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ArbG Ber­lin, Be­schluss vom 03.12.2008, 20 BV 16185/08

   
Schlagworte: Betriebsratsmitglied, Betriebsratskündigung, Kündigung: Schwerbehinderung, Kündigung: Zustimmungsersetzung
   
Gericht: Arbeitsgericht Berlin
Aktenzeichen: 20 BV 16185/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 03.12.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen:
   

Ar­beits­ge­richt Ber­lin
Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
20 BV 16185/08  

Verkündet
am 03.12.2008
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

 

- An­trag­stel­le­rin und Be­tei­lig­te zu 1) -

- Be­tei­lig­ter zu 2) -

- Be­tei­lig­te zu 3) -

hat das Ar­beits­ge­richt Ber­lin, 20. Kam­mer, auf die Anhörung vom

03.12.2008 durch die Rich­te­rin am Ar­beits­ge­richt

W

als Vor­sit­zen­de

so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau K

und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Sch

be­schlos­sen:

Der An­trag wird zurück­ge­wie­sen.

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Gründe

I.

Die An­trag­stel­le­rin und Be­tei­lig­te zu 1) (im Fol­gen­den: Ar­beit­ge­be­rin) be­ab­sich­tigt, das zwi­schen ihr und der Be­tei­lig­ten zu 3) be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis außer­or­dent­lich zu kündi­gen. Die Be­tei­lig­te zu 3) ist Mit­glied des bei der Ar­beit­ge­be­rin ge­bil­de­ten Be­triebs­rats (Be­tei­lig­ter zu 2).

Die am ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Be­tei­lig­te zu 3) ist seit dem 1. Au­gust 1998 bei der Ar­beit­ge­be­rin als Kas­sie­re­rin beschäftigt. Sie ist Mit­glied des Be­triebs­rats und ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt.

Die Ar­beit­ge­be­rin stützt ih­re Kündi­gungs­ab­sicht auf den Ver­dacht ei­ner Straf­tat der Be­tei­lig­ten zu 3).
Die Fa. V & B. führt bei der Ar­beit­ge­be­rin be­reits zum drit­ten Mal, die­ses Mal in der Zeit vom 25.08.2008 — 31.12.2008 ei­ne Treu­e­kam­pa­gne durch. Da­nach erhält der Kun­de pro 5,00 €-Ein­kaufs­wert ei­nen Treu­punkt. Die Treue­punk­te wer­den in ein Sam­mel­heft ein­ge­klebt und bei Ab­ga­be von 30 Treue­punk­ten erhält der Kun­de an der Kas­se ge­gen Zu­zah­lung Ba­dar­ti­kel von V & B. Die Ar­beit­ge­be­rin hat für die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ab­wick­lung der Treu­e­kam­pa­gne die Or­ga­ni­sa­ti­ons-Mit­tei­lung Nr. 059/2008/06 ent­wi­ckelt (Ab­lich­tung BI. 44 ff. d. Ak­te), die den Ab­lauf der Ra­batt­ak­ti­on be­schreibt. Da­nach erhält je­der Mit­ar­bei­ter Kas­se vom Kas­senbüro Ab­riss­hef­te zu­sam­men mit den übli­chen Kas­sen­un­ter­la­gen. Ein Ab­riss­heft enthält 50 Blat­te mit je­weils 30 Auf­kle­bern (aus­rei­chend für € 7.500,00 Um­satz). Auf Sei­te 9 un­ter Punkt 7.1 der An­wei­sung ist ge­re­gelt, dass die Ab­riss­hef­te wie Bar­geld zu be­han­deln sind und die Auf­be­wah­rung im Tre­sor er­folgt. In­halt der Or­ga­ni­sa­ti­ons­an­wei­sung ist ein Merk­blatt für die Kas­se, der für die Mit­ar­bei­ter Kas­se den Ab­lauf und die Vor­ge­hens­wei­se der Treu­e­kam­pa­gne erläutert. Dar­in heißt es u. a., dass die Ab­riss­hef­te zum Schutz vor Dieb­stahl in der Geld­kas­set­te zu ver­wah­ren sind. Mit ih­rer Un­ter­schrift vom 27.08.2008 bestätig­te die Be­tei­lig­te zu 3), dass sie die Mit­tei­lung er­hal­ten, ge­le­sen und ver­stan­den hat.

Am 27.08.2008 ging die Be­tei­lig­te zu 3) nach Dienst­schluss ge­gen 18.30 Uhr mit ih­rer Kas­sen­schub­la­de zur Haupt­kas­se, um die Kas­sen­ab­rech­nung durch­zuführen. Sie hat­te —wie stets — ein klei­nes pri­va­tes Täschchen (Fo­tos BI. 77- 79 d. Ak­te) da­bei, wel­ches sie an ih­rem Kas­sen­ar­beits­platz de­po­niert und in wei­chem sie Uten­si­li­en wie z.B. Ta­schen­rech­ner, Ku­gel­schrei­ber, Filz­stift, Büro­klam­mern, Tischuhr etc. auf­be­wahrt. In die­ser Wei­se ver­fah­ren auch an­de­re Mit­ar­bei­ter Kas­se bei der Ar­beit­ge­be­rin. In das Täschchen hat­te die Be­tei­lig­te zu 3) das Sam­mel­heft der Treu­e­kam­pa­gne und lo­se Bögen mit

