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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 16.04.2010, 10 TaBV 2577/09

   
Schlagworte: Betriebsrat,
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 10 TaBV 2577/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 16.04.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Beschluss vom 29.09.2009, 3 BV 91/09
   

Be­schluss

In Sa­chen

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 10. Kam­mer,
auf die Anhörung vom 16. April 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt
W.-M. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr R. und Herr W.
be­schlos­sen:

I. Auf die Be­schwer­de des Ge­samt­be­triebs­rats wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 29. Sep­tem­ber 2009 - 3 BV 91/09 - ab­geändert.

1. Der Ar­beit­ge­be­rin wird auf­ge­ge­ben, den Ge­samt­be­triebs­rat hin­sicht­lich der Kos­ten­rech­nung der Rechts­anwälte B. & an­de­re, Rech­nungs­num­mer
90452 vom 17.04.2009 in Höhe von 1.139,43 EUR frei­zu­stel­len.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass die Ar­beit­ge­be­rin dem Grun­de nach ver­pflich­tet ist, den Ge­samt­be­triebs­rat ge­genüber den Rechts­anwälten B. & an­de­re bezüglich der Kos­ten frei­zu­stel­len, die in dem hie­si­gen Ver­fah­ren ent­ste­hen.

II. Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

Gründe

I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten im Er­geb­nis um die Kos­ten­tra­gungs­pflicht der Ar­beit­ge­be­rin für an­walt­li­che Un­terstützung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes im Rah­men ei­nes un­ter dem Ak­ten­zei­chen 1 BV­Ga 3/09 vor dem ArbG Pots­dam - er­folg­los - geführ­ten einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens.

Die Ar­beit­ge­be­rin, de­ren Ge­sell­schaf­ter die Länder Ber­lin und Bran­den­burg zu je 50% sind, ist ein in Bran­den­burg täti­ges Ab­fall­ent­sor­gungs­un­ter­neh­men mit Un­ter­neh­mens­sitz in P. (Neu F.) so­wie Ent­sor­gungs­stand­or­ten in D., Sch. und V.. Die Kern­kom­pe­tenz der Ar­beit­ge­be­rin liegt in der um­welt­scho­nen­den Be­hand­lung, Ver­wer­tung und Be­sei­ti­gung von Re­st­abfällen, gefähr­li­chen Abfällen (Son­der­abfällen) so­wie In­dus­trie- und Bau­abfällen. In den Be­trie­ben wer­den mehr als 20 Mit­ar­bei­ter beschäftigt.

Am Frei­tag, dem 20. März 2009 er­fuhr der Ge­samt­be­triebs­rat von der be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung meh­re­rer Ar­beit­neh­mer durch die Ar­beit­ge­be­rin. Nach ei­ner te­le­fo­ni­schen Erörte­rung zwi­schen dem Vor­sit­zen­den des Ge­samt­be­triebs­rats und den Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten des Ge­samt­be­triebs­rats am Mon­tag dem 23. März 2009 wur­den die Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten am Diens­tag, dem 24. März 2009 in­for­miert, dass im Zu­sam­men­hang mit den be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen ein einst­wei­li­ges Verfügungs­ver­fah­ren geführt wer­den sol­le. Am 25. März 2009 er­folg­te der kon­kre­te Auf­trag des Ge­samt­be­triebs­rats, das einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren zu führen. Am 26. März 2009 fand das Man­dan­ten­gespräch mit dem Vor­sit­zen­den des Ge­samt­be­triebs­rats statt .Da­bei wur­de vom Vor­sit­zen­den des Ge­samt­be­triebs­rats auch ei­ne zwei­sei­ti­ge ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung bezüglich der Tat­sa­chen aus der An­trags­schrift in dem einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren un­ter­zeich­net. In die­ser ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung ver­si­cher­te der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de un­ter an­de­rem, dass

• der Ge­samt­be­triebs­rat M. mbH die M. mbH mit Schrei­ben vom 28. No­vem­ber 2008 auf­ge­for­dert ha­be, ein Per­so­nal­kon­zept für 2009 vor­zu­le­gen und dass es dar­auf bis­lang kei­ne Re­ak­ti­on ge­ge­ben ha­be;

• der Ge­samt­be­triebs­rat am 4. De­zem­ber 2008 durch die M. mbH über die Sch­ließung der Bau­schuttsor­tier­an­la­ge in V. und der vorüber­ge­hen­den Still­le­gung der Se­kundärbrenn­stoff­an­la­ge in­for­miert wor­den sei und die an den still­ge­leg­ten An­la­gen ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mer zum Teil in an­de­ren, zum Teil in den­sel­ben Be­trie­ben wei­ter­beschäftigt wor­den sei­en;

• die M. mbH An­fang 2009 den Ge­samt­be­triebs­rat in­for­miert ha­be, dass die De­po­ni­en (Klas­se 1) in den Be­trie­ben V., Sch. und D. zum 15. Ju­li 2009 ge­schlos­sen wer­den soll­ten;

• seit An­fang 2009 in ver­schie­de­nen Be­trie­ben ei­ne schlei­chen­de Re­du­zie­rung der Be­leg­schaftsstärke statt­ge­fun­den ha­be und die M. mbH in den Be­trie­ben Neu-F., Sch., D. und V. älte­re Ar­beit­neh­mer fra­ge, ob sie zur ein­ver­nehm­li­chen Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se be­reit wären und die­ses in drei Fällen in der Ver­wal­tung in Neu-F. auch voll­zo­gen wor­den sei.

