HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 27.02.2020, C-298/18

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Betriebsübergang: Konzern
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-298/18
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 27.02.2020
   
Leitsätze:

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, dass bei der Übernahme einer Tätigkeit, deren Ausübung nennenswerte Betriebsmittel erfordert, durch eine wirtschaftliche Einheit aufgrund eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags der Umstand, dass diese Mittel, die Eigentum der die Tätigkeit zuvor ausübenden wirtschaftlichen Einheit sind, von der erstgenannten Einheit wegen rechtlicher, umweltrelevanter und technischer Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers nicht übernommen werden, der Qualifizierung der Übernahme der Tätigkeit als Unternehmensübergang nicht notwendigerweise entgegenstehen muss, wenn andere Tatsachen, wie die Übernahme eines wesentlichen Teils der Belegschaft und die Fortsetzung der Tätigkeit ohne Unterbrechung, die Feststellung zulassen, dass die betreffende wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

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Vorinstanzen: Arbeitsgericht Cottbus, 17.04.2018 - 11 Ca 10090/17 , 11 Ca 10093/17,
nachgehend:
ArbG Cottbus, 15.06.2020 - 11 Ca 10090/17, 11 Ca 10093/17
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Vier­te Kam­mer)

27. Fe­bru­ar 2020

 

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung – Richt­li­nie 2001/23/EG – Art. 1 Abs. 1 – Un­ter­neh­mensüber­gang – Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer – Be­trieb von Bus­li­ni­en – Über­nah­me der Be­leg­schaft – Kei­ne Über­nah­me der Be­triebs­mit­tel – Be­gründung“

 

In der Rechts­sa­che C‑298/18 

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ar­beits­ge­richt Cott­bus – Kam­mern Senf­ten­berg (Deutsch­land), mit Ent­schei­dung vom 17. April 2018, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 2. Mai 2018, in dem Ver­fah­ren

Rei­ner Gra­fe,

Jürgen Poh­le

ge­gen

Südbran­den­bur­ger Nah­ver­kehrs GmbH,

OSL Bus GmbH
erlässt

 

DER GERICH­TSHOF (Vier­te Kam­mer)

 

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten M. Vil­a­ras, der Rich­ter S. Ro­din und D. Šváby, der Rich­te­rin K. Jürimäe und des Rich­ters N. Piçar­ra (Be­richt­er­stat­ter),
Ge­ne­ral­anwältin: E. Sharps­ton,
 

Kanz­ler: M. Fer­rei­ra, Haupt­ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 21. März 2019,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen
  • der Südbran­den­bur­ger Nah­ver­kehrs GmbH, ver­tre­ten durch die Rechts­anwälte A.‑K. Pfei­fer, M. Sand­mai­er und O. Grimm,
  • der OSL Bus GmbH, ver­tre­ten durch die Rechts­anwälte A. Braun und D. Led­won,
  • der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. Kel­ler­bau­er und C. Hödl­mayr als Be­vollmäch­tig­te,
nach Anhörung der Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin in der Sit­zung vom 11. Ju­li 2019

fol­gen­des

 

Ur­teil

 

Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 77/187/EWG des Ra­tes vom 14. Fe­bru­ar 1977 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (ABl. 1977, L 61, S. 26).
2

Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Rei­ner Gra­fe und Herrn Jürgen Poh­le ei­ner­seits und der Südbran­den­bur­ger Nah­ver­kehrs GmbH (im Fol­gen­den: SBN) und der OSL Bus GmbH (im Fol­gen­den: OSL) an­de­rer­seits über die Rechtmäßig­keit ih­rer Kündi­gung durch SBN.

 

Recht­li­cher Rah­men

3 Mit der am 11. April 2001 in Kraft ge­tre­te­nen Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len (ABl. 2001, L 82, S. 16) wird, wie im ers­ten Erwägungs­grund die­ser Richt­li­nie klar­ge­stellt wird, die Richt­li­nie 77/187 ko­di­fi­ziert.
4 Der drit­te Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2001/23 lau­tet: „Es sind Be­stim­mun­gen not­wen­dig, die die Ar­beit­neh­mer bei ei­nem In­ha­ber­wech­sel schützen und ins­be­son­de­re die Wah­rung ih­rer Ansprüche gewähr­leis­ten.“
5 Im ach­ten Erwägungs­grund die­ser Richt­li­nie heißt es: „Aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und Trans­pa­renz war es er­for­der­lich, den ju­ris­ti­schen Be­griff des Über­gangs un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu klären. Durch die­se Klärung wur­de der An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie [77/187] gemäß der Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof nicht geändert.“
6

Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 sieht vor:

