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BSG, Ur­teil vom 29.05.2008, B 11a AL 23/07 R

   
Schlagworte: Arbeitslosengeld, Elternzeit
   
Gericht: Bundessozialgericht
Aktenzeichen: B 11a AL 23/07 R
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.05.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 27.06.2006, S 31 AL 236/05
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.03.2007, L 12 AL 113/06
Nachgehend Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.03.2010, 1 BvR 2909/08, Nichtannahmebeschluss
   

BUN­DESSO­ZIAL­GERICHT


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

in dem Rechts­streit 

Verkündet am
29. Mai 2008

Az: B 11a AL 23/07 R
L 12 AL 113/06 (LSG Nord­rhein-West­fa­len)

S 31 AL 236/05 (SG Dort­mund)

...,


Kläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:  

...,


g e g e n

Bun­des­agen­tur für Ar­beit,
Re­gens­bur­ger Straße 104, 90478 Nürn­berg,
Be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te.

Der 11a. Se­nat des Bun­des­so­zi­al­ge­richts hat auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29. Mai 2008 durch den Rich­ter Dr. V o e l z k e als Vor­sit­zen­den, den Rich­ter Dr. L e i t h e r e r und die Rich­te­rin Dr. R o o s so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter W i n n e f e l d und R a d e m a c h e r für Recht er­kannt:

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len vom 21. März 2007 wird zurück­ge­wie­sen.

Außer­ge­richt­li­che Kos­ten sind auch im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nicht zu er­stat­ten.

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G r ü n d e :

I

 

Strei­tig ist die Höhe von Ar­beits­lo­sen­geld (Alg).

Die Kläge­rin ist Kauf­frau im Groß- und Außen­han­del und war bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 zu­letzt als Dis­po­nen­tin im Kun­den­dienst beschäftigt. Vom 24. Ja­nu­ar 2002 bis zum 24. Ja­nu­ar 2005 war sie we­gen der Ge­burt ih­res Kin­des am 25. Ja­nu­ar 2002 zunächst in Mut­ter­schutz und an­sch­ließend in Er­zie­hungs­ur­laub. Am 25. Ja­nu­ar 2005 wur­de ihr aus be­triebs­be­ding­ten Gründen un­ter Frei­stel­lung von der Ar­beits­leis­tung so­wie un­ter Fort­zah­lung ei­nes mo­nat­li­chen Ar­beits­ent­gelts von 2.324 € mit Wir­kung zum 31. März 2005 gekündigt. Dar­auf­hin mel­de­te sich die Kläge­rin am 27. Ja­nu­ar 2005 zum 1. April 2005 ar­beits­los.


Die Be­klag­te be­wil­lig­te ab 1. April 2005 für 360 Ka­len­der­ta­ge Alg in Höhe von 21,69 € täglich (Be­scheid vom 19. April 2005). Hier­bei ging sie von ei­nem nach der be­ruf­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on der Kläge­rin fest­ge­leg­ten fik­ti­ven Ar­beits­ent­gelt von 64,40 € aus, weil in­ner­halb von zwei Jah­ren vor An­spruchs­be­ginn nicht min­des­tens 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt fest­stell­bar sei­en. Den Wi­der­spruch, mit dem die Kläge­rin die Berück­sich­ti­gung des in den letz­ten zwölf Mo­na­ten ih­rer Be­rufstätig­keit er­ziel­ten Ge­halts als Be­mes­sungs­ent­gelt ver­lang­te, wies die Be­klag­te mit Wi­der­spruchs­be­scheid vom 19. Mai 2005 zurück.


Kla­ge und Be­ru­fung blie­ben oh­ne Er­folg (Ur­teil des So­zi­al­ge­richts Dort­mund vom 27. Ju­ni 2006; Ur­teil des Lan­des­so­zi­al­ge­richts Nord­rhein-West­fa­len <LSG> vom 21. März 2007). Das LSG hat zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt: Der Kläge­rin ste­he kein höhe­res Alg zu. Die Ent­schei­dung der Be­klag­ten stim­me mit dem seit 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­den Be­mes­sungs­recht des So­zi­al­ge­setz­buchs Drit­tes Buch (SGB III) übe­rein. Ins­be­son­de­re sei die Be­klag­te zu Recht von ei­nem fik­ti­ven Ar­beits­ent­gelt aus­ge­gan­gen, weil bei der Kläge­rin auch in ei­nem auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men kein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt fest­stell­bar sei. Ei­ne Verlänge­rung, Ver­schie­bung oder Tei­lung des Be­mes­sungs­rah­mens we­gen der Mut­ter­schutz- bzw Er­zie­hungs­zei­ten kom­me we­der nach dem Wort­laut des Ge­set­zes noch nach Sinn und Zweck des Be­mes­sungs­rechts, dem Lohn­er­satz­cha­rak­ter des Alg Rech­nung zu tra­gen, in Be­tracht. Die­ses Er­geb­nis be­geg­ne auch kei­nen durch­grei­fen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, weil der Ge­setz­ge­ber nicht ge­hal­ten sei, je­de mit der Mut­ter­schaft zu­sam­menhängen­de wirt­schaft­li­che Be­las­tung aus­zu­glei­chen. Fer­ner sei die Be­klag­te zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin für ei­ne Beschäfti­gung in Fra­ge kom­me, für die ei­ne ab­ge­schlos­se­ne Aus­bil­dung in ei­nem Aus­bil­dungs­be­ruf er­for­der­lich sei, und ha­be ein die­ser Qua­li­fi­ka­ti­on ent­spre­chen­des fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu Grun­de ge­legt. Der Se­nat könne sich schließlich nicht da­von über­zeu­gen, dass die den Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen zu­ge­ord­ne­ten fik­ti­ven Ent­gel­te ver­fas­sungs­wid­rig sei­en. Viel­mehr könne da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der
 


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Ge­setz­ge­ber in aus­rei­chen­dem Maße Er­fah­rungs­wer­te zu Grun­de ge­legt und den ihm zu­zu­bil­li­gen­den Einschätzungs­spiel­raum da­her nicht über­schrit­ten ha­be.


Mit der vom LSG zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ihr Be­geh­ren wei­ter, höhe­res Alg un­ter Berück­sich­ti­gung ih­res Ar­beits­ent­gelts vor der Mut­ter­schafts- und Er­zie­hungs­zeit zu er-hal­ten. Zur Be­gründung macht sie ins­be­son­de­re gel­tend, dass der während ih­res Er­zie­hungs­ur­laubs auf zwei Jah­re verkürz­te Be­mes­sungs­rah­men be­son­ders Mütter nach der Zurück­le­gung von Mut­ter­schutz­fris­ten und der In­an­spruch­nah­me von El­tern­zeit be­nach­tei­li­ge, weil sie die Vor­aus­set­zung von 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt nicht erfüllen könn­ten und weil bei der fik­ti­ven Be­mes­sung nur die ein­mal er­wor­be­ne Qua­li­fi­ka­ti­on berück­sich­tigt wer­de, nicht aber ein be­ruf­li­cher Auf­stieg vor der Mut­ter­schaft. Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen bie­te die Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung kei­nen äqui­va­len­ten Schutz mehr, weil das fik­ti­ve Ar­beits­ent­gelt in den sel­tens­ten Fällen die Höhe des vor der Ar­beits­lo­sig­keit er­ziel­ten Ent­gelts er­rei­che. Im Hin­blick auf Art 3, 6 und 14 des Grund­ge­set­zes (GG) zu be­an­stan­den sei auch die nicht plau­si­ble und im Re­gel­fall zu ei­ner deut­li­chen Re­du­zie­rung der Leis­tungs­ansprüche führen­de Fest­set­zung der den ein­zel­nen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen pau­schal zu­ge­ord­ne­ten fik­ti­ven Ent­gel­te, die deut­lich un­ter den tatsächli­chen Durch­schnitts­gehältern der je­wei­li­gen Grup­pe lägen. Das seit 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­de Be­mes­sungs­recht führe schließlich zu ei­ner nach dem Ge­mein­schafts­recht un­zulässi­gen mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung von Frau­en, weil nach wie vor we­sent­lich mehr Frau­en als Männer El­tern­zeit für die Kin­der­er­zie­hung in An­spruch nähmen und im Fal­le an­sch­ließen­der Ar­beits­lo­sig­keit bei der Be­rech­nung des Alg oh­ne sach­li­chen Grund be­nach­tei­ligt würden.

Die Kläge­rin be­an­tragt ,
die Ur­tei­le der Vor­in­stan­zen auf­zu­he­ben und die Be­klag­te un­ter Abände­rung des Be­scheids vom 19. April 2005 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­schei­des vom 19. Mai 2005 zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin höhe­res Ar­beits­lo­sen­geld un­ter Berück­sich­ti­gung des Ar­beits­ent­gelts vor ih­ren Mut­ter­schafts- und Er­zie­hungs­zei­ten zu gewähren.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Re­vi­si­on der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil.

II

Die Re­vi­si­on ist statt­haft und auch im Übri­gen zulässig, bleibt aber in der Sa­che oh­ne Er­folg.
Denn die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf höhe­res Alg ab 1. April 2005.
 


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Der an­ge­foch­te­ne Be­wil­li­gungs­be­scheid vom 19. April 2005 in der Fas­sung durch den Wi­der­spruchs­be­scheid vom 19. Mai 2005 ver­letzt die Kläge­rin nicht in ih­ren Rech­ten. Die ihm zu Grun­de lie­gen­de Rechts­an­wen­dung der Be­klag­ten ist im Hin­blick auf die bekämpf­te Höhe der Leis­tung we­der ein­fach­recht­lich noch ver­fas­sungs- oder ge­mein­schafts­recht­lich zu be­an­stan­den.


1.a) Zu den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes An­spruchs auf Alg dem Grun­de nach (§§ 117 Abs 1 Nr 1, 118 SGB III), oh­ne de­ren Vor­lie­gen auch ei­ne Kla­ge auf höhe­re Leis­tun­gen kei­nen Er­folg ha­ben kann, hat das LSG bin­dend fest­ge­stellt (§ 163 So­zi­al­ge­richts­ge­setz <SGG>), dass sich die Kläge­rin am 27. Ja­nu­ar 2005 mit Wir­kung zum 1. April 2005 bei der Agen­tur für Ar­beit ar­beits­los ge­mel­det hat, so­dass in­so­weit die­se An­spruchs­vor­aus­set­zung erfüllt ist (§§ 118 Abs 1 Nr 2 und Abs 2, 122 Abs 1 SGB III). Fer­ner er­gibt sich aus den Fest­stel­lun­gen, dass sie ab 1. April 2005 auch ar­beits­los im Sin­ne der §§ 118 Abs 1 Nr 1, 119 bis 121 SGB III war.


