HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerfG, Ur­teil vom 24.09.2003, 2 BvR 1436/02

   
Schlagworte: Kopftuch, Diskriminierung: Religion
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 2 BvR 1436/02
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.09.2003
   
Leitsätze: 1. Ein Verbot für Lehrkräfte, in Schule und Unterricht ein Kopftuch zu tragen, findet im geltenden Recht des Landes Baden-Württemberg keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage.
2. Der mit zunehmender religiöser Pluralität verbundene gesellschaftliche Wandel kann für den Gesetzgeber Anlass zu einer Neubestimmung des zulässigen Ausmaßes religiöser Bezüge in der Schule sein.
Vorinstanzen:
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 2 BvR 1436/02 –

Verkündet
am 24.09.2003
Seiff­ge
Amts­in­spek­to­rin
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

 

In dem Ver­fah­ren
über
die Ver­fas­sungs­be­schwer­de


der Frau L ...

- Be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Dr. Hell­mut Non­nen­ma­cher und Koll.,
Wendt­s­traße 17, 76185 Karls­ru­he -

ge­gen

a) das Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 4. Ju­li 2002 - BVerwG 2 C 21.01 -,
b) das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs Ba­den-Würt­tem­berg vom 26. Ju­ni 2001 - 4 S 1439/00 -,
c) das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Stutt­gart vom 24. März 2000 - 15 K 532/99 -,
d) den Wi­der­spruchs­be­scheid des Ober­schul­amts Stutt­gart vom 3. Fe­bru­ar 1999 - 1 P L., F./13 -,
e) den Be­scheid des Ober­schul­amts Stutt­gart vom 10. Ju­li 1998

hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Zwei­ter Se­nat - un­ter Mit­wir­kung der Rich­te­rin­nen und Rich­ter

Vi­ze­präsi­dent Has­se­mer,
Som­mer,
Jentsch,
Broß,
Os­ter­loh,
Di Fa­bio,
Mel­ling­hoff,
Lübbe-Wolff

auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 3. Ju­ni 2003 durch

Ur­teil


für Recht er­kannt:

1. Das Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 4. Ju­li 2002 - BVerwG 2 C 21.01 -, das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofs Ba­den-Würt­tem­berg vom 26. Ju­ni 2001 - 4 S 1439/00 -, das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts Stutt­gart vom 24. März 2000 - 15 K 532/99 - und der Be­scheid des Ober­schul­amts Stutt­gart vom 10. Ju­li 1998 in der Ge­stalt des Wi­der­spruchs­be­scheids vom 3. Fe­bru­ar 1999 - 1 P L., F./13 - ver­let­zen die Be­schwer­deführe­rin in ih­ren Rech­ten aus Ar­ti­kel 33 Ab­satz 2 in Ver­bin­dung mit Ar­ti­kel 4 Ab­satz 1 und 2 und mit Ar­ti­kel 33 Ab­satz 3 des Grund­ge­set­zes. Das Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts wird auf­ge­ho­ben. Die Sa­che wird an das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.
2. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und das Land Ba­den-Würt­tem­berg ha­ben der Be­schwer­deführe­rin die not­wen­di­gen Aus­la­gen für das Ver­fas­sungs­be­schwer­de-Ver­fah­ren je zur Hälf­te zu er­stat­ten.

 

Gründe:

A.

 

1 Die Be­schwer­deführe­rin be­gehrt die Ein­stel­lung in den Schul­dienst des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg. Mit ih­rer Ver­fas­sungs­be­schwer­de wen­det sie sich ge­gen die von den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten bestätig­te Ent­schei­dung des Ober­schul­amts Stutt­gart, durch die ih­re Be­ru­fung in ein Be­am­ten­verhält­nis auf Pro­be als Leh­re­rin an Grund- und Haupt­schu­len mit der Be­gründung ab­ge­lehnt wor­den ist, ihr feh­le we­gen der erklärten Ab­sicht, in Schu­le und Un­ter­richt ein Kopf­tuch zu tra­gen, die für das Amt er­for­der­li­che Eig­nung.

I.