Der An­trags­schrift bei­gefügt war eben­falls das In­for­ma­ti­ons­be­geh­ren des Ge­samt­be­triebs­ra­tes an die Ar­beit­ge­be­rin vom 28. No­vem­ber 2008 zum Per­so­nal­kon­zept 2009 (nach Sch­ließung SBS, BGSA und Altkörper SE, VK und DE) so­wie die Auf­for­de­rung vom 17. März 2009 zu ei­ner Stel­lung­nah­me zu ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ent­wurf, da das Schrei­ben des Ge­samt­be­triebs­ra­tes vom 5. Fe­bru­ar 2009 oh­ne Re­ak­ti­on ge­blie­ben sei.

Am 26. März 2009 wur­de die An­trags­schrift mit dem An­trag, we­gen Dring­lich­keit oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung zu ent­schei­den, durch Ein­wurf in den dor­ti­gen Nacht­brief­kas­ten beim ArbG Pots­dam ein­ge­reicht. Es wur­de be­an­tragt, der Ar­beit­ge­be­rin zu un­ter­sa­gen, bis zum Ab­schluss der in ei­ner Ei­ni­gungs­stel­le zu führen­den Ver­hand­lung über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich aus An­lass grund­le­gen­der Ände­rung der Ar­beits­me­tho­den in der me­cha­nisch-bio­lo­gi­schen An­la­ge V. und Sch­ließung von De­po­ni­en (Klas­se 1) in den Be­trie­ben V., Sch. und D. Ar­beits­verträge von Ar­beit­neh­mern der Be­trie­be Neu-F., Sch., D. und V. zu kündi­gen.

Das Ar­beits­ge­richt Pots­dam be­stimm­te für das Ver­fah­ren ei­nen Anhörungs­ter­min auf Don­ners­tag, den 2. April 2009. Die La­dung zum Ter­min wur­de der Ar­beit­ge­be­rin am 28. März 2009, den Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten des Ge­samt­be­triebs­rats am 30. März 2009 zu­ge­stellt. Am 31. März 2009 gin­gen den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern die Kündi­gungs­schrei­ben der Ar­beit­ge­be­rin zu. Die­ses er­fuh­ren der Vor­sit­zen­de und der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te des Ge­samt­be­triebs­rats un­mit­tel­bar vor dem Anhörungs­ter­min im ArbG Pots­dam vom Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten der Ar­beit­ge­be­rin. Nach ei­ner ent­spre­chen­den Erklärung zu Pro­to­koll des Ar­beits­ge­richts nahm der Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te des Ge­samt­be­triebs­rats die ge­stell­ten Anträge zurück. Dar­auf­hin wur­de das Ver­fah­ren vom Ar­beits­ge­richt ein­ge­stellt.

Nach­dem das Ar­beits­ge­richt Pots­dam un­ter dem 7. April 2009 ei­ne Ab­sichts­erklärung zum Ge­gen­stands­wert ab­ge­ge­ben und an­gekündigt hat­te, die­sen - wie später auch er­folgt - auf 6.750,-- EUR fest­set­zen zu wol­len, über­sand­ten die Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten des Ge­samt­be­triebs­rats un­ter dem 17. April 2009 ei­ne ent­spre­chen­de Kos­ten­no­te mit ei­nem Ge­samt­be­trag von 1.139,43 EUR brut­to. Nach­dem die Ar­beit­ge­be­rin über ih­re Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten am 24. Ju­ni 2010 endgültig mit­ge­teilt hat­te, dass die Kos­ten nicht aus­ge­gli­chen würden, be­schloss der Ge­samt­be­triebs­rat am 7. Ju­li 2009 die Ein­lei­tung des hie­si­gen Ver­fah­rens. Da­bei wur­de ne­ben der Frei­stel­lung von den Kos­ten des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens auch die Frei­stel­lung von den Kos­ten des hie­si­gen Ver­fah­rens be­gehrt.

Der Ge­samt­be­triebs­rat geht da­von aus, dass er ei­ne Frei­stel­lung von den Kos­ten gemäß § 40 Abs. 1 Be­trVG ver­lan­gen könne. Die Rechts­ver­fol­gung sei nicht von vorn­her­ein of­fen­sicht­lich aus­sichts­los oder mut­wil­lig ge­we­sen.

