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EuGH zur Mindestgröße für Polizisten
23.10.2017. Deutsche junge Männer sind aktuell im Durchschnitt etwa 181 cm groß, deutsche junge Frauen etwa 168, so jedenfalls die von DESTATIS für das Jahr 2013 bereitgestellten Daten.
Gehört daher eine einheitliche Mindestkörpergröße zu den Einstellungsvoraussetzungen bei der Polizei oder bei der Feuerwehr, müssen sich dementsprechend öfter Frauen als Männer anhören, dass sie "zu klein" sind.
Am Mittwoch letzter Woche hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem griechischen Vorlagefall entschieden, dass eine einheitlich für Männer und Frauen geltende Mindestgröße von 170 cm für den Polizeidienst eine mittelbare geschlechtsbedingte Diskriminierung weiblicher Bewerber ist: EuGH, Urteil vom 18.10.2017, C-409/16 (Maria-Eleni Kalliri).
- Sind für Männer und Frauen gleiche Mindestkörpergrößen als Einstellungsvoraussetzungen für den Polizeidienst mit dem Europarecht vereinbar?
- Der Vorlagefall: Griechische Polizeischulen verlangen für das akademische Jahr 2007/2008 eine Mindestgröße von 170 cm für weibliche und männliche Anwärter
- EuGH: Eine für Männer und Frauen gleichermaßen geltende Mindestgröße von 170 cm für Polizeianwärter ist eine europarechtswidrige Diskriminierung wegen des Geschlechts
Sind für Männer und Frauen gleiche Mindestkörpergrößen als Einstellungsvoraussetzungen für den Polizeidienst mit dem Europarecht vereinbar?
Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 09.02.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen pp. (Gleichbehandlungsrichtline) in der Fassung der Richtlinie 2002/73/EG verbietet Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts beim Zugang zur abhängigen Beschäftigung, wobei Art.3 Abs.1 Buchstabe a) der (geänderten) Richtlinie ausdrücklich hervorhebt, dass die "Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen" frei von jeder unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung sein müssen.
Eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt gemäß Art.2 Abs.2 der (geänderten) Richtlinie vor,
"wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich".
Die Festlegung einer Mindestkörpergröße für den Zugang zum Polizeidienst ist eine typische mittelbare Benachteiligung von (durchschnittlich körperlich kleineren) Frauen im Sinne dieser Definition, so dass es darauf ankommt, ob diese Benachteiligung "durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich" ist.
Hier argumentieren die polizeilichen Einrichtungen, die bei der Einstellung von Anwärtern und Anwärterinnen eine bestimmte Mindestkörpergröße verlangen, dass der Polizeidienst die Festnahme von Straftätern und den Schutz von Personen beinhaltet, was wiederum die Anwendung körperlicher Gewalt gegenüber Personen und damit eine bestimmte Mindestkörpergröße von Polizisten und Polizistinnen erforderlich macht.
Der Vorlagefall: Griechische Polizeischulen verlangen für das akademische Jahr 2007/2008 eine Mindestgröße von 170 cm für weibliche und männliche Anwärter
In dem aus Griechenland stammenden Streitfall ging es um Personalauswahl-Vorgaben, die ursprünglich aus den Jahren 1995 und 2003 stammten und gemäß einer Entscheidung des Leiters der griechischen Polizei auch noch für das akademische Jahr 2007/2008 galten, d.h. für die Anwärter und Anwärterinnen, die in diesem Jahr in die Schulen für Offiziere und Polizisten der griechischen Polizei aufgenommen werden wollten. Diesen Auswahlvorgaben zufolge mussten die Bewerber für dieses Auswahlverfahren ohne Schuhe mindestens 170 cm groß sein.
Eine 168 cm große Bewerberin, Frau Maria-Eleni Kalliri, wurde wegen ihrer zu geringen Körpergröße abgelehnt und ging gegen diese Entscheidung gerichtlich vor, erstinstanzlich mit Erfolg. Der für die Berufung zuständige Staatsrat (Symvoulio tis Epikrateias) setzte das Verfahren aus und fragte den EuGH, ob die umstrittene griechische Einstellungsvorgabe mit den europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinien 76/207/EWG, 2002/73/EG und 2006/54/EG vereinbar wäre.