2 1. Die 1972 in Ka­bul/Af­gha­nis­tan ge­bo­re­ne Be­schwer­deführe­rin lebt seit 1987 un­un­ter­bro­chen in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und hat 1995 die deut­sche Staats­an­gehörig­keit er­wor­ben. Sie ist mus­li­mi­schen Glau­bens. Nach Ab­le­gung der Ers­ten Staats­prüfung und Ab­leis­tung des Vor­be­rei­tungs­diens­tes be­stand die Be­schwer­deführe­rin 1998 die Zwei­te Staats­prüfung für das Lehr­amt an Grund- und Haupt­schu­len mit dem Schwer­punkt Haupt­schu­le und den Aus­bil­dungsfächern Deutsch, Eng­lisch und Ge­mein­schafts­kun­de/Wirt­schafts­leh­re.
3 2. Den An­trag der Be­schwer­deführe­rin auf Ein­stel­lung in den Schul­dienst an Grund- und Haupt­schu­len des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg lehn­te das Ober­schul­amt Stutt­gart we­gen man­geln­der persönli­cher Eig­nung ab. Zur Be­gründung wur­de aus­geführt, die Be­schwer­deführe­rin sei nicht be­reit, während des Un­ter­richts auf das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs zu ver­zich­ten. Das Kopf­tuch sei Aus­druck kul­tu­rel­ler Ab­gren­zung und da­mit nicht nur re­li­giöses, son­dern auch po­li­ti­sches Sym­bol. Die mit dem Kopf­tuch ver­bun­de­ne ob­jek­ti­ve Wir­kung kul­tu­rel­ler Des­in­te­gra­ti­on las­se sich mit dem Ge­bot der staat­li­chen Neu­tra­lität nicht ver­ein­ba­ren.
4 3. In ih­rem Wi­der­spruch mach­te die Be­schwer­deführe­rin gel­tend, das Tra­gen des Kopf­tuchs sei nicht nur Merk­mal ih­rer Persönlich­keit, son­dern auch Aus­druck ih­rer re­li­giösen Über­zeu­gung. Nach den Vor­schrif­ten des Is­lam gehöre das Kopf­tuch­t­ra­gen zu ih­rer is­la­mi­schen Iden­tität. Die Ab­leh­nungs­ent­schei­dung ver­let­ze das Grund­recht auf Re­li­gi­ons­frei­heit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG. Trotz der Ver­pflich­tung des Staa­tes, in Glau­bens­fra­gen Neu­tra­lität zu be­wah­ren, müsse er bei der Erfüllung des Er­zie­hungs­auf­trags nach Art. 7 Abs. 1 GG nicht völlig auf re­li­giös-welt­an­schau­li­che Bezüge ver­zich­ten, son­dern ha­be ei­nen scho­nen­den Aus­gleich zwi­schen den wi­der­strei­ten­den In­ter­es­sen zu ermögli­chen. An­ders als beim Kru­zi­fix han­de­le es sich beim Kopf­tuch nicht um ein Glau­bens­sym­bol. Zu­dem ge­he es hier um ihr in­di­vi­du­el­les und re­li­giös mo­ti­vier­tes Han­deln als Grund­recht­sträge­rin.
5 4. Das Ober­schul­amt Stutt­gart wies den Wi­der­spruch der Be­schwer­deführe­rin zurück. Zwar ver­bie­te Art. 33 Abs. 3 GG die Ab­leh­nung ei­nes Be­wer­bers al­lein we­gen sei­nes re­li­giösen Be­kennt­nis­ses; er schließe aber nicht aus, an ei­ne mit dem Be­kennt­nis ver­bun­de­ne man­geln­de Eig­nung für den öffent­li­chen Dienst an­zu­knüpfen. Das Tra­gen des Kopf­tuchs aus Glau­bens­gründen fal­le zwar in den Schutz­be­reich des Art. 4 Abs. 1 GG. Die Re­li­gi­ons­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin wer­de durch das Grund­recht auf ne­ga­ti­ve Re­li­gi­ons­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler, das Er­zie­hungs­recht der El­tern aus Art. 6 Abs. 2 GG so­wie die Ver­pflich­tung des Staa­tes zu welt­an­schau­li­cher und re­li­giöser Neu­tra­lität aber ein­ge­schränkt. Auch wenn die Be­schwer­deführe­rin nicht für ih­re Glau­bensüber­zeu­gung mis­sio­nie­re, brin­ge sie doch durch das Tra­gen des Kopf­tuchs während des Un­ter­richts je­der­zeit und oh­ne dass sich die Schüler dem ent­zie­hen könn­ten, ih­re Zu­gehörig­keit zum Is­lam zum Aus­druck; da­mit zwin­ge sie die Schüler, sich mit die­ser Glau­bensäußerung aus­ein­an­der zu set­zen. Als jun­ge Men­schen mit noch nicht ge­fes­tig­ter Persönlich­keit sei­en sie für Ein­flüsse je­der Art in be­son­de­rer Wei­se of­fen. Maßgeb­lich sei in­so­weit al­lein die ob­jek­ti­ve Wir­kung des Kopf­tuchs. Ge­ra­de für Schüle­rin­nen mus­li­mi­schen Glau­bens könne hier ein er­heb­li­cher An­pas­sungs­druck ent­ste­hen; das wi­derspräche dem pädago­gi­schen Auf­trag der Schu­le, auf In­te­gra­ti­on der mus­li­mi­schen Schüle­rin­nen und Schüler hin­zu­wir­ken.
6 5. Das Ver­wal­tungs­ge­richt Stutt­gart wies die Kla­ge der Be­schwer­deführe­rin ab und führ­te zur Be­gründung aus: Das re­li­giös mo­ti­vier­te Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs durch ei­ne Leh­re­rin stel­le ei­nen Eig­nungs­man­gel im Sin­ne des § 11 Abs. 1 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Ba­den-Würt­tem­berg (LBG) dar. Der Re­li­gi­ons­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin stünden die Neu­tra­litäts­pflicht des Staa­tes und die Rech­te der Schüler und ih­rer El­tern ge­genüber.
7 Das von der Be­schwer­deführe­rin ge­tra­ge­ne Kopf­tuch de­mons­trie­re auf­fal­lend und ein­drucks­voll ihr Be­kennt­nis zum Is­lam; da­bei sei un­er­heb­lich, dass das Kopf­tuch, an­ders als das Kru­zi­fix für den christ­li­chen Glau­ben, nicht als sym­bo­li­scher In­be­griff des is­la­mi­schen Glau­bens gel­te. Auf­grund der all­ge­mei­nen Schul­pflicht und des feh­len­den Ein­flus­ses der Schüler auf die Aus­wahl ih­rer Leh­rer be­ste­he für die Schüler kei­ne Aus­weichmöglich­keit. Dar­aus er­ge­be sich die Ge­fahr ei­ner - auch un­ge­woll­ten - Be­ein­flus­sung durch den als Re­spekts­per­son emp­fun­de­nen Leh­rer.
8 6. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung wies der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof Ba­den-Würt­tem­berg zurück. Im Rah­men der Er­mes­sens­ent­schei­dung über die Ein­stel­lung ei­nes Be­wer­bers sei bei der Be­ur­tei­lung, ob der Be­wer­ber ge­eig­net sei, ei­ne ge­richt­lich nur be­schränkt über­prüfba­re Pro­gno­se an­zu­stel­len. Zur Eig­nung gehöre auch die Er­war­tung, dass der Be­wer­ber sei­ne Pflich­ten als Be­am­ter erfüllen wer­de. Die Einschätzung, der Be­schwer­deführe­rin feh­le we­gen des von ihr aus re­li­giösen Gründen be­ab­sich­tig­ten Tra­gens ei­nes Kopf­tuchs im Un­ter­richt die Eig­nung für das an­ge­streb­te Amt ei­ner Grund- und Haupt­schul­leh­re­rin im öffent­li­chen Schul­dienst, sei nicht zu be­an­stan­den. Die persönli­che Eig­nung von Leh­rern sei auch da­nach zu be­stim­men, in­wie­weit sie in der La­ge sei­en, die auf der Grund­la­ge des Art. 7 Abs. 1 GG fest­ge­leg­ten Er­zie­hungs­zie­le um­zu­set­zen und den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag zu erfüllen. Man­gels ursäch­li­cher An­knüpfung an die Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit ver­s­toße der Dienst­herr nicht ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des Art. 33 Abs. 3 GG, wenn er die Ein­stel­lung ab­leh­ne, weil ein Be­wer­ber die ver­fas­sungs­recht­lich ge­zo­ge­nen Gren­zen im Un­ter­richt aus re­li­giösen Gründen nicht ein­hal­ten wol­le.
9 In der Schu­le träfen die un­ter­schied­li­chen re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Über­zeu­gun­gen der Schüler und ih­rer El­tern be­son­ders in­ten­siv auf­ein­an­der. Der sich hier­aus er­ge­ben­de Kon­flikt er­for­de­re ei­nen Aus­gleich in prak­ti­scher Kon­kor­danz. Da­bei müsse der Staat auf re­li­giös-welt­an­schau­li­che Bezüge in der Schu­le nicht völlig ver­zich­ten. Auch müsse der Dienst­herr bei der Eig­nungs­be­ur­tei­lung die Grund­rech­te des Be­wer­bers be­ach­ten. Die Wahr­neh­mung der Re­li­gi­ons- und Be­kennt­nis­frei­heit könne des­halb für sich al­lein kein Aus­schluss­grund sein. Das von der Be­schwer­deführe­rin be­ab­sich­tig­te re­li­giös mo­ti­vier­te Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs auch im Un­ter­richt würde aber ge­gen das vom Staat im Schul­be­reich zu be­ach­ten­de Neu­tra­litäts­ge­bot und ge­gen die Grund­rech­te der Schüler und ih­rer El­tern und da­mit ge­gen die der Be­schwer­deführe­rin als Re­präsen­tan­tin des Staa­tes ob­lie­gen­de Dienst­pflicht zur un­par­tei­ischen, dem Wohl der All­ge­mein­heit die­nen­den Amtsführung ver­s­toßen.
