HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 12/096

Kün­di­gung in der Pro­be­zeit we­gen Lü­ge bei der Ein­stel­lung

Öf­fent­li­che Ar­beit­ge­ber dür­fen bei der Ein­stel­lung nach bis­he­ri­gen Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men fra­gen - Fal­sche Aus­kunft kann Kün­di­gung recht­fer­ti­gen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 12.01.2012, 5 Sa 339/11
Fragenkatalog für Bewerbungsgespräch

05.03.2012. Im Be­wer­bungs­ge­spräch wer­den vie­le Fra­gen ge­stellt, meist vom Ar­beit­ge­ber. Und man­che Fra­ge ist recht­lich un­zu­läs­sig, weil sie ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung des Stel­len­be­wer­bers be­inhal­ten wür­de, so z.B. die Fra­ge nach ei­ner Schwan­ger­schaft oder nach ei­ner Schwer­be­hin­de­rung. An­de­rer­seits be­steht ein Recht des Ar­beit­ge­bers, den Be­wer­ber vor Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags nach al­len mög­li­chen Din­gen zu fra­gen, wenn der Ar­beit­ge­ber ein sach­lich be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Auf­klä­rung die­ser Din­ge hat (Fra­ge­recht des Ar­beit­ge­bers).

Wo hier die Gren­ze zwi­schen ei­ner be­rech­tig­ten und un­zu­läs­si­gen Fra­ge ver­läuft, ist oft nicht klar. Für den Be­wer­ber ist das stres­sig, denn be­ant­wor­tet er ei­ne zu­läs­si­ge Fra­ge des Ar­beit­ge­bers falsch, ver­stößt er ge­gen sei­ne Aus­kunfts­pflicht und ris­kiert, das Ar­beits­ver­hält­nis spä­ter durch Kün­di­gung oder An­fech­tung wie­der zu ver­lie­ren, falls die Lü­ge her­aus­kommt.

In ei­nem ak­tu­el­len Ur­teil hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein ent­schie­den, dass öf­fent­li­che Ar­beit­ge­ber nach Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men oh­ne sach­li­che Ein­gren­zung, d.h. un­ein­ge­schränkt fra­gen kön­nen (LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 12.01.2012, 5 Sa 339/11).

Fra­ge­recht des Ar­beit­ge­bers bei der Be­wer­bung - auch nach al­len bis­he­ri­gen Dis­zi­pli­nar­maßnah­men?

Stellt der Ar­beit­ge­ber ei­nem Be­wer­ber ei­ne recht­lich ver­bo­te­ne Fra­ge, hat der Stel­len­be­wer­ber ein „Recht zur Lüge“, d.h. er darf die Fra­ge falsch be­ant­wor­ten. Ist ei­ne Fra­ge da­ge­gen rech­tens, dro­hen bei ei­ner un­wah­ren Ant­wort schwer­wie­gen­de Kon­se­quen­zen für das Ar­beits­verhält­nis. So kann der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis durch ei­ne außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung oder durch die An­fech­tung des Ar­beits­ver­tra­ges mit so­for­ti­ger Wir­kung be­en­den, wenn er später von der Lüge bei der Be­wer­bung erfährt.

Lei­der gibt es vie­le Fra­gen, die we­der all­ge­mein un­zulässig noch all­ge­mein zulässig sind. Hier kommt es viel­mehr auf ein sach­lich be­rech­tig­tes In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an. So darf der Ar­beit­ge­ber z.B. nur nach Vor­stra­fen und lau­fen­den Er­mitt­lungs­ver­fah­ren fra­gen, die ei­nen Be­zug zum Ar­beits­platz ha­ben. Da­her darf ein Kraft­fah­rer bei­spiels­wei­se nach Straßen­ver­kehrs­de­lik­ten ge­fragt wer­den.

Aber muss der öffent­li­che Ar­beit­ge­ber auch die Fra­ge nach frühe­ren Dis­zi­pli­nar­maßnah­men sach­lich ein­gren­zen - oder kann er hier (an­ders als bei der Vor­stra­fen­fra­ge) nach al­len mögli­chen Dis­zi­pli­nar­maßnah­men fra­gen?

LAG Schles­wig-Hol­stein: Öffent­li­che Ar­beit­ge­ber ha­ben ein sach­li­ches In­ter­es­se an der Mit­tei­lung sämt­li­cher frühe­rer Dis­zi­pli­nar­maßnah­men

Das Land Schles­wig-Hol­stein hat­te ei­nem ge­ra­de erst ein­ge­stell­ten Gym­na­si­al­leh­rer für Sport und Re­li­gi­on in der Pro­be­zeit or­dent­lich gekündigt, nach­dem er we­gen ei­nes an­geb­li­chen „Dis­tanz-Nähe-Pro­blems“ im Verhält­nis zu sei­nen Schülern ne­ga­tiv auf­ge­fal­len war. Bei die­ser Ge­le­gen­heit stell­te sich auch her­aus, dass er - trotz kon­kre­ter Nach­fra­ge im Ein­stel­lungs­fra­ge­bo­gen - ei­ne Dis­zi­pli­nar­maßnah­me ver­schwie­gen hat­te: Er war nämlich während sei­nes Re­fe­ren­da­ri­ats we­gen ex­hi­bi­tio­nis­ti­scher Hand­lun­gen vor­zei­tig aus dem Be­am­ten­verhält­nis ent­las­sen wor­den.

Sei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat­te we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Ne­umüns­ter (Ur­teil vom 13.07.2011, 1 Ca 154 c/11) noch vor dem LAG Er­folg. Denn da das Land während der ers­ten sechs Mo­na­te des Ar­beits­verhält­nis­ses gekündigt hat­te, konn­te sich der Leh­rer oh­ne­hin nicht auf das Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) be­ru­fen, d.h. er hat­te nur ei­nen ex­trem ein­ge­schränk­ten Kündi­gungs­schutz. Das Land konn­te da­her auch oh­ne Grund kündi­gen, so­lan­ge die Kündi­gung nicht willkürlich war.

Und von Willkür konn­te hier kei­ne Re­de sein, so das LAG. Denn selbst wenn die Kündi­gung al­lein mit dem Schwin­del bei der Ein­stel­lung be­gründet wor­den wäre, wäre sie nicht willkürlich, da die Fra­ge nach frühe­ren Dis­zi­pli­nar­maßnah­men rech­tens war.

Fa­zit: Öffent­li­che Ar­beit­ge­ber ha­ben "in al­ler Re­gel" ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, von sämt­li­chen früher ein­mal verhäng­ten Dis­zi­pli­nar­maßnah­men zu er­fah­ren. Denn an­ders als Vor­stra­fen wer­den Dis­zi­pli­nar­maßnah­men als Re­ak­ti­on auf pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten im Amt verhängt. Da­her be­steht ein sach­li­cher Zu­sam­men­hang zu der Fra­ge der Stel­len­be­set­zung. Nach An­sicht des LAG ist die Fra­ge nach frühe­ren Dis­zi­pli­nar­maßnah­men oh­ne Ein­schränkun­gen rech­tens.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 25. März 2015

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 3.5 von 5 Sternen (3 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de