Sch­ließlich be­ste­hen auch kei­ne Be­den­ken ge­gen die An­nah­me, dass die Kläge­rin die An­wart­schafts­zeit erfüllt hat­te (§ 118 Abs 1 Nr 3 SGB III). Die Ein­zel­hei­ten hier­zu sind den §§ 123, 124 SGB III in der bis zum 31. De­zem­ber 2003 gel­ten­den Fas­sung (aF) zu ent­neh­men, die nach der durch das Drit­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2003 (BGBl I 2848) ein­gefügten Über­g­angs­re­ge­lung in § 434j Abs 3 SGB III wei­ter an­zu­wen­den ist, wenn der An­spruch auf Alg bis zum 31. Ja­nu­ar 2006 ent­stan­den ist.

Die An­wart­schafts­zeit hat - so­weit hier von Be­deu­tung - erfüllt, wer in der Rah­men­frist min­des­tens zwölf Mo­na­te in ei­nem Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis ge­stan­den hat (§ 123 Satz 1 Nr 1 SGB III aF). Nach § 124 Abs 1 SGB III aF beträgt die Rah­men­frist drei Jah­re und be­ginnt mit dem Tag vor der Erfüllung al­ler sons­ti­gen Vor­aus­set­zun­gen für den An­spruch auf Alg. Da sich die Kläge­rin zum 1. April 2005 ar­beits­los ge­mel­det hat und sie seit die­sem Tag ar­beits­los im Sin­ne der ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen war, be­gann die (re­guläre) Rah­men­frist von drei Jah­ren am 31. März 2005 und reich­te bis zum 1. April 2002 zurück. Nach den Umständen des Fal­les ist al­ler­dings von ei­ner verlänger­ten Rah­men­frist aus­zu­ge­hen, weil die Kläge­rin ei­ne Kin­der­er­zie­hungs­zeit vor dem 1. Ja­nu­ar 2003 vor­zu­wei­sen hat. § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III in der bis zum 31. De­zem­ber 2002 gel­ten­den Fas­sung (aF) be­stimmt in­so­weit, dass Zei­ten der Be­treu­ung und Er­zie­hung ei­nes Kin­des des Ar­beits­lo­sen, in de­nen das Kind das drit­te Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat, nicht in die Rah­men­frist ein­ge­rech­net wer­den. Das be­wirk­te ei­ne Verlänge­rung der Rah­men­frist um die berück­sich­ti­gungsfähi­gen Zei­ten der Be­treu­ung und Er­zie­hung ei­nes Kin­des (vgl Se­nats­ur­teil vom 19. Ja­nu­ar 2005, B 11a/11 AL 35/04 R = SozR 4-4300 § 147 Nr 3 Rd­Nr 19). Nach der mit dem Job-AQTIV-Ge­setz vom 10. De­zem­ber 2001 (BGBl I 3443) ein­gefügten Über­g­angs­re­ge­lung in § 434d Abs 2 SGB III ist § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III aF für Zei­ten der Be­treu­ung und Er­zie­hung ei­nes Kin­des vor dem 1. Ja­nu­ar 2003 wei­ter­hin an­zu­wen­den.
 


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Da die re­guläre Rah­men­frist im vor­lie­gen­den Fall bis zum 1. April 2002 zurück­reicht, um­fasst sie 275 Ka­len­der­ta­ge (1. April bis 31. De­zem­ber 2002) in der Zeit vor dem 1. Ja­nu­ar 2003. Der­sel­be Zeit­raum ist durch­ge­hend mit ei­ner Er­zie­hungs­zeit iS des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB III aF be­legt. Denn nach den Fest­stel­lun­gen wur­de das Kind der Kläge­rin am 25. Ja­nu­ar 2002 ge­bo­ren, so­dass im Sin­ne der ge­nann­ten Vor­schrift (ins­ge­samt) ei­ne Er­zie­hungs­zeit vom 25. Ja­nu­ar 2002 bis zum 24. Ja­nu­ar 2005 (dem Tag vor der Voll­endung des drit­ten Le­bens­jahrs) vor­liegt, die ua die 275 Ka­len­der­ta­ge des vor dem 1. Ja­nu­ar 2003 lie­gen­den Teils der re­gelmäßigen Rah­men­frist um­fasst. Die Rah­men­frist verlängert sich da­her in der Wei­se, dass sie 275 Ta­ge vor dem Be­ginn des nicht ein­zu­rech­nen­den Teils der Er­zie­hungs­zeit (25. Ja­nu­ar 2002 bis 31. De­zem­ber 2002) en­det, mit­hin am 25. April 2001.


Auf Grund der vor der Er­zie­hungs­zeit aus­geübten ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung hat die Kläge­rin in der verlänger­ten Rah­men­frist 269 Ka­len­der­ta­ge (25. April 2001 bis 23. Ja­nu­ar 2002) ei­nes Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses als Beschäftig­te (§ 25 SGB III) auf­zu­wei­sen. Außer­dem war die Kläge­rin auch in der Zeit vom 25. Ja­nu­ar 2005 bis 31. März 2005, in der sie nach "be­triebs­be­ding­ter" Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von der Ar­beit frei­ge­stellt war, noch ein­mal für 66 Ka­len­der­ta­ge ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäftigt. Denn es ist trotz der Frei­stel­lung der Kläge­rin von der Ar­beits­leis­tung nicht zwei­fel­haft, dass auf Grund der Zah­lung von Ar­beits­ent­gelt für die­sen Zeit­raum und des recht­li­chen Be­stands des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 31. März 2005 - un­abhängig da­von, ob es sich um ei­ne wi­der­ruf­li­che oder un­wi­der­ruf­li­che Frei­stel­lung han­del­te - auch das ver­si­che­rungs­recht­li­che Beschäfti­gungs­verhält­nis für den ge­nann­ten Zeit­raum fort­be­stand (zur un­ter­schied­li­chen Be­hand­lung von Frei­stel­lungs­pha­sen beim leis­tungs- und ver­si­che­rungs­recht­li­chen Beschäfti­gungs­verhält­nis vgl Schle­gel, NZA 2005, 972 ff; Voelz­ke in Per­so­nal­recht im Wan­del, FS für Kütt­ner, 2006, 345 ff, je­weils mwN). Die von § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III aF ge­for­der­te Ver­si­che­rungs­pflicht von min­des­tens zwölf Mo­na­ten in­ner­halb der Rah­men­frist ist da­mit aber noch nicht er­reicht, denn dafür ist ein we­nigs­tens 360 Ka­len­der­ta­ge um­fas­sen­der Zeit­raum er­for­der­lich (§ 339 Satz 2 SGB III).


Ob die Kläge­rin im An­schluss an die bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 aus­geübte Beschäfti­gung ei­ne Ver­si­che­rungs­zeit we­gen des Be­zugs von Mut­ter­schafts­geld in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst b Ar­beitsförde­rungs­ge­setz (AFG) in der bis zum 31. De­zem­ber 1997 gel­ten­den Fas­sung vor­zu­wei­sen hat (vgl da­zu BVerfGE 115, 259 = SozR 4-4300 § 123 Nr 3 und den in Re­ak­ti­on auf die­se Ent­schei­dung durch das Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der Beschäfti­gungs­chan­cen älte­rer Men­schen vom 19. April 2007 <VBäMG, BGBl I 538> mit Wir­kung ab 1. Mai 2007 ein­gefügten § 427a SGB III), hat das LSG nicht fest­ge­stellt. Das kann aber da­hin­ste­hen, weil die Kläge­rin während der Er­zie­hung ih­res Kin­des ab 1. Ja­nu­ar 2003 bis zum 24. Ja­nu­ar 2005 in ei­nem Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis aus sons­ti­gen Gründen ge­stan­den hat (§ 24 Abs 1 iVm § 26 SGB III). Nach § 26 Abs 2a SGB III, der mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2003 durch das Job-AQTIV-Ge­setz vom 10. De­zem­ber 2001 (BGBl I 3443) ein­gefügt wor­den ist, sind ver­si­che­rungs­pflich­tig Per­so­nen in der Zeit der Er­zie­hung ei­nes ei­ge­nen Kin­des, das das drit­te Le­bens­jahr noch nicht voll­endet hat, wenn sie un­mit­tel­bar vor der Kin­der­er­zie­hung ver-
 


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si­che­rungs­pflich­tig wa­ren. Die­se Merk­ma­le tref­fen nach den vom LSG ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen auf die Kläge­rin zu. Dar­aus folgt, dass die Kläge­rin während des ab 1. Ja­nu­ar 2003 noch zurück­ge­leg­ten Teils der Er­zie­hungs­zeit (vgl BSG SozR 4-4300 § 147 Nr 3) ver-si­che­rungs­pflich­tig war. Da die (rest­li­che) Er­zie­hungs­zeit vom 1. Ja­nu­ar 2003 bis zum 24. Ja­nu­ar 2005 der Ver­si­che­rungs­pflicht un­ter­lag, kann die An­wart­schafts­zeit gemäß § 123 Satz 1 Nr 1 SGB III aF als erfüllt an­ge­se­hen wer­den.


b) Be­steht da­nach ein An­spruch auf Alg dem Grun­de nach für die Zeit ab 1. April 2005, so gilt für die Höhe der Leis­tung Fol­gen­des:

Nach § 129 Nr 1 SGB III (hier an­wend­bar in der seit 1. Au­gust 2001 gel­ten­den Fas­sung durch das Ge­setz über die Ein­ge­tra­ge­ne Le­bens­part­ner­schaft vom 16. Fe­bru­ar 2001, BGBl I 266) beträgt das Alg für Ar­beits­lo­se, die - wie die Kläge­rin - min­des­tens ein Kind im Sin­ne des § 32 Abs 1, 3 bis 5 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes ha­ben, 67 % (erhöhter Leis­tungs­satz) des pau­scha­lier­ten Net­to­ent­gelts (Leis­tungs­ent­gelt), das sich aus dem Brut­to­ent­gelt er­gibt, das der Ar­beits­lo­se im Be­mes­sungs­zeit­raum er­zielt hat (Be­mes­sungs­ent­gelt). Nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­den Fas­sung durch das Drit­te Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt vom 23. De­zem­ber 2003 (BGBl I 2848) um­fasst der Be­mes­sungs­zeit­raum die beim Aus­schei­den des Ar­beits­lo­sen aus dem je­wei­li­gen Beschäfti­gungs­verhält­nis ab­ge­rech­ne­ten Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume der ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gun­gen im Be­mes­sungs­rah­men. Nach nähe­rer Maßga­be von § 130 Abs 2 SGB III blei­ben bei der Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums be­stimm­te Zei­ten außer Be­tracht.

Der Be­mes­sungs­rah­men um­fasst ein Jahr; er en­det mit dem letz­ten Tag des letz­ten Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses vor der Ent­ste­hung des An­spruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2 SGB III). Der Be­mes­sungs­rah­men wird auf zwei Jah­re er­wei­tert, wenn (ua) der Be­mes­sungs­zeit­raum we­ni­ger als 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt enthält (§ 130 Abs 3 Nr 1 SGB III). Kann ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt in­ner­halb des auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens (eben­falls) nicht fest­ge­stellt wer­den, ist als Be­mes­sungs­ent­gelt ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu Grun­de zu le­gen (§ 132 Abs 1 SGB III in der seit 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­den Fas­sung).

