ta­rif­au­to­no­mie be­inhal­tet auch das Recht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, von ei­ner ta­rif­li­chen Re­ge­lung ab­zu­se­hen, wenn sie dies für an­ge­mes­sen hal­ten. Könn­ten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen ge­zwun­gen wer­den, wäre dies mit der Ta­rif­au­to­no­mie nicht zu ver­ein­ba­ren. Er­folgt aber kei­ne kol­lek­tiv­recht­li­che Neu­re­ge­lung,
 

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fin­det re­gelmäßig ei­ne An­glei­chung „nach oben“ statt (Er­man/Bel­ling BGB 13. Aufl. § 7 AGG Rn. 7).

(4) Des­halb trägt auch das Ar­gu­ment nicht, der Ge­setz­ge­ber ha­be be­wusst von der im Ent­wurf für die Re­ge­lung in § 7 Abs. 2 AGG vor­ge­se­he­nen Be­stim­mung zur ergänzen­den Aus­le­gung un­wirk­sa­mer kol­lek­tiv­recht­li­cher Re­ge­lun­gen ab­ge­se­hen und sich da­mit dafür ent­schie­den, der be­son­de­ren Rechts­stel­lung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Rah­men von § 7 Abs. 2 AGG Rech­nung zu tra­gen. Im Übri­gen könn­te Art. 9 Abs. 3 GG in Ver­bin­dung mit dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz grundsätz­lich nur dann ei­ne be­fris­te­te Aus­set­zung ge­bie­ten, um den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en den Vor­tritt zu las­sen, da­mit die­se re­geln können, auf wel­che Art und Wei­se die Dis­kri­mi­nie­rung be­sei­tigt wer­den soll, wenn es um die Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung für die Zu­kunft geht (vgl. ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 f.; Ka­man­ab­rou ZfA 2006, 327, 332; Wank FS Wißmann S. 599, 617; Schlach­ter FS Schaub S. 651, 668 ff.; Wie­de­mann/Pe­ters RdA 1997, 100, 107).

(5) Im Hin­blick auf den aus Nr. 8 der Eck­punk­te­ver­ein­ba­rung vom 12. März 2010 er­kenn­ba­ren ge­gen­tei­li­gen Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en kann der Se­nat eben­so we­nig statt der An­pas­sung „nach oben“ als mil­de­re Maßnah­me die Über­lei­tung der Beschäftig­ten „vor­zie­hen“, in­dem er bis zum 31. März 2010 das Vergütungs­sys­tem des TV-L un­ter Be­sitz­stands­wah­rung an­wen­det. Es geht hier nicht um die Über­lei­tung in ein dis­kri­mi­nie­rungs­frei­es Sys­tem - die­se ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit der Über­nah­me des Ta­rif­rechts der TdL ge­re­gelt -, son­dern um die Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rung in­ner­halb ei­nes dis­kri­mi­nie­ren­den Sys­tems.

dd) Für ei­ne An­pas­sung „nach oben“ für die Ver­gan­gen­heit spricht auch, dass ei­ne sol­che An­pas­sung mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on zur Be­nach­tei­li­gung beim Ent­gelt im Ein­klang steht.

(1) Nach der bis­he­ri­gen Ent­schei­dungs­pra­xis des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on kann man da­von aus­ge­hen, dass sich im Fal­le ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung die Un­wirk­sam­keit nur auf die be­nach­tei­li­gen­den Re­ge­lun­gen be­zieht (vgl. Hens­s­ler/Till­manns FS Rolf Birk S. 179, 188). Im Ur­teil vom 7. Fe­bru­ar
 

