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Keine Befristung bei dauerhaftem Personalbedarf
29.09.2016. In einem aktuellen Grundsatzurteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die rechtliche Kontrolle des dauerhaften Einsatzes von zeitlich befristeten Arbeitsverträgen zugunsten der Arbeitnehmer erheblich verschärft.
Auf dem Prüfstand stehen dabei vor allem Kettenbefristungen, d.h. die immer erneute Verlängerung befristeter Verträge.
Denn Kettenbefristungen führen ähnlich wie die Leiharbeit zur Spaltung von Belegschaften in besser abgesicherte Stammkräfte und rechtlich benachteiligte Arbeitnehmer.
Die Entscheidung des Gerichtshofs betrifft einen spanischen Streitfall: EuGH, Urteil vom 14.09.2016, Rs C-16/15.
- Welche Grenzen setzt die europäische Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge der Sachgrundbefristung von Arbeitsverträgen?
- Der Streitfall López: Krankenschwester in Madrid wird über eine Gesamtdauer von knapp viereinhalb Jahren bei sieben Vertragsverlängerungen befristet beschäftigt
- EuGH: Setzt der Arbeitgeber befristet beschäftigte Arbeitnehmer ständig und in erheblichem Umfang auf Dauerarbeitsplätzen ein, verstoßen Kettenbefristungen gegen das EU-Recht
Welche Grenzen setzt die europäische Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge der Sachgrundbefristung von Arbeitsverträgen?
Wer ein befristetes Arbeitsverhältnis hat, muss mit beruflicher und sozialer Unsicherheit leben. Denn der Arbeitsvertrag beinhaltet gleichsam schon die Kündigung. Besonders unangenehm sind befristete Verträge, die fortlaufend verlängert werden, aber immer nur für kurze Zeit („Kettenbefristung“).
Im Europarecht gibt es daher Vorgaben, die den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge begrenzen sollen, und zwar in der „Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge“, die 1999 von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern auf EU-Ebene ausgehandelt wurde. Diese Vereinbarung der Sozialpartner ist durch die Richtlinie 1999/70/EG in formelles EU- bzw. Richtlinien-Recht umgesetzt worden. Seitdem ist die Rahmenvereinbarung Bestandteil und wesentlicher Inhalt der Richtlinie 1999/70/EG.
Um den Missbrauch von Kettenbefristungen einzugrenzen, schreibt die Rahmenvereinbarung den EU-Mitgliedstaaten vor, eine der folgenden Maßnahmen zu ergreifen: Sie können
- zeitlich befristete Arbeitsverträge von einem Sachgrund abhängig machen (§ 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung) und/oder
- für aufeinanderfolgende Zeitverträge eine bestimmte Höchstdauer vorsehen (§ 5 Nr. 1 b) der Rahmenvereinbarung) und/oder
- eine Höchstzahl von Befristungen vorschreiben (§ 5 Nr. 1c) Rahmenvereinbarung).
Das deutsche Arbeitsrecht macht von allen drei Möglichkeiten Gebrauch. § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) lässt im Allgemeinen Befristungen nur zu, wenn sie durch einen Sachgrund gerechtfertigt sind (§ 14 Abs.1 TzBfG). Davon gilt zwar gemäß § 14 Abs.2 TzBfG eine Ausnahme für Neueinstellungen, doch sind Befristungen auch dann nicht schrankenlos zulässig, sondern nur bis zur Höchstdauer von zwei Jahren, wobei höchstens drei Vertragsverlängerungen innerhalb dieses Zeitraums möglich sind.
Können sich Arbeitgeber nicht auf § 14 Abs.2 TGzBfG berufen, d.h. liegt keine Neueinstellung vor, ist ein Sachgrund für die Befristung erforderlich. Dann werden Befristungen meist damit gerechtfertigt, dass der Arbeitsbedarf (angeblich) nur vorübergehend bestehen soll (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.1 TzBfG) und/oder dass die befristete Beschäftigung (angeblich) der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers dient, der sich z.B. in Elternzeit befindet (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.3 TzBfG).
Anfang 2012 hat der EuGH zum Sachgrund der Vertretung entschieden, dass auch große Arbeitgeber, bei denen ständig viele Arbeitnehmer wegen Krankheiten, Mutterschutzfristen oder Elternzeiten vorübergehend ausfallen, europarechtlich nicht verpflichtet sind, diesen Ausfall durch Festeinstellungen auszugleichen - obwohl der Bedarf einer solcher Personalreserve kalkulierbar ist (EuGH, Urteil vom 26.01.2012, C-586/10 (Kücük)), wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/043 Europarecht erlaubt Befristung zur Vertretung - auch jahrelang).
Immerhin hat der Gerichtshof in dieser Entscheidung, die einen deutschen Vorlagefall betraf, ein Hintertürchen offengelassen, um Arbeitnehmern zu helfen, die jahrelang immer wieder nur befristete Vertragsverlängerungen „zur Vertretung“ erhalten: Der EuGH stellte damals nämlich klar, dass im Einzel- bzw. Ausnahmefall ein Missbrauch des Befristungsrechts vorliegen kann, und dann ist die (zuletzt vereinbarte) Befristung unwirksam, auch wenn an sich ein Vertretungssachgrund vorliegt.
Auf dieser Grundlage führt das Bundesarbeitsgericht (BAG) seitdem eine Missbrauchskontrolle bei Kettenbefristungen durch (BAG, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09 - Kücük - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 12/263 Kettenbefristung kann Missbrauch sein). Mittlerweile gilt als Daumenregel, dass es ab etwa fünf bis zehn Vertragsverlängerungen und bei einer Gesamtdauer der befristeten Verträge von fünf Jahren oder mehr für den Arbeitgeber eng werden kann. Da die Missbrauchskontrolle allerdings von den Umständen des Einzelfalls abhängt, gelten hier keine eindeutigen zahlenmäßigen Grenzen.