Ei­ne Über­g­angs­re­ge­lung im Hin­blick auf die Leis­tungs­be­mes­sung hat der Ge­setz­ge­ber mit dem Drit­ten Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt nur ge­trof­fen, so­weit es um die Neu­fest­set­zung des Be­mes­sungs­ent­gelts bei vor dem 1. Ja­nu­ar 2005 ent­stan­de­nen Ansprüchen auf Alg geht (§ 434j Abs 5 SGB III). Für den nicht vor dem 1. April 2005 ent­stan­de­nen An­spruch der Kläge­rin auf Alg spielt die­se Über­g­angs­re­ge­lung kei­ne Rol­le.


An­ge­sichts der ge­nann­ten Be­stim­mun­gen ist das LSG zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die­se kei­ne Grund­la­ge für das Be­geh­ren bie­ten, das bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 er­ziel­te Ar­beits­ent­gelt der Kläge­rin als Be­mes­sungs­ent­gelt zu Grun­de zu le­gen. Denn die ent­spre­chen­den
 


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Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume lie­gen außer­halb des Be­mes­sungs­rah­mens. Der Be­mes­sungs­zeit­raum kann aber nur ge­bil­det wer­den aus "im Be­mes­sungs­rah­men" lie­gen­den Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträum­en.


Das En­de des Be­mes­sungs­rah­mens bil­det der letz­te Tag des letz­ten Ver­si­che­rungs­pflicht­verhält­nis­ses vor der Ent­ste­hung des An­spruchs (§ 130 Abs 1 Satz 2, Halb­satz 2 SGB III). Maßge­bend ist des­halb der 31. März 2005, da die Kläge­rin vom 25. Ja­nu­ar bis 31. März 2005 in ei­ner ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung (§ 25 Abs 1 Satz 1 SGB III) ge­stan­den hat. Hier­aus er­gibt sich ein re­gulärer Be­mes­sungs­rah­men vom 1. April 2004 bis 31. März 2005 bzw ein gemäß § 130 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III er­wei­ter­ter Be­mes­sungs­rah­men vom 1. April 2003 bis 31. März 2005. Auch un­ter Zu­grun­de­le­gung des er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens lie­gen die Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume der von der Kläge­rin bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 aus­geübten ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung außer­halb des Be­mes­sungs­rah­mens. Wie sich aus §§ 130 Abs 3, 132 Abs 1 SGB III er­gibt, sieht das Ge­setz ei­ne Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens über zwei Jah­re hin­aus nicht vor.


Dar­an ändert es nichts, dass nach § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III bei der Er­mitt­lung "des Be­mes­sungs­zeit­raums" Zei­ten der Be­treu­ung und Er­zie­hung ei­nes Kin­des außer Be­tracht blei­ben, wenn we­gen der Be­treu­ung und Er­zie­hung des Kin­des das Ar­beits­ent­gelt oder die durch­schnitt-li­che wöchent­li­che Ar­beits­zeit ge­min­dert war. Die­se Re­ge­lung, die im Kern schon in dem bis zum 31. De­zem­ber 1997 gel­ten­den Recht ent­hal­ten war (§ 112 Abs 2 Satz 2 AFG) und ab 1. Ja­nu­ar 1998 in § 131 Abs 2 Nr 1 SGB III aF über­nom­men wur­de, soll nur da­vor schützen, dass in die Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­ent­gelts Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume ver­si­che­rungs­pflich­ti­ger Beschäfti­gun­gen ein­fließen, die nach § 131 Abs 1 iVm § 130 Abs 1 SGB III ei­gent­lich zu berück­sich­ti­gen wären, in de­nen aber das er­ziel­te Ar­beits­ent­gelt we­gen der Kin­der­er­zie­hung aty­pisch nied­rig und da­her nicht re­präsen­ta­tiv war (vgl Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, § 130 Rd­Nr 60 f und 67 ff). Da­ge­gen trifft § 130 Abs 2 Nr 3 SGB III kei­ne Son­der­re­ge­lung zu den Vor­aus­set­zun­gen, von de­nen es nach § 130 Abs 1 und Abs 3 iVm § 132 Abs 1 SGB III abhängt, in­wie­weit das vor dem Be­ginn der Kin­der­er­zie­hung er­ziel­te Ar­beits­ent­gelt als Be­mes­sungs­ent­gelt her­an­ge­zo­gen wer­den kann.


Ab­wei­chen­des er­gibt sich auch nicht aus der von der Re­vi­si­on an­geführ­ten Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Fas­sung, die der bis zum 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­de § 131 Abs 2 Nr 1 SGB III aF (Vorgänger­vor­schrift des § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III) mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2003 durch das Job-AQTIV-Ge­setz er­hal­ten hat­te. Mit der durch die­ses Ge­setz ein­geführ­ten Ver­si­che­rungs­pflicht während Er­zie­hungs­zei­ten (§ 26 Abs 2a SGB III) woll­te der Ge­setz­ge­ber die Un­terstützung der Be­rufsrück­kehr von Frau­en aus Zei­ten der Kin­der­er­zie­hung ver­bes­sern und zu die­sem Zweck si­cher­stel­len, dass die Förde­rung der be­ruf­li­chen Ein­glie­de­rung durch ei­nen An­spruch auf Lohn­er­satz­leis­tun­gen nicht mehr von Zufällig­kei­ten abhängt (BT-Drucks 14/6944 S 26 <zu Nr 7>). Zu der an die Einführung der Ver­si­che­rungs­pflicht für Er­zie­hen­de an¬knüpfen­den Fol­geände­rung des da­ma­li­gen § 131 Abs 2 Nr 1 SGB III wur­de zwar die Vor-
 


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stel­lung geäußert, da­durch sei si­cher ge­stellt, dass Per­so­nen, die zu­letzt we­gen der Er­zie­hung ei­nes Kin­des ver­si­che­rungs­pflich­tig wa­ren, Alg auf der Grund­la­ge des Ent­gelts er­hal­ten, das sie vor der Er­zie­hungs­zeit er­zielt ha­ben (BT-Drucks 14/7347 S 73 <zu Art 1 Nr 43>). Gleich­zei­tig wur­de aber aus­drück­lich klar­ge­stellt, dass dies nicht aus­nahms­los gel­ten sol­le, son­dern die Re­ge­lung zur "fik­ti­ven" Be­mes­sung in § 133 Abs 4 SGB III un­berührt blei­be. § 133 Abs 4 SGB III be­stimm­te in sei­ner bis 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­den Fas­sung (aF), dass Be­mes­sungs­ent­gelt das ta­rif­li­che Ar­beits­ent­gelt der­je­ni­gen Beschäfti­gung ist, auf die das Ar­beits­amt die Ver­mitt­lungs­bemühun­gen für den Ar­beits­lo­sen in ers­ter Li­nie zu er­stre­cken hat, wenn ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 39 Wo­chen mit An­spruch auf Ent­gelt in­ner­halb der letz­ten drei Jah­re vor der Ent­ste­hung des An­spruchs nicht fest­ge­stellt wer­den kann.


Da­nach war schon da­mals ein ge­ne­rel­ler und von der Dau­er der Un­ter­bre­chung des Be­rufs­le­bens un­abhängi­ger Rück­griff auf das vor der Er­zie­hung er­ziel­te Ent­gelt als Be­mes­sungs­ent­gelt nicht be­ab­sich­tigt und ei­ne Ände­rung der Kon­zep­ti­on ist auch § 130 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III be­reits dem Wort­laut nach nicht zu ent­neh­men. Die Vor­schrift hat viel­mehr al­lein Be­deu­tung für die Be­stim­mung des Be­mes­sungs­zeit­raums und be­sagt nichts über den Be­mes­sungs­rah­men, der da­von zu un­ter­schei­den ist.


Be­reits das frühe­re Recht kann­te der Sa­che nach ei­nen Be­mes­sungs­rah­men, oh­ne aber die­sen in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Be­griff aus­drück­lich zu ver­wen­den (vgl zB zur Rechts­ent­wick­lung BS­GE 77, 244 = SozR 3-4100 § 112 Nr 24; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 26; Paw­lak in Spell­brink/Ei­cher, Kas­se­ler Hand­buch des Ar­beitsförde­rungs­rechts, 2003, § 11 Rd­Nr 41 ff). Nach § 130 Abs 1 SGB III in der bis zum 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­den Fas­sung (aF) han­del­te es sich da­bei um die letz­ten 52 Wo­chen vor der Ent­ste­hung des An­spruchs, in de­nen Ver­si­che­rungs­pflicht be­stand (vgl BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3; BSG SozR 4-4300 § 416a Nr 1). Nach der­sel­ben Vor­schrift konn­te schon da­mals der Be­mes­sungs­zeit­raum grundsätz­lich nur von Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträum­en ge­bil­det wer­den, die in dem vor­ge­ge­be­nen zeit­li­chen Rah­men la­gen (BSG SozR 4-4300 § 133 Nr 3).


Al­ler­dings ließ § 130 Abs 2 Satz 1 SGB III aF ei­ne Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­zeit­raums zu. Denn wenn der (Re­gel-) Be­mes­sungs­zeit­raum we­ni­ger als 39 Wo­chen mit An­spruch auf Ent­gelt ent­hielt, verlänger­te sich der Be­mes­sungs­zeit­raum um wei­te­re Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträume, bis 39 Wo­chen mit An­spruch auf Ent­gelt er­reicht wa­ren. Das konn­te da­zu führen, dass zur Auffüllung des Be­mes­sungs­zeit­raums auf außer­halb des Be­mes­sungs­rah­mens lie­gen­de Lohn­zeiträume zurück­zu­grei­fen war (BSG SozR 4-4300 § 416a Nr 1). Auch konn­ten Zei­ten, die in An­wen­dung ei­ner Son­der­re­ge­lung bei der Er­mitt­lung des Be­mes­sungs­zeit­raums außer Be­tracht zu blei­ben hat­ten, im Sin­ne ei­nes Auf­schub­tat­be­stands bei der Be­stim­mung so­wohl des Be­mes­sungs­rah­mens als auch des "ei­gent­li­chen" Be­mes­sungs­zeit­raums un­berück­sich­tigt blei­ben (BSG SozR 4-4300 § 131 Nr 1). Je­doch ist da­bei auch in Rech­nung zu stel­len, dass schon § 133 Abs 4 SGB III aF der Sa­che nach ei­ne ab­so­lu­te Höchst­dau­er des Be­mes­sungs­rah­mens fest­leg­te, weil da­nach ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung zu er­fol­gen hat­te, falls sich



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auch in­ner­halb der letz­ten drei Jah­re vor Ent­ste­hung des An­spruchs kein aus­rei­chend lan­ger Be­mes­sungs­zeit­raum mit min­des­tens 39 Wo­chen mit An­spruch auf Ent­gelt fest­stel­len ließ.