10 Die dem Staat vom Grund­ge­setz auf­er­leg­te Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität sei kei­ne dis­tan­zie­ren­de, ab­wei­sen­de im Sin­ne der lai­zis­ti­schen Nich­ti­denti­fi­ka­ti­on mit Re­li­gio­nen und Welt­an­schau­un­gen, son­dern ei­ne re­spek­tie­ren­de, "vor­sor­gen­de" Neu­tra­lität, die den Staat ver­pflich­te, dem Ein­zel­nen wie auch den Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten ei­nen Betäti­gungs­raum zu si­chern. Im Sin­ne die­ser vor­sor­gen­den Neu­tra­lität dürfe der Staat in­des den re­li­giösen Frie­den in der Schu­le nicht von sich aus gefähr­den. Die Schüler sei­en im Un­ter­richt oh­ne Aus­weichmöglich­kei­ten re­li­giösen Sym­bo­len aus­ge­setzt; hier schütze das Ge­bot staat­li­cher Neu­tra­lität vor­ran­gig die ne­ga­ti­ve Be­kennt­nis­frei­heit an­dersgläubi­ger Schüler und das Recht der El­tern zur Kin­der­er­zie­hung in re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Hin­sicht.
11 Das Tra­gen des Kopf­tuchs durch ei­ne Leh­re­rin im Un­ter­richt könne zu ei­ner re­li­giösen Be­ein­flus­sung der Schüler und zu Kon­flik­ten in­ner­halb der je­wei­li­gen Schul­klas­se führen, auch wenn die Be­schwer­deführe­rin glaub­haft jeg­li­che Ab­sicht der Wer­bung und Mis­sio­nie­rung ver­neint ha­be. Ent­schei­dend sei al­lein die Wir­kung, die durch den An­blick des Kopf­tuchs bei den Schülern ein­tre­te. Es han­de­le sich beim is­la­misch mo­ti­vier­ten Kopf­tuch um ein deut­lich sicht­ba­res re­li­giöses Sym­bol, dem sich der Be­trach­ter nicht ent­zie­hen könne. Ins­be­son­de­re Grundschüler sei­en kaum in der La­ge, die re­li­giöse Mo­ti­va­ti­on für das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs in­tel­lek­tu­ell zu ver­ar­bei­ten und sich be­wusst für To­le­ranz oder Kri­tik zu ent­schei­den. Die dar­in lie­gen­de Ge­fahr der re­li­giösen Be­ein­flus­sung sei mit dem ge­bo­te­nen Schutz der ne­ga­ti­ven Be­kennt­nis­frei­heit von Schülern und El­tern nicht mehr zu ver­ein­ba­ren und ste­he im Ge­gen­satz zum staat­li­chen Neu­tra­litäts­ge­bot. Zu­dem stel­le die be­reits vor­beu­gen­de Ver­hin­de­rung re­li­giös be­ding­ter Kon­flik­te in der Schu­le, wie sie hier nach der Le­bens­er­fah­rung hin­rei­chend ab­seh­bar sei­en, ein le­gi­ti­mes Ziel staat­li­cher Schul­ge­stal­tung dar. Ei­ne zu­mut­ba­re prag­ma­ti­sche Lösung des Kon­flikts, der ei­ne wei­ter ge­hen­de Berück­sich­ti­gung der Be­kennt­nis­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin er­lau­be, sei an­ge­sichts des an Grund- und Haupt­schu­len vor­herr­schen­den Klas­sen­leh­rer­prin­zips und we­gen schul­or­ga­ni­sa­to­ri­scher Schwie­rig­kei­ten bei Schul- und Klas­sen­wech­sel nicht möglich.
12 7. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wies die Re­vi­si­on der Be­schwer­deführe­rin zurück. Die Ein­stel­lung in den öffent­li­chen Schul­dienst sei zu­tref­fend von der Be­reit­schaft der Be­schwer­deführe­rin abhängig ge­macht wor­den, das Kopf­tuch im Un­ter­richt ab­zu­le­gen.
13 Da die Be­schwer­deführe­rin das Be­klei­dungs­ge­bot aus ih­rem Glau­ben ab­lei­te, ge­nieße sie den Schutz des Grund­rechts aus Art. 4 Abs. 1 GG und des grund­rechts­glei­chen Rechts aus Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG. Trotz feh­len­den Ge­set­zes­vor­be­halts sei die Glau­bens­frei­heit nicht schran­ken­los gewähr­leis­tet. Ein­schränkun­gen ergäben sich aus der Ver­fas­sung selbst, ins­be­son­de­re aus kol­li­die­ren­den Grund­rech­ten An­ders­den­ken­der. Art. 4 Abs. 1 GG ver­lei­he dem Ein­zel­nen auch kei­nen un­ein­ge­schränk­ten An­spruch dar­auf, sei­ne Glau­bensüber­zeu­gung im Rah­men staat­li­cher Ein­rich­tun­gen zu betäti­gen oder mit staat­li­cher Un­terstützung zum Aus­druck zu brin­gen. Aus der um­fas­send gewähr­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit fol­ge das Ge­bot staat­li­cher Neu­tra­lität ge­genüber den un­ter­schied­li­chen Re­li­gio­nen und Be­kennt­nis­sen. In dem vom Staat or­ga­ni­sier­ten und ge­stal­te­ten Le­bens­be­reich der be­kennt­nis­frei­en Pflicht­schu­le kom­me Art. 4 Abs. 1 GG frei­heits­si­chern­de Be­deu­tung vor­nehm­lich zu­guns­ten der schul­pflich­ti­gen Kin­der und ih­rer El­tern zu. Der Staat müsse hier­bei auch auf die Re­li­gi­ons­frei­heit der El­tern und das ih­nen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewähr­leis­te­te Er­zie­hungs­recht Rück­sicht neh­men. Kin­der sei­en in öffent­li­chen Pflicht­schu­len oh­ne jeg­li­che Par­tei­nah­me des Staa­tes und der ihn re­präsen­tie­ren­den Lehr­kräfte für christ­li­che Be­kennt­nis­se oder für an­de­re re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Über­zeu­gun­gen zu un­ter­rich­ten und zu er­zie­hen. Das Neu­tra­litäts­ge­bot ge­win­ne mit wach­sen­der kul­tu­rel­ler und re­li­giöser Viel­falt - bei ei­nem wach­sen­den An­teil be­kennt­nis­lo­ser Schüler - zu­neh­mend an Be­deu­tung und sei nicht et­wa im Hin­blick dar­auf auf­zu­lo­ckern, dass die kul­tu­rel­le, eth­ni­sche und re­li­giöse Viel­falt in Deutsch­land in­zwi­schen auch das Le­ben in der Schu­le präge.
14 We­gen der Be­deu­tung, die Mus­li­me dem "is­la­mi­schen Kopf­tuch" bei­leg­ten, sei es auch für an­de­re sinn­bild­li­cher Aus­druck ei­ner be­stimm­ten Glau­bensüber­zeu­gung und wer­de all­ge­mein als Be­kennt­nis zum is­la­mi­schen Glau­ben ver­stan­den. Das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs durch die Leh­re­rin im Un­ter­richt führe da­zu, dass die Schüler während der Un­ter­richts­zeit von Staats we­gen ständig und un­aus­weich­lich mit die­sem of­fen­kun­di­gen Sym­bol ei­ner Glau­bensüber­zeu­gung kon­fron­tiert würden. Hier­bei han­de­le es sich nach Dau­er und In­ten­sität nicht um ei­ne für die Glau­bens­frei­heit der Schüler un­er­heb­li­che Ba­ga­tel­le. Die Leh­re­rin tre­te den Schülern als vom Staat be­ru­fe­ne und ihn re­präsen­tie­ren­de Au­to­ritäts­per­son ge­genüber. Ob ihr sicht­ba­res Zei­chen ei­nes re­li­giösen Be­kennt­nis­ses Ein­fluss auf die Schüler ha­be, sei zwar schwie­rig ein­zuschätzen; Ein­wir­kun­gen der durch das Kopf­tuch sym­bo­li­sier­ten Glau­bens­in­hal­te auf Schüler im Grund- und Haupt­schul­al­ter von vier bis vier­zehn Jah­ren ließen sich aber je­den­falls nicht aus­sch­ließen.
15 Das Recht der Leh­re­rin, sich gemäß ih­rer re­li­giösen Über­zeu­gung zu ver­hal­ten, müsse während des Schul­un­ter­richts ge­genüber der kon­kur­rie­ren­den Glau­bens­frei­heit der Schüler und El­tern zurück­tre­ten. We­der das Ge­bot der To­le­ranz noch der Grund­satz der prak­ti­schen Kon­kor­danz zwängen da­zu, das El­tern­recht und die Glau­bens­frei­heit der El­tern und der Schüler ei­ner öffent­li­chen Schu­le zu­guns­ten ei­ner ein Kopf­tuch tra­gen­den Leh­re­rin zurück­zu­drängen. Leh­rer müss­ten gemäß Art. 33 Abs. 5 GG Ein­schränkun­gen ih­rer po­si­ti­ven Be­kennt­nis­frei­heit hin­neh­men, die er­for­der­lich sei­en, um ei­nen Schul­un­ter­richt in ei­nem Um­feld re­li­giöser Neu­tra­lität si­cher zu stel­len.