Die Ar­beit­ge­be­rin geht da­von aus, dass die An­trags­schrift in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren un­sub­stan­ti­iert und un­schlüssig ge­we­sen sei. sie ha­be le­dig­lich pau­scha­le Be­haup­tun­gen be­inhal­tet. Das es sich um ei­ne Be­triebsände­rung han­de­le sei der An­trags­schrift an kei­ner Stel­le zu ent­neh­men ge­we­sen. Die An­trags­schrift ha­be we­der den Verfügungs­an­spruch noch den Verfügungs­grund dar­ge­stellt. Auch sei das Ver­fah­ren un­ge­eig­net ge­we­sen, weil die An­trags­schrift erst am 26. März 2009 in den Nacht­brief­kas­ten des Ge­richts ein­ge­wor­fen wor­den sei. Ein Kündi­gungs­aus­spruch sei aber be­reits nach Ab­lauf der Wo­chen­frist des § 102 Be­trVG und so­mit be­reits am 28. März 2009 möglich ge­we­sen. Das Ar­beits­ge­richt sei auch zeit­lich nicht mehr in der La­ge ge­we­sen, recht­zei­tig über den An­trag zu ent­schei­den. Sch­ließlich sei der Ge­samt­be­triebs­rat in die­ser An­ge­le­gen­heit gar nicht zuständig ge­we­sen. Denn es ha­be sich nur um Kündi­gun­gen aus V. ge­han­delt.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens in ers­ter In­stanz wird ei­ner­seits auf die An­trags­schrift des Ge­samt­be­triebs­rats und an­de­rer­seits auf den Schrift­satz der Ar­beit­ge­be­rin vom 21. Sep­tem­ber 2010 Be­zug ge­nom­men.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Be­schluss vom 29. Sep­tem­ber 2009 den An­trag zurück­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt in ers­ter Li­nie aus­geführt, dass ein vom Be­triebs­rat be­ab­sich­tig­tes Be­schluss­ver­fah­ren er­for­der­lich und ge­eig­net sein müsse, das von ihm gel­tend ge­mach­te und be­strit­te­ne Recht durch­zu­set­zen. auch dürfe die­ses nicht von vorn­her­ein of­fen­sicht­lich aus­sichts­los sein. Da­bei ste­he dem Be­triebs­rat ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu. Maßstab des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums sei aber, wie man sich ver­hal­ten würde, wenn man selbst die Kos­ten tra­gen müss­te. Da­nach ha­be der Ge­samt­be­triebs­rat nicht da­von aus­ge­hen dürfen, dass die Ein­lei­tung ei­nes einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens und die Be­auf­tra­gung der Rechts­anwälte er­for­der­lich ge­we­sen sei. Der An­trags­schrift im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren ha­be es be­reits an jeg­li­cher Glaub­haft­ma­chung ei­nes für ei­ne Be­triebsände­rung im Sin­ne des § 111 Be­trVG er­for­der­li­chen Tat­sa­chen­vor­tra­ges ge­fehlt. Die bloße Be­haup­tung der Still­le­gung we­sent­li­cher Be­triebs­tei­le mit der Bal­len­pres­se und den De­po­ni­en be­he­be die­sen Man­gel nicht. Der An­trag zu 2) sei un­zulässig, da der Be­schluss des Ge­samt­be­triebs­ra­tes vom 7. Ju­li 2009 die­ses nicht um­fas­se.

Im Übri­gen hat das Ar­beits­ge­richt dar­auf hin­ge­wie­sen, dass an­ge­sichts der späten Ein­rei­chung der An­trags­schrift und des Um­stan­des, dass im­mer ei­ne Ent­schei­dung durch die Kam­mer, al­so un­ter Hin­zu­zie­hung der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter, er­fol­gen müsse, es durch­aus zwei­fel­haft sei, ob noch vor Ab­lauf der Wo­chen­frist des § 102 Be­trVG ei­ne Ent­schei­dung in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren hätte er­fol­gen können.

Ge­gen die­sen den Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten des Ge­samt­be­triebs­ra­tes am 27. Ok­to­ber 2009 zu­ge­stell­ten Be­schluss leg­te der Ge­samt­be­triebs­rat am 27. No­vem­ber 2009 mit Schrift­satz vom 26. No­vem­ber 2009 Be­schwer­de ein und be­gründe­te die­se nach ent­spre­chen­der Verlänge­rung der Be­gründungs­frist mit am 26. Fe­bru­ar 2010 ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz vom 25. Fe­bru­ar 2010.

Zur Be­gründung wur­de dar­auf ver­wie­sen, dass das Ar­beits­ge­richt die Vorraus­set­zun­gen, un­ter de­nen ein Be­triebs­rat die Ein­lei­tung ei­nes Be­schluss­ver­fah­rens für er­for­der­lich hal­ten dürfe, grund­le­gend ver­kannt ha­be. Die Si­tua­ti­on sei ins­be­son­de­re durch Hek­tik ge­kenn­zeich­net ge­we­sen. Die Struk­tur des Un­ter­neh­mens sei kom­pli­ziert und der Ge­samt­be­triebs­rat nur un­zu­rei­chend über die De­po­nie­sch­ließun­gen in­for­miert ge­we­sen. Die­ses gel­te ins­be­son­de­re für die dar­aus re­sul­tie­ren­den per­so­nel­len Aus­wir­kun­gen. Al­ler­dings sei in den Anhörun­gen nach § 102 Be­trVG auch die De­po­nie­sch­ließung erwähnt ge­we­sen. Die An­zahl der beschäftig­ten und der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer sei aus Sicht des Ge­samt­be­triebs­ra­tes un­er­heb­lich ge­we­sen, da sie von ei­ner grund­le­gen­den Ände­rung der Ar­beits­me­tho­den bzw. Fer­ti­gungs­ver­fah­ren aus­ge­gan­gen sei­en. Zwar ha­be die An­trags­schrift nicht al­le viel­leicht not­wen­di­gen In­for­ma­tio­nen ent­hal­ten, doch ha­be der Ge­samt­be­triebs­rat man­gels In­for­ma­ti­on durch die Ar­beit­ge­be­rin zum Zeit­punkt der Er­stel­lung der An­trags­schrift über die­se In­for­ma­tio­nen auch nicht verfügt. Der Ge­samt­be­triebs­rat sei bemüht ge­we­sen, wei­te­re In­for­ma­tio­nen zu er­lan­gen, um die­se Im Rah­men ei­ner Anhörung ergänzend vor­brin­gen zu können. Da­bei sei ins­be­son­de­re zu berück­sich­ti­gen, dass die Ar­beit­ge­be­rin den Ge­samt­be­triebs­rat un­ter Ver­let­zung ih­rer In­for­ma­ti­ons­pflicht nach § 80 Be­trVG nur sehr un­zu­rei­chend und un­vollständig über die ge­plan­te Maßnah­me un­ter­rich­tet ha­be.