EuGH: Eine für Männer und Frauen gleichermaßen geltende Mindestgröße von 170 cm für Polizeianwärter ist eine europarechtswidrige Diskriminierung wegen des Geschlechts
Der Gerichtshof entschied wie praktisch immer in mittelbaren Diskriminierungsfällen, dass das anfragende nationale Gericht prüfen müsse, ob es ausreichende sachliche Gründe für die Schlechterstellung gibt oder nicht. Dabei macht der EuGH aber deutlich, dass eine solche Rechtfertigung nur schwer vorstellbar ist.
Denn erstens, so der Gerichtshof, besteht der Polizeidienst nicht nur in körperlichen Auseinandersetzungen mit Straftätern. Vielmehr erfordern andere Polizeiaufgaben "wie der Beistand für den Bürger und die Verkehrsregelung offenkundig keinen hohen körperlichen Einsatz" (Urteil, Rn.38).
Zweitens wurde die hier umstrittene Mindestkörpergröße von stolzen 170 cm (!) vom griechischen Staat nicht konsequent angewandt, denn bis 2003 galt für weibliche Polizeianwärter eine geringere Mindestkörpergröße (von nur 165 cm). Außerdem beträgt die Mindestgröße für Frauen bei den griechischen Streitkräften, der griechischen Hafenpolizei und der griechischen Küstenwache nur 160 cm.
Schließlich deutet der EuGH an, dass das hier verfolgte Regelungsziel (ausreichende körperliche Fitness von Polizeianwärtern und -Anwärterinnen) auch mit weniger belastenden Mitteln erreicht werden könnte. Hier denkt der Gerichtshof an eine "Vorauswahl der Bewerber für das Auswahlverfahren für den Zugang zu den Schulen für Offiziere und Polizisten, die auf spezifischen Prüfungen zur Überprüfung ihrer körperlichen Fähigkeiten beruht".
Das Urteil des EuGH hat für die in Deutschland geführte Diskussion über die Mindestgröße von Polizeianwärterinnen keine unmittelbare Bedeutung, da es hier um wesentlich niedrigere Größenanforderungen geht wie z.B. die in Berlin erforderliche Mindestgröße von 160 cm (Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 01.06.2017, 5 K 219.16) oder die in Nordrhein-Westfalen (NRW) erforderlichen 163 cm (Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Urteil vom 21.09.2017, 6 A 916/16).
Da in einigen Bundesländern für Frauen geringere Größenvorgaben gelten als für Männer, hat sich hier allerdings ein ganz anderes juristisches Problem ergeben, nämlich die Fragwürdigkeit der (um einige cm höheren) Mindestgröße für die Männer. Diese Größenvorgabe benachteiligt nämlich die Männer, da die Verwaltung ja durch die niedrigere Größenvorgabe für die weiblichen Bewerber zugesteht, dass diese geringere Mindestkörpergröße für den Polizeidienst ausreicht (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.08.2017, 2 K 7427/17, OVG NRW, Urteil vom 21.09.2017, 6 A 916/16). So gesehen gibt es keine sachliche Rechtfertigung der (um einige cm höher liegenden) Mindestgröße für die Männer.
Fazit: Das EuGH-Urteil bedeutet nicht, dass Mindestgrößen für Polizeianwärterinnen generell europarechtswidrig sind. Die Bundesländer, die solche Vorgaben machen, können daher im Prinzip weiter an ihnen festhalten. Allerdings sollte man diese auf einen Mindestwert von z.B. 160 cm absenken und ergänzende Härtefallregelungen für Bewerberinnen schaffen, die diesen Wert nur knapp verfehlen. Sie sollten die Chance erhalten, durch ergänzende Eignungstests zu zeigen, dass sie den Anforderungen des Polizeidienstes auch mit einer geringeren Körpergröße gewachsen sind.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.10.2017, C-409/16 (Maria-Eleni Kalliri)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13.11.2014, C-416/13 (Vital Pérez)
- Statistisches Bundesamt / DESTATIS, Körpermaße nach Altersgruppen und Geschlecht, Ergebnisse des Mikrozensus 2013
- Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.09.2017, 6 A 916/16
- Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 08.08.2017, 2 K 7427/17
- Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 01.06.2017, 5 K 219.16
- Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 14.03.2016, 1 K 3788/14
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Geschlecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Anwendungsbereich des gesetzlichen Schutzes
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Letzte Überarbeitung: 13. November 2020
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