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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 12.09.2014, 10 Sa 1329/13

   
Schlagworte: Ausschlussfrist, Urlaubsabgeltung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 10 Sa 1329/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.09.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wuppertal - 8 Ca 1783/13
   


10 Sa 1329/13
8 Ca 1783/13
Ar­beits­ge­richt Wup­per­tal  

Verkündet am 12.09.2014


Es­ser

Re­gie­rungs­beschäftig­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

der Frau C. N., Klein C. 4, X.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

Rechts­anwälte May­er u. a.,
Mit­tel­str. 44, 45549 Sprockhövel,

g e g e n

die Schwes­ter T. GmbH, ver­tre­ten durch die Geschäftsführer T. S. und N. N., N. Str. 162, X.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

Ei­sen­beis Rechts­an­walts­ge­sell­schaft mbH,
ver­tre­ten durch die Geschäftsführer Dr. Ste­fan

N.-The­le u. a.,
Rösra­ther Str. 568, 51107 Köln,

hat die 10. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf

auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12.09.2014

durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Mailänder als

Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Bren­ner und den

eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Di­ede­rich

für R e c h t er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wup­per­tal vom 01.10.2013 – 8 Ca 1783/13 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


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T A T B E S T A N D :

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ein un­strei­tig in Höhe von € 876,92 brut­to ent­stan­de­ner An­spruch der Kläge­rin auf Ab­gel­tung von ins­ge­samt zehn Ur­laubs­ta­gen man­gels recht­zei­ti­ger Gel­tend­ma­chung nach Maßga­be ei­ner ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Aus­schluss­klau­sel ver­fal­len ist.

Die Kläge­rin war in der Zeit vom 01.10.2011 bis ein­sch­ließlich 31.03.2013 bei der Be­klag­ten als Kran­ken­schwes­ter beschäftigt. Mit hand­schrift­lich ergänz­tem For­mu­lar­ver­trag, we­gen des­sen vollständi­gem In­halt auf die mit der Kla­ge­schrift zu den Ak­ten ge­reich­te Ko­pie ver­wie­sen wird, ha­ben die Par­tei­en u.a. Fol­gen­des ver­ein­bart:

"§ 10 Vergütung

(1) Der Ar­beit­neh­mer erhält ei­ne Vergütung von mo­nat­lich 1.900,-brut­to (in Wor­ten: ein­tau­send­neun­hun­dert)

(2) Die Aus­zah­lung des Ge­hal­tes er­folgt im Nach­hin­ein bis zum 15. des Fol­ge­mo­nats.
...
...


§ 18 Ver­fall­klau­sel

Al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit ihm in Ver­bin­dung ste­hen, ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb von 3 Mo­na­ten nach ih­rer Fällig­keit ge­genüber der je­weils an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Dies gilt nicht für sol­che Ansprüche, die durch straf­ba­re oder un­er­laub­te Hand­lun­gen ent­stan­den sind."

Ab dem 05.11.2012 war die Kläge­rin bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.03.2013 und darüber durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt. Un­strei­tig stan­den ihr für das Jahr 2012 und an­tei­lig für das Jahr 2013 je­weils noch 5 Ur­laubs­ta­ge zu, die sie auf­grund ih­rer Er­kran­kung nicht neh­men konn­te.

Ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung zahl­te die Be­klag­te nicht. Statt­des­sen er­hielt die Kläge­rin An­fang April 2013 ei­ne auf den 08.04.2013 da­tie­ren­de Ab­rech­nung für den Mo­nat März 2013, die als "Lohn­schuld" ei­ne For­de­rung der Be­klag­ten auf Rück­zah­lung von 1.109,87 € aus­wies.

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Mit ih­rer am 28. Ju­ni 2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, der Be­klag­ten am 04.07.2013 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat die Kläge­rin Zah­lung und Ab­rech­nung der Ur­laubs­ab­gel­tung ver­langt. Sie hat be­haup­tet, bei Rück­ga­be der Dienst­klei­dung am 10.04.2013 ha­be die Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten ihr mit­ge­teilt, dass "die Ur­laubs­ab­gel­tung mit der nächs­ten Ab­rech­nung er­fol­gen wer­de". Darüber hin­aus hat die Kläge­rin ein auf den 23.04.2013 da­tie­ren­des Schrei­ben ih­rer vor­pro­zes­sua­len Be­vollmäch­tig­ten vor­ge­legt, mit dem die­se un­ter Frist­set­zung die Ab­rech­nung und Aus­glei­chung von ins­ge­samt 15 Ur­laubs­ta­gen for­der­ten. Die Kläge­rin hat be­haup­tet, dass die­ses Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben der Be­klag­ten auch zu­ge­gan­gen sei.