Sch­ließlich sei zu berück­sich­ti­gen, dass auch in ei­nem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren der Sach­ver­halt von Amts we­gen zu un­ter­su­chen sei. In­so­fern sei ergänzen­der Vor­trag auf An­for­de­rung des Ge­richts möglich ge­we­sen. Dass es sich nicht um ein of­fen­sicht­lich aus­sichts­lo­ses oder mut­wil­li­ges Ver­lan­gen ge­han­delt ha­be, zei­ge sich auch dar­in, dass das Ar­beits­ge­richt Pots­dam am 19. Mai 2009 ei­ne Ei­ni­gungs­stel­le mit den Re­ge­lungs­ge­genständen Sch­ließung der Altkörper DK 1, Still­le­gung der SBS-An­la­ge und Still­le­gung der BGSA-An­la­ge ein­ge­setzt ha­be. Dem An­trag zu 2) sei eben­falls statt­zu­ge­ben. Da die Ar­beit­ge­be­rin die Zurück­wei­sung des An­trags be­an­tragt ha­be, ha­be sie zu er­ken­nen ge­ge­ben, dass sie nicht ge­willt sei, die Kos­ten des Kos­ten­ver­fah­rens zu über­neh­men. Im Übri­gen ent­spre­che die­ser An­trag der Pro­zessöko­no­mie.

Der Ge­samt­be­triebs­rat be­an­tragt,

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 29. Sep­tem­ber 2009 - 3 BV 91/09 - ab­zuändern und

1. der Ar­beit­ge­be­rin auf­zu­ge­ben, den Ge­samt­be­triebs­rat hin­sicht­lich der Kos­ten­rech­nung der Rechts­anwälte B. & an­de­re, Rech­nungs­num­mer 90452 vom 17.04.2009 in Höhe von 1.139,43 EUR frei­zu­stel­len.

2. fest­zu­stel­len, dass die Ar­beit­ge­be­rin dem Grun­de nach ver­pflich­tet ist, den Ge­samt­be­triebs­rat ge­genüber den Rechts­anwälten B. & an­de­re bezüglich der Kos­ten frei­zu­stel­len, die in dem hie­si­gen Ver­fah­ren ent­ste­hen.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Die Ar­beit­ge­be­rin ver­tei­digt die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung, wie­der­holt und ver­tieft ih­re erst­in­stanz­li­chen Ausführun­gen. Das einst­wei­li­ge Verfügungs­ver­fah­ren sei we­der er­for­der­lich noch ge­eig­net ge­we­sen, Rech­te des Be­triebs­ra­tes zu wah­ren. Da­mit sei es unnötig ge­we­sen. Der Ge­samt­be­triebs­rat ha­be den An­trag zu spät ein­rei­chen las­sen. Nur bei ei­ner Ent­schei­dung oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung sei die­se vor Ab­lauf der Wo­chen­frist des § 102 Be­trVG noch möglich ge­we­sen. Bei ei­ner so späten Ein­rei­chung der An­trags­schrift mit ei­nem voll­kom­men un­sub­stan­ti­ier­ten und un­schlüssi­gen Vor­brin­gen sei das Be­geh­ren des Ge­samt­be­triebs­ra­tes aber nicht zu er­rei­chen ge­we­sen. Denn ei­ne Be­triebsände­rung ha­be sich aus der An­trags­schrift nicht er­ge­ben. Dem Be­triebs­rat sei auch be­reits am Tag vor der münd­li­chen Ver­hand­lung po­si­tiv be­kannt ge­we­sen, dass die Kündi­gun­gen aus­ge­spro­chen wor­den sei­en.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten in der Be­schwer­de­instanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Be­schwer­de­be­gründung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes vom 25. Fe­bru­ar 2010 so­wie auf die Be­schwer­de­be­ant­wor­tung der Ar­beit­ge­be­rin vom 8. April 2010 und de­ren Schrift­satz vom 11. Ja­nu­ar 2010 und das Sit­zungs­pro­to­koll vom 16. April 2010 Be­zug ge­nom­men.

II.

Die gemäß §§ 8 Abs. 4 und 87 Abs. 1 ArbGG statt­haf­te Be­schwer­de ist zulässig. Sie ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne von §§ 98 Abs. 2, 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

1.