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Treue­punk­ten ge­legt. Bei der Überg­a­be des Kas­sen­schubs gab die Be­tei­lig­te zu 3) das Ab­riss­heft her­aus. Die lo­sen Bögen mit den Treue­punk­ten ver­blie­ben in ih­rem Täschchen. An­sch­ließend be­gab sich die Be­tei­lig­te zu 3) zu ih­rem Spind und so­dann zur Aus­gangs­kon­trol­le in die Te­le­fon­zen­tra­le, wo der Wach­mann Herr K ei­ne Ta­schen­kon­trol­le durchführ­te. Hier­bei fie­len der Be­tei­lig­ten zu 3) die Bögen mit den Treue­punk­ten aus der Hand. Der Ab­lauf der Kon­trol­le im Ein­zel­nen ist zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­tig. Ins­be­son­de­re ist zu­letzt strei­tig ge­we­sen, ob der Be­tei­lig­ten zu 3) ne­ben den Bögen mit den Treue­punk­ten auch meh­re­re Pa­pie­re, wie pri­va­te Fa­xe und Fax­bestäti­gun­gen aus der Hand ge­fal­len sind. Es ist wei­ter strei­tig, ob die Be­tei­lig­te zu 3) ge­genüber Herrn K äußer­te, dass sie die Bögen in ih­ren Spind ver­brin­gen wer­de. Un­strei­tig ging die Be­tei­lig­te zu 3) zurück zu ih­rem Spind, de­po­nier­te dort die Bögen mit den Treue­punk­ten und ver­ließ an­sch­ließend das Haus. Der Wach­mann in­for­mier­te den Geschäfts­lei­ter Herrn F te­le­fo­nisch von dem Vor­fall, wor­auf hin Herr F im Bei­sein ei­ner Mit­ar­bei­te­rin den Spind der Be­tei­lig­ten zu 3) we­nig später öff­ne­te. Die Be­tei­lig­te zu 3) war zu die­sem Zeit­punkt be­reits ge­gan­gen.

Am 28.08.2008 fand ein Per­so­nal­gespräch mit der Be­tei­lig­ten zu 3) statt, an wel­chem u. a. Herr F und die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de Frau Std teil­nah­men. In dem Gespräch kon­fron­tier­te Herr die Be­tei­lig­te zu 3) mit dem Vor­fall vom Vor­tag und ver­lang­te ei­ne so­for­ti­ge Spindöff­nung. Die Be­tei­lig­te zu 3) kam der Auf­for­de­rung nach und ent­nahm ih­rem Spind acht Bögen Treue­punk­te. In dem an­sch­ließen­den Gespräch warf Herr F der Be­tei­lig­ten zu 3) ei­nen Ver­s­toß ge­gen die Or­ga­ni­sa­ti­ons­an­wei­sun­gen und Dieb­stahl/Un­ter­schla­gung vor. Die Be­tei­lig­te zu 3) nahm da­hin­ge­hend Stel­lung, dass sie die Bögen mit den Treue­punk­ten nicht ha­be ent­wen­den wol­len, sich die­se bei ih­ren pri­va­ten Ko­pi­en be­fun­den hätten und sie sie bei der Ab­rech­nung ver­ges­sen ha­be. Sie gab wei­ter an, zu faul ge­we­sen sein, um zu te­le­fo­nie­ren oder noch ein­mal zur Haupt­kas­se zu ge­hen, nach­dem ihr die Bögen in der Te­le­fon­zen­tra­le aus der Hand ge­fal­len sei­en. Sie ha­be die Bögen am Fol­ge­tag mit in die Haupt­kas­se ha­be neh­men wol­len und sie in ih­ren Spind ge­legt. Sie ha­be sich da­bei nichts ge­dacht, weil es nur Pa­pier ge­we­sen sei. Die Be­tei­lig­te zu 3) wur­de noch am sel­ben Tag von der Ar­beit frei­ge­stellt.

Mit Schrei­ben vom 02.09.2008, wel­ches am 09.09.2008 beim In­te­gra­ti­ons­amt ein­ging, be­an­trag­te die Ar­beit­ge­be­rin die Zu­stim­mung zur be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3). Das In­te­gra­ti­ons­amt stimm­te mit Be­scheid vom 19.09.2008, wel­cher bei der Ar­beit­ge­be­rin am 23.09.2008 ein­ging, der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) zu. Noch am sel­ben Tag bat die Ar­beit­ge­be­rin den Be­triebs­rat zur Er­tei­lung sei­ner Zu­stim­mung zur Kündi­gung. Der Be­triebs­rat erklärte sich un­ter dem 24.09.2008 aus­drück­lich nicht ein­ver­stan­den mit die­ser Maßnah­me. In sei­ner Be­grün-