II.

16 Mit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de wen­det sich die Be­schwer­deführe­rin ge­gen die im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren und im Ver­fah­ren vor den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten er­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen. Sie rügt die Ver­let­zung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 3 Satz 1, Art. 4 Abs. 1 und 2 so­wie von Art. 33 Abs. 2 und 3 GG.
17 Auch ei­ner Kopf­tuch tra­gen­den mus­li­mi­schen Be­wer­be­rin ste­he ver­fas­sungs­recht­lich ein sub­jek­ti­ves Recht auf Ein­stel­lung nach Maßga­be des Art. 33 Abs. 2 GG zu. Die Zu­las­sung zu öffent­li­chen Ämtern ha­be un­abhängig von ei­nem re­li­giösen Be­kennt­nis zu er­fol­gen (Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GG), oh­ne dass dem Be­wer­ber in­so­weit Nach­tei­le er­wach­sen dürf­ten (Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG). Das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs sei da­nach kein Eig­nungs­man­gel.
18 Die Fach­ge­rich­te leg­ten ih­ren Ent­schei­dun­gen ei­ne ge­wan­del­te Auf­fas­sung des staat­li­chen Neu­tra­litäts­ge­bots in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu­grun­de. Die­ses strik­te Neu­tra­litäts­verständ­nis führe zur Zurück­drängung der Möglich­keit, dass ein Be­am­ter sich während des Diens­tes zu sei­ner re­li­giösen Hal­tung be­ken­ne. Im Ge­gen­satz zu ei­nem lai­zis­ti­schen Staat sei die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land auch im Be­reich der Schu­le von Ver­fas­sungs we­gen of­fen für ei­ne re­li­giöse Betäti­gung und be­fol­ge ei­ne so ge­nann­te überg­rei­fen­de, of­fe­ne und re­spek­tie­ren­de Neu­tra­lität. Die Schu­le sei kein Re­fu­gi­um, in dem die Au­gen vor der ge­sell­schaft­li­chen Plu­ra­lität und Rea­lität ver­schlos­sen wer­den könn­ten. Viel­mehr ha­be die Schu­le den Er­zie­hungs­auf­trag, die Her­an­wach­sen­den auf das vor­zu­be­rei­ten, was ih­nen in der Ge­sell­schaft be­geg­ne.
19 Die maßgeb­li­chen Aus­sa­gen in der Kru­zi­fix-Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts sei­en auf den vor­lie­gen­den Fall nicht über­trag­bar. Während es dort um ein re­li­giöses Sym­bol ge­gan­gen sei, des­sen An­brin­gung von der staat­li­chen Ein­rich­tung Schu­le ver­ant­wor­tet wer­de, sei hier die Be­schwer­deführe­rin als Grund­recht­sträge­rin in ih­rem sub­jek­ti­ven Recht auf Glau­bens­frei­heit be­trof­fen. Ei­ne Ein­schränkung der Grund­rechts­ausübung kom­me bei vor­be­halt­los gewähr­leis­te­ten Grund­rech­ten nur im Fal­le kon­kre­ter Gefähr­dung in Be­tracht. Hier­an feh­le es; ei­ne an­geb­li­che Sug­ges­tiv­kraft des Kopf­tuchs und die be­haup­te­te Möglich­keit schädli­cher psy­chi­scher Be­ein­flus­sung sei­en nicht be­legt. Im Vor­be­rei­tungs­dienst der Be­schwer­deführe­rin sei es nicht zu Kon­flik­ten oder zu ernst­haf­ten Schwie­rig­kei­ten ge­kom­men. Die von der Ein­stel­lungs­behörde an­geführ­ten Gefähr­dun­gen sei­en le­dig­lich abs­trakt-theo­re­ti­scher Na­tur. Beim Auf­tre­ten kon­kre­ter Kon­flik­te ge­be es zu­mut­ba­re Lösungsmöglich­kei­ten.

III.