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1991 (- C-184/89 - [Nimz] Slg. 1991, I-297) hat der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on an­ge­nom­men, dass im Fal­le ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung durch ei­ne Be­stim­mung ei­nes Ta­rif­ver­trags das na­tio­na­le Ge­richt ver­pflich­tet ist, die­se Be­stim­mung - oh­ne dass es ih­re vor­he­ri­ge Be­sei­ti­gung durch Ta­rif­ver­hand­lun­gen oder auf an­de­ren We­gen be­an­tra­gen oder ab­war­ten müss­te - außer Acht zu las­sen und auf die An­gehöri­gen der durch die­se Dis­kri­mi­nie­rung be­nach­tei­lig­ten Grup­pe die glei­che Re­ge­lung wie auf die übri­gen Ar­beit­neh­mer an­zu­wen­den, wo­bei die­se Re­ge­lung, „so­lan­ge Art. 119 EWG-Ver­trag im na­tio­na­len Recht nicht ord­nungs­gemäß durch­geführt ist, das ein­zig gülti­ge Be­zugs­sys­tem bleibt“ (vgl. da­zu Wie­de­mann NZA 2007, 950, 951). An die­sem Grund­satz hat der Ge­richs­hof der Eu­ropäischen Uni­on ua. im Ur­teil vom 26. Ja­nu­ar 1999 (- C-18/95 - [Ter­hoeve] Slg. 1999, I-345) aus­drück­lich fest­ge­hal­ten und er hat jüngst im Ur­teil vom 22. Ju­ni 2011 (- C-399/09 - [Land­tová]) noch­mals wie­der­holt, dass die Re­ge­lung für die nicht be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer das ein­zi­ge gülti­ge Be­zugs­sys­tem bleibt, so­lan­ge das Ge­mein­schafts­recht nicht rich­tig durch­geführt ist. Da­mit be­trifft die An­for­de­rung des Uni­ons­rechts, die Dis­kri­mi­nie­rung durch ei­ne An­pas­sung „nach oben“ zu be­sei­ti­gen, nicht nur die Ver­gan­gen­heit, son­dern so­gar die Zu­kunft, weil sie das höhe­re Ent­gelt auch zu­kunfts­be­zo­gen so­lan­ge zu­ge­steht, bis ei­ne uni­ons­rechts­kon­for­me Neu­re­ge­lung ge­trof­fen ist (ErfK/Schlach­ter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6; aA Kreb­ber Eu­ZA 2009, 200, 209, der die Auf­fas­sung ver­tritt, der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on zu den An­ti-Dis­kri­mi­nie­rungs­richt­li­ni­en las­se sich ein Ge­bot der An­glei­chung „nach oben“ nicht ent­neh­men).


(2) Die Vor­ga­be des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on ei­ner An­pas­sung „nach oben“ ist al­ler­dings an­hand von Fällen ent­wi­ckelt wor­den, in de­nen ei­ne klei­ne­re Beschäftig­ten­grup­pe von ei­ner begüns­ti­gen­den Norm aus­ge­nom­men wor­den ist (ErfK/Schlach­ter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Wie zu ver­fah­ren ist, wenn ei­ne ta­rif­li­che Vergütungs­re­ge­lung ins­ge­samt we­gen Ver­s­toßes ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters un­wirk­sam ist und nur die höchs­te Grund­vergütung in den Vergütungs­grup­pen als Be­zugs­sys­tem in Be­tracht kommt, hat der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zwar noch nicht ent­schie­den. Je­doch wird ei­ne An­pas­sung „nach oben“ auch in die­sem Fall der Vor­ga­be


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des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on, die dis­kri­mi­nie­ren­de Re­ge­lung außer Acht zu las­sen und auf die durch die Dis­kri­mi­nie­rung be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer die glei­che Re­ge­lung wie auf die nicht be­nach­tei­li­gen Ar­beit­neh­mer an­zu­wen­den, je­den­falls dann am ehes­ten ge­recht, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en von ei­ner rück­wir­ken­den Er­satz­re­ge­lung ab­se­hen und von den nicht dis­kri­mi­nier­ten Ar­beit­neh­mern des­halb und auf­grund ta­rif­li­cher Aus­schluss­fris­ten so­wie aus Gründen des Ver­trau­ens­schut­zes Leis­tun­gen nicht mehr mit Aus­sicht auf Er­folg zurück­ge­for­dert wer­den können.


ee) Fi­nan­zi­el­le Be­lan­ge des be­klag­ten Lan­des hin­dern ei­ne An­pas­sung „nach oben“ nicht.

(1) Ei­ne un­ein­ge­schränk­te An­wen­dung des Grund­sat­zes ei­ner An­pas­sung „nach oben“ bei Verstößen ge­gen Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­te kann al­ler­dings zu er­heb­li­chen fi­nan­zi­el­len Be­las­tun­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers führen. Dies gilt auch dann, wenn ent­spre­chen­de Ansprüche jünge­rer An­ge­stell­ter auf das End­grund­ge­halt ih­rer Vergütungs­grup­pe Verjährungs- und Aus­schluss­fris­ten un­ter­lie­gen (Ka­man­ab­rou ZfA 2006, 327, 334). Ei­ne An­pas­sung „nach oben“, die zu ei­ner nach­hal­ti­gen Er­wei­te­rung des Do­tie­rungs- oder Kos­ten­rah­mens führt, kann frei­lich auch dann vor­lie­gen, wenn ei­ne be­nach­tei­lig­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern groß und der Kreis der gleich­heits­wid­rig Begüns­tig­ten klein ist. Auch in die­sem Fall steht aber den gleich­heits­wid­rig aus­ge­schlos­se­nen Ar­beit­neh­mern für die Ver­gan­gen­heit grundsätz­lich die ih­nen vor­ent­hal­te­ne Leis­tung zu, wenn nur auf die­sem Weg dem Gleich­heits­satz Rech­nung ge­tra­gen wer­den kann (ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58).

