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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 18.03.2010, 4 Sa 782/09 B

   
Schlagworte: Altersteilzeit, Betriebsrente, Teilzeit, Teilzeitarbeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 4 Sa 782/09 B
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.03.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hameln, Urteil vom 29.04.2009,3 Ca 618/08 B
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.04.2012, 3 AZR 280/10
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:

18.03.2010

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

4 Sa 782/09 B

3 Ca 618/08 B ArbG Ha­meln

In dem Rechts­streit

Kläger und Be­ru­fungskläger,

ge­gen

Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te,

hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand-lung vom 21. Ja­nu­ar 2010 durch

die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Krönig
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Böger
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Del­ge­hau­sen

für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ha­meln vom 29. April 2009 – 3 Ca 618/08 B – teil­wei­se ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 704,04 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz 

 

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auf 471,36 € seit dem 12. De­zem­ber 2008 und
auf 235,68 € seit dem 31. März 2009 zu zah­len.

Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

Die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung des Klägers wird zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te zu 2/3, der Kläger zu 1/3.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten über die Be­rech­nung der dem Kläger zu­ste­hen­den Be­triebs­ren­te.

Der am 0.0.1947 ge­bo­re­ne Kläger war vom 01. Ju­li 1977 bis zum 31. Mai 2008 bei der Be­klag­ten als Che­mie­ar­bei­ter beschäftigt. Sein Be­triebs­ren­ten­an­spruch ba­siert auf der Ver­sor­gungs­ord­nung, die für Fir­men­an­gehöri­ge gilt, die vor dem 1. Ja­nu­ar 1981 bei der Be­klag­ten ein­ge­tre­ten sind. In die­ser Ver­sor­gungs­ord­nung heißt es u. a.:

IX. Dienst­zeit

1.
a) Die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit ist die Zeit, während der seit dem letz­ten Dienstein­tritt ein Ar­beits- oder Be­rufs­aus­bil­dungs­verhält­nis zur Fir­ma be­stan­den hat. Ge­setz­li­che und ta­rif­ver­trag­li­che Be­stim­mun­gen über die An­rech­nung von Dienst­zei­ten blei­ben un­berührt.

b) Darüber hin­aus können der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit wei­te­re Zei­ten für die Dau­er der War­te­zeit und die Höhe der Fir­men­ren­te zu­ge­rech­net wer­den. Dies muss je­doch mit der Fir­ma aus­drück­lich schrift­lich ver­ein­bart sein.

a) Die an­re­chen­ba­re Dienst­zeit en­det spätes­tens mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res oder der In­an­spruch­nah­me von Al­ters­ru­he­geld oder Knapp­schafts­ru­he­geld aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung (V 2) vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res.

 

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2.
Die zurück­ge­leg­ten ren­tenfähi­gen Dienst­jah­re er­ge­ben sich aus der Run­dung der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (Zif­fer 1) auf vol­le Jah­re. Bei der Run­dung bleibt ein Rest von 6 Mo­na­ten oder we­ni­ger un­berück­sich­tigt, während ein Rest von mehr als sechs Mo­na­ten als vol­les Jahr gezählt wird.

3.
Die er­reich­ba­ren ren­tenfähi­gen Dienst­jah­re er­ge­ben sich, in­dem der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (Zif­fer 1) die Zeit bis zur fes­ten Al­ters­gren­ze (IV) zu­ge­rech­net und dann wie in Zif­fer 2 ge­run­det wird.


X. Ren­tenfähi­ger Ar­beits­ver­dienst

1.
Fest­stel­lungs­mo­nat für den ren­tenfähi­gen Ar­beits­ver­dienst ist der letz­te vol­le Ka­len­der­mo­nat während der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (IX 1).

2.
b) Bei ei­nem Lohn­empfänger ist ren­tenfähi­ger Ar­beits­ver­dienst der Mo­nats­lohn, der sich aus dem ver­ein­bar­ten St­un­den­grund­lohn und der ta­rif­li­chen mo­nat­li­chen Ar­beits­zeit er­rech­net. Ist die ta­rif­li­che Ar­beits­zeit je Wo­che fest­ge­legt, so gilt das 4 1/3-fa­che hier­von als ta­rif­li­che mo­nat­li­che Ar­beits­zeit.