„a)   Die­se Richt­li­nie ist auf den Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­tei­len auf ei­nen an­de­ren In­ha­ber durch ver­trag­li­che Über­tra­gung oder durch Ver­schmel­zung an­wend­bar. 
b) Vor­be­halt­lich Buch­sta­be a) und der nach­ste­hen­den Be­stim­mun­gen die­ses Ar­ti­kels gilt als Über­gang im Sin­ne die­ser Richt­li­nie der Über­gang ei­ner ih­re Iden­tität be­wah­ren­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit im Sin­ne ei­ner or­ga­ni­sier­ten Zu­sam­men­fas­sung von Res­sour­cen zur Ver­fol­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Haupt- oder Ne­bentätig­keit.
…“  

7

Art. 2 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 be­stimmt:

„Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie gel­ten fol­gen­de Be­griffs­be­stim­mun­gen:

a) ‚Veräußerer‘ ist je­de natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son, die auf­grund ei­nes Über­gangs im Sin­ne von Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 als In­ha­ber aus dem Un­ter­neh­men, dem Be­trieb oder dem Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil aus­schei­det. 
b) ‚Er­wer­ber‘ ist je­de natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­son, die auf­grund ei­nes Über­gangs im Sin­ne von Ar­ti­kel 1 Ab­satz 1 als In­ha­ber in das Un­ter­neh­men, den Be­trieb oder den Un­ter­neh­mens- bzw. Be­triebs­teil ein­tritt.
 
d) Ar­beit­neh­mer‘ ist je­de Per­son, die in dem be­tref­fen­den Mit­glied­staat auf­grund des ein­zel­staat­li­chen Ar­beits­rechts geschützt ist.“

 