Die zulässi­gen Anträge des Ge­samt­be­triebs­ra­tes und da­mit auch des­sen Be­schwer­de sind be­gründet. Denn der Ar­beit­ge­ber hat nach § 40 Abs. 1 Be­trVG die Kos­ten für die lau­fen­de Geschäftsführung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes zu tra­gen. Hier­un­ter fal­len al­le Kos­ten, die zu ei­ner ord­nungs­gemäßen und sach­ge­rech­ten Durchführung der Auf­ga­ben des Ge­samt­be­triebs­ra­tes er­for­der­lich sind. Zu den Geschäftsführungs­kos­ten gehören auch die Kos­ten et­wai­ger Rechts­strei­tig­kei­ten zur er­for­der­li­chen ge­richt­li­chen Ver­fol­gung oder Ver­tei­di­gung von Rech­ten des Ge­samt­be­triebs­ra­tes. Kei­ne Kos­ten­tra­gungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers be­steht hin­ge­gen, wenn die Ein­lei­tung des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens mut­wil­lig er­folgt oder of­fen­sicht­lich aus­sichts­los ist. Konn­te der Ge­samt­be­triebs­ra­tes bei pflicht­gemäßer und verständi­ger Abwägung der zu berück­sich­ti­gen­den Umstände die Zu­zie­hung ei­nes Rechts­an­walts für not­wen­dig er­ach­ten, so zählen auch die Kos­ten ei­ner Pro­zess­ver­tre­tung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes durch ei­nen Rechts­an­walt zu den vom Ar­beit­ge­ber zu tra­gen­den Kos­ten. Da­bei ist die Er­for­der­lich­keit der Kos­ten­ver­ur­sa­chung nicht rück­bli­ckend nach ei­nem rein ob­jek­ti­ven Maßstab, son­dern vom Zeit­punkt der Ent­schei­dung des Ge­samt­be­triebs­rats aus zu be­ur­tei­len. Grundsätz­lich ist die Er­for­der­lich­keit zu be­ja­hen, wenn der Ge­samt­be­triebs­rat wie ein vernünf­ti­ger Drit­ter bei ge­wis­sen­haf­ter Über­le­gung und verständi­ger und ru­hi­ger Abwägung al­ler Umstände zu dem Er­geb­nis ge­lan­gen durf­te, der noch zu ver­ur­sa­chen­de Kos­ten­auf­wand sei für die Be­triebs­ratstätig­keit not­wen­dig. Die Mei­nungs­ver­schie­den­heit be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen In­halts darf nicht auf an­de­re Wei­se mit dem Ar­beit­ge­ber geklärt wer­den können. Er­for­der­lich­keit ist nicht ge­ge­ben, wenn das Ver­fah­ren oh­ne hin­rei­chen­den An­lass ein­ge­lei­tet, oh­ne Aus­sicht auf Er­folg mut­wil­lig durch­geführt oder der Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit miss­ach­tet wird. Da­bei steht dem Be­triebs­rat ein ge­wis­ser Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu.

2.

Die Prüfung der Er­for­der­lich­keit hat der Ge­samt­be­triebs­rat nicht al­lein an­hand sei­ner sub­jek­ti­ven Bedürf­nis­se vor­zu­neh­men. Er ist viel­mehr ge­hal­ten, die In­ter­es­sen der Be­leg­schaft an ei­ner sach­ge­rech­ten Ausübung des Be­triebs­rats­am­tes ei­ner­seits und die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers an­de­rer­seits ge­gen­ein­an­der ab­zuwägen. Da­bei hat er auch die Kos­ten­be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers zu berück­sich­ti­gen. Die Kos­ten­tra­gungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers entfällt, wenn die Rechts­ver­fol­gung of­fen­sicht­lich aus­sichts­los ist oder die Hin­zu­zie­hung ei­nes Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten rechts­miss­bräuch­lich er­folgt und des­halb das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Be­gren­zung sei­ner Kos­ten­tra­gungs­pflicht miss­ach­tet wird (BAG, Be­schluss vom 17. Au­gust 2005 - 7 ABR 56/04). Ei­ne of­fen­sicht­li­che Aus­sichts­lo­sig­keit ist an­zu­neh­men, wenn die Rechts­la­ge un­zwei­fel­haft ist und zu ei­nem Un­ter­lie­gen des Ge­samt­be­triebs­rats führen muss (BAG, Be­schluss vom 19. April 1989 - 7 ABR 6/88). Da­von kann je­den­falls dann nicht aus­ge­gan­gen wer­den, wenn über ei­ne un­geklärte Rechts­fra­ge zu ent­schei­den ist oder die Rechts­auf­fas­sung des Ge­samt­be­triebs­rats ver­tret­bar er­scheint (BAG, Be­schluss vom 19. März 2003 - 7 ABR 15/02).

2.1

Nach die­sen Grundsätzen hat der Ge­samt­be­triebs­rat ei­nen An­spruch auf Frei­stel­lung von den ent­stan­de­nen Rechts­an­walts­kos­ten. Denn die Ar­beit­ge­be­rin hat­te un­strei­tig und wie in der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung des Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den vom 26. März 2009 aus­geführt ver­schie­de­ne Struk­tur­verände­run­gen an­gekündigt und spätes­tens mit der am 20. März 2009 dort ein­ge­gan­ge­nen Anhörung des ört­li­chen Be­triebs­ra­tes zur Kündi­gung von drei Mit­ar­bei­tern auch die kon­kre­te Um­set­zung mit kon­kre­ten Nach­tei­len für Tei­le der Be­leg­schaft ein­ge­lei­tet. Da­ne­ben gab es in der Ver­wal­tung auch be­reits die Be­en­di­gung von drei Ar­beits­verhält­nis­sen. Da nach § 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG die Ein­schränkung we­sent­li­cher Be­triebs­tei­le als Be­triebsände­rung gilt, konn­te der Ge­samt­be­triebs­rat, des­sen Mit­glie­der kei­ne Ju­ris­ten sind, zunächst von ei­ner Be­triebsände­rung aus­ge­hen. Auch die grund­le­gen­de Ände­rung der Ar­beits­me­tho­den durch Mo­der­ni­sie­rung ver­blei­ben­der An­la­gen nach Sch­ließung al­ter An­la­gen war nicht von vorn­her­ein aus­zu­sch­ließen.