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dung führ­te er u. a. an, dass der Geschäfts­lei­ter oh­ne Hin­zu­zie­hung des Be­triebs­rats am 27.082008 den Spind der Be­tei­lig­ten zu 3) kon­trol­liert und am nächs­ten Tag so ge­tan ha­be, als ob er die Spind­kon­trol­le im Bei­sein der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den erst­ma­lig durchführe. Die Ar­beit­ge­be­rin nahm dar­auf hin mit Schrei­ben vom 24.09.2008 ei­nen Nach­trag zur Kündi­gungs­anhörung vom 23.09.2008 vor, in wel­chem sie die Spind­kon­trol­le durch den Geschäfts­lei­ter am 27.08.2008 da­mit be­gründe­te, dass kein Be­triebs­rats­mit­glied mehr im Hau­se und zu prüfen ge­we­sen sei, ob die Be­tei­lig­te zu 3) die Bögen mit sich ge­nom­men oder im Um­klei­de­raum/Spind de­po­niert ha­be. Die Ar­beit­ge­be­rin bat den Be­triebs­rat noch­mals sei­ne Ent­schei­dung vom 23.09.2008 zu über­den­ken. Der Be­triebs­rat teil­te mit Schrei­ben vom 25.09.2008 mit, dass un­ter Auf­recht­er­hal­tung sei­ner Stel­lung­nah­me vom 23.09.2008 die Zu­stim­mung zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) ver­wei­gert wird. Auch ein wei­te­res persönli­ches Gespräch am 25.09.2008 zwi­schen Herrn F, der Per­so­nal­re­fe­ren­tin der Ar­beit­ge­be­rin, Frau K und vier Be­triebs­rats­mit­glie­dern führ­te zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

Mit ih­rem am 02.10.2008 vor­ab per Te­le­fax bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und den Be­tei­lig­ten zu 2) und 3) am 14.10.2008 zu­ge­stell­ten An­trag be­gehrt die Ar­beit­ge­be­rin nun­mehr die Er­set­zung der Zu­stim­mung zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3).

In der Güte­ver­hand­lung am 29.10.2008 gab die Ar­beit­ge­be­rin fol­gen­de Erklärung zu Pro­to­koll:

„Für den Fall, dass der Be­triebs­rat noch im Ok­to­ber 2008 die Zu­stim­mung für die be­ab­sich­tig­te außer­or­dent­li­che Kündi­gung er­teilt, wird die An­trag­stel­le­rin ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus be­trieb­li­chen Gründen zum 31.03.2009 aus­spre­chen, wenn das Ver­fah­ren da­mit be­en­det wird. Die­ses An­ge­bot gilt bis zum 31.10.2008, 12.00 Uhr."

Mit Schrift­satz vom 30.10.2008 erklärte der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te des Be­tei­lig­ten zu 2) wört­lich: „Der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung wird mit der Maßga­be zu­ge­stimmt, dass die Be­tei­lig­te zu 1) ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus be­trieb­li­chen Gründen zum 31.03.2009 aus­spre­chen wird, wenn das Ver­fah­ren da­mit be­en­det wird." Der Be­triebs­rat hat­te zu­vor kei­nen Be­schluss ge­fasst, der be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung nun­mehr zu­zu­stim­men. Die Be­tei­lig­te zu 3) ließ mit Schrift­satz ih­res Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten vom 31.10.2008 mit­tei­len, dass sie in dem vor­lie­gen­den Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren we­der die Rechtsmöglich­keit ha­be, Erklärun­gen für den Be­triebs­rat ab­zu­ge­ben, noch sich ver­glei­chen wol­le. Sie wol­le an ih­rem Ar­beits­platz fest­hal­ten.

Die Ar­beit­ge­be­rin kündig­te mit Schrei­ben vom 31. Ok­to­ber 2008 das mit der Be­tei­lig­ten zu 3) be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis aus be­trieb­li­chen Gründen zum 31. März 2009. Hier­ge­gen er­hob die Be­tei­lig­te zu 3) beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin zum Geschäfts­zei­chen 2 Ca

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19133/08 Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Zwi­schen­zeit­lich hat die Ar­beit­ge­be­rin erklärt, dass sie aus die­ser Kündi­gung kei­ne Rech­te mehr ab­lei­tet.

Die Ar­beit­ge­be­rin ver­tritt die Auf­fas­sung, dass sich das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren nicht er­le­digt ha­be. Ihr An­ge­bot in der Güte­ver­hand­lung sei dar­auf ge­rich­tet und da­hin­ge­hend zu ver­ste­hen ge­we­sen, ei­ne Ge­samtlösung mit al­len Be­tei­lig­ten zu fin­den und das ge­sam­te Ver­fah­ren zu be­en­den. Hier­zu sei es nicht ge­kom­men, nach­dem die Be­tei­lig­te zu 3) mit-ge­teilt ha­be, sich nicht ver­glei­chen zu wol­len und sie, die Ar­beit­ge­be­rin, erklärt ha­be, aus der Kündi­gung vom 31.10.2008 kei­ne Rech­te mehr her­lei­ten zu wol­len. Im Übri­gen sei un­klar, ob der Be­triebs­rat über­haupt der be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu­ge­stimmt ha­be. Ein wich­ti­ger Grund zur Kündi­gung lie­ge vor. Die Be­tei­lig­te zu 3) ha­be am 27.08.2008 zum Dienst­schluss acht Bögen mit Treue­punk­ten in ihr pri­va­tes Ar­beitstäschchen ge­legt, ob­wohl ihr be­kannt ge­we­sen sei, dass die Ab­riss­hef­te wie Bar­geld zu be­han­deln sei­en. Sie ha­be nicht nur den ent­spre­chen­den An­wei­sun­gen bezüglich der Hand­ha­bung der Sam­mel­hef­te und Treue­punk­te zu­wi­der­ge­han­delt, son­dern die Bögen durch Ver­brin­gen in ihr pri­va­tes Behält­nis der un­mit­tel­ba­ren Zu­griffsmöglich­keit der Ar­beit­ge­be­rin ent­zo­gen. Be­reits die­se Ver­hal­tens­wei­se be­gründe den drin­gen­den Ver­dacht des Vor­lie­gens ei­ner Straf­tat. Die Be­tei­lig­te zu 3) ha­be zu­dem, nach­dem die Bögen ihr bei der Ta­schen­kon­trol­le aus der Hand ge­fal­len sei­en, die­se nicht zurück ins Kas­senbüro ge­bracht bzw. ei­nen ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­ter in­for­miert, son­dern sie in ih­ren pri­va­ten Spind ein­ge­schlos­sen. Die Ein­las­sung der Be­tei­lig­ten zu 3), dass sie die Punk­te nicht ha­be steh­len wol­len, hal­te sie nach den Ge­samt­umständen für ei­ne Schutz­be­haup­tung, was näher aus­geführt wird.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt,