Das seit dem 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­de Recht sieht in § 130 Abs 3 Nr 1 SGB III an Stel­le ei­ner Verlänge­rung des Be­mes­sungs­zeit­raums (nur) ei­ne Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens auf zwei Jah­re vor, wenn der (im Re­gel­be­mes­sungs­rah­men gemäß Abs 1 Satz 2 lie­gen­de) Be­mes­sungs­zeit­raum we­ni­ger als 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt enthält. Mit die­ser Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­rah­mens woll­te der Ge­setz­ge­ber be­wusst die bis­he­ri­ge suk­zes­si­ve Er­wei­te­rung des Be­mes­sungs­zeit­raums um ein­zel­ne Ab­rech­nungs­zeiträume ablösen (BT-Drucks 15/1515 S 85 <zu § 130 Abs 3>). Dar­aus folgt in Ver­bin­dung mit dem in § 130 Abs 1 Satz 1 SGB III ge­re­gel­ten Grund­satz, wo­nach der Be­mes­sungs­zeit­raum nur von Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträum­en "im Be­mes­sungs­rah­men" ge­bil­det wer­den kann, dass der Be­mes­sung je­den­falls kei­ne Zei­ten mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt zu Grun­de ge­legt wer­den können, die nicht we­nigs­tens in dem er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men gemäß Abs 3 lie­gen (vgl Val­go­lio in Hauck/Noftz, SGB III, § 130 Rd­Nr 62). Das un­ter­streicht § 132 Abs 1 SGB III, der un­miss­verständ­lich an­ord­net, dass als Be­mes­sungs­ent­gelt ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt zu Grun­de zu le­gen ist, wenn in­ner­halb des auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens ein Be­mes­sungs­zeit­raum von min­des­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt eben­falls nicht fest­ge­stellt wer­den kann.


Da so­mit Be­mes­sungs­rah­men und Be­mes­sungs­zeit­raum nun strikt von­ein­an­der zu tren­nen sind, können auch Zei­ten, die auf Grund von Son­der­re­ge­lun­gen bei der Be­stim­mung des Be­mes­sungs­zeit­raums außer Be­tracht blei­ben, zu kei­ner Aus­wei­tung des rein ka­len­dermäßig ab­lau­fen­den Be­mes­sungs­rah­mens führen (BSG SozR 4-4300 § 416a Nr 1). Dar­aus folgt, dass die Kläge­rin kei­nen Be­mes­sungs­zeit­raum von we­nigs­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt vor­zu­wei­sen hat. Die in­ner­halb des Be­mes­sungs­rah­mens lie­gen­de Zeit mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt vom 25. Ja­nu­ar bis 31. März 2005 um­fasst nur 66 Ka­len­der­ta­ge. Wei­te­re Zei­ten mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt hat die Kläge­rin auch in dem auf zwei Jah­re er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­men nicht zurück­ge­legt.


Un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen kann die von der Re­vi­si­on auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge of­fen blei­ben, ob der Ge­setz­ge­ber Zei­ten ei­nes Beschäfti­gungs­ver­bots nach dem Ge­setz zum Schutz der er­werbstäti­gen Mut­ter (MuSchG) wie Zei­ten mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt hätte be­han­deln müssen. Denn da­von hätte je­den­falls die Kläge­rin kei­nen Vor­teil ge­habt, weil es nach den Um-ständen des Fal­les aus­ge­schlos­sen ist, dass der (er­wei­ter­te) Be­mes­sungs­rah­men Zei­ten ei­nes Beschäfti­gungs­ver­bots um­fasst. Da die­se mit Rück­sicht auf die Ge­burt des Kin­des am 25. Ja­nu­ar 2002 je­den­falls außer­halb des er­wei­ter­ten Be­mes­sungs­rah­mens ge­le­gen ha­ben, könn­te hier auch ei­ne Gleich­stel­lung von Schutz­fris­ten nach dem MuSchG mit Ent­gel­tab­rech­nungs­zeiträum­en nicht zur Fest­stel­lung ei­nes we­nigs­tens 150 Ta­ge um­fas­sen­den Be­mes­sungs­zeit­raums führen.
 


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So­weit die Re­vi­si­on sich ge­gen die Verkürzung des Be­mes­sungs­rah­mens auf ma­xi­mal zwei Jah­re mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2005 wen­det, ist eben­falls kei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin er­sicht­lich. Denn nach dem bis zum 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­den § 133 Abs 4 SGB III aF hätte sich nach den Umständen des Fal­les ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung eben­falls nicht ver­mei­den las­sen. In­ner­halb der letz­ten drei Jah­re vor Ent­ste­hung des An­spruchs, die nach § 133 Abs 4 SGB III aF den zeit­li­chen Höchst­rah­men für die Berück­sich­ti­gung früher er­ziel­ten Ent­gelts mar­kier­ten, dh hier in der Zeit vom 1. April 2002 bis 31. März 2005, hätte die Kläge­rin nämlich eben­falls kei­ne aus­rei­chen­den Zei­ten mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt vor­zu­wei­sen ge­habt. Das gilt un­abhängig da­von, ob man da­bei auf das bis zum 31. De­zem­ber 2004 gel­ten­de Recht (min­des­tens 39 Wo­chen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt) ab­stellt oder auf das seit dem 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­de Recht (min­des­tens 150 Ta­ge mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt). Ins­be­son­de­re hätte das vor der Ge­burt des Kin­des bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 (dh mehr als drei Jah­re vor der Ent­ste­hung des An­spruchs) er­ziel­te Ent­gelt be­reits nach § 133 Abs 4 SGB III aF (ins­ge­samt) nicht mehr als Be­mes­sungs­ent­gelt her­an­ge­zo­gen wer­den können.

In­so­weit ist da­her die Auf­fas­sung der Kläge­rin, während ih­rer El­tern­zeit sei das Recht zu ih­rem Nach­teil geändert wor­den, nicht zu­tref­fend. Es kommt des­halb hier nicht mehr dar­auf an, dass die Fol­gen der Be­gren­zung des Be­mes­sungs­rah­mens auf zwei Jah­re ab 1. Ja­nu­ar 2005 da­durch ge­mil­dert wor­den sind, dass gleich­zei­tig die Berück­sich­ti­gung von in der Ver­gan­gen­heit er­ziel­tem Lohn als Be­mes­sungs­ent­gelt er­heb­lich er­leich­tert wur­de. Denn der dafür er­for­der­li­che Min­dest­um­fang des Be­mes­sungs­zeit­raums wur­de von 39 Wo­chen (§§ 130 Abs 2 Satz 1, 133 Abs 4 SGB III aF) bei­na­he hal­biert auf nur noch 150 Ta­ge, dh rund 21 Wo­chen (§§ 130 Abs 3 Nr 1, 132 Abs 1 SGB III nF). Das war grundsätz­lich ge­eig­net, die Zahl der Fälle, in de­nen früher er­ziel­ter Lohn nicht als Be­mes­sungs­ent­gelt her­an­ge­zo­gen wer­den kann, zu sen­ken, und wiegt da­her in­so­weit die Be­gren­zung des Be­mes­sungs­rah­mens von ursprüng­lich ma­xi­mal drei Jah­ren (§ 133 Abs 4 SGB III aF) auf zwei Jah­re auf.

Nach § 132 Abs 2 Satz 1 SGB III ist der Ar­beits­lo­se für die Fest­set­zung des fik­ti­ven Ar­beits­ent­gelts der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe zu­zu­ord­nen, die der be­ruf­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on ent­spricht, die für die Beschäfti­gung er­for­der­lich ist, auf die die Agen­tur für Ar­beit die Ver­mitt­lungs­bemühun­gen für den Ar­beits­lo­sen in ers­ter Li­nie zu er­stre­cken hat. § 132 Abs 2 Satz 2 SGB III legt zu die­sem Zweck vier näher be­zeich­ne­te Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen fest, de­nen je­weils in Abhängig­keit von der für ei­ne Beschäfti­gung er­for­der­li­chen Aus­bil­dung ein Ar­beits­ent­gelt in Höhe ei­nes be­stimm­ten Bruch­teils der Be­zugs­größe zu­ge­ord­net ist. Die Be­zugs­größe ist das Durch­schnitts­ent­gelt der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung im vor­ver­gan­ge­nen Ka­len­der­jahr, auf­ge­run­det auf den nächsthöhe­ren, durch 420 teil­ba­ren Be­trag (§ 18 Abs 1 So­zi­al­ge­setz­buch Vier­tes Buch <SGB IV>). Sie wur­de nach § 17 Abs 2 Satz 1 SGB IV in der bis zum 7. No­vem­ber 2006 gel­ten­den Fas­sung vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ge­sund­heit und So­zia­le Si­che­rung (seit­her: Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les) im Vor­aus für je­des Ka­len­der­jahr durch Rechts­ver­ord­nung mit Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes be­stimmt. Die Be­zugs­größe im hier maßgeb­li­chen Jahr 2005 be­trug 28.980 € jähr­lich (§ 2 Abs 1 der Ver­ord­nung über maß-
 


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ge­ben­de Re­chen­größen der So­zi­al­ver­si­che­rung für 2005 vom 29. No­vem­ber 2004, BGBl I 3098).

Die Kläge­rin war - wie auch sie nicht be­zwei­felt - auf Grund ih­rer be­ruf­li­chen Aus­bil­dung der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 3 zu­zu­ord­nen. Hier­aus folg­te nach § 132 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III ein fik­ti­ves Ar­beits­ent­gelt von 64,40 € täglich (Be­zugs­größe 2005: 28.980 € jähr­lich, ge­teilt durch 450). Die wei­te­re Be­rech­nung der Be­klag­ten ent­spricht den Be­stim­mun­gen in § 133 SGB III (in der seit 1. Ja­nu­ar 2005 gel­ten­den Fas­sung), wo­nach zur Er­mitt­lung des Leis­tungs­ent­gelts iS des § 129 SGB III ei­ne So­zi­al­ver­si­che­rungs­pau­scha­le in Höhe von 21 vH des Be­mes­sungs­ent­gelts, die Lohn­steu­er nach der Lohn­steu­er­klas­se, die zu Be­ginn des Jah­res, in dem der An­spruch ent­stan­den ist, auf der Lohn­steu­er­kar­te des Ar­beits­lo­sen ein­ge­tra­gen war und der So­li­da­ritäts­zu­schlag vom Be­mes­sungs­ent­gelt ab­zu­zie­hen sind. Da­ge­gen er­hebt auch die Re­vi­si­on kei­ne Einwände. Das zu­tref­fend er­mit­tel­te Leis­tungs­ent­gelt von 32,37 € täglich führt nach § 129 Nr 1 SGB III (erhöhter Leis­tungs­satz von 67 vH) letzt­lich zu dem von der Be­klag­ten zu­tref­fend be­wil­lig­ten Alg von 21,69 € täglich.