Aus­gangs­rechts­streit und Vor­la­ge­fra­gen

8 SBN be­trieb im Auf­trag des Land­krei­ses Ober­spree­wald-Lau­sitz (Deutsch­land) seit dem 1. Au­gust 2008 den öffent­li­chen Bus­nah­ver­kehrs­dienst des Land­krei­ses, als die­ser im Sep­tem­ber 2016 die be­tref­fen­den Ver­kehrs­diens­te neu aus­schrieb.
9 SBN zog es vor, kein An­ge­bot ab­zu­ge­ben, da sie ih­rer An­sicht nach kein wirt­schaft­lich trag­ba­res An­ge­bot un­ter­brei­ten konn­te. Sie stell­te den Geschäfts­be­trieb ein und sprach ih­ren Ar­beit­neh­mern ge­genüber Kündi­gun­gen aus. Am 19. Ja­nu­ar 2017 schloss sie ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan mit ih­rem Be­triebs­rat. Der So­zi­al­plan sah vor, dass Ar­beit­neh­mer Ab­fin­dun­gen er­hal­ten, wenn sie kein Über­nah­me­an­ge­bot von dem neu­en Auf­trag­neh­mer er­hal­ten oder wenn sie bei Neu­ein­stel­lung durch die­sen fi­nan­zi­el­le Ver­lus­te er­lei­den.
10 Den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trag für die öffent­li­chen Bus­ver­kehrs­diens­te ab dem 1. Au­gust 2017 er­hielt die Kraft­ver­kehrs­ge­sell­schaft Dreiländer­eck mbH (im Fol­gen­den: KVG). Zur Er­brin­gung die­ser Diens­te gründe­te sie ein Toch­ter­un­ter­neh­men, OSL, das ihr zu 100 % gehört. Letz­te­re stell­te ei­nen über­wie­gen­den Teil der Bus­fah­rer und ei­nen Teil der Führungs­kräfte von SBN ein.
11 KVG teil­te SBN im April 2017 mit, dass sie de­ren Bus­se, Be­triebsstätten und sons­ti­ge Be­triebs­an­la­gen we­der kau­fen noch mie­ten noch von ihr Werk­statt­dienst­leis­tun­gen in An­spruch neh­men wer­de.
12 Herr Gra­fe war bei SBN bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin seit Ju­li 1978 als Bus­fah­rer und Vor­ar­bei­ter in Voll­zeit beschäftigt. SBN kündig­te ihm mit Schrei­ben vom 27. Ja­nu­ar 2017 zum 31. Au­gust 2017. Seit dem 1. Sep­tem­ber 2017 ist er bei OSL als Bus­fah­rer beschäftigt. Die­se er­kann­te sei­ne frühe­ren Beschäfti­gungs­zei­ten nicht an und stuf­te ihn da­her in die Ein­gangs­stu­fe des an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­trags ein.
13 In die­sem Zu­sam­men­hang wehrt sich Herr Gra­fe ge­gen sei­ne Kündi­gung durch SBN und macht gel­tend, dass OSL bei sei­ner Ein­stu­fung sei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit bei SBN zu berück­sich­ti­gen ha­be. Die­ser Kläger des Aus­gangs­ver­fah­rens und sei­ne frühe­re Ar­beit­ge­be­rin sind der Auf­fas­sung, dass das Ar­beits­verhält­nis des Be­trof­fe­nen im Rah­men ei­nes Un­ter­neh­mensüber­gangs im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23 auf OSL über­ge­gan­gen sei.
14 Herr Poh­le war seit No­vem­ber 1979 eben­falls bei SBN als Bus­fah­rer und Vor­ar­bei­ter in Voll­zeit beschäftigt. Das Un­ter­neh­men kündig­te ihm mit Schrei­ben vom 27. Ja­nu­ar 2017 zum 31. Au­gust 2017. Er wur­de vom neu­en Auf­trag­neh­mer nicht ein­ge­stellt. In die­sem Zu­sam­men­hang wehrt er sich ge­gen sei­ne Kündi­gung und for­dert hilfs­wei­se die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 68 034,56 Eu­ro aus dem von SBN auf­ge­stell­ten So­zi­al­plan. SBN macht im We­ge der Wi­der­kla­ge gel­tend, dass der Ar­beits­ver­trag von Herrn Poh­le auf­grund des Un­ter­neh­mensüber­gangs auf OSL über­ge­gan­gen sei und sie da­her nicht zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung ver­pflich­tet sei.
15 OSL stützt sich auf das Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), um gel­tend zu ma­chen, dass kein Un­ter­neh­mensüber­gang im Sin­ne von Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 vor­lie­gen könne, da im vor­lie­gen­den Fall ma­te­ri­el­le Be­triebs­mit­tel, ins­be­son­de­re die Bus­se, nicht über­nom­men wor­den sei­en.
16 SBN macht gel­tend, die Über­nah­me der Bus­se durch den neu­en Auf­trag­neh­mer sei in An­be­tracht der gel­ten­den tech­ni­schen und um­welt­re­le­van­ten Nor­men aus­ge­schlos­sen. Nach den Aus­schrei­bungs­vor­ga­ben dürf­ten die Bus­se nämlich ein ma­xi­ma­les Al­ter von 15 Jah­ren nicht über­schrei­ten. Sie müss­ten auch zu­min­dest die Um­welt­schutz­norm „Eu­ro 6“ erfüllen. Zum Zeit­punkt der Ver­ga­be die­ses öffent­li­chen Auf­trags, der für ei­ne Dau­er von zehn Jah­ren ge­schlos­sen wor­den sei, sei­en die Bus­se von SBN im Schnitt 13 Jah­re alt ge­we­sen. Außer­dem erfüll­ten die­se nur die Nor­men „Eu­ro 3“ bzw. „Eu­ro 4“. Darüber hin­aus genügten sie nicht den An­for­de­run­gen an die Bar­rie­re­frei­heit für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen. Es sei auch nicht mehr nötig, die Diens­te von Be­triebshöfen in An­spruch zu neh­men, da mit der War­tung bzw. Re­pa­ra­tur der Bus­se spe­zia­li­sier­te Werkstätten be­auf­tragt wer­den könn­ten.
17 Gemäß der be­tref­fen­den Aus­schrei­bung müss­ten die Bus­fah­rer – so SBN – im Be­sitz ei­ner gülti­gen Ge­neh­mi­gung sein, über Kennt­nis­se der gel­ten­den ge­setz­li­chen und fach­li­chen Vor­schrif­ten verfügen, in der La­ge sein, den Fahrgästen In­for­ma­tio­nen zu ge­ben, über gu­te Netz- und Stre­cken­kennt­nis­se, über Kennt­nis­se der Li­ni­enführung und der Fahrpläne im be­dien­ten Ge­biet, der Re­gio­nal­bus­li­ni­en, der An­schlüsse so­wie der Bahn­li­ni­en und Ta­rif­be­stim­mun­gen verfügen. Die­se Bus­fah­rer sei­en in der länd­li­chen Re­gi­on ein „knap­pes Gut“. Auf­grund ih­res Know-hows und ih­rer Netz­kennt­nis­se sei­en die Bus­fah­rer von SBN seit dem 1. Au­gust 2017 ein­satzfähig ge­we­sen, so dass die Kon­ti­nuität des öffent­li­chen Ver­kehrs­diens­tes im Land­kreis si­cher­ge­stellt wor­den sei. SBN fol­gert dar­aus, dass die Bus­fah­rer die wirt­schaft­li­che Ein­heit prägten.
18 Vor die­sem Hin­ter­grund fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, das die Dar­stel­lung des recht­li­chen und sach­li­chen Rah­mens durch SBN für zu­tref­fend hält, ob die im Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), ent­wi­ckel­te Lösung im vor­lie­gen­den Aus­gangs­rechts­streit An­wen­dung fin­det.
19