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 876,92 € brut­to zu zah­len und ihr hierüber bei Zah­lung ei­ne Ab­rech­nung zu er­tei­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat den Zu­gang des Schrei­bens der Be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 23.04.2013 be­strit­ten und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung der Ur­laubs­ab­gel­tung ver­fal­len sei. Ei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung sei erst mit Zu­gang der Kla­ge­schrift am 04.07.2013 er­folgt. Da die Ur­laubs­ab­gel­tung aber mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, hier al­so am 31.03.2013 ent­stan­den und fällig ge­wor­den sei, sei die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Ver­fall­frist mit dem 30.06.2013 ab­ge­lau­fen ge­we­sen. Im Ar­beits­ver­trag - na­ment­lich un­ter § 10 Abs. 2 - sei kei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung der Fällig­keit für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ge­trof­fen wor­den.

Mit Ur­teil vom 01.10.2013, auf des­sen Ent­schei­dungs­gründe we­gen der im Ein­zel­nen zu­grun­de­lie­gen­den Erwägun­gen ver­wie­sen wird, hat das Ar­beits­ge­richt der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Die Kläge­rin ha­be An­spruch auf Aus­zah­lung und Ab­rech­nung der Ur­laubs­ab­gel­tung gem. §§ 7 Abs. 4 BUrlG, 108 Ge­wO. Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch sei nicht man­gels recht­zei­ti­ger Gel­tend­ma­chung er­lo­schen.

Zum ei­nen sei die Ur­laubs­ab­gel­tung recht­zei­tig und in hin­rei­chen­der Wei­se mit dem Schrei­ben der Be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 23.04.2013 gel­tend ge-

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macht wor­den. Das Schrei­ben erfülle die in­halt­li­chen An­for­de­run­gen an ein Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben. Die Kläge­rin ha­be dar­in die Ab­gel­tung für ins­ge­samt 15 Ur­laubs­ta­ge ver­langt. Da sie während des ge­sam­ten Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses ein gleich­blei­ben­des Fest­ge­halt be­zo­gen ha­be, sei die Be­klag­te selbst in der La­ge ge­we­sen, die Höhe der Ur­laubs­ab­gel­tung zu be­rech­nen. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass das Schrei­ben bei der Be­klag­ten ein­ge­gan­gen sei. We­der könne der Geschäftsführer der Be­klag­ten mit Si­cher­heit aus­sch­ließen, ein Schrei­ben vom 23.04.2013 er­hal­ten zu ha­ben. Noch sei es glaub­haft, dass er al­lei­ne die Post öff­ne und be­ar­bei­te. Eben­so we­nig sei­en von Sei­ten der Be­klag­ten ir­gend­wel­che Be­son­der­hei­ten vor­ge­tra­gen wor­den, die in dem Zeit­raum um den 23.04.2012 da­zu hätten führen könn­ten, dass ein ein­fa­cher, rich­tig adres­sier­ter Brief in­ner­halb ei­ner Stadt nicht zu­ge­gan­gen sein könn­te.

Zum an­de­ren sei auf­grund un­wi­der­spro­che­nen Vor­trags der Kläge­rin da­von aus­zu­ge­hen, dass sie von der Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten auf Nach­fra­ge bei Rück­ga­be der Dienst­klei­dung am 10.04.2013 dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den sei, dass die Aus­zah­lung der Ur­laubs­ab­gel­tung mit der nächs­ten Ab­rech­nung er­fol­ge. Auf die­se Aus­sa­ge ha­be die Kläge­rin ver­trau­en dürfen mit der Fol­ge, dass die Ver­fall­frist erst mit dem 15. April 2013 be­gon­nen ha­be. Aus­ge­hend von dem da­nach maßgeb­li­chen 15. April 2013 ha­be die Kläge­rin die ver­trag­li­che Aus­schluss­frist durch ih­re am 04.07.2013 zu­ge­stell­te Kla­ge­schrift ge­wahrt.

Mit ih­rer Be­ru­fung, we­gen de­ren teils wie­der­ho­len­den, teils ver­tie­fen­den De­tails auf die Be­ru­fungs­be­gründung und den ergänzen­den Schrift­satz vom 15.08.2014 ver­wie­sen wird, wen­det sich die Be­klag­te ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. Zum ei­nen blei­be be­strit­ten, dass das Schrei­ben der vor­ge­richt­li­chen Be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 23.04.2013 der Be­klag­ten zu­ge­gan­gen sei. Das Ar­beits­ge­richt ha­be in­so­weit zu Un­recht an­ge­nom­men, dass der Geschäftsführer un­wahr zum Ab­lauf der Post­eingänge vor­ge­tra­gen ha­be. Es be­nen­ne kei­ne Gründe, war­um die Aus­sa­ge nicht glaub­haft ge­we­sen sein soll. Im Übri­gen ha­be nicht die Be­klag­te dar­zu­tun und zu be­wei­sen, war­um ein Brief der Kläge­rin ihr nicht zu­ge­gan­gen sein könn­te. Zu Un­recht sei das Ar­beits­ge­richt auch da­von aus­ge­gan­gen, dass die Ver­fall­frist erst am 15.04.2013 zu lau­fen be­gon­nen ha­be. Die Be­klag­te be­strei­tet in­so­weit, dass die Geschäftsführe­rin die Kläge­rin am 10.04.2013 dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass die Aus­zah­lung der Ur­laubs­ab­gel­tung mit der nächs­ten Ab­rech­nung er­fol­gen wer­de. Man­gels ab­wei­chen­der Ver­ein­ba­rung blei­be es bei dem Grund­satz, dass der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 271 BGB so­fort, hier al­so am 31.03.2013, fällig wer­de. Dar­an ände­re die un­ter § 10 Abs. 2 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung nichts, denn die­se er­fas­se nur Ansprüche, die im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis stünden.