2. Es verstößt auch nicht ge­gen Ver­fas­sungs­recht, dass das Ar­beits­ent­gelt, das die Kläge­rin bis zum 23. Ja­nu­ar 2002 und da­mit länger als drei Jah­re vor dem Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls er­zielt hat, nicht als Be­mes­sungs­ent­gelt zu Grun­de ge­legt wird.


a) Ei­ne Ver­pflich­tung des Ge­setz­ge­bers, bei El­tern bzw Müttern, die sich nach länge­ren frei­wil­li­gen Un­ter­bre­chun­gen ih­res Be­rufs­le­bens dem Ar­beits­markt wie­der zur Verfügung stel­len, den Lohn­er­satz durch das Alg nicht - wie sonst beim Feh­len ei­nes aus­rei­chend zeit­na­hen Be­mes­sungs­zeit­raums - nach dem ak­tu­ell vor­aus­sicht­lich er­ziel­ba­ren Lohn zu be­mes­sen, son­dern an­hand des vor der Kin­der­er­zie­hung er­ziel­ten Ar­beits­ent­gelts, lässt sich zunächst nicht aus Art 6 Abs 1 GG her­lei­ten. Die­se Norm un­ter­stellt zwar Ehe und Fa­mi­lie dem be­son­de­ren Schutz der staat­li­chen Ord­nung, ver­pflich­tet den Staat je­doch nicht, jeg­li­che die Fa­mi­lie tref­fen­de Be­las­tung aus­zu­glei­chen oder die Fa­mi­lie oh­ne Rück­sicht auf sons­ti­ge öffent­li­che Be­lan­ge zu fördern. Der Ge­setz­ge­ber hat viel­mehr im In­ter­es­se des Ge­mein­wohls ne­ben der Fa­mi­li­enförde­rung auch an­de­re Ge­mein­schafts­be­lan­ge zu berück­sich­ti­gen und da­bei vor al­lem auf die Funk­ti­onsfähig­keit und das Gleich­ge­wicht des Gan­zen zu ach­ten. Da­her las­sen sich aus der Wer­tent­schei­dung des Art 6 Abs 1 GG auch in Ver­bin­dung mit dem So­zi­al­staats­prin­zip kei­ne kon­kre­ten Fol­ge­run­gen dafür ab­lei­ten, wie in den ein­zel­nen Rechts­ge­bie­ten und Teil­sys­te­men ein Fa­mi­li­en­las­ten­aus­gleich zu ver­wirk­li­chen ist. In­so­weit be­steht viel­mehr grundsätz­lich Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers (vgl BVerfGE 87, 1, 36 mwN), oh­ne dass aus dem Förde­rungs­ge­bot des Art 6 Abs 1 GG kon­kre­te Ansprüche auf be­stimm­te staat­li­che Leis­tun­gen her­ge­lei­tet wer­den könn­ten (BVerfGE 107, 205, 213 mwN).

b) Selbst wenn sich die strei­ti­ge Re­ge­lung über­wie­gend zu Las­ten von Müttern aus­wir­ken soll­te, die we­gen der Über­nah­me der Kin­der­er­zie­hung ih­re Be­rufstätig­keit länge­re Zeit un­ter­bro­chen ha­ben, schei­det auch Art 6 Abs 4 GG als Grund­la­ge für das Be­geh­ren der

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Kläge­rin aus. Un­abhängig da­von, ob die­se Norm Müttern über die Zeit der Schwan­ger­schaft und über die ers­ten Mo­na­te nach der Ge­burt hin­aus über­haupt Schutz gewährt, können aus ihr je­den­falls kei­ne be­son­de­ren Rech­te für Sach­ver­hal­te her­ge­lei­tet wer­den, die nicht al­lein Mütter be­tref­fen. Da­von ab­ge­se­hen folgt auch aus dem Schutz­auf­trag des Art 6 Abs 4 GG nicht, dass der Ge­setz­ge­ber ge­hal­ten wäre, je­de mit der Mut­ter­schaft zu­sam­menhängen­de wirt­schaft­li­che Be­las­tung aus­zu­glei­chen und dem Förde­rungs­ge­bot oh­ne Rück­sicht auf sons­ti­ge Be­lan­ge nach­zu­kom­men. Der Ge­setz­ge­ber ist zwar zum Aus­gleich un­mit­tel­ba­rer Nach­tei­le in der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ver­pflich­tet, so­weit er Mütter im Un­ter­schied zu an­de­ren Ar­beit­neh­mern hin­dert, sich durch ei­ne ver­si­che­rungs­pflich­ti­ge Beschäfti­gung den Zu­gang zu Ver­si­che­rungs­leis­tun­gen selbst zu schaf­fen oder zu er­hal­ten (BVerfGE 115, 259, 271). Ei­ne da­mit ver­gleich­ba­re Si­tua­ti­on ist aber nicht ge­ge­ben, wenn ei­ne Mut­ter von der Ausübung ei­ner ihr recht­lich er­laub­ten ver­si­che­rungs­pflich­ti­gen Beschäfti­gung auf Grund der ei­ge­nen Le­bens­pla­nung für die Zeit der Kin­der­er­zie­hung ab­sieht, so­dass der Ge­setz­ge­ber nicht ein­mal ge­hal­ten ist, Vor­keh­run­gen ge­gen das Erlöschen ei­nes be­reits er­wor­be­nen An­spruchs auf Alg während ei­ner El­tern­zeit zu tref­fen (BSG SozR 4-4300 § 147 Nr 3; zur Ab­gren­zung vgl auch BS­GE 91, 226, 228 = SozR 4-4300 § 147 Nr 2). Der Ge­setz­ge­ber ist da­her auch nicht ver­pflich­tet, Mütter von der sach­ge­rech­ten und für al­le Ver­si­cher­ten gel­ten­den Re­ge­lung aus­zu­neh­men, dass un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Höhe der Leis­tung an­hand ei­nes ak­tua­li­sier­ten (fik­ti­ven) Ar­beits­ent­gelts zu be­mes­sen ist.

c) Die Auf­fas­sung der Kläge­rin lässt sich fer­ner nicht auf Art 3 Abs 1 GG stützen. Der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz des Art 3 Abs 1 GG ge­bie­tet dem Ge­setz­ge­ber, we­sent­lich Glei­ches gleich und we­sent­lich Un­glei­ches un­gleich zu be­han­deln. Er gilt für un­glei­che Be­las­tun­gen wie auch für un­glei­che Begüns­ti­gun­gen (stRspr, vgl zB BVerfGE 110, 412, 431 mwN).

Da­mit ist dem Ge­setz­ge­ber aber we­der je­de Dif­fe­ren­zie­rung ver­wehrt, noch ist es ihm un­ter­sagt, von Dif­fe­ren­zie­run­gen ab­zu­se­hen, die er vor­neh­men dürf­te. Art 3 Abs 1 GG ist al­ler­dings ver­letzt, wenn sich ein vernünf­ti­ger Grund für ei­ne ge­setz­li­che Dif­fe­ren­zie­rung oder Gleich­be­hand­lung nicht fin­den lässt bzw wenn ei­ne Grup­pe von Nor­madres­sa­ten im Ver­gleich zu ei­ner an­de­ren an­ders be­han­delt wird, ob­wohl zwi­schen bei­den Grup­pen kei­ne Un­ter­schie­de von sol­cher Art und sol­chem Ge­wicht be­ste­hen, dass sie die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung recht­fer­ti­gen können. Da die zu re­geln­den Le­bens­sach­ver­hal­te ein­an­der nie in al­len, son­dern stets nur in ein­zel­nen Merk­ma­len glei­chen, ist es aber grundsätz­lich Sa­che des Ge­setz­ge­bers zu ent­schei­den, wel­che von die­sen Merk­ma­len er als maßge­bend für ei­ne Gleich- oder Un­gleich­be­hand­lung an­sieht, so­lan­ge er die­se Aus­wahl sach­ge­recht und nicht willkürlich trifft. In­ner­halb die­ser Gren­zen ist er in sei­ner Ent­schei­dung grundsätz­lich frei, so­weit sei­ne Ge­stal­tungs­frei­heit nicht durch an­de­re Ver­fas­sungs­nor­men wie zB den sich aus Art 6 Abs 1 GG er­ge­ben­den Schutz­auf­trag zusätz­lich ein­ge­schränkt ist (s un­ter 2d). Was in An­wen­dung des Gleich­heits­sat­zes sach­lich ver­tret­bar oder sach­fremd und des­halb willkürlich ist, lässt sich nicht abs­trakt und all­ge­mein fest­stel­len, son­dern stets nur in Be­zug auf die Ei­gen­art des kon­kret ge-
 


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re­gel­ten Sach­be­reichs (stRspr, vgl ua BVerfGE 87, 1; BVerfGE 90, 226 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6; BVerfGE 107, 205; BVerfGE 110, 412; BSG SozR 4-4300 § 124 Nr 1, je­weils mwN).


Auf die­ser Grund­la­ge be­ste­hen kei­ne durch­grei­fen­den Be­den­ken da­ge­gen, dass der Ge­setz­ge­ber bei al­len Ver­si­cher­ten, die kei­nen aus­rei­chend zeit­na­hen Be­mes­sungs­zeit­raum von we­nigs­tens 150 Ta­gen mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt vor­zu­wei­sen ha­ben, die In­dizwir­kung des zu­letzt er­ziel­ten Lohns für den auf Grund des Ver­si­che­rungs­falls der­zeit ein­tre­ten­den Lohn­aus­fall als nicht mehr gewähr­leis­tet an­sieht und des­halb statt­des­sen den vor­aus­sicht­lich ak­tu­ell er­ziel­ba­ren Lohn zur Be­mes­sungs­grund­la­ge er­hebt. Aus den schon ge­nann­ten Gründen liegt dar­in we­der ei­ne willkürli­che Gleich­be­hand­lung von er­zie­hen­den El­tern mit an­de­ren Ver­si­cher­ten noch ist die Ak­tua­li­sie­rung der Be­mes­sungs­grund­la­ge als sol­che sach­wid­rig, weil sie dem Lohn­er­satz­cha­rak­ter des Alg und da­mit ei­nem zen­tra­len Grund­ge­dan­ken der zu re­geln­den Ma­te­rie Rech­nung trägt. Die­se Rechts­fol­ge und das zu Grun­de lie­gen­de An­lie­gen, das Ar­beits­ent­gelt aus weit zurück­lie­gen­den Beschäfti­gungs­zei­ten in der Re­gel als Be­mes­sungs­grund­la­ge aus­zu­sch­ließen (vgl Val­go­lio in Hauck/Noftz, SGB III, § 130 Rd­Nr 26), ent­spre­chen viel­mehr der Funk­ti­on des Alg als Lohn­er­satz­leis­tung.


