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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/376

Ver­gleich im schrift­li­chen Ver­fah­ren als Be­fris­tungs­grund

Aus­nahms­wei­se ge­nügt auch ein Ver­gleich auf Vor­schlag ei­ner der Pro­zess­par­tei­en als Sach­grund für ei­ne Ar­beits­ver­trags­be­fris­tung: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom Ur­teil vom 08.06.2016, 7 AZR 339/14
Justitia mit Waage in der Hand, Gerechtigkeit Ar­beits­ge­rich­te soll­ten Ver­glei­che nicht nur ab­ni­cken

09.12.2016. Ar­beits­ver­trä­ge kön­nen be­fris­tet wer­den, wenn es da­für ei­nen Sach­grund gibt. Ei­ner der ge­setz­lich an­er­kann­ten Sach­grün­de be­steht dar­in, dass die Be­fris­tung "auf ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich be­ruht" (§ 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz - Tz­B­fG).

Ver­gleichs­ver­ein­ba­run­gen kön­nen nicht nur im Ge­richts­saal, son­dern auch durch schrift­li­che Er­klä­run­gen ge­trof­fen wer­den. Schrift­li­che Ver­glei­che wie­der­um kön­nen ge­mäß § 278 Abs.6 Satz 1 Zi­vil­pro­zess­ord­nung (ZPO) auf ei­nem Vor­schlag der Par­tei­en oder des Ge­richts be­ru­hen.

Hier hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) bis­her ei­ne wirk­sa­me Be­fris­tung per Ver­gleich nur an­er­kannt, wenn der Ver­gleich auf ei­nem ge­richt­li­chen Vor­schlag be­ruht. Da­mit sol­len ein­sei­tig zu­las­ten des Ar­beit­neh­mers ge­hen­de Re­ge­lun­gen ver­hin­dert wer­den. Die­se stren­ge Vor­ga­be hat das BAG vor kur­zem ge­lo­ckert: BAG, Ur­teil vom Ur­teil vom 08.06.2016, 7 AZR 339/14.

Genügt ein schrift­li­cher Ver­gleich auf Vor­schlag ei­ner der Pro­zess­par­tei­en als Sach­grund für ei­ne Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags?

Durch ei­nen vor Ge­richt ab­ge­schlos­se­nen Ver­gleich er­le­di­gen die Pro­zess­par­tei­en ih­ren Streit durch ei­ne gütli­che Ei­ni­gung, d.h. durch bei­der­sei­ti­ges Nach­ge­ben. In Pro­zes­sen über die Wirk­sam­keit ei­ner Ver­trags­be­fris­tung, d.h. in Ent­fris­tungs­kla­gen, sieht ein sol­cher Ver­gleich häufig vor, dass der Ar­beit­ge­ber den kla­gen­den Ar­beit­neh­mer zwar letzt­lich "los­wird", aber nicht so rasch wie sich das aus der um­strit­te­nen Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung er­ge­ben würde. Viel­mehr be­steht der Kom­pro­miss in ei­ner wei­te­ren be­fris­te­ten Ver­trags­verlänge­rung.

Da­mit ist ein sol­cher Ver­gleich wie­der­um ein be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag bzw. die Ver­ein­ba­rung ei­ner Be­fris­tung. Und weil die Ar­beits­ge­rich­te bei Ver­gleichs­ver­ein­ba­run­gen über die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen darüber wa­chen müssen, dass der Ar­beit­neh­mer nicht "über den Tisch ge­zo­gen" wird, er­laubt § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Tz­B­fG Be­fris­tungs­ver­ein­ba­run­gen, die auf ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich be­ru­hen.

Die­se Über­le­gun­gen sind nach­voll­zieh­bar, wenn man an den Fall denkt, dass das Ge­richt den Par­tei­en in der münd­li­chen Ver­hand­lung ei­nen Ver­gleich vor­schlägt, der dann von ih­nen an­ge­nom­men wird. Heu­te wer­den Ver­glei­che aber oft nicht mehr im Ge­richts­saal, son­dern im schrift­li­chen Ver­fah­ren ab­ge­schlos­sen, d.h. durch den Aus­tausch von an­walt­li­chen und ge­richt­li­chen Schrei­ben. Und da­bei kann es pas­sie­ren, dass das Ge­richt den von den Par­tei­en aus­ge­han­del­ten Ver­gleich nur ab­nickt bzw. pro­to­kol­liert.