2.2

Wenn auch in dem An­trag des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens die grund­le­gen­de Ände­rung der Ar­beits­me­tho­den (§ 111 Nr. 5 Be­trVG) erwähnt war, so fin­det sich da­zu im Fol­gen­den kei­ne nähe­re Be­gründung. So­weit die An­zahl der - bis da­hin - be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer sich auf sechs be­schränkt, er­gibt sich dar­aus auch nicht die Ein­schränkung und Still­le­gung von we­sent­li­chen Be­triebs­tei­len (§ 111 Nr. 1 Be­trVG) in quan­ti­ta­ti­ver Hin­sicht, wenn die im In­ter­net mit 267 Beschäftig­ten an­ge­ge­be­ne Zahl zu­tref­fend ist. Und auch zu et­wai­gen we­sent­li­chen Be­triebs­tei­len in qua­li­ta­ti­ver Hin­sicht enthält die An­trags­schrift in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren kei­ne nähe­ren An­ga­ben.

Den­noch darf das Ge­richt bei der Prüfung der Er­for­der­lich­keit der Ein­lei­tung ei­nes ge­richt­li­chen Ver­fah­rens nicht die­se in ers­ter Li­nie ju­ris­ti­sche Sicht al­lein genügen las­sen. Denn ein Be­triebs­rat oder Ge­samt­be­triebs­rat hat bei Ein­gang von Kündi­gungs­anhörun­gen auf­grund der Frist des § 102 Be­trVG al­lein noch die Möglich­keit, sei­nen tatsächli­chen oder ver­meint­li­chen Ver­hand­lungs­an­spruch über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich durch die Ein­lei­tung ei­nes einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens noch zu er­rei­chen. Ob der verständi­ge Be­triebs­rat die Ein­lei­tung ei­nes sol­chen Ver­fah­rens für er­for­der­lich hal­ten durf­te, hängt da­bei ent­schei­dend von sei­ner In­for­ma­ti­ons­la­ge ab. Hat der Ar­beit­ge­ber sei­nen Be­triebs­rat und/oder Ge­samt­be­triebs­rat ent­spre­chend sei­ner ge­setz­li­chen Ver­pflich­tung aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG bzw. ge­ge­be­nen­falls nach § 90 Abs. 1 Be­trVG und § 92 Abs. 1 Be­trVG recht­zei­tig und um­fas­send so in­for­miert, dass das Gre­mi­um ei­nen Sach­ver­halt weit­ge­hend be­ur­tei­len kann, ist die Schwel­le zur Ein­lei­tung ei­nes einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens deut­lich höher zu set­zen als in ei­nem Fall, in dem der Ar­beit­ge­ber die­se Un­ter­rich­tung un­terlässt. Auch wenn es sich bei den Un­ter­rich­tungs­pflich­ten für den Ar­beit­ge­ber be­reits um des­sen Bring­schuld han­delt, die un­abhängig von ei­nem In­for­ma­ti­ons­be­geh­ren des Be­triebs­rats­gre­mi­ums be­steht, gilt die­ses um­so mehr, wenn das Be­triebs­rats­gre­mi­um trotz Auf­for­de­rung zur In­for­ma­ti­on die­se nicht oder nicht vollständig erhält.

2.3

Des­halb ist in ei­nem sol­chen Fall die Kos­ten­tra­gungs­pflicht für die In­an­spruch­nah­me der an­walt­li­chen Un­terstützung bzw. die ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung des ver­meint­li­chen An­spruchs dar­auf zu über­prüfen, ob das Be­triebs­rats­gre­mi­um sich bei Ein­lei­tung und Durchführung des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens recht­miss­bräuch­lich verhält.

Denn die Be­ach­tung von Treu und Glau­ben stellt ei­ne al­len Rech­ten im­ma­nen­te In­halts­be­gren­zung dar. Un­zulässig ist die Rechts­ausübung je­doch nur dann, wenn sie zu ei­ner gro­ben, un­erträgli­chen Un­bil­lig­keit führen würde. Die sich aus­drück­lich aus dem Ge­setz, hier aus § 40 Abs. 1 Be­trVG, er­ge­ben­de Rechts­fol­ge darf nicht vom Rich­ter nur durch ei­ne ver­meint­lich bil­li­ge­re oder an­ge­mes­se­ne­re Rechts­fol­ge er­setzt wer­den, denn die Re­ge­lung des § 242 BGB und der in ihm zum Aus­druck kom­men­de grund­le­gen­de Ge­dan­ke von Treu und Glau­ben stel­len ge­ra­de kei­ne all­ge­mei­ne Bil­lig­keits­vor­schrift dar. Der Gläubi­ger braucht nicht schon des­halb von der Durch­set­zung von Rech­ten ab­zu­se­hen, weil die Rechts­ausübung den in An­spruch Ge­nom­me­nen hart tref­fen würde, son­dern es müssen Umstände hin­zu­kom­men, die die Rechts­ausübung im Ein­zel­fall als grob un­bil­li­ge, mit der Ge­rech­tig­keit nicht mehr zu ver­ein­ba­ren­de Be­nach­tei­li­gung des Schuld­ners er­schei­nen las­sen, sie al­so zu ei­nem schlecht­hin un­zu­mut­ba­ren Er­geb­nis führt (vgl. BAG, Be­schluss vom 19. April 1989 - 7 ABR 6/88).

An­halts­punk­te dafür, dass der Ge­samt­be­triebs­rat mit sei­nem Be­schluss zur Ein­lei­tung des einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­rens ei­ne grob un­bil­li­ge, mit der Ge­rech­tig­keit nicht mehr zu ver­ein­ba­ren­de Be­nach­tei­li­gung der Ar­beit­ge­be­rin be­schlos­sen hätte, ver­moch­te das Be­schwer­de­ge­richt nicht zu er­ken­nen. Viel­mehr gab es ver­schie­de­ne, in der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung des Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den auf­geführ­te struk­tu­rel­le und per­so­nel­le Er­eig­nis­se, bei de­nen es zu den Auf­ga­ben des Be­triebs­rats­gre­mi­ums gehört, sei­ne tatsächli­chen oder ver­meint­li­chen Rech­te zu­guns­ten der Be­leg­schaft wahr­zu­neh­men.