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Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Wup­per­tal vom 01.10.2013 - 8 Ca 1783/13 - der Be­klag­ten zu­ge­stellt am 22.10.2013, ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Mit ih­rer Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung, auf die we­gen der Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens ver­wie­sen wird, ver­tei­digt sie das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­trags, wo­nach sie ih­re Ur­laubs­ab­gel­tung recht­zei­tig mit dem von ih­rer vor­ge­richt­li­chen Be­vollmäch­tig­ten ver­fass­ten und auch in den Post­lauf ge­ge­be­nen Schrei­ben vom 23.04.2013 gel­tend ge­macht und im Übri­gen die Aus­schluss­frist für den An­spruch auf die Ur­laubs­ab­gel­tung erst mit dem 15. April 2013 zu lau­fen be­gon­nen ha­be.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halts so­wie des wi­der­strei­ten­den Sach­vor­trags und der un­ter­schied­li­chen Rechts­auf­fas­sun­gen der Par­tei­en wird gemäß § 69 Abs. 3 Satz 2 ArbGG ergänzend auf den Ak­ten­in­halt, ins­be­son­de­re die wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze der Par­tei­en nebst An­la­gen so­wie die Pro­to­kol­le der münd­li­chen Ver­hand­lun­gen aus bei­den In­stan­zen Be­zug ge­nom­men.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

I.

Die den An­for­de­run­gen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 1, 2, 6 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 519, 520 ZPO genügen­de und des­halb zulässi­ge Be­ru­fung konn­te in der Sa­che kei­nen Er­folg ha­ben. Das Ar­beits­ge­richt hat den Rechts­streit im Er­geb­nis rich­tig ent­schie­den, in­dem es der Kla­ge statt­ge­ge­ben hat. Die Kläge­rin hat An­spruch auf Aus­zah­lung und Ab­rech­nung der der Höhe nach un­strei­ti­gen Ur­laubs­ab­gel­tung gem. §§ 7 Abs. 4 BUrlG, 108 Ge­wO.

1. Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ist nicht man­gels recht­zei­ti­ger Gel­tend­ma­chung er­lo­schen.
 


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a) Der An­spruch der Kläge­rin auf Ab­gel­tung nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs un­terfällt der un­ter § 18 des schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags ver­ein­bar­ten Aus­schluss­klau­sel.

Bei § 18 des Ar­beits­ver­tra­ges han­delt es sich um ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wie das äußere Er­schei­nungs­bild des Ver­tra­ges un­zwei­fel­haft er­ken­nen lässt, ist der Text für ei­ne Viel­zahl von Verträgen vor­for­mu­liert. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gilt er da­mit als von der Be­klag­ten ge­stellt. § 18 ist als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung wirk­sam. Die Aus­schluss­klau­sel ist we­der über­ra­schend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB noch er­weist sie sich als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 oder 2 BGB. Die Klau­sel ist um­fas­send zu ver­ste­hen. Mit Aus­nah­me der aus straf­ba­rer oder un­er­laub­ter Hand­lung re­sul­tie­ren­den Ansprüche er­fasst sie al­le bei­der­sei­ti­gen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis und sol­che, die mit ihm in Ver­bin­dung ste­hen. Da­mit er­fasst § 18 auch den An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung aus § 7 Abs. 4 BUrlG.

Dem steht nicht ent­ge­gen, dass nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG von Be­stim­mun­gen die­ses Ge­set­zes außer § 7 Abs. 2 Satz 2 nicht zu Un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den kann. Der mit En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­stan­de­ne und zu­gleich fällig wer­den­de Ab­gel­tungs­an­spruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG stellt nach neue­rer Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­nen rei­nen Geld­an­spruch dar, der sich nicht von sons­ti­gen Ent­gelt­ansprüchen aus dem Ar­beits­verhält­nis un­ter­schei­det. Er ist des­halb grundsätz­lich wie je­der an­de­re An­spruch aus dem Ar­beits­verhält­nis zu be­han­deln und kann da­mit auch Aus­schluss­fris­ten un­ter­lie­gen. Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt so­weit er­sicht­lich bis­her nur für ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten aus­drück­lich ent­schie­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 09. Au­gust 2011 – 9 AZR 365/10 –, ju­ris, so­wie jüngst: BAG, Ur­teil vom 06. Mai 2014 – 9 AZR 758/12 –, ju­ris), gilt aber glei­cher­maßen auch für ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Aus­schluss­fris­ten. Wie die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten be­trifft auch die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Aus­schluss­frist nicht den In­halt des An­spruchs, son­dern re­gelt le­dig­lich des­sen Fort­be­stand. Es verhält sich des­halb beim Ab­gel­tungs­an­spruch nicht an­ders als beim An­spruch auf Ur­laubs­ent­gelt im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis (vgl. LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 18. Ja­nu­ar 2013 – 6 Sa 1894/12 –, ju­ris m.w.N. zur zu­grun­de­lie­gen­den Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­rich­tes).