20 Zu der Ver­fas­sungs­be­schwer­de ha­ben sich die Bun­des­re­gie­rung und das Land Ba­den-Würt­tem­berg geäußert.
21 1. Na­mens der Bun­des­re­gie­rung hat das Bun­des­mi­nis­te­ri­um des In­nern aus­geführt, we­der aus Art. 33 Abs. 2 GG noch aus den zu des­sen Kon­kre­ti­sie­rung er­gan­ge­nen lan­des­recht­li­chen Vor­schrif­ten fol­ge ein An­spruch auf Ein­stel­lung in ein öffent­li­ches Amt. Viel­mehr ent­schei­de hierüber der Dienst­herr nach pflicht­gemäßem Er­mes­sen. Für die Eig­nung ei­nes Be­wer­bers kom­me es auf die An­for­de­run­gen des kon­kret zu be­set­zen­den Am­tes an; sie sei auf­grund ei­ner Pro­gno­se fest­zu­stel­len, die ei­ne Würdi­gung der ge­sam­ten Persönlich­keit des Be­wer­bers vor­aus­set­ze. Die Eig­nung für den Schul­dienst um­fas­se die Fähig­keit und die Be­reit­schaft der Lehr­kraft, die sich aus dem Be­am­ten­verhält­nis er­ge­ben­den Dienst­pflich­ten un­ter den kon­kre­ten Be­din­gun­gen des Schul­be­triebs zu erfüllen. Zu den in Art. 33 Abs. 5 GG ver­an­ker­ten her­ge­brach­ten Grundsätzen des Be­rufs­be­am­ten­tums, wel­che die Grund­rech­te der Be­am­ten be­schränk­ten, gehöre die Ver­pflich­tung be­am­te­ter Lehr­kräfte zu ob­jek­ti­ver und neu­tra­ler Amtsführung. Die­se Dienst­pflicht ha­be auch die Ver­pflich­tung zu ei­ner re­li­giös und welt­an­schau­lich neu­tra­len Amtsführung un­ter Re­spek­tie­rung der Stand­punk­te von Schülern und El­tern zum In­halt.
22 Un­abhängig von der sub­jek­ti­ven Einschätzung der Be­schwer­deführe­rin, dass ihr ei­ne De­mons­tra­ti­on ih­res Glau­bens fern lie­ge, kom­me der Ge­fah­ren­pro­gno­se des Dienst­herrn, der Schul­frie­de könne durch das auffälli­ge Er­schei­nungs­bild der Leh­re­rin nach­hal­tig gestört wer­den, großes Ge­wicht zu, ins­be­son­de­re weil die Schüler während des ge­sam­ten Un­ter­richts durch den An­blick des Kopf­tuchs mit dem Aus­druck ei­ner frem­den Re­li­gio­sität oh­ne Aus­weichmöglich­keit kon­fron­tiert sei­en. Ein Dienst­herr, der un­ter die­sen Umständen von ei­ner feh­len­den Eig­nung der Lehr­kraft man­gels um­fas­sen­der Ein­setz­bar­keit aus­ge­he, hal­te den ihm ein­geräum­ten Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ein. Er ver­let­ze auch nicht das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 33 Abs. 3 GG, da die Ab­leh­nung nicht auf dem re­li­giösen Be­kennt­nis, son­dern auf feh­len­der Dis­tanz und Neu­tra­lität der Lehr­kraft be­ru­he. Je­den­falls Leh­rer an Grund- und Haupt­schu­len sei­en ge­hal­ten, auf das Tra­gen ei­nes is­la­mi­schen Kopf­tuchs im Un­ter­richt und da­mit auch in­so­weit auf die Ausübung re­li­giöser Be­kennt­nis­frei­heit zu ver­zich­ten.
23 Eben­so wie beim Kru­zi­fix im Klas­sen­zim­mer sei beim mus­li­mi­schen Kopf­tuch maßgeb­lich, dass auf­grund der all­ge­mei­nen Schul­pflicht - an­ders als bei ei­ner flüch­ti­gen Be­geg­nung im All­tags­le­ben - die dau­ern­de Kon­fron­ta­ti­on mit ei­nem re­li­giösen Sym­bol un­aus­weich­lich sei. Die Ei­gen­schaft der Be­schwer­deführe­rin als Grund­recht­sträge­rin ände­re nichts dar­an, dass das von ihr ver­wen­de­te Sym­bol dem Staat zu­zu­rech­nen sei. Al­ler­dings sei bei der Abwägung zu berück­sich­ti­gen, dass mit dem Tra­gen des re­li­giösen Sym­bols gleich­zei­tig auch ein Grund­recht aus­geübt wer­de. Bei der Su­che nach prak­ti­scher Kon­kor­danz sei ne­ben den kol­li­die­ren­den Grund­rechts­po­si­tio­nen auch das nicht zur Dis­po­si­ti­on ste­hen­de staat­li­che Neu­tra­litäts­ge­bot zu berück­sich­ti­gen. Die­sem könne hier nur durch den Ver­zicht auf das re­li­giöse Sym­bol Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Ei­ne Verschärfung "in Rich­tung auf ein lai­zis­ti­sches Verständ­nis" sei da­mit nicht ver­bun­den. Viel­mehr wer­de le­dig­lich der wach­sen­den Be­deu­tung staat­li­cher Neu­tra­lität bei zu­neh­men­der re­li­giöser Viel­falt der Ge­sell­schaft Rech­nung ge­tra­gen.
24 2. Das Land Ba­den-Würt­tem­berg (Ober­schul­amt Stutt­gart) hat vor­ge­tra­gen, die ver­fas­sungs­recht­li­che Prüfung ha­be sich dar­auf zu be­schränken, ob das Ur­teil des Fach­ge­richts willkürfrei sei und ob es Aus­le­gungs­feh­ler auf­wei­se, die auf ei­ner grundsätz­lich un­rich­ti­gen An­schau­ung von der Be­deu­tung ei­nes Grund­rechts, ins­be­son­de­re vom Um­fang sei­nes Schutz­be­reichs, be­ruh­ten. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be die ver­fas­sungs­recht­li­chen As­pek­te des Fal­les voll­umfäng­lich aus­ge­leuch­tet, ein­ge­hend gewürdigt und ab­ge­wo­gen und sei zu ei­nem zu­tref­fen­den, willkürfrei­en Er­geb­nis ge­langt.
25 So­wohl Art. 33 Abs. 2 GG als auch die Grund­rech­te aus Art. 4 und Art. 6 GG sei­en zu­tref­fend aus­ge­legt und an­ge­wen­det wor­den. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als Ga­ran­tie der ne­ga­ti­ven Re­li­gi­ons­frei­heit si­che­re die Frei­heit vor Be­kun­dun­gen re­li­giöser Mei­nun­gen, de­nen die Schüler sich in der Schu­le nicht ent­zie­hen könn­ten. Da­bei sei zu be­ach­ten, dass Schul­kin­der für men­ta­le Be­ein­flus­sun­gen durch Au­to­ritäts­per­so­nen in­fol­ge ih­rer noch nicht fer­tig aus­ge­form­ten Persönlich­keit be­son­ders zugäng­lich sei­en und in ih­rer Ent­wick­lungs­pha­se in ers­ter Li­nie durch Imi­ta­ti­on des Er­wach­se­nen­ver­hal­tens lern­ten. Da­ne­ben kom­me ins­be­son­de­re bei re­li­gi­ons­unmündi­gen Kin­dern das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht zum Tra­gen.
26 Der Staat ha­be nach Art. 7 Abs. 1 GG ei­nen ei­genständi­gen und dem Art. 6 Abs. 2 GG gleich­ge­ord­ne­ten Er­zie­hungs­auf­trag. Die prak­ti­sche Kon­kor­danz zwi­schen dem staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag und den Rech­ten von El­tern und Kin­dern aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG wer­de da­durch her­ge­stellt, dass der Staat sich re­li­giös und welt­an­schau­lich neu­tral ver­hal­te. Das Neu­tra­litäts­ge­bot ge­win­ne um­so höhe­re Be­deu­tung, je mehr die Ge­sell­schaft re­li­giös vielfältig sei. Die Neu­tra­lität des Staa­tes müsse sich in der Per­son des Leh­rers er­wei­sen. Auch ei­ne überg­rei­fen­de, of­fe­ne und re­spek­tie­ren­de Neu­tra­lität er­lau­be nicht ei­ne in­di­vi­du­el­le Re­li­gi­ons­ausübung als Ema­na­ti­on der Staats­ge­walt. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt ha­be kei­nen ge­wan­del­ten Neu­tra­litäts­be­griff ein­geführt, son­dern le­dig­lich dem Neu­tra­litäts­ge­bot in ei­ner re­li­gi­ons­plu­ra­lis­ti­schen Ge­sell­schaft ei­ne wach­sen­de Be­deu­tung zu­ge­wie­sen. Da das Kopf­tuch den Kin­dern im Schul­un­ter­richt ständig vor Au­gen ste­he, könne die Möglich­keit ei­ner Ein­wir­kung auf sie nicht aus­ge­schlos­sen wer­den; schon da­mit wer­de das Neu­tra­litäts­ge­bot ge­genüber re­li­gi­ons­unmündi­gen Kin­dern ver­letzt.
27 Zur Fra­ge des Ein­flus­ses re­li­giöser Aus­drucks­for­men im staat­li­chen Un­ter­richt auf die Schüle­rin­nen und Schüler hat das Ober­schul­amt Stutt­gart ei­ne sach­verständi­ge Äußerung von Herrn Pro­fes­sor Dr. Dr. h.c. Oser, Fri­bourg/Schweiz, vor­ge­legt.