Mit seiner aktuellen Entscheidung ist der EuGH über sein Kücük-Urteil zugunsten der befristet beschäftigten Arbeitnehmer hinausgegangen.
Der Streitfall López: Krankenschwester in Madrid wird über eine Gesamtdauer von knapp viereinhalb Jahren bei sieben Vertragsverlängerungen befristet beschäftigt
Im Streitfall hatte eine spanische Krankenschwester, Frau López, gegen ihre Befristung geklagt. Sie hatte von Februar 2009 bis Juni 2013 in einem Krankenhaus in Madrid gearbeitet, und zwar auf der Grundlage von acht befristeten Arbeitsverträgen (bzw. von sieben Verlängerungen).
Rechtliche Grundlage waren spanische Gesetzesbestimmungen, die eine Sachgrundbefristung erlauben, und zwar bei der "Ausführung bestimmter zeitlich begrenzter, konjunktureller und außerordentlicher Dienste". Beschränkungen der Höchstdauer oder der Anzahl der Vertragsverlängerungen bei befristeten Arbeitsverträgen sehen die spanischen Regelungen nicht vor.
Frau López argumentierte, dass in ihrem Fall kein vorübergehender Beschäftigungsbedarf bestand, sondern dass sie reguläre Daueraufgaben verrichten musste.
Das mit ihrem Fall befasste spanische Gericht setzte das Verfahren aus und fragte den EuGH im Wesentlichen, ob die spanischen Regelungen zur Vereinbarung und Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse im Gesundheitswesen bei vorübergehendem Personalbedarf gegen die Rahmenvereinbarung verstoßen.
Dabei verwies das Gericht darauf, dass ungefähr 25 Prozent der 50.000 Planstellen für Ärzte und Pflegekräfte in der Autonomen Gemeinschaft Madrid mit befristet beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Im Durchschnitt dauert die befristete Beschäftigung dieser Arbeitnehmer fünf bis sechs Jahre, teilweise sogar bis zu 15 Jahren und länger.
EuGH: Setzt der Arbeitgeber befristet beschäftigte Arbeitnehmer ständig und in erheblichem Umfang auf Dauerarbeitsplätzen ein, verstoßen Kettenbefristungen gegen das EU-Recht
Der Gerichtshof gab dem spanischen Gericht den Hinweis, dass die acht befristeten Arbeitsverträge im Streitfall López "offensichtlich nicht auf einem zeitweiligen Bedarf des Arbeitgebers beruhen" (Urteil, Rn.50). Eine solche juristische Absegnung der hier streitigen Vertragsbefristungen würde gegen § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung verstoßen, so der EuGH.
Bemerkenswert ist, dass der Gerichtshof diese rechtliche Bewertung als "offensichtlich" bezeichnet und dabei auf den erheblichen Umfang der befristeten Beschäftigung (25 Prozent) im Gesundheitswesen der Region Madrid verweist (Urteil, Rn.51). Gleichzeitig fehlt der im Kücük-Urteil von 2012 (C-586/10) enthaltene Hinweis darauf (Kücük-Urteil, Rn.50), dass große Arbeitgeber mit einem dauerhaften und damit kalkulierbaren Vertretungsbedarf im Prinzip frei darüber entscheiden dürfen, ob sie diesen Bedarf durch Festangestellte oder durch befristete Arbeitnehmer decken wollen.
Jetzt dagegen sieht der EuGH einen Verstoß gegen § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung darin,
"dass befristete Arbeitsverträge verlängert werden, um einen Bedarf zu decken, der ständiger und dauerhafter Natur ist, obwohl (...) ein struktureller Mangel an Planstellen für fest angestellte Mitarbeiter in dem betreffenden Mitgliedstaat besteht" (Urteil, Rn.55).
Außerdem verstärkt die Freiheit des spanischen öffentlichen Arbeitgebers, befristete Arbeitsverträge immer wieder zu verlängern statt zusätzliche Planstellen zu schaffen, die Unsicherheit der betroffenen Arbeitnehmer, so der Gerichtshof (Urteil, Rn.55).
Fazit: Es verstößt gegen § 5 Nr. 1 a) der Rahmenvereinbarung, wenn Arbeitsverträge befristet werden, um ständige und dauerhafte Arbeitsaufgaben durchzuführen, d.h. Aufgaben, die zur normalen Tätigkeit der Stammbelegschaft gehören. Damit hat der EuGH die seit 2012 vom BAG betriebene Missbrauchskontrolle im Ergebnis bestätigt.
Bei der Missbrauchskontrolle von Kettenbefristungen muss künftig auch danach gefragt werden, ob der Arbeitnehmer auf einem Dauerarbeitsplatz eingesetzt wird, d.h. reguläre Aufgaben von Stammarbeitnehmern wahrnimmt. Denn auch das spricht (neben der Gesamtdauer und der Anzahl der Verlängerungen) dafür, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit zum Abschluss befristeter Verträge missbraucht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14.09.2016, Rs. C-16/15 (López)
- Europäischer Gerichtshof, Pressemeldung 96/16 vom 14.09.2016: Der Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Verträge zur Deckung eines dauerhaften Bedarfs im Bereich der Gesundheitsdienste verstößt gegen Unionsrecht, Rs. C 16/15 (López)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.01.2012, Rs. C-586/10 (Kücük)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.07.2012, 7 AZR 443/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
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Letzte Überarbeitung: 11. Juli 2019
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