Das Alg soll dem Ar­beits­lo­sen an­ge­mes­se­nen Er­satz für den Aus­fall leis­ten, den er da­durch er­lei­det, dass er ge­genwärtig kei­nen be­zahl­ten Ar­beits­platz fin­det. Da­bei er­for­dert die exis­tenz-si­chern­de Na­tur des Alg, dass die Fest­stel­lung der Leis­tungshöhe und die Aus­zah­lung be­schleu­nigt er­folgt, was schon aus Gründen der Ver­wal­tungs­prak­ti­ka­bi­lität zu ein­fa­chen Maßstäben bei der Leis­tungs­be­rech­nung zwingt (vgl zB BVerfGE 63, 255, 262 = SozR 4100 § 111 Nr 6). Da sich der durch die Ar­beits­lo­sig­keit in­di­vi­du­ell ein­tre­ten­de Lohn­aus­fall nicht kon­kret er­mit­teln lässt (BSG, Be­schluss vom 2. Fe­bru­ar 1995, 11 RAr 21/94 <veröffent­licht in ju­ris, dort Rd­Nr 23 aE>), ist es un­ter den ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen prak­tisch un­ver­meid­lich, die Höhe des Alg nach ty­pi­sie­ren­den und pau­scha­lie­ren­den Merk­ma­len zu be­stim­men. Da­bei kann dem im Be­mes­sungs­zeit­raum er­ziel­ten Ar­beits­ent­gelt grundsätz­lich In­dizwir­kung in dem Sin­ne bei-ge­mes­sen wer­den, dass es ty­pi­sie­rend das Ar­beits­ent­gelt an­zeigt, das der Ar­beits­lo­se, hätte er Ar­beit, auch ak­tu­ell er­zie­len könn­te (vgl ua BSG, aaO; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 3). Das wird in der Re­gel der Kon­zep­ti­on ge­recht, das Alg als Lohn­er­satz­leis­tung an ei­nem möglichst zeit­na­hen Lohn­ni­veau aus­zu­rich­ten, das den auf Ar­beits­ein­kom­men ge­gründe­ten durch­schnitt­li­chen Le­bens­stan­dard des Ar­beits­lo­sen re­präsen­tiert (vgl ua BS­GE 74, 96, 100 = SozR 3-4100 § 112 Nr 17; BS­GE 77, 244, 250 = BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 24; BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 26).


Ob­wohl es des­we­gen prin­zi­pi­ell sach­ge­recht ist, wenn die Be­mes­sung des Alg an den Net­to­lohn an­knüpft, den der Ar­beits­lo­se zu­letzt vor Ein­tritt der Ar­beits­lo­sig­keit be­zo­gen hat (BVerfGE 63, 255, 262 = SozR 4100 § 111 Nr 6), eig­net sich die­se Me­tho­de aber nicht im­mer da­zu, den Ge­gen­wert der dem Ar­beits­lo­sen ak­tu­ell mögli­chen Ver­wer­tung sei­ner Ar­beits­leis­tung zu be­stim­men. Das Ge­setz sah da­her schon in der Ver­gan­gen­heit ei­ne Rei­he von Aus­nah­me­re­ge­lun­gen vor, de­nen die ge­mein­sa­me Vor­stel­lung zu Grun­de lag, dass die In­dizwir­kung, die

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dem im Be­mes­sungs­zeit­raum er­ziel­ten Ar­beits­ent­gelt grundsätz­lich zu­kommt, un­ter be­stimm­ten Umständen ver­sagt, so­dass der Lohn­aus­fall in­fol­ge der Ar­beits­lo­sig­keit und der des­we­gen zu er­brin­gen­de Lohn­er­satz mit ei­ner an­de­ren Me­tho­de be­mes­sen wer­den müssen (zum AFG: BSG, Be­schluss vom 2. Fe­bru­ar 1995, 11 RAr 21/94 <veröffent­licht in ju­ris, dort Rd­Nr 23>). So be­stimm­te § 112 Abs 7 Alt 2 AFG in der bis zum 31. De­zem­ber 1997 gel­ten­den Fas­sung, des­sen Grund­ge­dan­ke ab 1. Ja­nu­ar 1998 durch § 133 Abs 4 SGB III aF (s. oben un­ter 1.b) auf­ge­grif­fen wur­de, dass für die Be­mes­sung von dem am Wohn­sitz oder gewöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort des Ar­beits­lo­sen maßgeb­li­chen ta­rif­li­chen oder (...) ortsübli­chen Ar­beits­ent­gelt der­je­ni­gen Beschäfti­gung aus­zu­ge­hen ist, für die der Ar­beits­lo­se nach sei­nem Le­bens­al­ter und sei­ner Leis­tungsfähig­keit un­ter bil­li­ger Berück­sich­ti­gung sei­nes Be­rufs und sei­ner Aus­bil­dung nach La­ge und Ent­wick­lung des Ar­beits­markts in Be­tracht kommt, falls der letz­te Tag des Be­mes­sungs­zeit­raums bei Ent­ste­hung des An­spruchs länger als drei Jah­re zurück­liegt.

Dafür war die Über­le­gung maßge­bend, dass ein lang zurück­lie­gen­der Be­mes­sungs­zeit­raum nicht mehr die Ver­mu­tung recht­fer­tigt, dass der Ar­beits­lo­se das­sel­be Ar­beits­ent­gelt auch in Zu­kunft ver­die­nen könne (BSG SozR 3-4100 § 112 Nr 7). Die­se Über­le­gung und die dar­aus ge­zo­ge­ne Kon­se­quenz, un­ter sol­chen be­son­de­ren Umständen das Be­mes­sungs­ent­gelt den ak­tu­el­len Verhält­nis­sen an­zu­pas­sen, sind nicht zu be­an­stan­den. Sie ent­spre­chen viel­mehr dem Grund­satz, dass sich das Alg zur Si­cher­stel­lung der Ver­mit­tel­bar­keit des Ar­beits­lo­sen an dem Ar­beits­ent­gelt ori­en­tie­ren soll, das (oh­ne die Ar­beits­lo­sig­keit) durch Er­werbstätig­keit im Leis­tungs­zeit­raum er­ziel­bar wäre. Die Ak­tua­li­sie­rung der Be­mes­sungs­grund­la­ge zielt al­so ge­ra­de dar­auf ab, dass das Alg sei­ner Lohn­er­satz­funk­ti­on auch in Son­derfällen ge­recht wird. Die Ak­tua­li­sie­rung muss im Übri­gen kei­nes­wegs zwangsläufig zu ei­nem nied­ri­ge­ren Alg führen als es sich nach dem in der Ver­gan­gen­heit zu­letzt er­ziel­ten Lohn ergäbe. In den durch­aus in Be­tracht kom­men­den Fällen, dass vor der Un­ter­bre­chung der Er­werbstätig­keit (zB we­gen da­mals be­ste­hen­der Ein­schränkun­gen der Leis­tungsfähig­keit bzw -be­reit­schaft oder aus Ar­beits­markt­gründen) nur ei­ne un­ter­qua­li­fi­zier­te und da­her schlech­ter be­zahl­te Beschäfti­gung aus­geübt wur­de, oder dass zwi­schen­zeit­lich zusätz­li­che Qua­li­fi­ka­tio­nen er­wor­ben wur­den, kann das Ab­stel­len auf das ak­tu­ell er­ziel­ba­re Ar­beits­ent­gelt auch vor­teil­haft sein.

Aber selbst in Fällen, in de­nen die An­pas­sung der Be­mes­sungs­grund­la­ge an die ak­tu­el­len Verhält­nis­se im Ein­zel­fall zu ei­nem nied­ri­gen Alg führt, ist sie un­abhängig da­von sach­ge­recht, wor­auf die länge­re Un­ter­bre­chung der Er­werbstätig­keit je­weils be­ruht. Aus­rei­chen­de Gründe dafür, Be­rufs­pau­sen we­gen Kin­der­er­zie­hung im Un­ter­schied zu an­de­ren Sach­ver­hal­ten von ei­ner Ak­tua­li­sie­rung der Be­mes­sungs­grund­la­ge aus­zu­neh­men, sind nicht er­sicht­lich. Ge­wis­se auch am Ar­beits­markt ver­wert­ba­re Grund­fer­tig­kei­ten wie zB Or­ga­ni­sa­ti­ons­ta­lent wer­den zwar im Rah­men der Kin­der­er­zie­hung trai­niert (Val­go­lio in Hauck/Noftz, SGB III, § 132 Rd­Nr 10). Gleich­wohl muss in Rech­nung ge­stellt wer­den, dass die Ar­beits­welt und da­mit die An­for­de­run­gen, de­nen Beschäftig­te an ei­nem Ar­beits­platz kon­kret genügen müssen, ei­nem im­mer schnel­le­ren Wan­del un­ter­lie­gen. Es ist des­halb ein­leuch­tend, dass der Ge­setz­ge­ber bei der Einführung der Ver­si­che­rungs­pflicht nach § 26 Abs 2a SGB III da­von aus­ge­gan­gen ist, dass

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(ge­ra­de auch) die Be­rufsrück­kehr aus Zei­ten der Kin­der­er­zie­hung ei­ne "be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung" er­for­dert, die mit dem Zu­gang zum Alg dem Grun­de nach gefördert wer­den soll (vgl BT-Drucks 14/6944 S 26 <zu Nr 7>). Ei­ne mehrjähri­ge Un­ter­bre­chung des Er­werbs­le­bens legt bei le­bens­na­her Be­trach­tung stets die Möglich­keit na­he, dass der "An­schluss" an ak­tu­el­le be­ruf­li­che Ge­ge­ben­hei­ten zu­min­dest in ge­wis­sem Maße ver­lo­ren ge­gan­gen ist, so­dass ein naht­lo­ser Wie­der­ein­stieg in die bis­he­ri­ge Be­rufs­bio­gra­fie, ins­be­son­de­re mit ei­nem völlig un­veränder­ten Markt­wert der an­ge­bo­te­nen Ar­beits­leis­tung, nicht als ge­si­chert gel­ten kann.


d) Ei­ne Ver­let­zung des Gleich­heits­sat­zes lässt sich hier auch un­ter Berück­sich­ti­gung des die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers ein­engen­den Schutz­auf­trags aus Art 6 Abs 1 GG nicht fest­stel­len. Die Förde­rung der Be­treu­ung und Er­zie­hung von Kin­dern liegt im fa­mi­li­en- und so­zi­al­po­li­ti­schen Er­mes­sen des Ge­setz­ge­bers. Nicht ein­mal, wo es um den Zu­gang zum Alg durch Erfüllung der An­wart­schafts­zeit geht, ist der Ge­setz­ge­ber, der sich im Rah­men sei­nes Er­mes­sens bei der Aus­ge­stal­tung von staat­li­chen Leis­tun­gen für ei­ne fa­mi­li­en­po­li­ti­sche Förde­rung durch Gewährung von Er­zie­hungs­geld (bzw El­tern­geld) und Er­zie­hungs­ur­laub (bzw El­tern­zeit) ent­schie­den hat, da­zu ver­pflich­tet, die­se Förde­rung auch im Zu­sam­men­hang mit an­de­ren so­zi­al­recht­li­chen Re­ge­lun­gen in glei­cher Wei­se zur Gel­tung zu brin­gen (BVerfG NZA-RR 2005, 154 <ju­ris-Rd­Nr 22, 23>, Nicht­an­nah­me­be­schluss zu BSG SozR 4-4300 § 124 Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 147 Nr 3).