3.
a) War der Anwärter während sei­ner an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (IX 1) im­mer oder zeit­wei­se teil­zeit­beschäftigt, so ist der ren­tenfähi­ge Ar­beits­ver­dienst für die­je­ni­ge mo­nat­li­che Ar­beits­zeit maßge­bend, die dem durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad während der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit (IX 1) ent­spricht. Beschäfti­gungs­grad ist das Verhält­nis der ver­ein­bar­ten zur vol­len ta­rif­li­chen Ar­beits­zeit je Ka­len­der­mo­nat, höchs­tens 100 %.

b) Bei der Be­rech­nung des durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­gra­des bleibt ein nicht voll­ende­ter Ka­len­der­mo­nat am An­fang und am En­de der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit un­berück­sich­tigt. Von der an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit wer­den nur die letz­ten 120 vol­len Ka­len­der­mo­na­te berück­sich­tigt.

In der Zeit vom 1. Ju­ni 2002 bis zum 31. Mai 2008 be­fand sich der Kläger in Al­ters­teil­zeit im Block­mo­dell. Das En­de sei­ner ak­ti­ven Ar­beits­zeit war der 31. Mai 2005.

 

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Nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses teil­te die Be­klag­te dem Kläger mit Schrei­ben vom 9. Ju­li 2008 mit, dass er ab Ju­ni 2008 ei­nen An­spruch auf be­trieb­li­ches Ru­he­geld in Form vor­zei­ti­ger Al­ters­ren­te in Höhe von brut­to 270,63 € mo­nat­lich ha­be. In die­ser Be­rech­nung ging die Be­klag­te von ei­nem durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad in der an­rech­nungsfähi­gen Dienst­zeit von 70 % aus. Den er­mit­tel­ten Be­trag in Höhe von 270,63 € zahlt die Be­klag­te seit Ju­ni 2008 an den Kläger aus.

Mit der vor­lie­gen­den Kla­ge be­gehrt der Kläger die Zah­lung ei­ner wei­te­ren Be­triebs­ren­te in Höhe von 115,98 € brut­to mo­nat­lich für die Mo­na­te Ju­ni 2008 bis ein­sch­ließlich Fe­bru­ar 2009.

Der Kläger hat ge­meint, ihm ste­he ei­ne höhe­re Be­triebs­ren­te zu. Die Be­klag­te sei bei ih­rer Be­rech­nung zu Un­recht von ei­nem durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad von 70 aus­ge­gan­gen. Die Be­stim­mung in X 3. b) der Ver­sor­gungs­ord­nung sei un­wirk­sam. Rich­ti­ger­wei­se sei der Be­rech­nung sei­ner Be­triebs­ren­te ein Beschäfti­gungs­grad von 100 zu­grun­de zu le­gen. Dar­aus er­ge­be sich ei­ne mo­nat­li­che Be­triebs­ren­te in Höhe von 386,61 € brut­to, mit­hin ein mo­nat­li­cher Dif­fe­renz­be­trag von 115,98 €. Zu­min­dest aber sei von ei­nem durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad in der an­rech­nungsfähi­gen Dienst­zeit von 90,32 aus­zu­ge­hen. Die Be­rech­nung hier­aus er­ge­be ei­ne mo­nat­li­che Be­triebs­ren­te in Höhe von 349,19 € brut­to.

Der Kläger hat be­an­tragt, die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len,

1. an den Kläger 695,88 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz gemäß § 247 BGB ab dem 12. De­zem­ber 2008 zu zah­len,

2. an den Kläger 347,94 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz gemäß § 247 BGB ab dem 31. März 2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat sich auf den Stand­punkt ge­stellt, kei­ne höhe­re Be­triebs­ren­te zu schul­den. Die Ver­sor­gungs­ord­nung ent­spre­che den Grundsätzen von Recht und Bil­lig­keit und

 

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ent­hal­te auch kei­ne un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung älte­rer Ar­beit­neh­mer. Sie wol­le Mit­ar­bei­ter, die noch im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter in Voll­zeit für sie tätig sei­en, be­son­ders ho­no­rie­ren.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge durch Ur­teil vom 29. April 2009 ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die streit­be­fan­ge­ne Re­ge­lung in der Ver­sor­gungs­ord­nung (X 3 b) ver­s­toße we­der ge­gen Grundsätze von Recht und Bil­lig­keit noch ge­gen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te. Es sei zulässig, Leis­tun­gen der Mit­ar­bei­ter, die auch noch im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter in Voll­zeit tätig sei­en, be­son­ders zu ho­no­rie­ren. Ei­ne Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung lie­ge eben­falls nicht vor. Der Kläger wer­de nicht we­gen sei­nes Al­ters be­nach­tei­ligt.