Un­ter die­sen Umständen hat das Ar­beits­ge­richt Cott­bus – Kam­mern Senf­ten­berg (Deutsch­land) be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

  1. Ist die Überg­a­be des Be­triebs von Bus­li­ni­en von ei­nem Bus­un­ter­neh­men auf ein an­de­res auf­grund ei­nes Ver­ga­be­ver­fah­rens nach der Richt­li­nie 92/50/EWG des Ra­tes vom 18. Ju­ni 1992 über die Ver­ga­be öffent­li­cher Dienst­leis­tungs­aufträge (ABl. 1992, L 209, S. 1) ein Über­gang ei­nes Be­triebs im Sin­ne des Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 77/187, auch wenn kei­ne nen­nens­wer­ten Be­triebs­mit­tel, ins­be­son­de­re kei­ne Bus­se, zwi­schen den bei­den ge­nann­ten Un­ter­neh­men über­tra­gen wor­den sind?
  2. Recht­fer­tigt die An­nah­me, dass die Bus­se bei ei­ner be­fris­te­ten Ver­ga­be der Dienst­leis­tun­gen auf­grund vernünf­ti­ger be­triebs­wirt­schaft­li­cher Ent­schei­dung we­gen ih­res Al­ters und der ge­stie­ge­nen tech­ni­schen An­for­de­rung (Ab­gas­wer­te, Nie­der­flur­fahr­zeu­ge) nicht mehr von er­heb­li­cher Be­deu­tung für den Wert des Be­triebs sind, ei­ne Ab­wei­chung des Ge­richts­hofs von sei­ner Ent­schei­dung vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), da­hin ge­hend, dass un­ter die­sen Be­din­gun­gen auch die Über­nah­me ei­nes we­sent­li­chen Teils der Be­leg­schaft zur An­wend­bar­keit der Richt­li­nie 77/187 führen kann?

 