(2) Die Fra­ge, ob ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Kos­ten­be­las­tung des Ar­beit­ge­bers über­haupt ge­eig­net sein kann, die ge­bo­te­ne Be­sei­ti­gung der Dis­kri­mi­nie­rungs­fol­gen zu hin­dern, oder be­wir­ken kann, dass dem Kos­ten­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers ge­genüber dem Ver­trau­en der Begüns­tig­ten auf die Wirk­sam­keit der Re­ge­lung Vor­rang gebührt, be­darf hier kei­ner Ent­schei­dung. Nach dem Vor­brin­gen des be­klag­ten Lan­des würde ei­ne An­pas­sung „nach oben“ oh­ne Berück­sich­ti­gung der Zu­schuss­empfänger ein­sch­ließlich der Lohn­ne­ben­kos­ten zu Mehr­kos­ten von jähr­lich ca. 28 Mil­lio­nen Eu­ro führen. Bei ei­nem Vergütungs-


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auf­wand für die An­ge­stell­ten im un­mit­tel­ba­ren Ber­li­ner Lan­des­dienst von jähr­lich 1,566 Mil­li­ar­den Eu­ro mach­ten die Mehr­kos­ten ca. 1,8 vH aus. Da das be­klag­te Land mit sei­nen An­ge­stell­ten grundsätz­lich ver­ein­bart hat, dass sich das Ar­beits­verhält­nis nach den Be­stim­mun­gen des BAT be­stimmt, und so­mit die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach Fällig­keit (§ 70 BAT) greift, feh­len aus­rei­chen­de An­halts­punk­te dafür, dass das be­klag­te Land für die Zeit bis zur grundsätz­li­chen Über­nah­me des Ta­rif­rechts der TdL zum 1. April 2010 bei ei­ner An­pas­sung „nach oben“ mit un­verhält­nismäßig ho­hen Mehr­kos­ten be­las­tet wird. Die Zeit bis zum 31. März 2010 ist maßge­bend. Mit dem Ur­teil der Zwei­ten Kam­mer des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on vom 8. Sep­tem­ber 2011 in den ver­bun­de­nen Rechts­sa­chen - C-297/10 und C 298/10 - (NZA 2011, 1100) ist geklärt, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78 so­wie Art. 28 GRC nicht ent­ge­gen­ste­hen, wenn ein Vergütungs­sys­tem, das zu ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters führt, durch ein auf ob­jek­ti­ve Kri­te­ri­en gestütz­tes Vergütungs­sys­tem er­setzt wird und zu­gleich für ei­nen be­fris­te­ten Über­g­angs­zeit­raum ei­ni­ge der dis­kri­mi­nie­ren­den Aus­wir­kun­gen des erst­ge­nann­ten Sys­tems be­ste­hen blei­ben, um für die be­reits in ei­nem Beschäfti­gungs­verhält­nis ste­hen­den Ar­beit­neh­mer den Über­gang zum neu­en Sys­tem oh­ne Ein­kom­mens­ver­lus­te zu gewähr­leis­ten.

ff) Oh­ne Er­folg be­ruft sich das be­klag­te Land auf Ver­trau­ens­schutz. Im Kla­ge­zeit­raum galt schon das am 18. Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­te­ne AGG, das Dau­er­schuld­verhält­nis­se und da­mit auch Ar­beits­verhält­nis­se nicht aus­nimmt. Gemäß § 1 AGG ist ua. Ziel die­ses Ge­set­zes, Be­nach­tei­li­gun­gen aus Gründen des Al­ters nicht nur zu ver­hin­dern, son­dern auch zu be­sei­ti­gen. Der BAT und der Vergütungs­ta­rif­ver­trag Nr. 35 zum BAT wa­ren für den Be­reich des Bun­des be­reits mit Wir­kung vom 1. Ok­to­ber 2005 durch an­de­re ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen er­setzt wor­den. Für den Be­reich der TdL war dies kur­ze Zeit nach dem In­kraft­tre­ten des AGG ab dem 1. No­vem­ber 2006 der Fall. Im Schrift­tum wur­de nicht nur ver­ein­zelt die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­mes­sung der Grund­vergütung in den Vergütungs­grup­pen des BAT ver­s­toße ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters (vgl. Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG/Schleu­se­ner 3. Aufl. § 7 Rn. 53 mwN). Ein Ver­trau­en des be­klag­ten Lan­des auf die Wirk­sam­keit des