Ge­gen das ihm am 19. Mai 2009 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 10. Ju­li 2009 Be­ru­fung ein­ge­legt und sie nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist am 20. Au­gust 2009 be­gründet.

Der Kläger trägt vor, die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts wi­dersprächen der ge­setz­li­chen In­ten­ti­on des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes. Sei­ne Be­nach­tei­li­gung las­se sich nicht durch die Ver­sor­gungs­ord­nung recht­fer­ti­gen. Vor In-Kraft-Tre­ten des Al­ters­teil­zeit­ge­set­zes am 1. Au­gust 1996 sei es nicht üblich ge­we­sen, dass ein Ar­beit­neh­mer vor Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze sei­ne Ar­beits­zeit re­du­ziert ha­be. Bei Ab­schluss bzw. In-Kraft-Tre­ten der Ver­sor­gungs­ord­nung sei­en le­dig­lich Sach­ver­hal­te ge­re­gelt wor­den, die zu die­sem Zeit­punkt mit den Grundsätzen von Recht und Bil­lig­keit ver­ein­bar ge­we­sen sei­en. Die Aus­wir­kun­gen ei­ner Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung sei­en in der Ver­sor­gungs­ord­nung aus dem Jahr 1981 nicht berück­sich­tigt.

Der Kläger hält an sei­ner Rechts­auf­fas­sung fest, dass zu­min­dest von ei­ner mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung gem. § 3 Abs. 2 AGG aus­zu­ge­hen sei.

Der Kläger be­an­tragt, das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ha­meln vom 29. April 2009 - 3 Ca 618/08 B - ab­zuändern und die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger

1. 695,88 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz gemäß § 247 BGB ab dem 12. De­zem­ber 2008 zu zah­len,
2. 347,94 € brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz gemäß § 247 BGB ab dem 31. März 2009 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

 

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die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil nach Maßga­be ih­rer Be­ru­fungs­er­wi­de­rung vom 2. Ok­to­ber 2009. Sie führt ergänzend aus, Sinn und Zweck der Ver­sor­gungs­ord­nung sei es, zur Er­hal­tung des zu­letzt er­ar­bei­te­ten Le­bens­stan­dards und nicht des Le­bens­stan­dards im Durch­schnitt des ge­sam­ten Ar­beits­verhält­nis­ses bei­zu­tra­gen. Zu­dem soll­ten älte­re Ar­beit­neh­mer mo­ti­viert wer­den, ih­re Ar­beits­leis­tung wei­ter­hin in Voll­zeit zu er­brin­gen.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des bei­der­sei­ti­gen Par­tei­vor­brin­gens wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zu den Ak­ten ge­reich­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen ver­wie­sen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Die Be­ru­fung des Klägers ist zulässig. Sie ist statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II. Die Be­ru­fung ist in dem aus dem Te­nor er­sicht­li­chen Um­fang be­gründet, im Übri­gen ist sie un­be­gründet.

1. Dem Kläger steht für den Zeit­raum vom 1. Ju­ni 2008 bis zum 28. Fe­bru­ar 2009 ein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Be­triebs­ren­te in Höhe von mo­nat­lich 349,19 € brut­to zu. In Höhe von 270,63 € hat die Be­klag­te den An­spruch erfüllt. Der Kläger kann da­her Zah­lung wei­te­rer 707,04 € (78,56 € x 9) für den Zeit­raum vom 1. Ju­ni 2008 bis zum 28. Fe­bru­ar 2009 ver­lan­gen.

2. Die Re­ge­lung in X 3 b. der Ver­sor­gungs­ord­nung hält ei­ner Rechts­kon­trol­le am Maßstab des § 4 Tz­B­fG nicht stand. Sie führt zu ei­ner nicht ge­recht­fer­tig­ten Schlech­ter­stel­lung der Mit­ar­bei­ter, die mit der Be­klag­ten ei­ne Al­ters­teil­zeit­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen ha­ben.

a. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG darf ein teil­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer we­gen der Teil­zeit­ar­beit nicht schlech­ter be­han­delt wer­den als ein ver­gleich­ba­rer voll­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer, es sei denn, dass sach­li­che Gründe ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung

 