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

20 Zunächst ist fest­zu­stel­len, dass die Fra­ge zwar die Aus­le­gung der Richt­li­nie 77/187 be­trifft, der für das Aus­gangs­ver­fah­ren maßge­ben­de Text aber die Richt­li­nie 2001/23 ist, mit der, wie es in ih­rem ach­ten Erwägungs­grund heißt, die Richt­li­nie 77/187 ko­di­fi­ziert wer­den soll, um den Be­griff des Un­ter­neh­mensüber­gangs un­ter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu klären.
21 Mit sei­nen bei­den Fra­gen, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass bei ei­ner Über­nah­me ei­ner Tätig­keit durch ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit auf­grund ei­nes Ver­fah­rens zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags der Um­stand, dass die­se Ein­heit die Be­triebs­mit­tel, de­ren Ei­gentüme­rin die wirt­schaft­li­che Ein­heit war, die die­se Tätig­keit zu­vor ausübte, nicht über­nimmt, der Qua­li­fi­zie­rung die­ses Vor­gangs als Un­ter­neh­mensüber­gang ent­ge­gen­steht.
22 Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. b die­ser Richt­li­nie gilt als Über­gang der Über­gang ei­ner ih­re Iden­tität be­wah­ren­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit im Sin­ne ei­ner or­ga­ni­sier­ten Zu­sam­men­fas­sung von Res­sour­cen zur Ver­fol­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Haupt- oder Ne­bentätig­keit. Der Be­griff der Ein­heit be­zieht sich so­mit auf ei­ne or­ga­ni­sier­te Ge­samt­heit von Per­so­nen und Sa­chen zur Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­ner Ziel­set­zung.
23 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist für ei­nen sol­chen Über­gang ent­schei­dend, dass die wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, was na­ment­lich dann zu be­ja­hen ist, wenn der Be­trieb tatsächlich wei­ter­geführt oder wie­der auf­ge­nom­men wird (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 9. Sep­tem­ber 2015, Fer­rei­ra da Sil­va e Bri­to u. a., C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 25 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
24 Für die Fest­stel­lung, ob die­se Vor­aus­set­zung erfüllt ist, müssen sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den. Da­zu gehören na­ment­lich die Art des be­tref­fen­den Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, der Über­gang oder Nichtüber­gang der ma­te­ri­el­len Ak­ti­va wie Gebäude und be­weg­li­che Güter, der Wert der im­ma­te­ri­el­len Ak­ti­va zum Zeit­punkt des Über­gangs, die Über­nah­me oder Nichtüber­nah­me der Haupt­be­leg­schaft durch den neu­en In­ha­ber, der Über­gang oder Nichtüber­gang der Kund­schaft so­wie der Grad der Ähn­lich­keit zwi­schen der vor und der nach dem Über­gang ver­rich­te­ten Tätig­keit und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung die­ser Tätig­keit. Die­se Umstände sind je­doch nur Teil­as­pek­te der vor­zu­neh­men­den Ge­samt­be­wer­tung und können des­halb nicht iso­liert be­ur­teilt wer­den (Ur­teil vom 9. Sep­tem­ber 2015, Fer­rei­ra da Sil­va e Bri­to u. a., C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 26 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
25 Des­halb kommt den ver­schie­de­nen Kri­te­ri­en not­wen­di­ger­wei­se je nach der aus­geübten Tätig­keit und selbst nach den Pro­duk­ti­ons- oder Be­triebs­me­tho­den, die in dem be­tref­fen­den Un­ter­neh­men, Be­trieb oder Be­triebs­teil an­ge­wen­det wer­den, un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (Ur­teil vom 9. Sep­tem­ber 2015, Fer­rei­ra da Sil­va e Bri­to u. a., C‑160/14, EU:C:2015:565, Rn. 27 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).
26 Zu­dem ist klar­zu­stel­len, dass die bloße Über­nah­me der Tätig­keit ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit durch ei­ne an­de­re wirt­schaft­li­che Ein­heit nicht dar­auf schließen lässt, dass die­se Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt. Die Iden­tität ei­ner sol­chen Ein­heit darf nämlich nicht auf de­ren Tätig­keit re­du­ziert wer­den. Die­se Iden­tität er­gibt sich aus meh­re­ren un­trenn­bar zu­sam­menhängen­den Fak­to­ren wie dem Per­so­nal der Ein­heit, ih­ren Führungs­kräften, ih­rer Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on, ih­ren Be­triebs­me­tho­den und ge­ge­be­nen­falls den ihr zur Verfügung ste­hen­den Be­triebs­mit­teln (Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2011, CLE­CE, C‑463/09, EU:C:2011:24, Rn. 41, und vom 20. Ju­li 2017, Pis­car­re­ta Ri­car­do, C‑416/16, EU:C:2017:574, Rn. 43).
