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Auf­he­bungs­ver­trag, Sperr­zeit und wich­ti­ger Grund für die Ar­beits­auf­ga­be

Ein Auf­he­bungs­ver­trag mit ei­ner über der Re­gel­ab­fin­dung lie­gen­den Ab­fin­dung führt zur Sperr­zeit, auch wenn ein grö­ße­rer Per­so­nal­ab­bau Grund für die Ar­beits­auf­ga­be war: So­zi­al­ge­richt Darm­stadt, Ur­teil vom 16.12.2013, S 1 AL 419/10
Handschlag Playmobil Der gol­de­ne Hand­schlag darf nicht zu Las­ten der Ar­beits­ver­wal­tung ge­hen

07.05.2014. Wer sein Ar­beits­ver­hält­nis durch ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det, ver­liert da­durch zwar sei­nen An­spruch auf Ar­beits­lo­sen­geld nicht voll­stän­dig, aber im­mer­hin für die Dau­er ei­ner Sperr­zeit bzw. Sperr­frist.

Das heißt kon­kret: Ar­beits­lo­sen­geld gibt es erst nach Ab­lauf der Sperr­zeit, d.h. im Re­gel­fall nach zwölf Wo­chen.

Von die­ser Re­gel gibt es Aus­nah­men: Hat der Ar­beit­neh­mer ei­nen "wich­ti­gen Grund" für die Be­en­di­gung des Ar­beits­ver­hält­nis­ses, tritt ei­ne Sperr­zeit nicht ein.

Ein sol­cher wich­ti­ger Grund liegt aber nicht schon dar­in, dass der Ar­beit­ge­ber in grö­ße­rem Um­fang Per­so­nal ab­bau­en möch­te und Mit­ar­bei­ter da­zu be­drängt, ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag zu­zu­stim­men: So­zi­al­ge­richt Darm­stadt, Ur­teil vom 16.12.2013, S 1 AL 419/10.

Hat ein Ar­beit­neh­mer ei­nen wich­ti­gen Grund für ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, wenn er we­gen ei­nes größeren Per­so­nal­ab­baus kei­ne Per­spek­ti­ve mehr im Un­ter­neh­men sieht?

Gemäß § 159 Abs.1 Satz 1 und 2 Nr.1 Drit­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB III) tritt ei­ne Sperr­zeit von re­gelmäßig zwölf Wo­chen ein, wenn der Ar­beits­lo­se sein Beschäfti­gungs­verhält­nis gelöst hat, wenn er da­durch vorsätz­lich oder grob fahrlässig die Ar­beits­lo­sig­keit her­bei­geführt hat und wenn er kei­nen "wich­ti­gen Grund" hat­te, der sein Ver­hal­ten aus­nahms­wei­se recht­fer­ti­gen würde.

Die­se Sperr­zeit­vor­aus­set­zun­gen lie­gen bei ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag mit an­sch­ließen­der Ar­beits­lo­sig­keit in der Re­gel vor, denn der Auf­he­bungs­ver­trag ist ja die Ur­sa­che für die Ar­beits­lo­sig­keit. Und wenn der Ar­beits­lo­se nicht aus­nahms­wei­se auf ei­ne An­schluss­beschäfti­gung ver­trau­en durf­te, hat er die Ar­beits­lo­sig­keit auch zu­min­dest grob fahrlässig her­bei­geführt.

Wol­len Ar­beit­neh­mer da­her bei ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag um ei­ne Sperr­zeit her­um­kom­men, müssen sie ei­nen "wich­ti­gen Grund" für den Auf­he­bungs­ver­trag ha­ben. Den er­kennt die Ar­beits­agen­tur an, wenn der Ar­beit­ge­ber als Al­ter­na­ti­ve zum Auf­he­bungs­ver­trag mit ei­ner (nicht ver­hal­tens­be­ding­ten) Kündi­gung ge­droht hat, und wenn die­se vom Ar­beit­ge­ber in Aus­sicht ge­stell­te Kündi­gung wirk­sam bzw. rech­tens ge­we­sen wäre.

Ein Bei­spiel sind be­vor­ste­hen­de Be­triebs­stil­le­gun­gen, denn dann ist ge­gen die Ent­las­sung kein Kraut ge­wach­sen. Kommt der Ar­beit­neh­mer der ihm be­vor­ste­hen­den be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung zu­vor und schließt ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab, hat er dafür ei­nen wich­ti­gen Grund und braucht kei­ne Sperr­zeit zu befürch­ten.