b) Für die Ent­schei­dung des Rechts­streits ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Kläge­rin die gemäß § 18 des Ar­beits­ver­tra­ges gel­ten­de Aus­schluss­frist von drei Mo­na­ten seit Fällig­keit des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs ein­ge­hal­ten hat.
 


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aa) Die Frist für die Gel­tend­ma­chung der Ur­laubs­ab­gel­tung be­gann am 15.04.2013.

Nach neue­rer Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ent­steht der An­spruch ei­nes Ar­beit­neh­mers auf Ab­gel­tung des ihm nicht gewähr­ten Ur­laub gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG als rei­ner Geld­an­spruch mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und wird - so­weit nicht ei­ne Son­der­re­ge­lung ei­nen an­de­ren Fällig­keits­zeit­punkt be­stimmt - auch zu die­sem Zeit­punkt fällig (vgl. z.B. BAG, Ur­teil vom 06. Mai 2014 – 9 AZR 758/12 –, ju­ris, Rn. 14 m.w.N.).

Bei An­wen­dung die­ser Recht­spre­chung be­gann die un­ter § 18 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­ein­bar­te Aus­schluss­frist für die Gel­tend­ma­chung des Ur­laubs hier nicht mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.03.2013, son­dern erst am 15.04.2013. Denn die Par­tei­en ha­ben ei­ne dem­ent­spre­chen­de Son­der­re­ge­lung ge­trof­fen.

(1) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richt er­gibt sich die­se al­ler­dings nicht dar­aus, dass die Geschäftsführe­rin der Be­klag­ten der Kläge­rin nach de­ren Be­haup­tung bei ei­nem Gespräch anläss­lich der Rück­ga­be von Dienst­klei­dung am 10.04.2013 ge­sagt ha­ben soll, dass die Ur­laubs­ab­gel­tung mit der nächs­ten Ab­rech­nung er­fol­gen wer­de.

Selbst wenn die von Be­klag­ten­sei­te be­strit­te­ne Be­haup­tung der Kläge­rin als wahr un­ter­stellt wird, könn­te die ein­sei­ti­ge Erklärung der Geschäftsführe­rin nicht als ei­ne die Fällig­keit des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs oder den Be­ginn der Aus­schluss­frist hin­aus­schie­ben­de Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ver­stan­den wer­den. Die be­haup­te­te Erklärung wäre al­len­falls ge­eig­net, den Ein­wand des Rechts­miss­brauchs zu be­gründen mit der Fol­ge, dass sich die Be­klag­te nach Treu und Glau­ben gemäß § 242 BGB nicht auf den Ein­tritt des Ver­falls be­ru­fen könn­te, weil sie selbst die Kläge­rin von der recht­zei­ti­gen Gel­tend­ma­chung der For­de­rung ab­ge­hal­ten hätte.

Das würde al­ler­dings nur dann gel­ten, wenn der Kläge­rin nach Er­halt der Ab­rech­nung und Kennt­nis­er­lan­gung von dem Um­stand, dass die­se ent­ge­gen der be­haup­te­ten Zu­sa­ge doch kei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung enthält, kei­ne Ge­le­gen­heit mehr ge­blie­ben wäre, ih­re For­de­rung noch recht­zei­tig vor Ein­tritt des Ver­falls gel­tend zu ma­chen. Ein sol­cher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Kläge­rin hat die auf den 08.04.2013 da­tie­ren­de Ab­rech­nung nach ei­ge­nem Vor­trag zeit­nah nach dem Gespräch mit der Geschäftsführe­rin er­hal­ten, so dass es ihr oh­ne wei­te­res möglich war, die dar­in feh­len­de Ur­laubs­ab­gel­tung recht­zei­tig gel­tend zu ma­chen. Mehr noch: Nach ih­rem – be­strit­te­nen – Vor­trag hat sie dies mit

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dem Schrei­ben ih­rer vor­ge­richt­li­chen Be­vollmäch­ti­gen vom 23.04.2013 so­gar aus­drück­lich ge­tan. Bei die­ser Sach­la­ge be­steht für den Vor­wurf des rechts­miss­bräuch­li­chen Ver­hal­tens kein Raum.

(2) Ei­ne die Fällig­keit der Ur­laubs­ab­gel­tung er­fas­sen­de Son­der­re­ge­lung fin­det sich je­doch in § 10 Abs. 2 des schrift­li­chen Ar­beits­ver­tra­ges.

