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ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/093

Ge­halt nach Kün­di­gung - wel­che Ar­beit ist zu­mut­bar?

An­spruch auf An­nah­me­ver­zugs­lohn kann Kün­di­gung weg­fal­len, wenn ver­trags­wid­ri­ge, aber "zu­mut­ba­re" Ar­beit ver­wei­gert wird: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.11.2011, 5 AZR 564/10
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02.03.2012. Weist der Ar­beit­ge­ber sei­nem Ar­beit­neh­mer gar kei­ne oder kei­ne ver­trags­ge­rech­te Ar­beit zu, ge­rät er mit der An­nah­me der Ar­beits­leis­tung in Ver­zug. Der Ar­beit­neh­mer kann dann sei­nen Lohn trotz des Ar­beits­aus­falls ver­lan­gen. Prak­tisch kommt das oft nach ei­ner un­wirk­sa­men Kün­di­gung vor.

Al­ler­dings müs­sen sich Ar­beit­neh­mer auf den An­nahm­ver­zugs­lohn an­rech­nen las­sen, was sie zwi­schen­zeit­lich auf an­de­re Wei­se ver­dient ha­ben - oder hät­ten ver­die­nen kön­nen. Das Ge­setz spricht hier vom "bös­wil­li­gen Un­ter­las­sen" ei­nes an­der­wei­ti­gen Ver­diens­tes.

Wie ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) zeigt, führt das letzt­lich da­zu, dass Ar­beit­neh­mer auch ver­trags­wid­ri­ge Ar­bei­ten aus­füh­ren müs­sen, um nach ei­ner Kün­di­gung nicht ih­ren An­nahm­ver­zugs­lohn zu ver­lie­ren: BAG, Ur­teil vom 17.11.2011, 5 AZR 564/10.

An­spruch auf Ge­halt nach un­wirk­sa­mer Kündi­gung ist nicht im­mer si­cher

Weist der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer kei­ne ver­trags­ge­rech­te Ar­beit zu, kann die­ser nicht ar­bei­ten. Dann be­fin­det sich der Ar­beit­ge­ber im An­nah­me­ver­zug und muss das Ge­halt be­zah­len, oh­ne die Ar­beits­leis­tung er­hal­ten zu ha­ben. Das er­gibt sich aus § 615 Satz1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB).

Prak­tisch tritt die­se Si­tua­ti­on vor al­lem nach ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung auf. Während vor Ge­richt über die Wirk­sam­keit der Kündi­gung ge­strit­ten wird, tickt die Uhr. Stellt sich die Kündi­gung später als un­wirk­sam her­aus, ha­ben sich Lohn­ansprüche an­ge­sam­melt, die der Ar­beit­ge­ber be­glei­chen muss, da er für den Ar­beits­aus­fall recht­lich ver­ant­wort­lich ist. Und selbst­verständ­lich muss der Ar­beit­neh­mer die aus­ge­fal­le­ne Ar­beit nicht nach­ar­bei­ten.

Ei­nen Ha­ken hat die Sa­che aber doch: § 11 Satz 1 Nr.2 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) sieht für den An­nah­me­ver­zugs­lohn ei­ne An­rech­nungs­re­ge­lung für den Fall ei­ner Kündi­gung vor. Da­nach wird vom An­nah­me­ver­zugs­lohn nach ei­ner un­wirk­sa­men Kündi­gung ab­ge­zo­gen, was der Ar­beit­neh­mer "hätte ver­die­nen können, wenn er es nicht böswil­lig un­ter­las­sen hätte, ei­ne ihm zu­mut­ba­re Ar­beit an­zu­neh­men“.

Aber ist auch ei­ne vorüber­ge­hen­de Zwi­schen­beschäfti­gung beim al­ten Ar­beit­ge­ber „zu­mut­bar“ - und zwar ei­ne sol­che Beschäfti­gung, die nicht dem Ar­beits­ver­trag ent­spricht? Nach An­sicht des BAG ja, falls der Ar­beit­ge­ber dafür das bis­he­ri­ge Ge­halt an­bie­tet.