IV.

28 In der münd­li­chen Ver­hand­lung ha­ben die Be­schwer­deführe­rin und ihr Be­vollmäch­tig­ter so­wie das Land Ba­den-Würt­tem­berg
(Ober­schul­amt Stutt­gart), ver­tre­ten durch Pro­fes­sor Dr. F. Kirch­hof, ihr schriftsätz­li­ches Vor­brin­gen ergänzt und ver­tieft. Als sach­verständi­ge Aus­kunfts­per­so­nen ha­ben sich Frau Dr. Ka­ra­ka­sog­lu, Es­sen, zu den Gründen jun­ger Mus­li­min­nen in Deutsch­land für das An­le­gen ei­nes Kopf­tuchs so­wie Herr Pro­fes­sor Dr. Rie­des­ser, Ham­burg, Herr Pro­fes­sor Dr. Blie­se­ner, Kiel, und Frau Psy­cho­lo­gie­di­rek­to­rin Lei­nen­bach (Ober­schul­amt Stutt­gart) zu Fra­gen ei­ner mögli­chen Be­ein­flus­sung von Kin­dern im Grund- und Haupt­schul­al­ter durch re­li­giöse Sym­bo­le in der Schu­le aus kin­der- und ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­scher Sicht geäußert.

B.

29 Die zulässi­ge Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist be­gründet. Die an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen ver­s­toßen ge­gen Art. 33 Abs. 2 GG in Ver­bin­dung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und mit Art. 33 Abs. 3 GG.
30 Das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs macht im hier zu be­ur­tei­len­den Zu­sam­men­hang die Zu­gehörig­keit der Be­schwer­deführe­rin zur is­la­mi­schen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft und ih­re persönli­che Iden­ti­fi­ka­ti­on als Mus­li­ma deut­lich. Die Qua­li­fi­zie­rung ei­nes sol­chen Ver­hal­tens als Eig­nungs­man­gel für das Amt ei­ner Leh­re­rin an Grund- und Haupt­schu­len greift in das Recht der Be­schwer­deführe­rin auf glei­chen Zu­gang zu je­dem öffent­li­chen Amt aus Art. 33 Abs. 2 GG in Ver­bin­dung mit dem ihr durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewähr­leis­te­ten Grund­recht der Glau­bens­frei­heit ein, oh­ne dass dafür ge­genwärtig die er­for­der­li­che, hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Grund­la­ge be­steht. Da­mit ist der Be­schwer­deführe­rin der Zu­gang zu ei­nem öffent­li­chen Amt in ver­fas­sungs­recht­lich nicht tragfähi­ger Wei­se ver­wehrt wor­den.

I.

31 Die ver­fas­sungs­ge­richt­li­che Kon­trol­le im Rah­men ei­ner Ur­teils­ver­fas­sungs­be­schwer­de be­schränkt sich in der Re­gel auf die Prüfung, ob die an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen bei der Aus­le­gung und An­wen­dung des ein­fa­chen Rechts auf ei­ner grundsätz­lich un­rich­ti­gen Auf­fas­sung von Be­deu­tung und Trag­wei­te des in An­spruch ge­nom­me­nen Grund­rechts be­ru­hen oder willkürlich sind (vgl. hier­zu BVerfGE 18, 85 <93>; stRspr). So­weit al­ler­dings das Ge­richt, des­sen Ent­schei­dung mit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de an­ge­grif­fen wird, Grund­rechts­be­stim­mun­gen un­mit­tel­bar selbst aus­ge­legt und an­ge­wandt hat, ob­liegt es dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, Reich­wei­te und Gren­zen der Grund­rech­te zu be­stim­men und fest­zu­stel­len, ob Grund­rech­te nach ih­rem Um­fang und Ge­wicht in ver­fas­sungs­recht­lich zu­tref­fen­der Wei­se berück­sich­tigt wor­den sind. So liegt es hier. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und auch die Vor­in­stan­zen ha­ben ei­ne be­stimm­te In­ter­pre­ta­ti­on von Art. 33 Abs. 2 GG in Ver­bin­dung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG zur tra­gen­den Grund­la­ge ih­rer Ent­schei­dun­gen ge­macht. Ent­spre­chend sei­ner Auf­ga­be, das Ver­fas­sungs­recht zu be­wah­ren, zu ent­wi­ckeln und fort­zu­bil­den und ins­be­son­de­re die ver­schie­de­nen Funk­tio­nen ei­ner Grund­rechts­norm zu er­sch­ließen (vgl. BVerfGE 6, 55 <72>; 7, 377 <410>), ist das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in­so­weit im Verhält­nis zu den Fach­ge­rich­ten nicht auf die Prüfung be­schränkt, ob die­se das Ver­fas­sungs­recht willkürfrei zu­grun­de ge­legt ha­ben, son­dern hat selbst letzt­ver­bind­lich über des­sen Aus­le­gung und An­wen­dung zu ent­schei­den.

II.

32 1. Art. 33 Abs. 2 GG eröff­net je­dem Deut­schen nach Maßga­be sei­ner Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­chen Leis­tung glei­chen Zu­gang zu je­dem öffent­li­chen Amt.
33 a) Das grund­rechts­glei­che Recht des Art. 33 Abs. 2 GG gewähr­leis­tet das Maß an Frei­heit der Be­rufs­wahl (Art. 12 Abs. 1 GG), das an­ge­sichts der von der je­weils zuständi­gen öffent­lich-recht­li­chen Körper­schaft zulässi­ger­wei­se be­grenz­ten Zahl von Ar­beitsplätzen im öffent­li­chen Dienst möglich ist (vgl. BVerfGE 7, 377 <397 f.>; 39, 334 <369>). Art. 33 Abs. 2 GG ver­mit­telt kei­nen An­spruch auf Über­nah­me in ein öffent­li­ches Amt (vgl. BVerfGE 39, 334 <354>; BVerw­GE 68, 109 <110>). Der Zu­gang zu ei­ner Tätig­keit in ei­nem öffent­li­chen Amt (die Zu­las­sung zum Be­ruf, die gleich­zei­tig die freie Be­rufs­wahl be­trifft) darf ins­be­son­de­re durch sub­jek­ti­ve Zu­las­sungs­vor­aus­set­zun­gen be­schränkt wer­den (vgl. BVerfGE 39, 334 <370>). Dies ge­schieht nach Maßga­be des § 7 des Be­am­ten­rechts­rah­men­ge­set­zes (BRRG) vom 31. März 1999 (BGBl I S. 654) in den Be­am­ten­ge­set­zen der Länder durch Re­ge­lun­gen über die für die Be­ru­fung in ein Be­am­ten­verhält­nis er­for­der­li­chen persönli­chen Vor­aus­set­zun­gen. § 11 Abs. 1 des hier maßgeb­li­chen Lan­des­be­am­ten­ge­set­zes Ba­den-Würt­tem­berg (LBG) in der Fas­sung vom 19. März 1996 (GBl S. 286) be­stimmt, dass Er­nen­nun­gen nach Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­cher Leis­tung oh­ne Rück­sicht auf Ge­schlecht, Ab­stam­mung, Ras­se, Glau­ben, re­li­giöse oder po­li­ti­sche An­schau­un­gen, Her­kunft oder Be­zie­hun­gen vor­zu­neh­men sind.
34