die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Be­triebs­rats­mit­glie­des M F (Be­tei­lig­te zu 3) zu er­set­zen.

Der Be­triebs­rat und die Be­tei­lig­te zu 3) be­an­tra­gen,

den An­trag zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren er­le­digt sei, nach­dem der Be­triebs­rat die Zu­stim­mung zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung mitt­ler­wei­le er­teilt und die Ar­beit­ge­be­rin ei­ne Kündi­gung aus­ge­spro­chen ha­be. Darüber hin­aus sei ein wich­ti­ger Grund für die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung nicht ge­ge­ben. Die Be­tei­lig­te zu 3) ha­be sich nicht die Bögen mit den Treue­punk­ten an­eig­nen wol­len. Sie ha­be nach Kas­sen­schluss das Sam­mel­heft nebst den lo­sen Treue­punk­tebögen zum Trans­port in ihr Täschchen ge­legt, in

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wel­chem sich auch zwei Te­le­fa­xe mit den Über­mitt­lungs­be­le­gen be­fun­den hätten. Die pri­va­ten Te­le­fa­xe ha­be sie vor Dienst­be­ginn nach vor­he­ri­ger Ge­neh­mi­gung des Geschäfts­lei­ters ver­sandt. Im Kas­sen­vor­raum bei der Kas­sen­ab­rech­nung ha­be die Be­tei­lig­te zu 3) beim Aus­lee­ren des Täschchens den Treue­punk­te­block an die Team­lei­te­rin über­ge­ben. Sie ha­be nicht be­merkt, dass zwi­schen die ge­fal­te­ten Fa­x­un­ter­la­gen acht lo­se Blätter mit Treue­punk­ten ge­ra­ten sei­en. Die lo­sen Bögen mit den Treue­punk­ten sei­en der Be­tei­lig­ten zu 3) erst auf­ge­fal­len, als die­se ihr zu­sam­men mit den pri­va­ten Pa­pie­ren bei der Aus­gangs­kon­trol­le aus der Hand ge­fal­len sei­en. Drin­gen­de Ver­dachts­mo­men­te für ei­ne straf­ba­re Hand­lung sei­en nicht ge­ge­ben, was näher aus­geführt wird.

Der Be­triebs­rat ver­tritt darüber hin­aus die Auf­fas­sung, dass die Ar­beit­ge­be­rin das vor­lie­gen­de ge­richt­li­che Ver­fah­ren nicht un­verzüglich ein­ge­lei­tet ha­be, wes­halb auch aus die­sem Grun­de die Zu­stim­mung zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung nicht zu er­set­zen sei.

We­gen des wei­ter­ge­hen­den Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen, die Ge­gen­stand der münd­li­chen Anhörung wa­ren, so­wie auf die Sit­zungs­pro­to­kol­le ver­wie­sen.

II.

Der Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin hat kei­nen Er­folg.

A.

Der An­trag ist zulässig.

1.
Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1, 81 ArbGG zulässig. Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist ei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che An­ge­le­gen­heit nach § 103 Abs. 2 Be­trVG strei­tig. Die An­trags- und Be­tei­lig­ten­be­fug­nis der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten er­gibt sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG i.V.m. § 103 Abs. 2 Be­trVG.

2.
Das Rechts­schutz­bedürf­nis an der Fortführung des Ver­fah­rens ist nicht auf­grund ei­ner mitt­ler­wei­le erklärten Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Be­tei­lig­ten zu 3) in Fort­fall ge­ra­ten.
Zwar wird das Be­schluss­ver­fah­ren nach § 103 Abs. 2 Be­trVG durch die nachträgli­che Er­tei­lung der Zu­stim­mung durch den Be­triebs­rat er­le­digt (BAG Be­schluss vom 23.06.1993 — 2 ABR 58/92 — EzA § 103 Be­trVG 1972 Nr. 34 mit weit. Nachw.; LAG Ber­lin

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Be­schluss vom 13.07.2004 — 16 TaBV 2358/03 — LA­GE § 103 Be­trVG 2001 Nr. 3). Vor-lie­gend hat der Be­triebs­rat al­ler­dings kei­nen Be­schluss über die Zu­stim­mung zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) ge­fasst, wie die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de Frau Ste­phan im Ter­min am 03.12.2008 auf Nach­fra­ge des Ge­richts mit­ge­teilt hat. Viel­mehr hat der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te des Be­triebs­rats mit Schrift­satz vom 30.10.2008 erklärt, dass der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung zu­ge­stimmt wird. Ent­ge­gen der An­nah­me des Be­triebs­rats und sei­nes Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten er­set­zen der Auf­trag zur Pro­zess­ver­tre­tung (BI. 204 d. Ak­te) und die Voll­macht (BI. 205 d. Ak­te) nicht die vom Gre­mi­um gemäß § 103 Be­trVG durch Be­schluss zu tref­fen­de Ent­schei­dung.