Der Streit­fall: Un­wirk­sam gekündig­ter Haus­meis­ter lehnt während des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ei­ne vorüber­ge­hen­de Ar­beit als Gärt­ner bei sei­nem Ar­beit­ge­ber ab

Ein Haus­meis­ter hat­te ge­richt­lich fest­stel­len las­sen, dass er ar­beits­ver­trag­lich nicht ver­pflich­tet ist, Gärt­ner­ar­bei­ten zu er­le­di­gen. Im Ver­lau­fe die­ses über meh­re­re In­stan­zen geführ­ten Streits hat­te ihm der Ar­beit­ge­ber krank­heits­be­dingt gekündigt und es lief ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Der Ar­beit­ge­ber wei­ger­te sich auf­grund der Kündi­gung, den Ar­beit­neh­mer - wie ver­trag­lich an sich vor­ge­se­hen - als Haus­meis­ter zu beschäfti­gen. Er bot ihm aber für die Dau­er der Kündi­gungs­schutz­kla­ge ei­ne Beschäfti­gung mit Gärt­ner­ar­bei­ten an, und zwar zum glei­chen Lohn, al­ler­dings abzüglich ei­ner auf der Grund­la­ge des Haus­meis­ter-Ar­beits­ver­trags zu zah­len­den Be­reit­schafts­zu­la­ge.

Die Ar­beit als Gärt­ner lehn­te der Haus­meis­ter ab. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf gab ihm recht und mein­te, der dem Haus­meis­ter mögli­che Zwi­schen­ver­dienst als Gärt­ner sei auf den An­nah­me­ver­zugs­lohn nicht an­zu­rech­nen (Ur­teil vom 21.07.2010, 7 Sa 422/10).

BAG: Vorüber­ge­hen­de Gärt­ner­ar­bei­ten sind für ei­nen Haus­meis­ter zu­mut­bar im Sin­ne von § 11 Satz 1 Nr.2 KSchG

An­ders als das LAG Düssel­dorf mein­te das BAG, dass dem Haus­meis­ter die­se Beschäfti­gung „zu­mut­bar“ war. Da­her war der in den Wind ge­schla­ge­ne Ver­dienst auf den An­nah­me­ver­zugs­lohn an­zu­rech­nen.

Die Ent­schei­dung des BAG ist nach­voll­zieh­bar, da die An­for­de­run­gen der hier strei­ti­gen bei­den Tätig­kei­ten (Haus­meis­ter gemäß Ar­beits­ver­trag, Gärt­ner als Möglich­keit des Zwi­schen­ver­diens­tes) nicht ex­trem weit aus­ein­an­der lie­gen.

Die Gren­ze der Un­zu­mut­bar­keit dürf­te aber z.B. er­reicht sein, wenn der Ar­beit­neh­mer aus Ver­hal­tens­gründen gekündigt wird und während der lau­fen­den Kündi­gungs­schutz­kla­ge ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Tätig­keit beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber ausüben soll (während die­ser an sei­nen Vorwürfen und der Be­rech­ti­gung der Kündi­gung festhält).

Fa­zit: Ver­trags­ge­rech­te Beschäfti­gung und „zu­mut­ba­re“ Ar­beit während ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses sind zwei ver­schie­de­ne Din­ge. Auch dem Ar­beits­ver­trag nicht ent­spre­chen­de Ar­bei­ten können nach ei­ner Kündi­gung „zu­mut­bar“ sein und soll­ten aus­geübt wer­den, um den Lohn­an­spruch zu si­chern.

Ar­beit­neh­mer soll­ten da­her we­der im Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses noch beim Streit über die Be­rech­ti­gung von An­wei­sun­gen vor­schnell Ar­beits­an­ge­bo­te zurück­wei­sen. Sonst droht auch bei ver­trags­wid­ri­gem Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers der Ver­lust des Lohn­an­spruchs.

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Letzte Überarbeitung: 7. Dezember 2020

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