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Vergütungs­sys­tems des BAT wäre des­halb nicht schützens­wert. Auch der Hin­weis des be­klag­ten Lan­des auf sein Haus­halts­recht hilft ihm nicht wei­ter. Die­ses hebt das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot we­gen des Al­ters nicht auf und pri­vi­le­giert das be­klag­te Land in­so­weit nicht ge­genüber ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber.


gg) Der Um­stand, dass die in § 27 Ab­schn. A BAT an­ge­ord­ne­te Be­mes­sung der Grund­vergütun­gen in den Vergütungs­grup­pen des BAT nach Le­bens­al­ters­stu­fen ge­gen das primärrecht­li­che Ver­bot der Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters verstößt und ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters im Sin­ne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78 dar­stellt, führt nicht da­zu, dass es an ei­ner Be­zugs­größe für die An­pas­sung „nach oben“ fehlt. Es trifft zwar zu, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des BAT an­ge­sichts der von ih­nen ver­ein­bar­ten Le­bens­al­ter­stu­fen of­fen­sicht­lich nicht woll­ten, dass al­le An­ge­stell­ten in der­sel­ben Vergütungs­grup­pe ei­ne gleich ho­he Grund­vergütung er­hal­ten. Dies recht­fer­tigt es je­doch nicht, den we­gen ih­res Al­ters be­nach­tei­lig­ten An­ge­stell­ten die Vergütung vor­zu­ent­hal­ten, die den nicht be­nach­tei­lig­ten An­ge­stell­ten zu­stand. In­so­weit be­steht kein ent­schei­den­der Un­ter­schied zwi­schen ei­ner gleich­heits­wid­ri­gen Be­nach­tei­li­gung und ei­ner un­zulässi­gen Dis­kri­mi­nie­rung, wenn dem Gleich­heits­satz bzw. dem Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot nur da­durch Rech­nung ge­tra­gen wer­den kann, dass den Be­nach­tei­lig­ten der­sel­be An­spruch auf Vergütung ein­geräumt wird wie den gleich­heits­wid­rig begüns­tig­ten bzw. nicht dis­kri­mi­nier­ten An­ge­stell­ten (vgl. zum Gleich­heits­satz ErfK/Schmidt 11. Aufl. Art. 3 GG Rn. 58 mwN). Bei ei­ner Ent­gelt­staf­fe­lung nach dem Al­ter in ei­nem Ta­rif­ver­trag be­deu­tet dies, dass bis auf die höchs­te al­le Ent­gelt­stu­fen be­nach­tei­li­gend sind (Hens­s­ler/Till­manns FS Rolf Birk S. 179, 190; Mei­nel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 10 Rn. 45c).

c) Ent­ge­gen der An­sicht des be­klag­ten Lan­des schützt es die Re­ge­lung in § 15 Abs. 3 AGG, wo­nach der Ar­beit­ge­ber bei der An­wen­dung kol­lek­tiv­recht­li­cher Ver­ein­ba­run­gen nur dann zur Entschädi­gung ver­pflich­tet ist, wenn er vorsätz­lich oder grob fahrlässig han­delt, nicht vor ei­ner An­pas­sung „nach oben“. Die Vor­schrift be­zieht sich auf Scha­dens­er­satz­ansprüche und be­grenzt nur Ansprüche auf Entschädi­gungs­leis­tung (Löwisch DB 2006, 1729, 1731; ErfK/Schlach­ter 11. Aufl. § 7 AGG Rn. 6). Zur Be­sei­ti­gung ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung
 

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durch ei­ne den Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­ten genügen­de Re­ge­lung verhält sie sich nicht.


III. Das be­klag­te Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on ein­sch­ließlich des Zwi­schen­streits vor dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu tra­gen. Dies gilt gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch, so­weit die Par­tei­en den Rechts­streit in der Haupt­sa­che für er­le­digt erklärt ha­ben.

Fi­scher­mei­er 

Brühler 

Spel­ge

Lauth 

M. Jos­tes

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