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Betriebsübergang zwecks Liquidation
19.08.2019. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber über, kommt es zum Austausch des Arbeitgebers.
Ob dies für die betroffenen Arbeitnehmer langfristige Perspektiven eröffnet oder ob sie (möglicherweise recht bald nach dem Betriebsübergang) von betriebsbedingten Kündigungen oder gar der Insolvenz ihres neuen Arbeitgebers betroffen sein werden, ist bei Betriebsübergängen selten klar.
In einem aktuellen Urteil hat der europäische Gerichtshof (EuGH) deutlich gemacht, dass das Europarecht keine Mindestzeit vorsieht, während der der Betrieb vom Erwerber aufrechterhalten werden muss: EuGH, Urteil vom 13.06.2019, C-664/17 (Ellinika Nafpigeia AE).
- Liegt ein Betriebsübergang auch dann vor, wenn der Betriebserwerber nach dem Übergang abgewickelt werden soll?
- Im Streit: Griechisches Industrieunternehmen überträgt einen Unternehmensbereich auf ein Tochterunternehmen, das später liquidiert wird
- EuGH: Betriebsveräußerer und Betriebserwerber können bei der Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit planen, dass diese durch den Erwerber aufgelöst wird
Liegt ein Betriebsübergang auch dann vor, wenn der Betriebserwerber nach dem Übergang abgewickelt werden soll?
Gemäß Art.3 Abs.1 der Richtlinie 2001/23/EG, der Betriebsübergangsrichtlinie, gehen bei einem Betriebsübergang die Rechte und Pflichten eines Veräußerers aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen auf den Erwerber über.
Dieser Grundsatz soll sicherstellen, dass Betriebe zwar Gegenstand von Transaktionen sein können, dass diese allerdings nicht zulasten der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer gehen. Denn deren Arbeitsverhältnisse werden aufrechterhalten, auch wenn es zu einem Betriebsinhaberwechsel kommt.
Das deutsche Recht hat diesen europarechtlichen Grundsatz umgesetzt, nämlich durch § 613a Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Hier heißt es:
„Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.“
Nach der langjährigen Rechtsprechung des EuGH, die Eingang in die Betriebsübergangsrichtlinie gefunden hat, ist ein „Betriebsübergang“ gemäß Art.1 Abs.1 Buchstabe b) Richtlinie 2001/23/EG definiert als
„der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“.
Dabei hat der EuGH in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass eine solche wirtschaftliche Einheit und auch deren Übertragung eine gewisse Dauer aufweisen müssen.
Fraglich ist daher, ob es noch unter den Begriff des Betriebsübergangs fällt, wenn ein Unternehmen einen Unternehmensteil bzw. eine Unternehmenssparte abspaltet und auf eine Tochtergesellschaft überträgt, damit der übertragene Unternehmensteil nach der Übertragung abgewickelt bzw. stillgelegt werden soll. Möglicherweise stellt ein solches Vorgehen keinen Betriebsübergang oder eine missbräuchliche Ausnutzung der rechtlichen Regeln über dem Betriebsübergang dar.
Im Streit: Griechisches Industrieunternehmen überträgt einen Unternehmensbereich auf ein Tochterunternehmen, das später liquidiert wird
In dem aus Griechenland stammenden Vorlagefall hatten 90 Arbeitnehmer ihren ursprünglichen Arbeitgeber, das Industrieunternehmen Ellinika Nafpigeia AE, auf die Feststellung verklagt, dass zwischen ihnen immer noch ein Arbeitsverhältnis bestünde.
Denn die Arbeitnehmer wollten sich nicht damit abfinden, dass ihre Arbeitsverhältnisse - nach jahrelanger Tätigkeit für die Nafpigeia - angeblich zum 01.10.2006 auf ein von dieser gegründetes Tochterunternehmen übergegangen sein sollen.
Das aber war der Rechtsstandpunkt der Nafpigeia, die eine ihrer vier Unternehmenssparten, nämlich den Bau von Schienenfahrzeugen, samt den dazugehörigen Verträgen mit Kunden und samt Arbeitnehmern zum 01.10.2006 auf ein Tochterunternehmen, die Etaireia Trochaiou Ylikou Ellados ΑΕ (ΕΤΥΕ) übertragen hatte.