Im Übri­gen ist selbst ei­ne punk­tu­el­le ge­setz­li­che Be­nach­tei­li­gung ei­nes Per­so­nen­krei­ses, für den der Schutz­auf­trag des Art 6 Abs 1 GG gilt, nicht zu be­an­stan­den, wenn die ge­setz­li­che Re­ge­lung im Gan­zen be­trach­tet kei­ne Schlech­ter­stel­lung die­ses Per­so­nen­krei­ses be­wirkt, son­dern ihn teil­wei­se begüns­tigt und teil­wei­se be­nach­tei­ligt (BVerfGE 107, 205, 216). In­so­weit ist zu be­den­ken, dass er­zie­hen­de El­tern aus förde­rungs­po­li­ti­schen Mo­ti­ven, die mit der klas­si­schen Auf­ga­be der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung nichts zu tun ha­ben, da­durch begüns­tigt wer­den, dass auch bei länge­rer Un­ter­bre­chung der Er­werbstätig­keit der Zu­gang zum Alg in­fol­ge der von ei­ner Beschäfti­gung los­gelösten ver­si­che­rungs­recht­li­chen Berück­sich­ti­gung von Er­zie­hungs- bzw El­tern­zei­ten er­hal­ten bleibt (bis zum 31. De­zem­ber 2002 durch ei­ne Verlänge­rung der Rah­men­frist gemäß § 124 Abs 2 Nr 3 SGB III aF, seit 1. Ja­nu­ar 2003 durch die Ver­si­che­rungs­pflicht nach § 26 Abs 2a SGB III). Selbst wenn ei­ne Be­nach­tei­li­gung dar­in zu se­hen wäre, dass das Ge­setz für er­zie­hen­de El­tern un­ter den­sel­ben Vor­aus­set­zun­gen wie für die übri­gen Ver­si­cher­ten ei­ne fik­ti­ve Be­mes­sung vor­sieht, führt die­ser Nach­teil bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung nicht zu ei­ner Schlech­ter­stel­lung der Er­zie­hen­den. Die gewähr­ten ver­si­che­rungs­recht­li­chen Vergüns­ti­gun­gen für die­sen Per­so­nen­kreis zwin­gen den Ge­setz­ge­ber nicht da­zu, El­tern bei der Be­rufsrück­kehr nach Er­zie­hungs­zei­ten ei­ne ge­genüber an­de­ren Ver­si­cher­ten wei­te­re zusätz­li­che Vergüns­ti­gung ein­zuräum­en.

3. Auf der Grund­la­ge der vor­ste­hen­den Erwägun­gen kann auch nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die strit­ti­ge Re­ge­lung ge­gen Ge­mein­schafts­recht verstößt, ins­be­son­de­re ge­gen die Richt-li­nie 79/7/EWG des Ra­tes vom 19. De­zem­ber 1978 zur schritt­wei­sen Ver­wirk­li­chung des
 


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Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en im Be­reich der so­zia­len Si­cher­heit (ABl L 6 S 24), de­ren Art 4 Abs 1 den Fort­fall jeg­li­cher un­mit­tel­ba­ren oder mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung auf Grund des Ge­schlechts (ua) bei der Be­rech­nung von So­zi­al­leis­tun­gen pos­tu­liert. Da­bei kann un­ter­stellt wer­den, dass die Re­ge­lun­gen zur fik­ti­ven Be­mes­sung des Alg, die we­gen ih­rer Gel­tung für al­le Ver­si­cher­ten je­den­falls kei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf Grund des Ge­schlechts be­inhal­ten, in der Pra­xis vor­wie­gend bei Frau­en zur An­wen­dung kom­men, die sich nach der Kin­der­er­zie­hung wie­der dem Ar­beits­markt zur Verfügung stel­len. Gleich­wohl ist der An­schein der Dis­kri­mi­nie­rung wi­der­legt, wenn die in Re­de ste­hen­de Re­ge­lung durch Fak­to­ren sach­lich ge­recht­fer­tigt ist, die nichts mit ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung auf Grund des Ge­schlechts zu tun ha­ben (EuGH NJW 2008, 499, 501 mwN <Rd­Nr 42>). Letz­te­res ist der Fall, wenn die gewähl­ten Mit­tel ei­nem le­gi­ti­men Ziel der So­zi­al­po­li­tik des be­tref­fen­den Mit­glied­staats die­nen und zur Er­rei­chung die­ses Ziels ge­eig­net und er­for­der­lich sind (Eu­GHE I 1995, 4741 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 12 mwN; vgl auch Eu­GHE I 1991, 2205 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 3; Eu­GHE I 1995, 4625 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 11; Eu­GHE I 1996, 179 = SozR 3-6083 Art 4 Nr 13).


Da­nach ist hier im Er­geb­nis kei­ne mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung auf Grund des Ge­schlechts er­sicht­lich, weil es aus den be­reits ge­nann­ten Gründen sach­lich ge­recht­fer­tigt ist, bei al­len Ver­si­cher­ten, die bei Ein­tritt der Ar­beits­lo­sig­keit kei­nen aus­rei­chend zeit­na­hen Be­mes­sungs­zeit­raum mit An­spruch auf Ar­beits­ent­gelt vor­zu­wei­sen ha­ben, ei­ne Ak­tua­li­sie­rung des Be­mes­sungs­ent­gelts vor­zu­neh­men. Die gewähl­te Me­tho­de, in die­sen Son­derfällen das ak­tu­ell er­ziel­ba­re Ar­beits­ent­gelt fik­tiv zu be­mes­sen, ent­spricht dem Grund­prin­zip der deut­schen Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung, ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich (nur) für den auf Grund der Ar­beits­lo­sig­keit aus­fal­len­den Lohn zu leis­ten, und sie ist ge­eig­net und er­for­der­lich, die Lohn­er­satz­funk­ti­on des Alg auch dann zu wah­ren, wenn das in der Ver­gan­gen­heit zu­letzt er­ziel­te Ar­beits­ent­gelt nicht mehr genügend Auf­schluss über die Höhe des durch den der­zei­ti­gen Ver­si­che­rungs­fall ver­ur­sach­ten "Scha­dens" (Lohn­aus­fall) zu ge­ben ver­mag.

4. Sch­ließlich konn­te sich der Se­nat auch nicht da­von über­zeu­gen, dass die nähe­re Aus­ge­stal­tung der fik­ti­ven Be­mes­sung durch § 132 Abs 2 SGB III ge­gen höher­ran­gi­ges Recht verstößt.


a) Die in der neu­en Be­mes­sungs­me­tho­de des § 132 Abs 2 SGB III lie­gen­de Ab­kehr von der in­di­vi­du­el­len Er­mitt­lung des er­ziel­ba­ren ta­rif­li­chen Ar­beits­ent­gelts (§ 133 Abs 4 SGB III aF), die zu ei­ner deut­li­chen Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung führt (vgl Rolfs in Ga­gel, SGB III, § 132 Rd­Nr 4), be­geg­net als sol­che zunächst kei­nen durch­grei­fen­den Be­den­ken. Ins­be­son­de­re liegt dar­in nicht - wie von der Re­vi­si­on an­ge­nom­men - ein Ver­s­toß ge­gen das Willkürver­bot des Art 3 GG. Denn der Ge­setz­ge­ber ist bei der Ord­nung von Mas­sen­er­schei­nun­gen grundsätz­lich be­rech­tigt, in we­sent­li­chen Ele­men­ten gleich ge­ar­te­te Le­bens­sach­ver­hal­te durch ty­pi­sie­ren­de Re­ge­lun­gen nor­ma­tiv zu­sam­men­zu­fas­sen, im Tatsächli­chen be­ste­hen­de Be­son­der­hei­ten ge­ne­ra­li­sie­rend zu ver­nachlässi­gen so­wie Begüns­ti­gun­gen oder Be­las­tun­gen in ei­ner ge­wis­sen Band­brei­te nach

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oben und un­ten pau­scha­lie­rend zu be­stim­men, je­den­falls wenn die da­mit ver­bun­de­nen Härten nicht be­son­ders schwer wie­gen und nur un­ter Schwie­rig­kei­ten ver­meid­bar wären. Da­bei darf der Ge­setz­ge­ber auch die Prak­ti­ka­bi­lität und Ein­fach­heit des Rechts als hoch­ran­gi­ge Zie­le berück­sich­ti­gen, um den Er­for­der­nis­sen ei­ner Mas­sen­ver­wal­tung Rech­nung zu tra­gen (vgl zB BVerfGE 84, 348, 359; BVerfGE 111, 115, 137, je­weils mwN).


Mit dem Drit­ten Ge­setz für mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt soll­ten die be­reits ein­ge­lei­te­ten Re­for­men fort­ge­setzt wer­den, um mit dem kurz- und mit­tel­fris­ti­gen Ziel ei­nes Ab­baus der Ar­beits­lo­sig­keit die Lösung der Pro­ble­me auf dem Ar­beits­markt vor­an­zu­trei­ben (Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs der da­ma­li­gen Re­gie­rungs­frak­tio­nen, BT-Drucks 15/1515 S 71). Dafür wur­de ua ei­ne durch­grei­fen­de Ver­ein­fa­chung des Leis­tungs­rechts der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung für er­for­der­lich ge­hal­ten, weil ihr zen­tra­le Be­deu­tung vor al­lem für ei­ne bes­se­re, schnel­le­re Ver­mitt­lung zu­kom­me. Denn man ging da­von aus, dass das im Lau­fe der Jah­re übe­r­aus kom­plex ge­wor­de­ne und nur noch schwer durch­schau­ba­re Leis­tungs­recht in er­heb­li­chem Um­fang die Bin­dung von Ka­pa­zitäten im Be­wil­li­gungs­ver­fah­ren ver­ur­sa­che, die bei den Bemühun­gen um mo­der­ne Dienst­leis­tun­gen am Ar­beits­markt für die Be­ra­tung und Be­treu­ung der Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber und die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung Ar­beits­lo­ser drin­gend benötigt würden (aaO S 73 und 85 <zu Nr 71>). Dar­um soll­ten Viel­falt und Kom­ple­xität der Re­ge­lun­gen zurück­geführt und das Ver­wal­tungs­ver­fah­ren deut­lich und nach­hal­tig ver­ein­facht wer­den. Um dies und im End­ef­fekt ein güns­ti­ge­res Verhält­nis von Ver­mitt­lern zu Ar­beit­su­chen­den zu er­rei­chen, hielt man es für not­wen­dig, um den Preis von we­ni­ger Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit und von so­wohl güns­ti­gen wie auch ungüns­ti­gen Aus­wir­kun­gen für Be­trof­fe­ne de­tail­lier­te Ein­zel­fall­re­ge­lun­gen durch ein größeres Maß an Pau­scha­lie­rung zu er­set­zen und Aus­nah­me­re­ge­lun­gen zu be­schränken, oh­ne das Si­che­rungs­ni­veau der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ins­ge­samt zu be­ein­träch­ti­gen (aaO S 73 und 85 <zu Nr 71>). Zu der an­ge­streb­ten Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung soll­te auch der Über­gang zu ei­ner Pau­scha­lie­rung bei der fik­ti­ven Leis­tungs­be­mes­sung bei­tra­gen (aaO S 85 f <zu § 132>). Von den Re­for­men im Recht der Ar­beits­lo­sen­ver­si­che­rung ver­sprach man sich nach ei­ner Über­g­angs­zeit die Frei­set­zung von Per­so­nal­ka­pa­zitäten von et­wa 3.000 Jah­res­ar­beits­kräften, die dann zur Verstärkung der Ver­mitt­lung und Ein­glie­de­rung von Ar­beits­lo­sen zur Verfügung stünden (aaO S 2 <zu D.2.>).