Im Übri­gen wäre das Rechts­schutz­bedürf­nis zur Fortführung des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens selbst dann nicht ent­fal­len, wenn der Be­triebs­rat die zu­vor ver­wei­ger­te Zu­stim­mung zur Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) wirk­sam be­schlos­sen hätte. Die Erklärung der Ar­beit­ge­be­rin im Güte­ter­min stell­te ei­nen Ver­gleichs­vor­schlag dar, der er­kenn­bar die Zu­stim­mung sämt­li­cher Be­tei­lig­ten (al­so auch der Be­tei­lig­ten zu 3) vor­aus­setz­te.

B.
Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist un­be­gründet. Die vom Be­triebs­rat ver­wei­ger­te Zu­stim­mung zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) war nicht zu er­set­zen.

Nach § 103 Abs. 1 Be­trVG be­darf die außer­or­dent­li­che Kündi­gung von Mit­glie­dern des Be­triebs­ra­tes der Zu­stim­mung des Be­triebs­rats. Gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG i.V.m. § 15 Abs. 1 KSchG hat der Ar­beit­ge­ber dann ei­nen An­spruch auf Er­set­zung der Zu­stim­mung, wenn die be­ab­sich­tig­te außer­or­dent­li­che Kündi­gung un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les ge­recht­fer­tigt ist. Dies setzt ei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne des § 626 Abs. 1 BGB vor­aus (BAG Be­schluss vom 10.12.1992 — 2 ABR 32/92 — EzA § 103 Be­trVG 1972 Nr. 33; BA­GE 26, 219 , 224 ff. = AP Nr. 1 zu § 103 Be­trVG 1972, zu B III der Gründe). Fer­ner gilt im Re­ge­lungs­be­reich des § 103 Be­trVG auch die Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 BGB.

1.
Der Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist nicht schon des­halb un­be­gründet, weil ein wich­ti­ger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB nicht ge­ge­ben ist.

a)
Ei­gen­tums- und Vermögens­de­lik­te des Ar­beit­neh­mers zum Nach­teil des Ar­beit­ge­bers sind grundsätz­lich als wich­ti­ger Grund für ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ge­eig­net (ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, vgl. Ur­teil vom 13.12.2007 — 2

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AZR 537/06 — Ju­ris). Ein Ar­beit­neh­mer, der, im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Ar­beits­leis­tung straf­recht­lich re­le­van­te Hand­lun­gen ge­gen das Vermögen sei­nes Ar­beit­ge­bers be­geht, ver­letzt da­mit sei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Rück­sicht­nah­me­pflicht schwer­wie­gend und miss-braucht das in ihn ge­setz­te Ver­trau­en in er­heb­li­cher Wei­se (BAG Ur­teil vom 13.12.2007 —2 AZR 537/06 — a.a.O.). Da­bei kommt es nicht ent­schei­dend auf die straf­recht­li­che Würdi­gung, son­dern auf den mit der Pflicht­ver­let­zung ver­bun­de­nen schwe­ren Ver­trau­ens­bruch an (BAG Ur­teil vom 12.09.1999 — 2 AZR 832/98 — EzA BGB § 123 Nr. 53). Die Kündi­gung kann auch auf den Ver­dacht ei­nes straf­ba­ren oder ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens gestützt wer­den. Nicht nur ei­ne er­wie­se­ne, son­dern auch schon der schwer­wie­gen­de Ver­dacht ei­ner straf­ba­ren Hand­lung oder ei­nes ver­trags­wid­ri­gen Ver­hal­tens kann ei­nen wich­ti­gen Grund zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ge­genüber dem verdäch­tig­ten Ar­beit­neh­mer sein.

b)
Nach Über­zeu­gung des Ge­richts hat die Be­tei­lig­te zu 3) ih­re Pflich­ten aus dem Ar­beits­ver­trag schwer­wie­gend ver­letzt und lie­gen Umstände tatsäch­li­cher Art vor, die den drin­gen­den und nicht an­der­wei­tig aus­zuräum­en­den Ver­dacht der Un­ter­schla­gung von Treue­mar­ken be­gründen. Die Be­tei­lig­te zu 3) hat un­strei­tig am 27.08.2008 zum Dienst­schluss das Sam­mel­heft und lo­se Bögen mit Treue­punk­ten in ihr pri­va­tes „Kas­sentäschchen" ge­legt, ob­wohl die An­wei­sung be­stan­den hat, die Bögen wie Bar­geld zu be­han­deln und zum Dieb­stahls­schutz in der Geld­kas­set­te, sprich Kas­sen­schub­la­de auf­zu­be­wah­ren. Bar­geld hat nun aber nichts in Kit­tel­ta­schen oder pri­va­ten Täschchen zu su­chen. Dies gilt auch, wenn sich in den Täschchen Ar­beitsu­ten­si­li­en wie. z.B. Ta­schen­rech­ner und Ku­gel­schrei­ber be­fin­den, die — was vor­lie­gend un­strei­tig ist — zu­dem eben­falls im Ei­gen­tum der Be­tei­lig­ten zu 3) ste­hen. Durch das Ver­brin­gen der Bögen mit Treue­mar­ken in ihr pri­va­tes Täschchen hat die Be­tei­lig­te zu 3) der Ar­beit­ge­be­rin jeg­li­chen Zu­griff hier­auf ent­zo­gen und ihr Ge­wahr­sams­recht ge­bro­chen. Das Ge­richt hält es für ei­ne Schutz­be­haup­tung, dass der Be­tei­lig­ten zu 3) bei der Aus­lee­rung ih­res Kas­sentäschchens anläss­lich der Kas­sen­ab­rech­nung die lo­sen Bögen mit den Treu­punk­ten nicht auf­ge­fal­len sei­en. Dies gilt selbst dann, wenn die­se — wie die Be­tei­lig­te zu 3) vorträgt — zwi­schen ih­re pri­va­ten Fa­x­un­ter­la­gen ge­ra­ten sei­en. An­ge­sichts der Kürze der Weg­stre­cke zwi­schen Kas­sen­ar­beits­platz und Haupt­kas­se scheint es dem Ge­richt aus­ge­schlos­sen, dass die lo­sen Bögen in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten sein können.
Ein wei­te­res gra­vie­ren­des Ver­dachts­mo­ment be­steht nach An­sicht des Ge­richts dar­in, dass die Be­tei­lig­te zu 3) das Auf­fin­den der Bögen mit den Treue­punk­ten nicht so­fort ei­nem Ver­ant­wort­li­chen „ge­mel­det" bzw. die Bögen nicht zum Kas­senbüro ver­bracht hat,