27 Dem­nach setzt die Qua­li­fi­zie­rung als Über­gang ei­ne Rei­he von Fest­stel­lun­gen tatsäch­li­cher Art vor­aus, da die­se Fra­ge vom na­tio­na­len Ge­richt im kon­kre­ten Fall im Licht der vom Ge­richts­hof auf­ge­stell­ten Kri­te­ri­en (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 7. Au­gust 2018, Co­li­no Si­guënza, C‑472/16, EU:C:2018:646, Rn. 45) so­wie der mit der Richt­li­nie 2001/23 ver­folg­ten Zie­le, die ins­be­son­de­re in ih­rem drit­ten Erwägungs­grund ge­nannt sind, zu be­ur­tei­len ist.
28 In die­sem Zu­sam­men­hang fragt das vor­le­gen­de Ge­richt spe­zi­el­ler, ob in der vor­lie­gen­den Rechts­sa­che die Lösung her­an­zu­zie­hen ist, die im Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), ent­wi­ckelt wur­de, in dem es um ei­nen Auf­trag ging, der die Er­brin­gung ei­nes sie­ben re­gio­na­le Li­ni­en um­fas­sen­den Bus­ver­kehrs­diens­tes für ei­nen Zeit­raum von drei Jah­ren be­traf. Der neue Be­trei­ber hat­te die Dienst­klei­dung ei­ni­ger Fah­rer, die zu ihm ge­wech­selt hat­ten, über­nom­men und bis zur Lie­fe­rung der be­stell­ten Fahr­zeu­ge vom frühe­ren Be­trei­ber le­dig­lich zwei Bus­se für ei­ni­ge Mo­na­te ge­mie­tet.
29 Mit der Fra­ge be­fasst, ob ein Un­ter­neh­mensüber­gang im Sin­ne von Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 77/187 vor­liegt, hat der Ge­richts­hof zunächst in Rn. 39 des Ur­teils vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), her­vor­ge­ho­ben, dass der Bus­ver­kehr nicht als ei­ne Tätig­keit an­ge­se­hen wer­den kann, für die es im We­sent­li­chen auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an­kommt, da er in er­heb­li­chem Um­fang Ma­te­ri­al und Ein­rich­tun­gen er­for­dert. Da­her ist der Um­stand, dass kei­ne ma­te­ri­el­len Güter, die für den Be­trieb der be­tref­fen­den Bus­li­ni­en ein­ge­setzt wor­den sind, vom al­ten auf den neu­en Auf­trag­neh­mer über­ge­gan­gen sind, bei der Qua­li­fi­zie­rung als Un­ter­neh­mensüber­gang zu berück­sich­ti­gen. Der Ge­richts­hof hat so­dann in Rn. 42 des Ur­teils fest­ge­stellt, dass, da die ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel von er­heb­li­cher Be­deu­tung für die Ausübung der Tätig­keit sind, die Tat­sa­che, dass die­se für den ord­nungs­gemäßen Be­trieb der be­tref­fen­den Ein­heit un­erläss­li­chen Mit­tel nicht vom al­ten auf den neu­en Auf­trag­neh­mer des Auf­trags für öffent­li­chen Bus­ver­kehr über­ge­hen, es aus­sch­ließt, dass die­se Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt hat. Sch­ließlich ist der Ge­richts­hof in Rn. 43 des Ur­teils zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass die Richt­li­nie 77/187 auf ei­nen Fall wie den des Aus­gangs­ver­fah­rens nicht an­wend­bar ist, wenn kei­ne nen­nens­wer­ten ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel vom al­ten auf den neu­en Auf­trag­neh­mer über­ge­hen.
30 Fest­zu­stel­len ist je­doch, dass, nach­dem der Ge­richts­hof in Rn. 39 des Ur­teils vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), nach­drück­lich be­tont hat, dass der Um­stand, dass kei­ne ma­te­ri­el­len Güter, die für den Be­trieb der be­tref­fen­den Bus­li­ni­en ein­ge­setzt wor­den sind, vom al­ten auf den neu­en Auf­trag­neh­mer über­ge­gan­gen sind, bei der Würdi­gung zu berück­sich­ti­gen ist, aus die­ser Erwägung nicht ge­fol­gert wer­den kann, dass die Über­nah­me der Bus­se abs­trakt als der ein­zi­ge Fak­tor an­zu­se­hen ist, der für den Über­gang ei­nes im öffent­li­chen Per­so­nen­bus­ver­kehr täti­gen Un­ter­neh­mens ent­schei­dend ist.
31 Des­halb hat das vor­le­gen­de Ge­richt bei der Klärung der Fra­ge, ob der Um­stand, dass die Be­triebs­mit­tel, bei de­nen es sich um die Bus­se han­delt, nicht über­ge­hen, der Qua­li­fi­zie­rung als Un­ter­neh­mensüber­gang ent­ge­gen­steht, die be­son­de­ren Umstände der Rechts­sa­che, mit der es be­fasst ist, zu berück­sich­ti­gen.