Mit der dort ge­trof­fen Ver­ein­ba­rung, dass "die Aus­zah­lung des Ge­hal­tes im Nach­hin­ein bis zum 15. des Fol­ge­mo­nats er­folgt", wel­che sich in die­ser oder ähn­li­cher For­mu­lie­rung re­gelmäßig in Ar­beits­verträgen fin­det, ha­ben die Par­tei­en ei­ne um­fas­sen­de Fällig­keits­re­ge­lung für al­le während des Laufs der je­wei­li­gen Ent­gelt­pe­ri­ode an­fal­len­den Zah­lungs­ansprüche ge­trof­fen, die als sol­che auch den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch er­fasst. Das er­gibt die Aus­le­gung ei­ner der­ar­ti­gen Ver­trags­klau­sel.

Ih­rem Wort­laut nach er­fasst die un­ter § 10 Abs. 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ver­wen­de­te Klau­sel "das Ge­halt". Un­ter den Be­griff "Ge­halt" oder "Mo­nats­ge­halt" fal­len nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch re­gelmäßig die im Ar­beits­verhält­nis ge­schul­de­ten Geld­leis­tun­gen, nicht aber geld­wer­te Vor­tei­le oder Sach­leis­tun­gen wie z.B. die Über­las­sung ei­nes Kraft­fahr­zeugs zur pri­va­ten Nut­zung (vgl. BAG, Ur­teil vom 14. Au­gust 1990 - 3 AZR 321/89 - ju­ris; LAG Hes­sen, Ur­teil vom 08. Sep­tem­ber 2004 - 8 Sa 2110/03 - ju­ris). Vom all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch her be­steht al­so kein Grund, den im Ar­beits­ver­trag ver­wen­de­ten Be­griff des "Ge­halts" auf sol­che Ansprüche zu be­gren­zen, die im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis zu­ein­an­der ste­hen. Der Wort­laut lässt es viel­mehr zu, dar­un­ter al­le Geld­leis­tun­gen zu ver­ste­hen, die während des Laufs der je­wei­li­gen Ent­gelt­pe­ri­ode ent­stan­den sind und da­mit zur Ab­rech­nung und Aus­zah­lung an­ste­hen. Das gilt hier um­so mehr, als sich so­wohl in der Über­schrift als auch im ers­ten Ab­satz des § 10 der noch um­fas­sen­de­re und all­ge­mei­ne­re Be­griff der "Vergütung" fin­det, und der im zwei­ten Ab­satz ver­wen­de­te Be­griff des "Ge­halts" of­fen­bar syn­onym ver­wen­det wird. Je­den­falls las­sen we­der die un­ter Ab­satz 1 ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung, dass der Ar­beit­neh­mer ei­ne "Vergütung" von mo­nat­lich 1.900,-¬brut­to erhält und die sich in Ab­satz 2 an­sch­ließen­de Aus­sa­ge, dass die Aus­zah­lung des "Ge­hal­tes" im Nach­hin­ein bis zum 15. des Fol­ge­mo­nats er­folgt, noch der übri­ge Text des Ar­beits­ver­tra­ges ei­ne sinn­vol­le Ab­gren­zung der bei­den Be­grif­fe von­ein­an­der er­ken­nen.

Sinn und Zweck der ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung le­gen es na­he, auch den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch in das spätes­tens bis zum 15. des Fol­ge­mo­nats zu zah­len­de "Ge­halt" ein­zu­be­zie­hen. Bei ei­ner Ver­ein­ba­rung der hier ge­trof­fe­nen Art lie­gen die­se re­gelmäßig dar­in, für al­le während der Be­zugs­pe­ri­ode ent­stan­de­nen Geld­ansprüche ei­nen ein­heit­li­chen Aus­zah­lungs­ter­min zu ver­ein­ba­ren,