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nach­dem die­se ihr bei der Ta­schen­kon­trol­le aus der Hand fie­len. Viel­mehr hat sie sie in ih­ren pri­va­ten Spind ein­ge­schlos­sen und da­mit er­neut dem Ge­wahr­sam der Ar­beit­ge­be­rin ent­zo­gen. Darüber hin­aus ist auch un­verständ­lich, war­um die Be­tei­lig­te zu 3) die Fa­x­un­ter­la­gen, zwi­schen de­nen sich die Bögen mit den Treue­punk­ten be­fun­den ha­ben sol­len, nicht aus ih­rem Kas­sentäschchen in ih­re Hand­ta­sche ge­legt, son­dern se­pa­rat ab­ge­legt bzw. in die Hand ge­nom­men hat.

2.
Die Ar­beit­ge­be­rin hat al­ler­dings das vor­lie­gen­de Ver­fah­ren auf Er­set­zung der Zu­stim­mung zur Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) nicht frist­wah­rend ein­ge­lei­tet.

a)
Die Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 BGB gilt auch für die außer­or­dent­li­che Kündi­gung ge­genüber den Ar­beit­neh­mern, die den be­son­de­ren Kündi­gungs­schutz des § 15 KSchG ge­nießen. Die Frist be­ginnt wie auch sonst mit der Kennt­nis des Kündi­gungs­be­rech­tig­ten von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen. Sie wird durch den Zu­stim­mungs­an­trag beim Be­triebs­rat we­der un­ter­bro­chen noch ge­hemmt. Der Ar­beit­ge­ber muss des­halb in­ner­halb die­ser Frist bei Ver­wei­ge­rung der Zu­stim­mung das Ver­fah­ren auf ih­re Er­set­zung beim Ar­beits­ge­richt ein­lei­ten (BAG Be­schluss vom 07.05.1986 — 2 ABR 27/85 —EzA § 103 Be­trVG 1972 Nr. 31).

Ist der nach § 15 KSchG geschütz­te Ar­beit­neh­mer — wie hier die Be­tei­lig­te zu 3) —zu­gleich ein schwer­be­hin­der­ter Mensch, des­sen Kündi­gung die vor­he­ri­ge Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes vor­aus­setzt, sind zusätz­lich die Vor­schrif­ten der §§ 85, 91 SGB IX zu be­ach­ten. Nach § 91 Abs. 5 SGB IX kann die Kündi­gung auch nach Ab­lauf der Frist des § 626 BGB er­fol­gen, wenn sie un­verzüglich nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes erklärt wird. Hier­aus er­gibt sich, dass in Fällen der vor­lie­gen­den Art, in de­nen der Be­triebs­rat bei ei­nem Schwer­be­hin­der­ten, der zu­gleich Be­triebs­rats­mit­glied ist, sei­ne Zu­stim­mung zu ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ver­wei­gert, das Be­schluss­ver­fah­ren auf Er­set­zung der Zu­stim­mung in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 91 Abs. 5 SGB IX un­verzüglich nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung durch das In­te­gra­ti­ons­amt oder nach Ein­tritt der Zu­stim­mungs­fik­ti­on des § 91 Abs. 3 SGB IX ein­zu­lei­ten ist (BAG Be­schluss vom 22.01.1987, EzA § 103 Be­trVG 1972 Nr. 32 = AP Nr. 24 zu § 103 Be­trVG 1972). Da­mit ist klar­ge­stellt, dass nach er­teil­ter Zu­stim­mung kei­ne neue Aus­schluss­frist zu lau­fen be­ginnt. § 91 Abs. 5 SGB IX trägt fer­ner dem Um­stand Rech­nung, dass es dem Ar­beit­ge­ber re­gelmäßig nicht möglich ist, bis zum Ab­lauf der zweiwöchi­gen Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB bei ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen auch noch die

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Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes ein­zu­ho­len (BAG Ur­teil vom 21.04.2005 —2 AZR 255/04 — BA­GE 114, 264; Ur­teil vom 15.11.2001 — 2 AZR 380/00 — BA­GE 99, 358).

b)
Un­ter An­wen­dung die­ser Vor­aus­set­zun­gen hat die Ar­beit­ge­be­rin die Frist des § 91 Abs. 5 SGB IX zur un­verzügli­chen Ein­lei­tung des vor­lie­gen­den Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens versäumt.