32 In­so­weit geht aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung her­vor, dass die Erfüllung der vom öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber für die Be­triebs­mit­tel vor­ge­ge­be­nen neu­en tech­ni­schen und um­welt­re­le­van­ten Nor­men es dem Un­ter­neh­men, das Zu­schlag er­hielt, in wirt­schaft­li­cher wie auch recht­li­cher Hin­sicht unmöglich mach­te, die Be­triebs­mit­tel des Un­ter­neh­mens, das zu­vor den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trag für die öffent­li­chen Ver­kehrs­diens­te er­hal­ten hat­te, zu über­neh­men. Es wäre nämlich in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht für ei­nen neu­en Be­trei­ber nicht vernünf­tig ge­we­sen, ei­nen vor­han­de­nen Bus­be­stand zu über­neh­men, der sich aus Fahr­zeu­gen zu­sam­men­setz­te, die be­trieb­lich nicht ge­nutzt wer­den konn­ten, da sie die zu­ge­las­se­ne Be­triebs­dau­er er­reicht hat­ten und die Vor­ga­ben des öffent­li­chen Auf­trag­ge­bers nicht erfüll­ten.
33 Mit an­de­ren Wor­ten wur­de die Ent­schei­dung des neu­en Be­trei­bers, die Be­triebs­mit­tel des frühe­ren Be­trei­bers nicht zu über­neh­men, durch äußere Zwänge dik­tiert, wo­hin­ge­gen, wie die Ge­ne­ral­anwältin in Nr. 54 ih­rer Schluss­anträge aus­geführt hat, im Sach­ver­halt der Rechts­sa­che, in der das Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2001, Liiken­ne (C‑172/99, EU:C:2001:59), er­gan­gen ist, nichts dar­auf schließen lässt, dass dies in je­ner Rechts­sa­che der Fall ge­we­sen wäre.
34 Darüber hin­aus wäre nach den in Rn. 16 des vor­lie­gen­den Ur­teils zu­sam­men­ge­fass­ten Fest­stel­lun­gen des vor­le­gen­den Ge­richts das Un­ter­neh­men, das zu­vor den im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Auf­trag für öffent­li­che Ver­kehrs­diens­te er­hal­ten hat­te, in An­be­tracht der vom öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber vor­ge­ge­be­nen tech­ni­schen und um­welt­re­le­van­ten Nor­men selbst ge­zwun­gen ge­we­sen, in na­her Zu­kunft sei­ne Be­triebs­mit­tel zu er­set­zen, wenn es für die­sen Auf­trag ein An­ge­bot un­ter­brei­tet und den Zu­schlag er­hal­ten hätte.
35 Vor die­sem Hin­ter­grund steht der Um­stand, dass kei­ne Be­triebs­mit­tel über­ge­hen, der Qua­li­fi­zie­rung der Über­nah­me der be­tref­fen­den Tätig­keit als „Un­ter­neh­mensüber­gang“ im Sin­ne von Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 so­mit nicht not­wen­di­ger­wei­se ent­ge­gen, da sich die­ser Um­stand aus recht­li­chen, um­welt­re­le­van­ten oder tech­ni­schen Vor­ga­ben er­gibt.
36 Es ist da­her Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, fest­zu­stel­len, ob an­de­re der in den Rn. 24 bis 26 des vor­lie­gen­den Ur­teils an­geführ­ten tatsächli­chen Fak­to­ren den Schluss zu­las­sen, dass die be­tref­fen­de Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt und da­mit ein Un­ter­neh­mensüber­gang vor­liegt.
37 Hier­zu ist als Ers­tes dar­auf hin­zu­wei­sen, dass, wie die Ge­ne­ral­anwältin in Nr. 40 ih­rer Schluss­anträge aus­geführt hat, der Vor­la­ge­ent­schei­dung zu ent­neh­men ist, dass der neue Be­trei­ber im We­sent­li­chen die glei­chen Bus­ver­kehrs­diens­te er­bringt, wie sie das vo­ri­ge Un­ter­neh­men er­brach­te, die nicht un­ter­bro­chen und ver­mut­lich größten­teils auf den­sel­ben Stre­cken und für die­sel­ben Fahrgäste be­trie­ben wur­den.
38 Als Zwei­tes hebt das vor­le­gen­de Ge­richt her­vor, dass der Um­stand, dass es er­fah­re­ne Bus­fah­rer ge­be, in ei­ner länd­li­chen Re­gi­on wie dem Land­kreis Ober­spree­wald-Lau­sitz, ent­schei­dend sei, um die Qua­lität des be­tref­fen­den öffent­li­chen Ver­kehrs­diens­tes zu gewähr­leis­ten. Es stellt ins­be­son­de­re fest, dass die­se über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se der Li­ni­enführung und der Fahrpläne des be­dien­ten Ge­biets so­wie der übri­gen Re­gio­nal­bus­li­ni­en, der Bahn­li­ni­en und der be­ste­hen­den An­schlüsse verfügen müss­ten, um nicht nur den Fahr­kar­ten­ver­kauf si­cher­zu­stel­len, son­dern den Fahrgästen auch die für die ge­plan­te Fahrt er­for­der­li­chen In­for­ma­tio­nen zu ge­ben.
39