b) Der Ge­setz­ge­ber hat bei der Auf­stel­lung von Eig­nungs­kri­te­ri­en für das je­wei­li­ge Amt und bei der Aus­ge­stal­tung von Dienst­pflich­ten, nach de­nen die Eig­nung von Be­wer­bern für den öffent­li­chen Dienst zu be­ur­tei­len ist, grundsätz­lich ei­ne wei­te Ge­stal­tungs­frei­heit. Gren­zen die­ser Ge­stal­tungs­frei­heit er­ge­ben sich aus den Wer­tent­schei­dun­gen in an­de­ren Ver­fas­sungs­nor­men; ins­be­son­de­re die Grund­rech­te set­zen der Ge­stal­tungs­frei­heit des Ge­setz­ge­bers Schran­ken. Auch im Be­am­ten­verhält­nis be­an­spru­chen die Grund­rech­te Gel­tung, wo­bei der Pflich­ten­kreis des Be­am­ten gemäß Art. 33 Abs. 5 GG des­sen recht­li­che Möglich­keit be­grenzt, von Grund­rech­ten Ge­brauch zu ma­chen (vgl. BVerfGE 39, 334 <366 f.>): Der Grund­rechts­ausübung des Be­am­ten im Dienst können Gren­zen ge­setzt wer­den, die sich aus all­ge­mei­nen An­for­de­run­gen an den öffent­li­chen Dienst oder aus be­son­de­ren Er­for­der­nis­sen des je­wei­li­gen öffent­li­chen Am­tes er­ge­ben (vgl. et­wa BVerw­GE 56, 227 <228 f.>). Wird in­des­sen schon der Zu­gang zu ei­nem öffent­li­chen Amt im Hin­blick auf ein künf­ti­ges Ver­hal­ten des Be­wer­bers ver­wei­gert, das un­ter grund­recht­li­chem Schutz steht, muss sich die An­nah­me ei­nes hier­auf gestütz­ten Eig­nungs­man­gels ih­rer­seits vor dem be­trof­fe­nen Grund­recht recht­fer­ti­gen las­sen.

