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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/073

Teil­zeit in der El­tern­zeit auch für Füh­rungs­kräf­te

Bun­des­ar­beits­ge­richt stärkt Rech­te von Ar­beit­neh­mern in Füh­rungs­po­si­tio­nen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.12.2009, 9 AZR 72/09
Mann und Frau mit Kinderwagen Teil­zeit­ar­beit wäh­rend der El­tern­zeit
16.04.2010. Wer El­tern­zeit nimmt, muss nicht zu Hau­se blei­ben. Es gibt auch die Mög­lich­keit, wäh­rend der El­tern­zeit in Teil­zeit zu ar­bei­ten. Wenn der Ar­beit­ge­ber mehr als 15 Ar­beit­neh­mer be­schäf­tigt, be­steht nach ei­ner Be­schäf­ti­gungs­zeit von mehr als sechs Mo­na­ten so­gar ein An­spruch auf Teil­zeit­ar­beit, es sei denn, es ste­hen "drin­gen­de be­trieb­li­che Grün­de" ent­ge­gen.

Bei Füh­rungs­kräf­ten sind Ar­beit­ge­ber mit ver­meint­lich drin­gen­den be­trieb­li­chen Grün­den meis­tens schnell bei der Hand und be­haup­ten, die Füh­rungs­po­si­ti­on kön­ne nur in Voll­zeit aus­ge­übt wer­den.

Ei­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) stärkt jetzt mit deut­li­chen Wor­ten den An­spruch von Füh­rungs­kräf­ten auf Teil­zeit in der El­tern­zeit: BAG, Ur­teil vom 15.12.2009, 9 AZR 72/09.

El­tern­zeit und An­spruch auf Teil­zeit in El­tern­zeit

Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen können gemäß § 15 Abs. 6 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz (BEEG) un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 7 BEEG während der Ge­samt­dau­er ih­rer El­tern­zeit zwei­mal ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ver­lan­gen. Die­ser An­spruch rich­tet sich dar­auf, dass der Ar­beit­ge­ber ei­ner vorüber­ge­hen­den Ände­rung des Ar­beits­ver­trags zu­stimmt.

Die Ver­tragsände­rung müssen Ar­beit­neh­mer un­ter Be­ach­tung von § 15 Abs. 7 Satz 2 BEEG be­an­tra­gen. Der An­trag muss Be­ginn und Um­fang der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit be­zeich­nen. Außer­dem soll die gewünsch­te Ver­tei­lung der ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit auf die Ar­beits­wo­che an­ge­ben wer­den.

Liegt dem Ar­beit­ge­ber ein sol­cher An­trag vor, muss er ihm gemäß § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BEEG im All­ge­mei­nen zu­stim­men (Re­gel), falls kei­ne „drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründe“ ent­ge­gen­ste­hen (Aus­nah­me). Vor­aus­set­zung für die­sen An­spruch auf Teil­zeit während der El­tern­zeit ist ei­ne Min­dest­be­triebs­größe von mehr als 15 Ar­beit­neh­mern, § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BEEG.

Eben­so wie bei dem all­ge­mei­nen An­spruch auf Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung, der al­len Ar­beit­neh­mern un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 8 Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) zu­steht, be­ruft sich der Ar­beit­ge­ber auch ge­genüber ei­nem An­trag auf Teil­zeit in der El­tern­zeit oft auf an­geb­lich ent­ge­gen­ste­hen­de be­trieb­li­che Gründe, über de­ren Vor­lie­gen die Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags dann häufig ver­schie­de­ner Mei­nung sind.

An­ders als beim An­spruch auf Teil­zeit gemäß § 8 Tz­B­fG kann der Ar­beit­ge­ber aber die Teil­zeit während der El­tern­zeit nicht aus al­len mögli­chen be­trieb­li­chen Gründen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG) ab­leh­nen, son­dern nur aus „drin­gen­den“ be­trieb­li­chen Gründen. Die Rechts­la­ge ist da­her für ei­nen Ar­beit­neh­mer während der El­tern­zeit, der un­ter Be­ru­fung auf § 15 Abs. 7 BEEG Teil­zeit­ar­beit ver­langt, bes­ser als sie oh­ne El­tern­zeit auf der Grund­la­ge von § 8 Tz­B­fG ist.