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recht­fer­ti­gen. Dem­gemäß ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ei­nem teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer Ar­beits­ent­gelt oder ei­ne an­de­re teil­ba­re geld­wer­te Leis­tung min­des­tens in dem Um­fang zu gewähren, der dem An­teil sei­ner Ar­beits­zeit an der Ar­beits­zeit ei­nes ver­gleich­ba­ren Voll­zeit­beschäftig­ten ent­spricht (sog. Prora­ta-tem­po­ris-Grund­satz). § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG re­gelt kein ab­so­lu­tes Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot im Ent­gelt­be­reich, son­dern kon­kre­ti­siert das all­ge­mei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 4 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG. Auch im Rah­men des § 4 Abs. 1 Satz 2 Tz­B­fG ist ei­ne Schlech­ter­stel­lung von Teil­zeit­beschäftig­ten zulässig, wenn ein sach­li­cher Grund vor­liegt (BAG Urt. V. 05. Au­gust 2009 – 10 AZR 634/08 – ZTR 2009, 646).

b. Der Kläger wird we­gen der in An­spruch ge­nom­me­nen Al­ters­teil­zeit schlech­ter be­han­delt als ein ver­gleich­ba­rer voll­zeit­beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer. Während bei ei­nem voll­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer bei der Er­mitt­lung des ren­tenfähi­gen Ar­beits­ver­diens­tes stets ein Beschäfti­gungs­grad von 100 zu­grun­de­ge­legt wird, wird bei ei­nem Ar­beit­neh­mer, der während sei­ner an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit zeit­wei­se teil­zeit­beschäftigt war, ein Aus­gleichs­zeit­raum von 10 Jah­ren an­ge­setzt, für den ein Durch­schnitts­wert zum Aus­gleich der schwan­ken­den Ar­beits­zei­ten er­rech­net wird. Die Er­mitt­lung des Teil­zeit­gra­des auf der Ba­sis der letz­ten 120 vol­len Ka­len­der­mo­na­te be­nach­tei­ligt die Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die Al­ters­teil­zeit in An­spruch neh­men. Bei ih­nen wirkt sich die Be­schränkung des Aus­gleichs­zeit­raums auf 10 Jah­re stets nach­tei­lig aus. So er­gibt sich et­wa für den Kläger un­ter Zu­grun­de­le­gung der ge­sam­ten an­re­chen­ba­ren Dienst­zeit ein Beschäfti­gungs­grad von 90,32 , un­ter Berück­sich­ti­gung der Re­ge­lung in X 3 b Satz 2 der Ver­sor­gungs­ord­nung hin­ge­gen nur ein Beschäfti­gungs­grad von 70.

c. Für die Schlech­ter­stel­lung der Al­ters­teil­zeit­beschäftig­ten liegt kein sach­li­cher Grund vor. Da­bei rich­tet sich die Be­ur­tei­lung auch im Be­reich der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nach dem Zweck der Leis­tung. Der Ar­beit­ge­ber kann hier un­ter­schied­li­che Zwe­cke ver­fol­gen: Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung sol­len die wirt­schaft­li­che La­ge der Ar­beit­neh­mer im Al­ter ver­bes­sern. Da­ne­ben tritt viel­fach der Zweck, die von den Ar­beit­neh­mern er­war­te­te Be­triebs­treue zu fördern und zu be­loh­nen. Ei­ne Un­gleich­be­hand­lung kann des­halb auch an ei­nen ty­pi­scher­wei­se un­ter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­be­darf an­knüpfen. Sie kann aber auch we­gen ei­nes nach­voll­zieh­bar un­ter­schied­li­chen In­ter­es­ses an fort­dau­ern­der Be­triebs­treue der be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer­grup­pen ge­recht­fer­tigt sein (BAG Urt. 11. No­vem­ber 1986 - 3 ABR 74/85 - BA­GE 53, 309; 20. Ju­li 1993 - 3 AZR 52/93 - BA­GE 73, 343, 348; 22. No­vem­ber 1994 - 3 AZR 349/94 - BA­GE 78, 288, 292). Da­bei muss sich der gel­tend ge­mach­te Dif­fe­ren­zie­rungs­grund aus dem be­trieb­li­chen Ver­sor­gungs­werk selbst er­ge­ben. Die Ver­sor­gungs­ord­nung darf nicht im Wi­der­spruch zu die-

 

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sem Dif­fe­ren­zie­rungs­grund ste­hen. Nur dann, wenn sie sich an die be­haup­te­ten Ord­nungs­grundsätze hält, können die­se ei­nen sach­li­chen Grund ab­ge­ben.