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um auf die­se Wei­se den mit der Ab­rech­nung und Aus­zah­lung der Ent­gelt­ansprüche auch mit Blick auf die Be­rech­nung und Abführung von Steu­ern und So­zi­al­ab­ga­ben ein­her­ge­hen­den Ver­wal­tungs­auf­wand zu mi­ni­mie­ren. Nach der der Be­ru­fungs­kam­mer be­kann­ten und of­fen­bar auch sonst be­ob­ach­te­ten Pra­xis (vgl. Erfk./Gall­ner, 13. Aufl., § 11 BUrlG, Rn. 27) wird re­gelmäßig selbst der An­spruch auf das Ur­laubs­ent­gelt ent­ge­gen der aus­drück­li­chen Vor­ga­be des § 11 Abs. 2 BUrlG nicht vor An­tritt des Ur­laubs, son­dern re­gelmäßig "mit dem nor­ma­len Ab­rech­nungs­lauf" ab­ge­rech­net und ge­zahlt. Ein­ge­denk des­sen er­scheint die An­nah­me, die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en hätten den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch von der Ver­ein­ba­rung ei­nes ein­heit­li­chen Zah­lungs­ter­mins aus­neh­men wol­len mit der Fol­ge, dass al­lein die­ser so­fort mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­zu­rech­nen und aus­zu­zah­len wäre, während al­le übri­gen noch of­fe­nen Ansprüche erst zum 15. des Fol­ge­mo­nats fällig wer­den, ge­ra­de­zu le­bens­fremd, si­cher aber un­prak­ti­ka­bel, was bei der Aus­le­gung eben­falls zu berück­sich­ti­gen ist.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt geht in ständi­ger Recht­spre­chung da­von aus, dass die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen bei der Aus­le­gung von Ta­rif­verträgen oh­ne Bin­dung an die Rei­hen­fol­ge wei­te­re Kri­te­ri­en wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ta­rif­ver­trags und die Prak­ti­ka­bi­lität denk­ba­rer Aus­le­gungs­er­geb­nis­se zu berück­sich­ti­gen ha­ben. Im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Ta­rif­aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und prak­tisch brauch­ba­ren Re­ge­lung führt (vgl. z.B. BAG, Ur­teil vom 06. Mai 2014 – 9 AZR 758/12 –, ju­ris, Rn. 22 m.w.N.). Für die Aus­le­gung ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­run­gen gilt nichts an­de­res. Auch die Par­tei­en des Ar­beits­ver­tra­ges wol­len im Zwei­fel vernünf­ti­ge Re­ge­lun­gen tref­fen (vgl Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 69. Aufl. § 133 Rn. 25 m.w.N.).

Dem­gemäß ist die hier ver­ein­bar­te Klau­sel da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ei­ne um­fas­sen­de Fällig­keits­re­ge­lung für al­le während des Laufs der je­wei­li­gen Ent­gelt­pe­ri­ode ent­ste­hen­den Zah­lungs­ansprüche schaf­fen woll­ten. Dem übri­gen Text des Ver­trags­wer­kes las­sen sich kei­ne Hin-wei­se dar­auf ent­neh­men, dass die Par­tei­en den Wil­len ge­habt ha­ben könn­ten, spe­zi­ell den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch von die­ser um­fas­sen­den Fällig­keits­re­ge­lung aus­zu­neh­men. Folg­lich er­fasst die­se auch den An­spruch der Kläge­rin auf Ur­laubs­ab­gel­tung, der da­mit ent­ge­gen der grundsätz­li­chen Vor­ga­be des § 271 Abs. 1 BGB nicht so­fort mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern ent­spre­chend der un­ter § 10 Abs. 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ge­trof­fe­nen Son­der­re­ge­lung erst mit dem 15. des auf die Ent­ste­hung des An­spruchs fol­gen­den Mo­nats fällig wur­de.

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bb) Be­gann die drei­mo­na­ti­ge Frist für die Gel­tend­ma­chung des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs dem­nach mit dem 15.04.2013, so hat die Kläge­rin sie mit der am 28.06.2013 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und am 04.07.2013 der Be­klag­ten zu­ge­stell­ten Kla­ge­schrift ein­ge­hal­ten.

cc) Darüber hin­aus hätte die Kläge­rin die Gel­tend­ma­chungs­frist auch ein­ge­hal­ten, wenn sie ent­ge­gen vor­ste­hen­dem Er­geb­nis nicht erst mit dem 15.04.2013, son­dern schon mit Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am 31.03.2013 be­gon­nen hätte und dem­gemäß am 30.06.2013 ab­ge­lau­fen wäre.

(1) Die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, die Gel­tend­ma­chungs­frist sei durch das Schrei­ben der vor­ge­richt­li­chen Be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin vom 23.04.2013 ge­wahrt wor­den, ver­mag das Be­ru­fungs­ge­richt in­des nicht zu tei­len.

Zwar ist dem Ar­beits­ge­richt dar­in zu­zu­stim­men, dass die­ses Schrei­ben je­den­falls im ge­ge­be­nen Fall die in­halt­li­chen An­for­de­run­gen an ein Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben erfüllt, weil die Be­klag­te selbst in der La­ge war, die Höhe der Ur­laubs­ab­gel­tung aus­zu­rech­nen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, ist je­doch nicht be­wie­sen, dass das Schrei­ben der Be­klag­ten auch (recht­zei­tig) zu­ging. Es geht nicht dar­um, ob der Geschäftsführer der Be­klag­ten mit Si­cher­heit aus­sch­ließen kann, ein Schrei­ben von der Kläge­rin nicht er­hal­ten zu ha­ben. Wie die Be­klag­te mit der Be­ru­fung rich­tig her­vor­hebt, war es nicht an ihr, ir­gend­wel­che Be­son­der­hei­ten vor­zu­tra­gen, die in dem Zeit­raum um den 23.04.2012 da­zu hätten führen könn­ten, dass ein ein­fa­cher, rich­tig adres­sier­ter Brief in­ner­halb ei­ner Stadt nicht zu­ge­gan­gen sein könn­te. Es wäre viel­mehr al­lein Auf­ga­be der Kläge­rin ge­we­sen, wei­te­re Fak­ten vor­zu­tra­gen, die für ei­nen Zu­gang spre­chen könn­ten.