In die­sem Zu­sam­men­hang ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ei­ne Ge­samt­heit von Ar­beit­neh­mern, die durch ei­ne ge­mein­sa­me Tätig­keit dau­er­haft ver­bun­den sind, ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit dar­stel­len kann und in die­sem Fall ei­ne sol­che Ein­heit ih­re Iden­tität über ih­ren Über­gang hin­aus be­wah­ren kann, wenn der neue Un­ter­neh­mens­in­ha­ber nicht nur die be­tref­fen­de Tätig­keit wei­terführt, son­dern auch ei­nen nach Zahl und Sach­kun­de we­sent­li­chen Teil der Be­leg­schaft über­nimmt, die sein Vorgänger ge­zielt für die­se Tätig­keit ein­ge­setzt hat­te. Denn dann er­wirbt der neue Un­ter­neh­mens­in­ha­ber ei­ne or­ga­ni­sier­te Ge­samt­heit von Fak­to­ren, die ihm die Fort­set­zung der Tätig­kei­ten oder be­stimm­ter Tätig­kei­ten des über­tra­gen­den Un­ter­neh­mens auf Dau­er er­laubt (Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2011, CLE­CE, C‑463/09, EU:C:2011:24, Rn. 36 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).


40 Da, wie in den Rn. 32 und 35 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt wur­de, der Um­stand, dass kei­ne für die Fort­set­zung der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit er­for­der­li­chen Be­triebs­mit­tel über­nom­men wer­den, nicht not­wen­di­ger­wei­se dem ent­ge­gen­steht, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, ist so­mit im Aus­gangs­ver­fah­ren die Über­nah­me ei­nes we­sent­li­chen Teils der Fah­rer als tatsäch­li­cher Fak­tor an­zu­se­hen, der bei der Qua­li­fi­zie­rung des be­tref­fen­den Vor­gangs als Un­ter­neh­mensüber­gang zu berück­sich­ti­gen ist. In­so­weit er­gibt sich aus dem im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Sach­ver­halt, dass die vom neu­en Be­trei­ber über­nom­me­ne Be­leg­schaft für iden­ti­sche oder ähn­li­che Auf­ga­ben ein­ge­setzt wird und über spe­zi­fi­sche Qua­li­fi­ka­tio­nen und Kom­pe­ten­zen verfügt, die für die Fort­set­zung der be­tref­fen­den wirt­schaft­li­chen Tätig­keit oh­ne Un­ter­bre­chung un­erläss­lich sind.
41

Nach al­le­dem ist auf die vor­ge­leg­ten Fra­gen zu ant­wor­ten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass bei der Über­nah­me ei­ner Tätig­keit, de­ren Ausübung nen­nens­wer­te Be­triebs­mit­tel er­for­dert, durch ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit auf­grund ei­nes Ver­fah­rens zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags der Um­stand, dass die­se Mit­tel, die Ei­gen­tum der die Tätig­keit zu­vor ausüben­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit sind, von der erst­ge­nann­ten Ein­heit we­gen recht­li­cher, um­welt­re­le­van­ter und tech­ni­scher Vor­ga­ben des öffent­li­chen Auf­trag­ge­bers nicht über­nom­men wer­den, der Qua­li­fi­zie­rung der Über­nah­me der Tätig­keit als Un­ter­neh­mensüber­gang nicht not­wen­di­ger­wei­se ent­ge­gen­ste­hen muss, wenn an­de­re tatsächli­che Fak­to­ren, wie die Über­nah­me ei­nes we­sent­li­chen Teils der Be­leg­schaft und die Fort­set­zung der Tätig­keit oh­ne Un­ter­bre­chung, die Fest­stel­lung zu­las­sen, dass die be­tref­fen­de wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, was zu prüfen Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist.

 

Kos­ten

42

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem beim vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

 

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Vier­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG des Ra­tes vom 12. März 2001 zur An­glei­chung der Rechts­vor­schrif­ten der Mit­glied­staa­ten über die Wah­rung von Ansprüchen der Ar­beit­neh­mer beim Über­gang von Un­ter­neh­men, Be­trie­ben oder Un­ter­neh­mens- oder Be­triebs­tei­len ist da­hin aus­zu­le­gen, dass bei der Über­nah­me ei­ner Tätig­keit, de­ren Ausübung nen­nens­wer­te Be­triebs­mit­tel er­for­dert, durch ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit auf­grund ei­nes Ver­fah­rens zur Ver­ga­be ei­nes öffent­li­chen Auf­trags der Um­stand, dass die­se Mit­tel, die Ei­gen­tum der die Tätig­keit zu­vor ausüben­den wirt­schaft­li­chen Ein­heit sind, von der erst­ge­nann­ten Ein­heit we­gen recht­li­cher, um­welt­re­le­van­ter und tech­ni­scher Vor­ga­ben des öffent­li­chen Auf­trag­ge­bers nicht über­nom­men wer­den, der Qua­li­fi­zie­rung der Über­nah­me der Tätig­keit als Un­ter­neh­mensüber­gang nicht not­wen­di­ger­wei­se ent­ge­gen­ste­hen muss, wenn an­de­re Tat­sa­chen, wie die Über­nah­me ei­nes we­sent­li­chen Teils der Be­leg­schaft und die Fort­set­zung der Tätig­keit oh­ne Un­ter­bre­chung, die Fest­stel­lung zu­las­sen, dass die be­tref­fen­de wirt­schaft­li­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, was zu prüfen Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist.

Vil­a­ras 

Ro­din 

Šváby

Jürimäe  

Piçar­ra

Verkündet in öffent­li­cher Sit­zung in Lu­xem­burg am 27. Fe­bru­ar 2020.

Der Kanz­ler

Der Präsi­dent der Vier­ten Kam­mer
 

A. Ca­lot Es­co­bar

M. Vil­a­ras

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