2.4

Die Be­auf­tra­gung ei­nes Rechts­an­walts durch den Be­triebs­rat zur Wahr­neh­mung sei­ner Rech­te in ei­nem Ver­fah­ren auf Un­ter­sa­gung ei­ner Be­triebsände­rung ist auch grundsätz­lich nicht rechts­miss­bräuch­lich, da es in ei­nem der­ar­ti­gen Ver­fah­ren in al­ler Re­gel nicht nur um ein­fach ge­la­ger­te Fra­gen recht­li­cher und tatsäch­li­cher Art geht.

Von ver­schie­de­nen Lan­des­ar­beits­ge­rich­ten wird - im Ge­gen­satz zu an­de­ren Lan­des­ar­beits­ge­rich­ten (LAG Rhein­land-Pfalz, Be­schluss vom 24. No­vem­ber 2004 - 9 TaBV 29/04, Be­schluss vom 26. Ok­to­ber 2006 - 11 TaBV 58/06, LAG Köln, Be­schluss vom 30. April 2004 = NZA - RR 2005, 199, LAG Köln vom 27. Mai 2009, 2 TaBV­Ga 7/09) - die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass der Be­triebs­rat zur Durch­set­zung des Ver­hand­lungs­an­spruchs die Möglich­keit ha­ben müsse, im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes die einst­wei­li­ge Un­ter­las­sung be­triebsändern­der Maßnah­men zu ver­lan­gen (vgl. et­wa LAG München, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2008 - 6 TaBV­Ga 6/08; LAG Hamm, Be­schluss vom 21. Au­gust 2008 - 13 TaBV­Ga 16/08; LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 25. Ju­ni 2008 - 15 TaBV­Ga 1145/08; LAG Hamm, Be­schluss vom 30. Ju­li 2007 - 10 TaBV­Ga 17/07; LAG Hes­sen, Be­schluss vom 27. Ju­ni 2007 - 4 TaBV­Ga 137/07; LAG Nie­der­sach­sen, Be­schluss vom 4. Mai 2007 - 17 TaBV­Ga 57/07; LAG Thürin­gen, Be­schluss vom 18. Au­gust 2003 - 1 Ta 104/03; LAG Ber­lin, Be­schluss vom 7. Sep­tem­ber 1995 - 10 TaBV 5/95). Da­bei wur­de jüngst vom LAG München noch die eu­ro­pa­recht­li­che Di­men­si­on her­vor­ge­ho­ben, in­dem aus dem in der EG-Richt­li­nie 14/2002 ge­for­der­ten Ne­ben­ein­an­der von der ver­fah­rens­si­chern­den Maßnah­men und Sank­tio­nen bei Verstößen bei richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung dem Be­triebs­rat ein Un­ter­las­sungs­an­spruch ne­ben dem in­di­vi­du­el­len Nach­teils­aus­gleich gewährt wor­den ist (LAG München, Be­schluss vom 22. De­zem­ber 2008 - 6 TaBV­Ga 6/08).

Das muss ein Be­triebs­rats­gre­mi­um oh­ne an­walt­li­che Un­terstützung nor­ma­ler­wei­se nicht be­herr­schen.

3.

Al­lein aus dem Um­stand, dass die An­trags­schrift erst am 26. März 2009 in den Nacht­brief­kas­ten des Ar­beits­ge­richts ge­lang­te und die Anhörungs­frist für die drei be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen am 27. März 2009 ab­lief, führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Zwar ist der Ar­beit­ge­be­rin zu­zu­ge­ben, dass sich aus der An­trags­schrift mit den bei­gefügten Un­ter­la­gen nicht oh­ne wei­te­res ei­ne Be­triebsände­rung ab­le­sen lies, so dass ei­ne Statt­ga­be des An­trags oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung - je­den­falls nach an­walt­li­cher Be­ra­tung - wohl nicht vom Ge­samt­be­triebs­rat er­war­tet wer­den konn­te. Den­noch war nicht vor­her­seh­bar, dass die Ar­beit­ge­be­rin um­ge­hend nach Ab­lauf der Anhörungs­frist die Kündi­gun­gen aus­spre­chen wer­de. Bei ei­ner ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit der Be­triebs­par­tei­en ent­spre­chend § 2 Abs. 1 Be­trVG zum Woh­le der Ar­beit­neh­mer und des Be­trie­bes bzw. Un­ter­neh­mens hätte der Ar­beit­ge­ber mit dem Aus­spruch der Kündi­gun­gen min­des­tens bis zum 31. März 2009 zu­war­ten können, oh­ne auch nur ei­ne verlänger­te Kündi­gungs­frist be­ach­ten zu müssen. Ein Anhörungs­ter­min hätte beim Ar­beits­ge­richt am 30. oder 31. März 2009 noch er­fol­gen können. Dass das Ar­beits­ge­richt erst auf den 2. April 2009 ter­mi­niert, war für den Ge­samt­be­triebs­rat nicht vor­her­seh­bar und bei der Sach­la­ge auch nicht zu er­war­ten (vgl. zur Fra­ge verzöger­ter Ter­mi­ne­rung EGMR (Große Kam­mer), Ur­teil vom 8. Ju­ni 2006 - 75529/01 (Sürme­li/Deutsch­land) = NJW 2006, 2389; OLG Düssel­dorf, Be­schluss vom 23. Sep­tem­ber 2008 - 5 W 46/08).