Die Kläge­rin trägt die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für den Zu­gang des Gel­tend­ma­chungs­schrei­bens als ei­ne für sie güns­ti­ge Tat­sa­che. So­weit es auf die Recht­zei­tig­keit an­kommt, gilt das auch für den Zeit­punkt des Zu­ge­hens (Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 69. Auf­la­ge, § 130 Rn. 21). Die Kläge­rin hat hier­zu aber nicht mehr vor­ge­tra­gen, als dass das Schrei­ben von ih­ren vor­ge­richt­li­chen Be­vollmäch­tig­ten ver­fasst und in den Post­lauf ge­ge­ben wor­den sei. Mit die­sem Vor­brin­gen ist selbst dann, wenn es als wahr un­ter­stellt wird, und selbst dann, wenn des Wei­te­ren un­ter­stellt wird, dass das Schrei­ben zeit­nah, d.h. am 23.04.2013 oder in den Ta­gen da­nach, in den Post­lauf ge­ge­ben wur­de, nicht be­wie­sen, dass es auch zu­ging. Denn an­ders als of­fen­bar das Ar­beits­ge­richt meint, be­steht für Post­sen­dun­gen kein An­scheins­be­weis, dass ei­ne zur Post ge­ge­be­ne Sen­dung den Empfänger auch er­reicht (Pa­landt/El­len­ber­ger, BGB, 69. Auf­la­ge, § 130 Rn. 21 n.w.N.). Fehlt es man­gels ei­nes sol­chen Er­fah­rungs-
 


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sat­zes aber an ei­nem taug­li­chen An­knüpfungs­punkt für die Un­ter­stel­lung, dass ein nach be­strit­te­ner Be­haup­tung der Kläge­rin auf den Weg ge­brach­tes Schrei­ben die Be­klag­te auch er­reich­te, gibt es we­der An­lass noch Hand­ha­be, der Be­klag­ten wei­ter­ge­hen­de Erklärun­gen ab­zu­ver­lan­gen als die, dass das strit­ti­ge Schrei­ben eben nicht bei ihr ein­ging.

(2) Die Kläge­rin hat ih­ren An­spruch al­ler­dings mit Ein­rei­chung der Kla­ge recht­zei­tig gel­tend ge­macht. Die nach § 18 des Ar­beits­ver­tra­ges er­for­der­li­che Schrift­form zur Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen aus dem Ar­beits­verhält­nis kann auch durch ei­ne Kla­ge ge­wahrt wer­den. Die auf Zah­lung der Ur­laubs­ab­gel­tung ge­rich­te­te Kla­ge ging am 28.06.2013 und da­mit vor Ab­lauf des 30.06.2013 beim Ar­beits­ge­richt ein. Dass die Kla­ge der Be­klag­ten erst am 04.07.2013 zu­ge­stellt wur­de, ist unschädlich. Denn die Zu­stel­lung ist „dem-nächst“ iSd. § 167 ZPO - al­so oh­ne der Kläge­rin zu­zu­rech­nen­de Verzöge­run­gen im Zu­stel­lungs­ver­fah­ren (vgl. da­zu näher BAG, Ur­teil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 –, ju­ris und BAG, Ur­teil vom 23. Au­gust 2012 - 8 AZR 394/11 - ju­ris -, Rn. 30 ff.) - vor­ge­nom­men wor­den.

Wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln in sei­ner das The­ma ausführ­lich be­han­deln­den, ei­ne di­rek­te oder ana­lo­ge An­wen­dung des § 167 ZPO im Er­geb­nis al­ler­dings ver­nei­nen­den Ent­schei­dung vom 31. Ja­nu­ar 2012 im Ein­zel­nen dar­ge­stellt hat (LAG Köln, Ur­teil vom 31. Ja­nu­ar 2012 - 5 Sa 1560/10 -, ju­ris, Rn. 49 ff.), nimmt das Bun­des­ar­beits­ge­richt bis­lang in ständi­ger Recht­spre­chung an, dass § 167 ZPO auf (ta­rif­ver­trag­li­che) Aus­schluss­fris­ten kei­ne An­wen­dung fin¬det (BAG, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2007 - 1 AZR 541/06 - ju­ris, Rn 31; BAG, Ur­teil vom 25. Sep­tem­ber 1996 - 10 AZR 678/95 -, ju­ris; BAG, Ur­teil vom 08. März 1976 - 5 AZR 361/75 - ju­ris, je­weils m.w.N.). Dies wird aus dem Sinn und Zweck der Vor­schrift des § 167 ZPO ge­schlos­sen. Die­se Re­ge­lung sol­le nur dem­je­ni­gen zu­gu­te­kom­men, der dar­auf an­ge­wie­sen sei, sich der Mit­wir­kung der Ge­rich­te zu be­die­nen, um be­stimm­te Fris­ten zu wah­ren. Nur in die­sem Fall sei die Par­tei auf die Mit­wir­kung des Ge­richts an­ge­wie­sen und bedürfe des­halb des Schut­zes da­vor, dass ei­ne Verzöge­rung in­ner­halb des von ihr nicht zu be­ein­flus­sen­den Ge­richts­be­trie­bes ein­tre­te. Dem­ge­genüber nimmt der Bun­des­ge­richts­hof an, die Be­stim­mung des § 167 ZPO sei grundsätz­lich auch in den Fällen an­wend­bar, in de­nen mit der Zu­stel­lung ei­ne Frist ein­ge­hal­ten wer­den soll, die auch durch außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung ge­wahrt wer­den kann (BGH, Ur­teil vom 17. Ju­li 2008 - I ZR 109/05 -, ju­ris).