Ein wei­te­res Bei­spiel ist die als Al­ter­na­ti­ve zum Auf­he­bungs­ver­trag vom Ar­beit­ge­ber an­gekündig­te be­triebs­be­ding­te Kündi­gung, wenn die­se Ankündi­gung ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit "maßvol­ler" Ab­fin­dung (zwi­schen 0,25 und 0,5 Gehältern pro Beschäfti­gungs­jahr) zur Fol­ge hat. In die­sem Fall kommt es im We­sent­li­chen nur auf die An­dro­hung ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung und auf die pas­sen­de Ab­fin­dungshöhe an, d.h. die Wirk­sam­keit der an­ge­droh­ten Kündi­gung ist dann un­er­heb­lich. Ein­zel­hei­ten da­zu fin­den Sie in un­se­rem Ar­ti­kel Auf­he­bungs­ver­trag und Sperr­zeit.

In al­len die­sen Fällen ist aber ei­nes un­erläss­lich: Der Ar­beit­ge­ber muss dem Ar­beit­neh­mer, der sich auf ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag einlässt, zu­vor ei­ne Kündi­gung ernst­haft an­ge­droht ha­ben, denn sonst ist kein Grund dafür er­sicht­lich, dass der Ar­beit­neh­mer mit dem Auf­he­bungs­ver­trag ei­ner ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Ent­las­sung zu­vor­ge­kom­men wäre.

Frag­lich ist, wie kon­kret ei­ne sol­che Kündi­gungs­an­dro­hung sein muss, d.h. ob es schon genügt, dass der Ar­beit­ge­ber ei­nen größeren Per­so­nal­ab­bau durchführen möch­te und den Ar­beit­neh­mer da­zu be­drängt, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­zu­sch­ließen.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­mer mit länge­rer Beschäfti­gungs­dau­er ver­ein­bart ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit ho­her Ab­fin­dung

Im Streit­fall war ein An­wen­dungs­ad­mi­nis­tra­tor ab De­zem­ber 2000 bei ei­nem Großun­ter­neh­men beschäftigt und ab An­fang No­vem­ber 2008 ar­beits­unfähig krank. An­fang De­zem­ber 2008 un­ter­schrieb er ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, dem zu­fol­ge er per En­de März 2009 aus­schei­den und ein Ab­fin­dung von 75.900,00 EUR brut­to er­hal­ten soll­te, d.h. deut­lich mehr als die oft ge­zahl­te "Re­gel­ab­fin­dung" von ei­nem hal­ben Mo­nats­ge­halt pro Beschäfti­gungs­jahr. Außer­dem wa­ren Maßnah­men des Out­pla­ce­ment vor­ge­se­hen, d.h. die Un­terstützung bei der Job­su­che durch ei­nen Per­so­nal­ver­mitt­ler.

Die Ar­beits­agen­tur verhäng­te ei­ne Sperr­zeit, ge­gen die der Ar­beit­neh­mer per Wi­der­spruch und Kla­ge vor­ging. Aus sei­ner Sicht hat­te er für sein Vor­ge­hen ei­nen wich­ti­gen Grund. Denn an­geb­lich hat­te der Ar­beit­ge­ber vor, ihn im Zu­ge ei­nes größeren Per­so­nal­ab­baus über kurz oder lang be­triebs­be­dingt zu kündi­gen, was ihm auch der Be­triebs­rat bestätigt ha­ben soll. Da er kei­ne Per­spek­ti­ve mehr im Un­ter­neh­men sah und mit dem Auf­he­bungs­ver­trag ei­ne deut­lich über der "Re­gel­ab­fin­dung" lie­gen­de Ab­fin­dung hat­te er­lan­gen können, sei ihm ein wich­ti­ger Grund zu­zu­bil­li­gen.