Be­an­tra­gen Ar­beit­neh­mer in Führungs­po­si­ti­on El­tern­teil­zeit, sind Ar­beit­ge­ber in der Re­gel we­nig be­geis­tert. Oft wird dann ein­ge­wandt, die von der Führungs­kraft aus­geübten Auf­ga­ben sei­en nicht teil­bar, d.h. der Ar­beit­ge­ber be­ruft sich auf ei­nen an­geb­li­chen Voll­zeit­cha­rak­ter des Ar­beits­plat­zes.

Dann ist dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu­fol­ge zu prüfen, ob es über­haupt ein Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept des Ar­beit­ge­bers gibt, zu dem ein nicht teil­ba­rer Ar­beits­platz der Führungs­kraft gehört, ob bzw. in wel­chem Maße ein sol­ches - mögli­ches - Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept ei­ner Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit ent­ge­gen­steht und ob schließlich die vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­brach­ten be­trieb­li­chen Gründe drin­gend und ge­wich­ti­ger sind als der Teil­zeit­wunsch des Ar­beit­neh­mers.

Ein ak­tu­el­les Ur­teil des BAG macht deut­lich, dass die an­geb­li­che Un­teil­bar­keit des Ar­beits­plat­zes ei­ner Führungs­kraft dem An­spruch auf Teil­zeit während der El­tern­zeit nur in sel­te­nen Aus­nah­mefällen ent­ge­gen­hal­ten wer­den kann (BAG, Ur­teil vom 15.12.2009, 9 AZR 72/09).

Der Fall des Bun­des­ar­beits­ge­richt: Ar­beit­ge­ber ver­wei­gert Ar­beit­neh­me­rin in Führungs­po­si­ti­on Teil­zeit in der El­tern­zeit

Ei­ne seit 1992 beschäftig­te Ar­beit­neh­me­rin be­klei­de­te 2002 in Voll­zeit die Po­si­ti­on der Lei­te­rin des Con­trol­lings. Sie war im Rah­men ei­ner Pro­ku­ra um­fas­send vom Ar­beit­ge­ber be­vollmäch­tigt. Im De­zem­ber 2006 ge­bar sie ein Kind und be­an­trag­te dar­auf­hin im Ja­nu­ar 2007 El­tern­zeit und ei­ne während der El­tern­zeit ver­rin­ger­te Ar­beits­zeit.

Da im Be­trieb mehr als 15 Ar­beit­neh­mer beschäftigt wa­ren und der An­trag erst im Ja­nu­ar 2007 ge­stellt wor­den war, rich­te­te sich der An­spruch auf El­tern­teil­zeit nach § 15 BEEG (und nicht nach den Vor­schrif­ten des bis En­de 2006 gel­ten­den Bun­des­er­zie­hungs­geld­ge­set­zes - BErzGG).

Die ver­rin­ger­te Ar­beits­zeit soll­te sich nach dem An­trag der Ar­beit­neh­me­rin während ih­rer El­tern­zeit auf 20 Wo­chen­stun­den von Au­gust 2007 bis De­zem­ber 2008 be­lau­fen. Als Ver­tei­lung wünsch­te sie, je­weils mitt­wochs und frei­tags für acht St­un­den ar­bei­ten zu können so­wie wei­te­re vier St­un­den ent­we­der mon­tags, diens­tags oder don­ners­tags.

Der Ar­beit­ge­ber lehn­te den Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rungs­an­trag ab, wor­auf­hin die Ar­beit­neh­me­rin vor das Ar­beits­ge­richt Es­sen zog und ih­ren An­spruch auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung dort ge­richt­lich gel­tend mach­te.

Das Ar­beits­ge­richt gab der Kla­ge teil­wei­se statt, wo­ge­gen der be­klag­te Ar­beit­ge­ber in Be­ru­fung ging. Das für die Be­ru­fung zustände Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf wies die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab, da es ent­spre­chend dem Vor­trag des Ar­beit­ge­bers von der Un­teil­bar­keit der Stel­le der Kläge­rin aus­ging (Ur­teil vom 18.12.2008, 11 Sa 299/08).