Nun­mehr hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt mit Ur­teil vom 22. Mai 2014 aber dar­auf er­kannt, dass die nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG er­for­der­li­che Schrift­form zur Gel­tend­ma­chung von Scha­dens­er­satz- und Entschädi­gungs­ansprüchen gemäß § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG auch durch ei­ne Kla­ge ge­wahrt wer­de und da­bei

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§ 167 ZPO An­wen­dung fin­de (BAG, Ur­teil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 –, ju­ris). Un­ter den ver­schie­de­nen Möglich­kei­ten für den Zu­gang ei­ner Wil­lens­erklärung las­se § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB an­stel­le des Zu­gangs die - mit Rück­wir­kung ver­bun­de­ne - Zu­stel­lung ei­ner Wil­lens­erklärung durch Ver­mitt­lung ei­nes Ge­richts­voll­zie­hers zu. An­ge­sichts des­sen sei es nicht ge­recht­fer­tigt, ei­ner Zu­stel­lung durch Ver­mitt­lung des Ge­richts in gleich­ar­ti­gen Fällen die Rück­wir­kung zu ver­sa­gen. Die Gel­tend­ma­chung ei­nes An­spruchs iSv. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sei zwar kei­ne in § 132 Abs. 1 Satz 1 BGB aus­drück­lich ge­nann­te Wil­lens­erklärung, son­dern ei­ne ein­sei­ti­ge rechts­geschäftsähn­li­che Hand­lung. Eben­so wie der Bun­des­ge­richts­hof für die Gel­tend­ma­chung des Aus­kunfts­an­spruchs nach § 26 Abs. 3 UrhG aF, bei dem es sich eben­falls nicht um ei­ne Wil­lens­erklärung han­de­le, ei­nen gleich­ar­ti­gen Fall an­ge­nom­men ha­be, gel­te das auch für § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. In Son­derfällen, die dies nach dem be­son­de­ren Sinn und Zweck der Frist­be­stim­mung er­for­der­ten, kom­me die Rück­wir­kungs­re­ge­lung aus­nahms­wei­se nicht zur An­wen­dung. § 15 Abs. 4 AGG sei aber kein Son­der­fall im Hin­blick auf die An­wen­dung des § 167 ZPO (BAG, Ur­teil vom 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 –, ju­ris).

Die­se Recht­spre­chung ist auf ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten zu über­tra­gen. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat in der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung aus­drück­lich dar­auf ab­ge­stellt, dass es sich bei der nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ein­zu­hal­ten­den Frist um ei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che Aus­schluss­frist han­delt. Um ei­ne sol­che han­delt es sich auch bei ta­rif­ver­trag­li­chen oder ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten. Hier wie dort spre­chen des­halb Ge­sichts­punk­te der Rechts­si­cher­heit und des Ver­trau­ens­schut­zes für ei­ne An­wen­dung des § 167 ZPO. Wer mit der Kla­ge die stärks­te Form der Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen wählt, muss sich auch hier dar­auf ver­las­sen können, dass die Ein­rei­chung der Kla­ge­schrift die Frist wahrt. Im Er­geb­nis ist die recht­li­che und tatsächli­che Si­tua­ti­on die­sel­be wie im Fall des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Wie dort gibt es auch hier für ei­ne Aus­nah­me­kon­stel­la­ti­on kei­ne Recht­fer­ti­gung.


2. Der An­spruch auf Ab­rech­nung er­gibt sich in der vom Ar­beits­ge­richt ti­tu­lier­ten Form aus § 108 Ge­wO. Rügen hier­ge­gen sind mit der Be­ru­fung nicht vor­ge­bracht wor­den.

II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
 


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III.


Die Re­vi­si­on an das Bun­des­ar­beits­ge­richt war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen.

RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Be­klag­ten

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

Für die Kläge­rin ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich oder
in elek­tro­ni­scher Form beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99084 Er­furt
Fax: 0361-2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

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In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

Bezüglich der Möglich­keit elek­tro­ni­scher Ein­le­gung der Re­vi­si­on wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I Sei­te 519) ver­wie­sen.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.


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