Grund­la­ge dafür ist § 278 Abs.6 Satz 1 ZPO. Die­se Vor­schrift enthält zwei al­ter­na­ti­ve Vor­ge­hens­wei­sen mit dem Ziel ei­nes Ver­gleichs:

  • § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.1 ZPO: Die Par­tei­en un­ter­brei­ten dem Ge­richt ei­nen in­halt­lich übe­rein­stim­men­den schrift­li­chen Ver­gleichs­vor­schlag; dann stellt das Ge­richt durch Be­schluss fest, dass die­ser Ver­gleich zu­stan­de ge­kom­men ist. Ein Ver­gleich kommt auf die­sem Weg auch zu­stan­de, wenn nur ei­ne Par­tei ei­nen schrift­li­chen Ver­gleichs­vor­schlag bei Ge­richt ein­reicht und die an­de­re Par­tei dem Vor­schlag zu­stimmt.
  • § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.2 ZPO: Das Ge­richt un­ter­brei­tet bei­den Par­tei­en ei­nen schrift­li­chen Ver­gleichs­vor­schlag, den die­se durch ei­ne schrift­li­che Erklärung ("Schrift­satz") ge­genüber dem Ge­richt an­neh­men.

Bis­her war das BAG der Mei­nung, dass die ers­te Vor­ge­hens­wei­se nicht für ei­ne wirk­sa­me Be­fris­tung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Tz­B­fG aus­reicht (BAG, Ur­teil vom 15.02.2012, 7 AZR 734/10). In die­sem Fall "be­ruht" die Be­fris­tung nach An­sicht des BAG nicht auf ei­nem "ge­richt­li­chen" Ver­gleich, da sich das Ge­richt dar­auf be­schränkt, den von den Par­tei­en aus­ge­han­del­ten Ver­gleich zu pro­to­kol­lie­ren. Ei­ne in­halt­li­che Kon­trol­le durch das Ge­richt ist da­mit nicht ver­bun­den.

Die­se stren­ge Li­nie passt aber nicht gut auf den häufig vor­kom­men­den Fall,

  • dass ei­ne Par­tei ei­nen Ver­gleichs­text bei Ge­richt ein­reicht und erklärt, man ha­be sich mit der Ge­gen­par­tei in die­sem Sin­ne ge­ei­nigt,
  • dass das Ge­richt der Ge­gen­sei­te den Ver­gleichs­text über­sen­det und um schrift­li­che Zu­stim­mung bit­tet (die auch erklärt wird),
  • dass das Ge­richt aber die Par­tei, die den Ver­gleichs­text ein­ge­reicht hat, nicht um Zu­stim­mung bit­tet, son­dern von de­ren Ein­verständ­nis aus­geht, da der Ver­gleichs­text ja von die­ser Par­tei ein­ge­reicht wur­de.

In ei­nem sol­chen Fall lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ver­gleichs­ab­schlus­ses gemäß der zwei­ten Va­ri­an­te (§ 278 Abs.6 Satz 1 Alt.2 ZPO) wohl nicht vor, denn ei­ne schrift­li­che An­nah­me­erklärung der Par­tei, die den Ver­gleichs­text ein­ge­reicht hat, fehlt nun ein­mal. Al­ler­dings lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen der ers­ten Va­ri­an­te vor, denn mit der Zu­stim­mung zu dem "ge­richt­li­chen" Ver­gleichs­vor­schlag hat die aus­drück­lich zu­stim­men­de Par­tei auch ih­re Zu­stim­mung zu dem Vor­schlag der Par­tei erklärt, die den Ver­gleichs­text ein­ge­reicht hat.

Im Streit: Per Ver­gleich um ein Jahr verlänger­te Stel­le in der Ver­wal­tung des Lan­des Bran­den­burg

Ge­klagt hat­te ei­ne Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­te­rin der Lan­des Bran­den­burg, die in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich die Be­en­di­gung ih­res be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses ak­zep­tiert hat­te, dafür aber ei­ne be­fris­te­te Ver­trags­verlänge­rung um ein Jahr vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2012 her­aus­ge­han­delt hat­te.