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Kei­ne drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründe, die ge­gen Teil­zeit in El­tern­zeit für Führungs­kraft spre­chen

Das BAG ent­schied zu­guns­ten der Ar­beit­neh­me­rin, da es das Vor­brin­gen des Ar­beit­ge­bers zur Fra­ge ei­ner mögli­chen Un­teil­bar­keit der Ar­beits­stel­le als un­zu­rei­chend an­sah. Dem­gemäß konn­te das BAG kei­ne drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründe er­ken­nen, die der von der Ar­beit­neh­me­rin gewünsch­ten Teil­zeit während der El­tern­teil­zeit ent­ge­gen­stan­den.

Der Ar­beit­ge­ber hat­te vor­ge­richt­lich und während des Pro­zes­ses die An­sicht ver­tre­ten, die von der Kläge­rin aus­geübte Führungs­auf­ga­be ei­ner „Lei­te­rin Con­trol­ling“ sei oh­ne voll­zei­ti­ge An­we­sen­heit des Stel­len­in­ha­bers von Mon­tag bis Frei­tag nicht zu bewälti­gen. Ins­be­son­de­re sei es not­wen­dig, an teil­wei­se kurz­fris­tig an­be­raum­ten und da­her nicht lang­fris­tig plan­ba­ren Be­spre­chun­gen teil­zu­neh­men.

In die­sem Vor­brin­gen woll­te das BAG aber noch kein tragfähi­ges Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept se­hen, da der Ar­beit­ge­ber an­sons­ten je­dem Teil­zeit­ver­lan­gen mit dem Ar­gu­ment be­geg­nen könn­te, er wol­le nur Voll­zeit­ar­beit­neh­mer beschäfti­gen.

Im vor­lie­gen­den Fall sprach außer­dem ge­gen die vom Ar­beit­ge­ber be­haup­te­te Un­teil­bar­keit der Stel­le, dass die Kläge­rin während der Mut­ter­schutz­fris­ten und darüber hin­aus meh­re­re Mo­na­te lang durch ih­ren Vor­ge­setz­ten ver­tre­ten wor­den war. Da die­ser aber ne­ben der Ver­tre­tung der Kläge­rin wei­te­re (um­fang­rei­che) Auf­ga­ben zu ver­rich­ten hat­te, konn­te er die Kläge­rin nur ver­tre­ten, in­dem er ei­nen er­heb­li­chen Teil ih­rer Ar­beits­auf­ga­ben auf an­de­re Mit­ar­bei­ter der Con­trol­lin­g­ab­tei­lung ver­teil­te. Dies be­leg­te die The­se der Kläge­rin, ih­re Stel­le bzw. die mit ihr ver­bun­de­nen Ar­beits­auf­ga­ben sei­en kei­nes­wegs un­teil­bar.

Aber auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber ein dem Teil­zeit­be­geh­ren der Kläge­rin ent­ge­gen­ste­hen­des Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept hätte vor­wei­sen können, hätte er, so das BAG mit großer Deut­lich­keit, die mit der (teil­wei­sen) Ab­we­sen­heit der Kläge­rin ver­bun­de­nen Schwie­rig­kei­ten hin­neh­men bzw. bewälti­gen müssen. Denn sol­che Schwie­rig­kei­ten sind mit ei­ner Teil­zeit in der El­tern­zeit re­gelmäßig ver­bun­den. Sie müssen da­her nach der Ziel­vor­stel­lung des Ge­set­zes vom Ar­beit­ge­ber über­wun­den wer­den.

Fa­zit: Führungs­kräfte können eben­so wie an­de­re Ar­beit­neh­mer Teil­zeit während ih­rer El­tern­zeit in An­spruch neh­men. Dass der Teil­zeit­wunsch sol­cher Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber mögli­cher­wei­se „er­heb­li­che An­stren­gun­gen“ (BAG) ab­ver­langt, ist vom Ge­setz ge­wollt.

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Letzte Überarbeitung: 4. Januar 2021

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