Gemäß § 91 SGB IX be­durf­te die be­ab­sich­tig­te außer­or­dent­li­che Kündi­gung der ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stell­ten Be­tei­lig­ten zu 3) der vor­he­ri­gen Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes. Die nach § 91 Abs. 2 SGB IX vor­ge­schrie­be­ne An­trags­frist von zwei. Wo­chen nach Kennt­nis des Ar­beit­ge­bers von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen hat die Ar­beit­ge­be­rin ge­wahrt. Die Ar­beit­ge­be­rin hat nach dem Gespräch mit der Be­tei­lig­ten zu 3) am 28.08.2008 die nöti­ge Ge­wiss­heit über die für die. Kündi­gung maßgeb­li­chen Tat­sa­chen er­langt. Ihr An­trag auf Zu­stim­mung zur be­ab­sich­ti­gen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vom 02.09.2008 ist am 09.09.2008, und da­mit bin­nen der Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX beim In­te­gra­ti­ons­amt ein­ge­gan­gen.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat al­ler­dings die Frist des § 91 Abs. 5 SGB IX versäumt. Für den Fall, dass die Zwei-Wo­chen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes be­reits ab­ge­lau­fen ist, ver­langt § 91 Abs. 5 SGB IX den un­verzügli­chen Aus­spruch der Kündi­gung. bzw. in ana­lo­ger An­wen­dung die un­verzügli­che Ein­lei­tung des Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens. Da das SGB IX nicht vor­schreibt, dass der Ar­beit­ge­ber die Be­triebs- bzw. Per­so­nal­ver­tre­tung schon vor An­trag­stel­lung be­tei­ligt ha­ben muss, bleibt es dem Ar­beit­ge­ber un­be­nom­men, den Be­triebs­rat auch erst während des Zu­stim­mungs­ver­fah­rens oder — so wie vor­lie­gend — nach des­sen En­de zu be­tei­li­gen (BAG Ur­teil vom 03.07.1980 — 2 AZR 370/78 — Ju­ris zur „Vorgänger­re­ge­lung" des § 18 Abs. 6 SchwbG). Wenn der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat al­ler­dings erst nach Er­tei­lung der Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes be­tei­ligt, muss er das Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren in der kürzest mögli­chen Zeit ein­lei­ten und nach des­sen Be­en­di­gung, d. h. nach Ein­gang der Stel­lung­nah­me, spätes­tens aber nach Ab­lauf der Drei­ta­ges­frist des § 102 Abs. 2 Satz 3 Be­trVG un­verzüglich die Kündi­gung erklären bzw. das Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­ren ein­lei­ten (LAG Ber­lin Be­schluss vom 17.12.1985, LA­GE § 103 Be­trVG 1972 Nr. 6; KR-Et­zel, § 91 SGB IX, Rz. 29 b). Die­se Frist ist vor­lie­gend nicht ge­wahrt.

Der zu­stim­men­de Be­scheid des In­te­gra­ti­ons­am­tes ist der Ar­beit­ge­be­rin am 23.09.2008 nach Ab­lauf der zweiwöchi­gen Aus­schluss­frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB zu­ge­gan­gen. Die Ar­beit­ge­be­rin hat den Be­triebs­rat un­verzüglich von ih­rem Kündi­gungs­ent­schluss

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un­ter Mit­tei­lung der Kündi­gungs­gründe in­for­miert und um die Zu­stim­mung zur Kündi­gung er­sucht. Der Anhörungs­bo­gen vom 23.09.2008 ist dem Be­triebs­rat noch am Tag des Zu­gangs des Zu­stim­mungs­be­scheids zu­ge­gan­gen. Die Ar­beit­ge­be­rin hat auch un­verzüglich nach Er­halt der Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung des Be­triebs­rats am 23.09.2008 die­sen ergänzend in­for­miert. Ihr Nach­trag zur Kündi­gungs­anhörung ist am nächs­ten Tag, dem 24.09.2008, beim Be­triebs­rat ein­ge­gan­gen. Nach­dem der Be­triebs­rat un­ter dem 25.09.2008 er­neut sei­ne ab­leh­nen­de Ent­schei­dung schrift­lich mit­ge­teilt hat­te und auch ein wei­te­res persönli­ches Gespräch an die­sem Tag zwi­schen dem Geschäfts­lei­ter Herrn F, der Per­so­nal­re­fe­ren­tin Frau K und vier Mit­glie­dern des Be­triebs­rats kein an­de­res Er­geb­nis brach­te, hätte die Ar­beit­ge­be­rin nun­mehr aber un­verzüglich für den Ein­gang ih­res Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trags bei Ge­richt Sor­ge tra­gen müssen. Dies hat sie nicht ge­tan. Sie hat ei­ne Wo­che mit der Ein­lei­tung des ge­richt­li­chen Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens zu­ge­war­tet. Die An­trags­schrift ist vor­ab per Fax erst am 02.10.2008 bei Ge­richt ein­ge­gan­gen. Dies war nicht un­verzüglich.