aa. Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ser Grundsätze lässt sich die Fest­le­gung ei­nes Aus­gleichs­zeit­raums von 10 Jah­ren nicht mit dem Ver­wal­tungs­auf­wand recht­fer­ti­gen, der für die Be­klag­te da­mit ver­bun­den wäre, den Beschäfti­gungs­grad für die ge­sam­te Dau­er der an­rech­nungsfähi­gen Dienst­zeit zu er­rech­nen. Die nach § 4 Abs. 1 Tz­B­fG und Art. 3 Abs. 1 GG ge­bo­te­ne Gleich­be­hand­lung darf nicht we­gen mögli­cher Schwie­rig­kei­ten bei ih­rer prak­ti­schen Um­set­zung un­ter­blei­ben (BAG 15. Mai 1997 - 6 AZR 40/96 - BA­GE 86, 1, 6).

bb.. Die Dif­fe­ren­zie­rung ist auch nicht des­halb sach­ge­recht, weil ty­pi­sie­rend da­von aus­ge­gan­gen wer­den kann, dass sich ei­ne länge­re Zeit zurück­lie­gen­de Verände­rung der Ar­beits­zeit und die da­mit ver­bun­de­ne Ände­rung des Ein­kom­mens re­gelmäßig be­reits ver­fes­tigt und sich ein Ar­beit­neh­mer in sei­nem Le­bens­stan­dard hier­auf ein­ge­stellt hat. Bei der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung geht es vor­ran­gig nicht um die De­ckung ei­nes Un­ter­halts- oder Ver­sor­gungs­be­darfs. Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung sind viel­mehr in ers­ter Li­nie ei­ge­ner Lohn des be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mers, den er als Ge­gen­leis­tung für die im Ar­beits­verhält­nis er­brach­te Be­triebs­treue erhält. Der Ar­beit­neh­mer er­wirbt für sich selbst Ver­sor­gungs­ansprüche, die im Ver­sor­gungs­fall zu erfüllen sind. Es geht dar­um, dem Ar­beit­ge­ber als Ge­gen­leis­tung für Ar­beits­leis­tung und Be­triebs­treue ei­ne über die so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Grund­si­che­rung hin­aus­ge­hen­de Ver­sor­gung zu gewähr­leis­ten. In ei­nem aus­ge­prägt am Ent­gelt­cha­rak­ter der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung ori­en­tier­ten Ver­sor­gungs­sys­tem wie dem der vor­lie­gen­den Ver­sor­gungs­ord­nung müssen die Re­ge­lun­gen dar­auf Rück­sicht neh­men, in wel­chem Beschäfti­gungs­um­fang die zu ver­sor­gen­den Ar­beit­neh­mer während ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses für den Ar­beit­ge­ber tätig wa­ren. An­dern­falls be­han­deln sie we­sent­lich Un­glei­ches gleich, oh­ne dass dafür ein sach­li­cher Grund er­kenn­bar ist.

cc.. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten lässt sich die Un­gleich­be­hand­lung auch nicht mit dem An­reiz recht­fer­ti­gen, älte­re Ar­beit­neh­mer zu mo­ti­vie­ren, ih­re Ar­beits­lei­tung wei­ter­hin in Voll­zeit zu er­brin­gen. Die­ses Mo­tiv für die Un­gleich­be­hand­lung lässt sich der Ver­sor­gungs­ord­nung nicht ent­neh­men.

3. Ver­s­toßen Ver­ein­ba­run­gen ge­gen das Ver­bot der Be­nach­tei­li­gung we­gen Teil­zeit­ar­beit aus § 4 Abs. 1 Tz­B­fG, sind leis­tungs­gewähren­de Ver­trags­be­stim­mun­gen auf die­je­ni­gen Per­so­nen zu er­stre­cken, die ent­ge­gen dem Ge­bot der Gleich­be­hand­lung von der Gewährung der Leis­tun­gen - auch teil­wei­se - aus­ge­schlos­sen sind. Der Kläger kann von der Be-

 

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klag­ten da­her nach § 4 Abs. 1 Tz­B­fG die Zah­lung ei­ner Be­triebs­ren­te in ei­ner Höhe ver­lan­gen, die dem durch­schnitt­li­chen Beschäfti­gungs­grad sei­ner ge­sam­ten Dienst­zeit ent­spricht.

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 91, 92 ZPO.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det, wie sich aus der Ur­teils­for­mel er­gibt, die Re­vi­si­on statt.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hen.

Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

Post­fach, 99113 Er­furt

oder

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt.

Te­le­fax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt müssen sich die Par­tei­en durch Pro­zess­be­vollmäch­tig­te ver­tre­ten las­sen. Als Be­vollmäch­tig­te sind außer Rechts­anwälten nur die in § 11 Ab­satz 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 ArbGG be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen zu­ge­las­sen. Die­se müssen in Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.


Krönig  

Böger  

Del­ge­hau­sen

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