4.

Der Ge­samt­be­triebs­rat war auch be­rech­tigt, als An­trag­stel­ler auf­zu­tre­ten. Bei Be­triebsände­run­gen ob­liegt die Wahr­neh­mung der Mit­be­stim­mungs­rech­te dem Ge­samt­be­triebs­rat, so­fern es sich um Maßnah­men han­delt, die das ge­sam­te Un­ter­neh­men oder meh­re­re Be­trie­be be­tref­fen und not­wen­di­ger­wei­se nur ein­heit­lich oder je­den­falls be­triebsüberg­rei­fend ge­re­gelt wer­den können (BAG, Be­schluss vom 3. Mai 2006 - 1 ABR 15/05). Hier wa­ren die ver­schie­de­nen Be­trie­be al­le­samt von struk­tu­rel­len und/oder per­so­nel­len Verände­run­gen be­trof­fen. Dass der Ge­samt­be­triebs­rat sich zunächst der In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer an­nimmt, ist da­bei nicht rechts­miss­bräuch­lich. Ge­gen­tei­li­ges ist von der Ar­beit­ge­be­rin nicht vor­ge­tra­gen und auch nicht er­sicht­lich. Zwar hat die Ar­beit­ge­be­rin vor­ge­tra­gen, dass sich der Sach­ver­halt ih­rer An­sicht nach auf den Be­trieb V. be­schränkt ha­be, aber die An­ga­ben des Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den in der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung be­inhal­te­ten auch ver­schie­de­ne darüber hin­aus­ge­hen­de struk­tu­rel­le und per­so­nel­le Verände­run­gen. Des­halb kam es auf die erst in die­sem (Kos­ten-)Ver­fah­ren vor­ge­tra­ge­ne Be­auf­tra­gung des Ge­samt­be­triebs­ra­tes nach § 50 Abs. 2 Be­trVG nicht mehr an.

5.

So­weit die Ar­beit­ge­be­rin meint, dass zu­min­dest die Ter­mins­gebühr vom Ge­samt­be­triebs­rat bei sach­ge­rech­ter In­ter­es­sen­wahr­neh­mung hätte ver­mie­den wer­den können, in­dem der An­trag auf Er­lass der einst­wei­li­gen Verfügung noch vor dem Anhörungs­ter­min hätte zurück­ge­nom­men wer­den können, weil der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de je­den­falls un­mit­tel­bar vor dem Ter­min vom Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten der Ar­beit­ge­be­rin über den er­folg­ten Aus­spruch der Kündi­gun­gen in­for­miert wor­den sei, ver­moch­te die Kam­mer dem auch nicht zu fol­gen. Ab­ge­se­hen da­von, dass die Ter­mins­gebühr nicht nur für die Ver­tre­tung in ei­nem Ver­hand­lungs-, Erörte­rungs- oder Be­weis­auf­nah­me­ter­min oder die Wahr­neh­mung ei­nes von ei­nem ge­richt­lich be­stell­ten Sach­verständi­gen an­be­raum­ten Ter­mins ent­steht, son­dern auch für die Mit­wir­kung an auf die Ver­mei­dung oder Er­le­di­gung des Ver­fah­rens ge­rich­te­ten Be­spre­chun­gen auch oh­ne Be­tei­li­gung des Ge­richts (Vor­be­mer­kung 3 Abs. 3 VV RVG) so dass die Rück­nah­me des An­trags nach der In­for­ma­ti­on durch den Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten der Ar­beit­ge­be­rin die Ter­mins­gebühr nicht hätte ent­fal­len las­sen, über­sieht die Ar­beit­ge­be­rin, dass der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de nach § 51 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit § 26 Abs. 2 Be­trVG das Gre­mi­um nur im Rah­men der von ihm ge­fass­ten Be­schlüsse ver­tritt. In­so­fern ist der Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­de grundsätz­lich nicht be­rech­tigt, oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den Be­schluss des Gre­mi­ums, der al­ler­dings auch als Vor­rats­be­schluss ge­trof­fen wer­den kann, den An­trag auf Er­lass der einst­wei­li­gen Verfügung zurück­zu­neh­men. Dass er die­ses nach ei­ner ent­spre­chen­den Pro­to­kollerklärung durch den Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­ten der Ar­beit­ge­be­rin den­noch im Ter­min ge­macht hat, führt nicht zu ei­nem ent­spre­chen­den An­spruch der Ar­beit­ge­be­rin un­mit­tel­bar vor dem Ter­min.

6.

Dem An­trag zu 2) ist die Ar­beit­ge­be­rin ent­spre­chend ih­rer Erklärung zu Pro­to­koll in der Be­schwer­de­ver­hand­lung nicht mehr ge­son­dert ent­ge­gen­ge­tre­ten, so dass dem An­trag des Ge­samt­be­triebs­ra­tes auch in­so­weit zu ent­spre­chen war.

III.

Die Ent­schei­dung er­geht nach § 2 Abs. 2 GKG in Ver­bin­dung mit § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG ge­richts­kos­ten­frei.

IV.

Ge­gen die Ent­schei­dung ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Die Zu­las­sung der Rechts­be­schwer­de kam gemäß § 92 Abs.1 Satz 2 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 72 Abs.2 ArbGG nicht in Be­tracht. Es han­delt sich um ei­ne am Ein­zel­fall ori­en­tier­te Ent­schei­dung oh­ne grundsätz­li­che recht­li­che Be­deu­tung.

W.-M.

R.

B. W.

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