Ent­spre­chend der Le­gal­de­fi­ni­ti­on des § 121 Abs. 1 BGB be­deu­tet „un­verzüglich" „oh­ne schuld­haf­tes Zögern". Schuld­haft ist ein „Zögern" dann, wenn das Zu­war­ten durch die Umstände des Ein­zel­fal­les nicht ge­bo­ten ist. Da „un­verzüglich" we­der „so­fort" be­deu­tet noch da­mit ei­ne star­re Zeit­vor­ga­be ver­bun­den ist, kommt es auf ei­ne verständi­ge Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an (BAG Ur­teil vom 01.02.2007 — 2 AZR 333/06 — Ju­ris m. w. Nachw.). Es kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob am ers­ten Ar­beits­tag nach Be­en­di­gung des Zu­stim­mungs­ver­fah­rens beim Be­triebs­rat der An­trag auf Zu­stim­mungs­er­set­zung beim Ar­beits­ge­richt hätte ein­ge­hen müssen (so: KR-Et­zel, § 91 SGB IX, Rz. 30 d; Er­fur­ter Kom­men­tar-Rolfs, 9. Aufl. 2009, § 91 SGB IX Rn. 9). Nach ei­ner Ent­schei­dung des LAG Rhein­land Pfalz (Be­schluss vom 05.10.2005 — 10 TaBV 22/05 — NZA-RR 2006, 245 f.) sol­len drei Ta­ge zu lang sein. Aus­ge­hend vom Sinn und Zweck der Re­ge­lung des § 91 Abs. 5 SGB IX, dem Ar­beit­neh­mer ent­spre­chend dem Grund­ge­dan­ken des § 626 Abs. 2 BGB möglichst um­ge­hend Klar­heit darüber zu ver­schaf­fen, ob ihm außer­or­dent­lich gekündigt wird oder nicht, ist je­den­falls ei­ne Wo­che nach Auf­fas­sung des Ge­richt zu lang. Die dem Ar­beit­ge­ber zu­ste­hen­de an­ge­mes­se­ne Über­le­gungs­frist muss an­ge­sichts des Um­stan­des, dass die Kündi­gungs­ab­sicht be­reits Ge­gen­stand des beim In­te­gra­ti­ons­amt geführ­ten Zu­stim­mungs­ver­fah­rens ge­we­sen ist, al­so ergänzen­de Über­le­gun­gen kaum nötig sind, sehr knapp sein. Da or­ga­ni­sa­to­ri­sche oder sons­ti­ge Gründe, die ei­nem frühe­ren bzw. schnel­le­ren Tätig­wer­den ent­ge­gen­ste­hen könn­ten, von der Ar­beit­ge­be­rin nicht vor­ge­tra­gen und auch nicht er­sicht­lich sind, kann von ei­ner un­verzügli­chen Ein­lei­tung des Zu­stim­mungs­er­set­zungs­ver­fah­rens nicht aus­ge­gan­gen wer­den.

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Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin auf ge­richt­li­che Zu­stim­mung zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung der Be­tei­lig­ten zu 3) war nach al­le­dem zurück­zu­wei­sen.

C.
Ei­ne Kos­ten­ent­schei­dung un­ter­bleibt, denn im Be­schluss­ver­fah­ren wer­den Ge­richts­kos­ten und —gebühren gern. § 12 Abs. 5 ArbGG nicht er­ho­ben, während die außer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Be­tei­lig­ten der Ar­beit­ge­ber aus ei­ge­ner Ver­pflich­tung zu tra­gen hat.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­sen Be­schluss kann von der An­trag­stel­le­rin Be­schwer­de ein­ge­legt wer­den.
Die Be­schwer­de­schrift muss von ei­nem Rechts­an­walt oder ei­nem Ver­tre­ter ei­ner Ge­werk­schaft bzw. ei­ner Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände un­ter­zeich­net sein.

Die Be­schwer­de­schrift muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

bei dem

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg,
Mag­de­bur­ger Platz 1, 10785 Ber­lin,

ein­ge­gan­gen sein.

Die Be­schwer­de­schrift muss die Be­zeich­nung des Be­schlus­ses, ge­gen den die Be­schwer­de ge­rich­tet ist, so­wie die Erklärung ent­hal­ten, dass Be­schwer­de ge­gen die­sen Be­schluss ein­ge­legt wer­de.

Die Be­schwer­de ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Be­schlus­ses, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Da­bei ist zu be­ach­ten, dass der Be­schluss mit der Ein­le­gung in den Brief­kas­ten oder ei­ner ähn­li­chen Vor­rich­tung für den Pos­t­emp­fang als zu­ge­stellt gilt.

Wird bei der Par­tei ei­ne schrift­li­che Mit­tei­lung ab­ge­ge­ben, dass der Be­schluss auf der Geschäfts­stel­le ei­nes Amts­ge­richts oder ei­ner von der Post be­stimm­ten Stel­le nie­der­ge­legt ist, gilt das Schriftstück mit der Ab­ga­be der schrift­li­chen Mit­tei­lung als zu­ge­stellt, al­so nicht erst mit der Ab­ho­lung der Sen­dung.

Das Zu­stel­lungs­da­tum ist auf dem Um­schlag der Sen­dung ver­merkt.

Von der Be­gründungs­schrift wer­den zwei zusätz­li­che Ab­schrif­ten zur Un­ter­rich­tung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter er­be­ten.

 

W

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