Da­nach greift die Kri­tik zu kurz, dass die gewähl­te Be­mes­sungs­me­tho­de nur der Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung die­ne. Die­se ist viel­mehr (iS ei­nes Mit­tels zum Zweck) ei­nem wei­ter ge­hen­den Ziel un­ter­ge­ord­net, weil mit der er­streb­ten Frei­set­zung bis­her durch die Leis­tungs­be­mes­sung ge­bun­de­ner per­so­nel­ler Res­sour­cen letzt­lich dem in §§ 4 und 5 SGB III ver­an­ker­ten Vor­rang der Ver­mitt­lung und der ak­ti­ven Ar­beitsförde­rung (§ 3 Abs 4 SGB III) vor Leis­tun­gen zum Er­satz des Ar­beits­ent­gelts bei Ar­beits­lo­sig­keit mehr prak­ti­sche Gel­tung ver­schafft wer­den soll. Die Ver­wal­tungs­ver­ein­fa­chung ist mit an­de­ren Wor­ten ein vom Ge­setz­ge­ber für not­wen­dig ge­hal­te­nes Ele­ment des Ge­samt­kon­zepts, durch so­zi­al­po­li­ti­sche Re­for­men für ei­nen Ab­bau der an­hal­tend ho­hen Ar­beits­lo­sig­keit zu sor­gen. Dass die­sem End­ziel we­gen sei­ner großen Be-
 


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deu­tung für das Ge­mein­wohl ein ho­hes Ge­wicht bei­ge­mes­sen wer­den durf­te, liegt auf der Hand.

Der Ge­setz­ge­ber muss­te auch nicht da­von aus­ge­hen, dass die­se Pau­scha­lie­rung in zahl­rei­chen Fällen zu be­son­ders schwer wie­gen­den Härten führt. Denn die aus der Ren­ten­ver­si­che­rung be­reits länger be­kann­te Er­mitt­lung fik­ti­ver Ent­gel­te an­hand der Ein­stu­fung in Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen (§§ 256b Abs 1, 256c Abs 3 So­zi­al­ge­setz­buch Sechs­tes Buch <SGB VI> iVm An­la­ge 13 zu die­sem Ge­setz, hier idF der Be­kannt­ma­chung vom 19. Fe­bru­ar 2002, BGBl I 754) kann we­gen der er­fah­rungs­gemäß in der Re­gel be­ste­hen­den Abhängig­keit zwi­schen be­ruf­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on und Ver­dienstmöglich­kei­ten als ge­eig­ne­te Me­tho­de an­ge­se­hen wer­den, um je­den­falls in der über­wie­gen­den Mehr­zahl der Fälle zu ei­nem an­ge­mes­se­nen Er­geb­nis zu kom­men.


b) Sch­ließlich lässt sich nicht die Über­zeu­gung ge­win­nen, dass die Höhe der in § 132 Abs 2 Satz 2 SGB III den ein­zel­nen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen je­weils zu­ge­ord­ne­ten Ar­beits­ent­gel­te als un­an­ge­mes­sen zu be­an­stan­den ist (kri­tisch, aber of­fen las­send: Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, § 132 Rd­Nr 49 f). Für ei­nen von der Re­vi­si­on in­so­weit be­haup­te­ten Ver­s­toß des Leis­tungs­ni­veaus ge­gen die Art 3, 6 oder 14 GG ist nichts er­sicht­lich.

Die Hin­ter­gründe der Fest­set­zung der fik­ti­ven Ar­beits­ent­gel­te können ei­nem erläutern­den Schrei­ben des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit und So­zia­les vom 14. De­zem­ber 2005 (ab­ge­druckt bei Beh­rend in Ei­cher/Schle­gel, SGB III, An­hang zu § 132) ent­nom­men wer­den. Da­nach wur­de zunächst als Ba­sis für die pau­scha­lie­ren­de Neu­re­ge­lung die Grup­pe der Ar­beit­neh­mer mit ab­ge­schlos­se­ner Be­rufs­aus­bil­dung aus­gewählt, weil sie nach dem aus­ge­wer­te­ten Da­ten­ma­te­ri­al des Sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes zum ei­nen mit ei­nem An­teil von et­wa 70 vH die mit Ab­stand größte Grup­pe un­ter den Ar­beit­neh­mern bil­det und weil zum an­de­ren das Ar­beits­ent­gelt die­ser Grup­pe in et­wa dem durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gelt al­ler Ar­beit­neh­mer ent­spricht. Das von die­ser Grup­pe er­ziel­te durch­schnitt­li­che Ar­beits­ent­gelt wur­de al­ler­dings nicht un­verändert als Eck­wert zu Grun­de ge­legt, son­dern die­ser Grup­pe wur­de ein Ar­beits­ent­gelt zu­ge­ord­net, das dem durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gelt al­ler Be­zie­her von Alg (ca 80 vH der Be­zugs­größe) ent­spricht. Hier­bei ging man zum ei­nen da­von aus, dass die Höhe des Ent­gelts so fest­zu­set­zen sei, dass ei­ne Ar­beits­auf­nah­me für den Ar­beits­lo­sen grundsätz­lich ei­ne wirt­schaft­lich sinn­vol­le Ent­schei­dung blei­be. Zum an­de­ren wur­de er­wo­gen, dass bei Ar­beits­lo­sen, die zu­letzt kein oder kein ty­pi­sches Ar­beits­ent­gelt er­zielt oder ein sol­ches Ent­gelt nur für we­ni­ger als 150 Ta­ge in­ner­halb der letz­ten zwei Jah­re be­zo­gen ha­ben, als An­knüpfungs­punkt für das ak­tu­ell er­ziel­ba­re Ent­gelt das durch­schnitt­lich von al­len Ar­beit­neh­mern er­ziel­te Ar­beits­ent­gelt we­ni­ger gut ge­eig­net sei als das durch­schnitt­li­che Ar­beits­ent­gelt al­ler Be­zie­her von Alg. Das des­we­gen der Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe der Ar­beit­neh­mer mit ab­ge­schlos­se­ner Be­rufs­aus­bil­dung (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 3) zu­ge­ord­ne­te tägli­che Ar­beits­ent­gelt von 1/450 der jähr­li­chen Be­zugs­größe wur­de un­ter Ori­en­tie­rung an den durch die Ge­halts- und Lohn­struk­tur­er­he­bung aus­ge­wie­se­nen Spann­wei­ten der Ent­geltabstände für die übri­gen Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pen
 


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pau­scha­lie­rend in Ab­stu­fun­gen von je 20 Pro­zent­punk­ten höher bzw nied­ri­ger fest­ge­setzt (Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 2: 100 vH der Be­zugs­größe <1/360>; Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 1: 120 vH der Be­zugs­größe <1/300>; Qua­li­fi­ka­ti­ons­grup­pe 4: 60 vH der Be­zugs­größe <1/600>).

Die ge­nann­ten Über­le­gun­gen er­schei­nen grundsätz­lich ver­tret­bar und an­ge­mes­sen. Das Be­stre­ben, ein Leis­tungs­ni­veau zu ver­hin­dern, das über ei­nen Aus­gleich für das ak­tu­ell er­ziel­ba­re Ent­gelt hin­aus­geht, recht­fer­tigt sich oh­ne wei­te­res aus der Lohn­er­satz­funk­ti­on des Alg. Es ist auch nicht ver­fehlt, in die­sem Zu­sam­men­hang die Ge­fahr zu se­hen, dass an­de­ren­falls der Be­zug von Alg at­trak­ti­ver sein könn­te als die Auf­nah­me ei­ner Beschäfti­gung. Aus den be­reits ge­nann­ten Gründen ist fer­ner grundsätz­lich nicht zu be­an­stan­den, bei Per­so­nen, de­ren Be­rufs­bio­gra­fie Lücken auf­weist und die in den letz­ten zwei Jah­ren nur für we­ni­ger als 150 Ta­ge Ar­beits­ent­gelt er­zielt ha­ben, ty­pi­sie­rend da­von aus­zu­ge­hen, dass der ak­tu­el­le Markt­wert der Ar­beits­leis­tung in der Re­gel durch die durch­schnitt­li­chen Ent­gel­te al­ler in ei­ner Beschäfti­gung ste­hen­den Ar­beit­neh­mer nicht mehr zu­tref­fend re­präsen­tiert wird. Die auf die­sen Grund­la­gen er­folg­te pau­scha­lie­ren­de Fest­set­zung der den ein­zel­nen Qua­li­fi­ka­ti­ons­stu­fen zu­ge­ord­ne­ten Bruch­tei­le der Be­zugs­größe scheint auch noch genügend sta­tis­tisch ab­ge­si­chert, da sich der durch den in­di­vi­du­el­len Ver­si­che­rungs­fall ak­tu­ell ein­tre­ten­de Lohn­aus­fall oh­ne­hin nicht ex­akt be­stim­men, son­dern nur schätzen lässt. Als willkürlich wäre le­dig­lich ei­ne Schätzungs­me­tho­de an­zu­se­hen, die man­gels ge­eig­ne­ter An­knüpfungs­punk­te so­zu­sa­gen "in der Luft hängt"; da­von kann aber hier an­ge­sichts der Ori­en­tie­rung am durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ent­gelt al­ler Be­zie­her von Alg kei­ne Re­de sein.


Die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen der Re­ge­lung im vor­lie­gen­den Fall ver­deut­li­chen dies. Die Kläge­rin hat nach ih­rer El­tern­zeit von ih­rem Ar­beit­ge­ber zu­letzt ein Ar­beits­ent­gelt von 2.324 € er­hal­ten, dh 77,47 € täglich (2.324 € : 30). Das von der Be­klag­ten bei der Be­wil­li­gung zu Grun­de ge­leg­te tägli­che Be­mes­sungs­ent­gelt von 64,40 € ist dem­ge­genüber um knapp 17 vH nied­ri­ger. Es drängt sich auch nach den kon­kre­ten Verhält­nis­sen des zu ent­schei­den­den Falls nicht auf, dass die Dif­fe­renz von knapp 17 vH zwi­schen dem (fik­ti­ven) Be­mes­sungs­ent­gelt und dem zu­letzt - kurz­fris­tig und oh­ne Ar­beits­leis­tung - er­ziel­ten Ent­gelt an­ge­sichts der re­gelmäßig zu ver­mu­ten­den Min­de­rung des Markt­werts der Ar­beits­leis­tung über­zo­gen und sach­lich un­an­ge­mes­sen ist.


Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 193 SGG.

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