Zur Aufrechterhaltung des Betriebs war die ΕΤΥΕ allerdings darauf angewiesen, Produktionsmittel ihrer Muttergesellschaft Nafpigeia zu nutzen. Ein weiterer Schönheitsfehler dieses Betriebsübergangs bestand darin, dass die ΕΤΥΕ mit ihrer Muttergesellschaft Nafpigeia im September 2007 (etwa ein Jahr nach dem Betriebsübergang) eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen hatte, der zufolge ΕΤΥΕ zum 30.09.2008 abgewickelt werden sollte. Zudem wurde ΕΤΥΕ im Jahre 2010 für insolvent erklärt.
Nachdem die Arbeitnehmer mit ihrer Feststellungsklage in der ersten und zweiten Instanz erfolgreich waren, landete der Fall auf Betreiben von Nafpigeia beim griechischen Kassationsgerichtshof.
Der wiederum legte den Fall dem EuGH vor und wollte wissen,
- ob bei konzerninternen Betriebsübergängen wie hier im Streitfall überhaupt eine übergangsfähige „wirtschaftliche Einheit“ vorliegt, und
- ob weiterhin von einem „Betriebsübergang“ auch dann die Rede sein kann, wenn Veräußerer und Erwerber nicht (nur) die erfolgreiche weitere Geschäftstätigkeit durch den Erwerber, sondern (auch) dessen Liquidation beabsichtigen.
EuGH: Betriebsveräußerer und Betriebserwerber können bei der Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit planen, dass diese durch den Erwerber aufgelöst wird
In seiner Beantwortung der Vorlagefragen stellt der EuGH klar, dass für das Vorliegen eines Betriebsübergangs keine bestimmte Mindestzeit vorgesehen ist, für die der Betrieb beim Erwerber aufrechterhalten bleiben muss (Urteil, Rn.39).
Auch die spätere Liquidation oder Insolvenz des Betriebserwerbers schließt einen Betriebsübergang nicht aus, da die Richtlinie 2001/23/EG eine entsprechende Ausnahme (Art.5 Abs.1) ausdrücklich nur für den Fall der Insolvenz bzw. des Konkurses des Betriebsveräußerers vorsieht (Urteil, Rn.43-47).
Daher ist es zulässig, so der EuGH, dass Veräußerer, Erwerber oder beide die künftige Abwicklung des Erwerbers planen, d.h. derartige Planungen sind mit einem Betriebsübergang nicht generell unvereinbar (Urteil, Rn.48).
Einschränkend betont der Gerichtshof allerdings, dass der Erwerber beim Betriebsübergang über ausreichende Ressourcen verfügen muss, um den Betrieb dauerhaft bzw. zumindest zeitweise fortführen zu können (Urteil, Rn.42, Rn.54-57), und dass andernfalls die Berufung auf die europarechtlichen Vorschriften zum Betriebsübergang rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig wäre (Urteil, Rn.50, 51). Eine „Verschiebung“ von Arbeitnehmern allein zum Zwecke der Kostenentlastung des (angeblichen) Betriebsveräußerers wäre daher unzulässig.
Darüber hinaus stellt der Gerichtshof im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung, klar, dass auch die Abhängigkeit eines Tochterunternehmens von den materiellen, für die Produktion erforderlichen Ressourcen der Muttergesellschaft mit einem Betriebsübergang vereinbar ist, vorausgesetzt das Tochterunternehmen verfügt über hinreichend verlässliche Vertragsbeziehungen zur Muttergesellschaft, die die Nutzung dieser Ressourcen sicherstellen (Urteil, Rn.68-70).
Fazit: Das „Austöchtern“ von Unternehmensteilen kann auch dann ein echter Betriebsübergang sein, wenn das Tochterunternehmen und der von ihm übernommenen Betrieb oder Betriebsteil nach einigen Jahren abgewickelt werden soll. Voraussetzung ist allerdings, dass eine dauerhaft bzw. nicht nur ganz kurzfristige Fortführung des übernommenen Betriebs durch das Tochterunternehmen möglich ist.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.06.2019, C-664/17 (Ellinika Nafpigeia AE)
- Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Spunar, vom 07.02.2019, Rs. C-664/17 (Ellinika Nafpigeia AE)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Insolvenz des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/025 Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
- Arbeitsrecht aktuell: 16/277 Betriebsübergang und materielle Betriebsmittel
- Arbeitsrecht aktuell: 16/245 Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 14/364 EuGH zum Betriebsübergang im Konzern
- Arbeitsrecht aktuell: 11/080a Wann liegt beim Betriebsteilübergang eine wirtschaftliche Einheit vor?
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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