So­zi­al­ge­richt Darm­stadt: Ein Auf­he­bungs­ver­trag mit ei­ner über der Re­gel­ab­fin­dung lie­gen­den Ab­fin­dung führt zur Sperr­zeit, auch wenn ein größerer Per­so­nal­ab­bau Grund für die Ar­beits­auf­ga­be war

Das So­zi­al­ge­richt er­hob Zeu­gen­be­weis zu der Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung ge­plant hat­te, was nicht der Fall war. Viel­mehr hat­te er mit Er­folg ver­sucht, be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen durch frei­wil­li­ge In­stru­men­te wie den Ab­schluss von Auf­he­bungs­verträgen zu ver­mei­den.

Vor die­sem Hin­ter­grund kam das So­zi­al­ge­richt zu dem Er­geb­nis, dass die Sperr­zeit hier zu­recht verhängt wor­den war. Ins­be­son­de­re lag hier kein wich­ti­ger Grund für den Auf­he­bungs­ver­trag vor. Denn al­lein die ho­he Ab­fin­dung, die hier wohl nur per Auf­he­bungs­ver­trag zu er­lan­gen war, genügt als sol­che nicht für ei­nen wich­ti­gen Grund, so das So­zi­al­ge­richt.

Im­mer­hin wa­ren die Rich­ter so gnädig, die Sperr­zeit un­ter An­wen­dung von § 159 Abs.3 Nr.2. b) SGB III von zwölf auf sechs Wo­chen zu verkürzen. Das ist nach die­ser Vor­schrift möglich, wenn "ei­ne Sperr­zeit von zwölf Wo­chen für die ar­beits­lo­se Per­son nach den für den Ein­tritt der Sperr­zeit maßge­ben­den Tat­sa­chen ei­ne be­son­de­re Härte be­deu­ten würde".

Die Vor­aus­set­zun­gen die­ser Härte­fall­re­ge­lung nahm das Ge­richt hier an,

  • weil das Aus­schei­den des Klägers Teil ei­nes um­fas­sen­den Per­so­nal­ab­baus war und der Kläger sei­nen Ar­beits­plat­z­er­halt da­mit hätte er­kau­fen müssen, dass an sei­ner Stel­le "ein an­de­rer Ar­beit­neh­mer hätte aus­schei­den müssen",
  • weil er schon zum zwei­ten Mal dem An­sin­nen aus­ge­setzt war, ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag zu un­ter­zeich­nen, und auch der Be­triebs­rat ihm da­zu ge­ra­ten hat­te, so dass ei­ne dau­er­haf­te Auf­recht­er­hal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses als aus­sichts­los er­schien, und
  • weil die im Auf­he­bungs­ver­trag vor­ge­se­he­ne Out­pla­ce­ment-Maßnah­me zeig­te, dass "sich der Kläger nicht ein­fach acht­los über die In­ter­es­sen der Ver­si­cher­ten­ge­mein­schaft hin­weg­ge­setzt hat."

Fa­zit: Die hier im Streit­fall ver­ein­bar­te Ab­fin­dung beträgt bei gut acht Jah­ren dau­ern­der Beschäfti­gung et­wa 9.500,00 EUR pro Beschäfti­gungs­jahr und da­mit mögli­cher­wei­se et­wa zwei (!) Gehälter pro Jahr. Das ist un­gefähr das Vier­fa­che ei­ner "nor­ma­len" Ab­fin­dung, die hier viel­leicht bei grob über­schla­gen 20.000,00 EUR ge­le­gen hätte. Un­ter sol­chen Umständen kann man den durch die Sperr­zeit be­ding­ten fi­nan­zi­el­len Ver­lust, der auch bei gu­ten Gehältern höchs­tens bei et­wa 7.000,00 bis 8.000,00 EUR liegt, ver­schmer­zen.

Dass der Ar­beit­neh­mer hier ei­ne Ver­rin­ge­rung der Sperr­zeit­dau­er von zwölf auf sechs Wo­chen er­rei­chen konn­te, ist ei­ne Ein­zel­fall­ent­schei­dung und kann da­her auf an­de­re Fälle nicht über­tra­gen wer­den. Bei ge­rin­ge­ren Ab­fin­dungs­sum­men kann ei­ne Sperr­zeit die (Auf­bes­se­rung der) Ab­fin­dung oh­ne wei­te­res auf­fres­sen. Da­her ist das hier vom Ar­beit­neh­mer gewähl­te Vor­ge­hen nicht all­ge­mein zur Nach­ah­mung emp­foh­len.

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Letzte Überarbeitung: 5. Januar 2019

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