Der Ver­gleich war im De­zem­ber 2011 vor dem LAG zu­stan­de ge­kom­men, und zwar auf der Grund­la­ge ei­nes Ver­gleichs­tex­tes, den das Land Bran­den­burg ein­ge­reicht hat­te. Der An­walt der Kläge­rin hat­te da­mals zu­ge­stimmt, wo­hin­ge­gen das Land nicht er­neut um Zu­stim­mung ge­be­ten wur­de.

Nach Ab­lauf der be­fris­te­ten Ver­trags­verlänge­rung er­hob die Ver­wal­tungs­an­ge­stell­te An­fang 2013 er­neut Ent­fris­tungs­kla­ge mit der Be­gründung, die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung im ers­ten Ge­richts­ver­fah­ren sei un­wirk­sam. Denn der da­mals ge­schlos­se­ne Ver­gleich war nicht auf Vor­schlag des Ge­richts gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO zu­stan­de ge­kom­men. Da­her ge­be es hier kei­nen "ge­richt­li­chen Ver­gleich" als Be­fris­tungs­sach­grund im Sin­ne von § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Tz­B­fG.

Mit die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on hat­te sie we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Pots­dam (Ur­teil vom 22.04.2013, 9 Ca 94/13) noch vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg Er­folg (Ur­teil vom 12.12.2013, 25 Sa 1079/13). Nach An­sicht des LAG war hier ein Ver­gleich gemäß § 278 Abs.6 Satz 1, Alt.2 ZPO ver­ein­bart wor­den. Denn mit dem Ein­rei­chen des Ver­gleichs­tex­tes hat­te das Land vor­ab "zu­ge­stimmt", so je­den­falls das LAG.

BAG: Aus­nahms­wei­se genügt auch ein Ver­gleich auf Vor­schlag ei­ner der Pro­zess­par­tei­en als Sach­grund für ei­ne Ar­beits­ver­trags­be­fris­tung

Das BAG wies die Re­vi­si­on der An­ge­stell­ten zurück, die da­mit in al­len drei In­stan­zen den Kürze­ren ge­zo­gen hat.

Zur Be­gründung stützt sich das BAG aber nicht auf § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.2 ZPO. An­ders als das LAG hat das BAG Zwei­fel, dass der Ver­gleich im Streit­fall auf Vor­schlag des Ge­richts im Sin­ne die­ser Va­ri­an­te zu­stan­de ge­kom­men ist. Denn ei­ne aus­drück­li­che Zu­stim­mung des Lan­des fehl­te ja.

Al­ler­dings la­gen hier die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ver­gleichs­ab­schlus­ses gemäß § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.1 ZPO vor, und die genügten dem BAG. Zwar ist im All­ge­mei­nen ein Ver­gleich gemäß § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.2 ZPO er­for­der­lich, um ei­ne wirk­sa­me Be­fris­tung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Tz­B­fG zu ver­ein­ba­ren. "Aus­nahms­wei­se" reicht aber auch ein Ver­gleich gemäß § 278 Abs.6 Satz 1 Alt.1 ZPO, so das BAG. Denn das LAG hat­te "durch sei­nen Ver­gleichs­vor­schlag am In­halt des Ver­gleichs ver­ant­wort­lich mit­ge­wirkt" (Ur­teil, S.10).

Fa­zit: Ver­glei­che im schrift­li­chen Ver­fah­ren wer­den prak­tisch im­mer von den Par­tei­en bzw. von ih­ren Anwälten aus­ge­han­delt und dann dem Ge­richt über­mit­telt mit der Bit­te, das Zu­stan­de­kom­men des Ver­gleichs "gemäß § 278 Abs.6 ZPO" zu pro­to­kol­lie­ren.

Ob das Ge­richt dar­auf­hin bei­de Par­tei­en of­fi­zi­ell um Zu­stim­mung zu dem Ver­gleichs­text bit­tet oder nur ei­ne Par­tei, kann für die Wirk­sam­keit ei­ner Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung gemäß § 14 Abs.1 Satz 2 Nr.8 Tz­B­fG kei­ne Rol­le spie­len. Denn in bei­den Fällen hat sich das Ge­richt den Ver­gleichs­text zu ei­gen ge­macht, d.h. es steht hin­ter die­ser Re­ge­lung.

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Letzte Überarbeitung: 20. Mai 2017

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