35 c) Die Be­ur­tei­lung der Eig­nung ei­nes Be­wer­bers für das von ihm an­ge­streb­te öffent­li­che Amt durch den Dienst­herrn be­zieht sich auf die künf­ti­ge Amtstätig­keit des Be­trof­fe­nen und enthält zu­gleich ei­ne Pro­gno­se, die ei­ne kon­kre­te und ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Würdi­gung der ge­sam­ten Persönlich­keit des Be­wer­bers ver­langt (vgl. BVerfGE 39, 334 <353>; 92, 140 <155>). Sie um­fasst auch ei­ne vor­aus­schau­en­de Aus­sa­ge darüber, ob der Be­tref­fen­de die ihm in dem an­ge­streb­ten Amt ob­lie­gen­den be­am­ten­recht­li­chen Pflich­ten erfüllen wird. Bei die­sem pro­gnos­ti­schen Ur­teil steht dem Dienst­herrn ein wei­ter Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu; die Nach­prüfung durch die Fach­ge­rich­te be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf, ob der Dienst­herr von ei­nem un­rich­ti­gen Sach­ver­halt aus­ge­gan­gen ist, den be­am­ten- und ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men ver­kannt, all­ge­mein gülti­ge Wert­maßstäbe nicht be­ach­tet oder sach­frem­de Erwägun­gen an­ge­stellt hat (vgl. BVerfGE 39, 334 <354>; BVerw­GE 61, 176 <186>; 68, 109 <110>; 86, 244 <246>). Die Pro­gno­se des Dienst­herrn über die Eig­nung ei­nes Be­wer­bers um ein öffent­li­ches Amt hat sich an den dem Be­am­ten ob­lie­gen­den Pflich­ten (§§ 35 ff. BRRG; §§ 70 ff. LBG) zu ori­en­tie­ren. Dienst­pflich­ten, de­ren Erfüllung vom Be­wer­ber er­war­tet wird, müssen ge­setz­lich hin­rei­chend be­stimmt sein und die durch sei­ne Grund­rech­te ge­setz­ten Gren­zen be­ach­ten.
36 2. Ei­ne dem Be­am­ten auf­er­leg­te Pflicht, als Leh­rer die ei­ge­ne Zu­gehörig­keit zu ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft in Schu­le und Un­ter­richt nicht durch das Be­fol­gen von re­li­giös be­gründe­ten Be­klei­dungs­re­geln sicht­bar wer­den zu las­sen, greift in die von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürg­te in­di­vi­du­el­le Glau­bens­frei­heit ein. Sie stellt den Be­trof­fe­nen vor die Wahl, ent­we­der das an­ge­streb­te öffent­li­che Amt aus­zuüben oder dem von ihm als ver­pflich­tend an­ge­se­he­nen re­li­giösen Be­klei­dungs­ge­bot Fol­ge zu leis­ten.
37 Art. 4 GG ga­ran­tiert in Ab­satz 1 die Frei­heit des Glau­bens, des Ge­wis­sens und des re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis­ses, in Ab­satz 2 das Recht der un­gestörten Re­li­gi­ons­ausübung. Bei­de Absätze des Art. 4 GG ent­hal­ten ein um­fas­send zu ver­ste­hen­des ein­heit­li­ches Grund­recht (vgl. BVerfGE 24, 236 <245 f.>; 32, 98 <106>; 44, 37 <49>; 83, 341 <354>). Es er­streckt sich nicht nur auf die in­ne­re Frei­heit, zu glau­ben oder nicht zu glau­ben, son­dern auch auf die äußere Frei­heit, den Glau­ben zu be­kun­den und zu ver­brei­ten (vgl. BVerfGE 24, 236 <245>). Da­zu gehört auch das Recht des Ein­zel­nen, sein ge­sam­tes Ver­hal­ten an den Leh­ren sei­nes Glau­bens aus­zu­rich­ten und sei­ner in­ne­ren Glau­bensüber­zeu­gung gemäß zu han­deln. Dies be­trifft nicht nur im­pe­ra­ti­ve Glau­benssätze, son­dern auch sol­che re­li­giösen Über­zeu­gun­gen, die ein Ver­hal­ten als das zur Bewälti­gung ei­ner Le­bens­la­ge rich­ti­ge be­stim­men (vgl. BVerfGE 32, 98 <106 f.>; 33, 23 <28>; 41, 29 <49>).
38 Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürg­te Glau­bens­frei­heit ist vor­be­halt­los gewähr­leis­tet. Ein­schränkun­gen müssen sich da­her aus der Ver­fas­sung selbst er­ge­ben. Hier­zu zählen die Grund­rech­te Drit­ter so­wie Ge­mein­schafts­wer­te von Ver­fas­sungs­rang (vgl. BVerfGE 28, 243 <260 f.>; 41, 29 <50 f.>; 41, 88 <107>; 44, 37 <49 f., 53>; 52, 223 <247>; 93, 1 <21>). Die Ein­schränkung der vor­be­halt­los gewähr­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit be­darf über­dies ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>).
39 3. Auch Art. 33 Abs. 3 GG ist berührt. Da­nach ist die Zu­las­sung zu öffent­li­chen Ämtern un­abhängig von dem re­li­giösen Be­kennt­nis (Satz 1); nie­man­dem darf aus der Zu­gehörig­keit oder Nicht­zu­gehörig­keit zu ei­nem Be­kennt­nis oder zu ei­ner Welt­an­schau­ung ein Nach­teil er­wach­sen (Satz 2). Mit­hin ist ein Zu­sam­men­hang zwi­schen der Zu­las­sung zu öffent­li­chen Ämtern und dem re­li­giösen Be­kennt­nis aus­ge­schlos­sen. Art. 33 Abs. 3 GG rich­tet sich in ers­ter Li­nie ge­gen ei­ne Un­gleich­be­hand­lung, die un­mit­tel­bar an die Zu­gehörig­keit zu ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on an­knüpft. Darüber hin­aus ver­bie­tet die Vor­schrift je­den­falls auch, die Zu­las­sung zu öffent­li­chen Ämtern aus Gründen zu ver­weh­ren, die mit der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschütz­ten Glau­bens­frei­heit un­ver­ein­bar sind (vgl. BVerfGE 79, 69 <75>). Dies schließt die Be­gründung von Dienst­pflich­ten, die in die Glau­bens­frei­heit von Amts­in­ha­bern und Be­wer­bern um öffent­li­che Ämter ein­grei­fen und da­mit für glau­bens­ge­bun­de­ne Be­wer­ber den Zu­gang zum öffent­li­chen Dienst er­schwe­ren oder aus­sch­ließen, nicht aus, un­ter­wirft sie aber den stren­gen Recht­fer­ti­gungs­an­for­de­run­gen, die für Ein­schränkun­gen der vor­be­halt­los gewähr­leis­te­ten Glau­bens­frei­heit gel­ten; außer­dem ist das Ge­bot strik­ter Gleich­be­hand­lung der ver­schie­de­nen Glau­bens­rich­tun­gen so­wohl in der Be­gründung als auch in der Pra­xis der Durch­set­zung sol­cher Dienst­pflich­ten zu be­ach­ten.
40 4. a) Das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs durch die Be­schwer­deführe­rin auch in der Schu­le fällt un­ter den Schutz der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürg­ten Glau­bens­frei­heit. Die Be­schwer­deführe­rin be­trach­tet nach den von den Fach­ge­rich­ten ge­trof­fe­nen und im Ver­fah­ren über die Ver­fas­sungs­be­schwer­de nicht an­ge­zwei­fel­ten tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs als für sich ver­bind­lich von den Re­geln ih­rer Re­li­gi­on vor­ge­ge­ben; das Be­fol­gen die­ser Be­klei­dungs­re­gel ist für sie Aus­druck ih­res re­li­giösen Be­kennt­nis­ses. Auf die um­strit­te­ne Fra­ge, ob und in­wie­weit die Ver­schleie­rung für Frau­en von Re­geln des is­la­mi­schen Glau­bens vor­ge­schrie­ben ist, kommt es nicht an. Zwar kann nicht jeg­li­ches Ver­hal­ten ei­ner Per­son al­lein nach de­ren sub­jek­ti­ver Be­stim­mung als Aus­druck der be­son­ders geschütz­ten Glau­bens­frei­heit an­ge­se­hen wer­den; viel­mehr darf bei der Würdi­gung ei­nes vom Ein­zel­nen als Aus­druck sei­ner Glau­bens­frei­heit re­kla­mier­ten Ver­hal­tens das Selbst­verständ­nis der je­wei­li­gen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft nicht außer Be­tracht blei­ben (vgl. BVerfGE 24, 236 <247 f.>). Ei­ne Ver­pflich­tung von Frau­en zum Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs in der Öffent­lich­keit lässt sich nach Ge­halt und Er­schei­nung als is­la­misch-re­li­giös be­gründe­te Glau­bens­re­gel dem Schutz­be­reich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hin­rei­chend plau­si­bel zu­ord­nen (vgl. da­zu auch BVerfGE 83, 341 <353>); dies ha­ben die Fach­ge­rich­te in ver­fas­sungs­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se ge­tan.
41 b) Die An­nah­me, der Be­schwer­deführe­rin feh­le für die Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben ei­ner Leh­re­rin an Grund- und Haupt­schu­len die er­for­der­li­che Eig­nung, weil sie in Wi­der­spruch zu ei­ner be­ste­hen­den Dienst­pflicht in Schu­le und Un­ter­richt ein Kopf­tuch tra­gen wol­le, das ih­re Zu­gehörig­keit zur is­la­mi­schen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft deut­lich ma­che, und die dar­auf ge­gründe­te Ver­wei­ge­rung des Zu­gangs zu ei­nem öffent­li­chen Amt wären mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ver­ein­bar, wenn der be­ab­sich­tig­ten Ausübung der Glau­bens­frei­heit Rechtsgüter von Ver­fas­sungs­rang ent­ge­genstünden und sich die­se Be­gren­zung der frei­en Re­li­gi­ons­ausübung auf ei­ne hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Grund­la­ge stützen könn­te. Als mit der Glau­bens­frei­heit in Wi­der­streit tre­ten­de Ver­fas­sungsgüter kom­men hier ne­ben dem staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag (Art. 7 Abs. 1 GG), der un­ter Wah­rung der Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität zu erfüllen ist, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht (Art. 6 Abs. 2 GG) und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schul­kin­der (Art. 4 Abs. 1 GG) in Be­tracht.
42 aa) Das Grund­ge­setz be­gründet für den Staat als Heim­statt al­ler Staatsbürger in Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 so­wie durch Art. 136 Abs. 1 und 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV in Ver­bin­dung mit Art. 140 GG die Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität. Es ver­wehrt die Einführung staats­kirch­li­cher Rechts­for­men und un­ter­sagt die Pri­vi­le­gie­rung be­stimm­ter Be­kennt­nis­se eben­so wie die Aus­gren­zung An­dersgläubi­ger (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 33, 23 <28>; 93, 1 <17>). Der Staat hat auf ei­ne am Gleich­heits­satz ori­en­tier­te Be­hand­lung der ver­schie­de­nen Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­ge­mein­schaf­ten zu ach­ten (vgl. BVerfGE 19, 1 <8>; 19, 206 <216>; 24, 236 <246>; 93, 1 <17>) und darf sich nicht mit ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft iden­ti­fi­zie­ren (vgl. BVerfGE 30, 415 <422>; 93, 1 <17>). Der frei­heit­li­che Staat des Grund­ge­set­zes ist ge­kenn­zeich­net von Of­fen­heit ge­genüber der Viel­falt welt­an­schau­lich-re­li­giöser Über­zeu­gun­gen und gründet dies auf ein Men­schen­bild, das von der Würde des Men­schen und der frei­en Ent­fal­tung der Persönlich­keit in Selbst­be­stim­mung und Ei­gen­ver­ant­wor­tung ge­prägt ist (vgl. BVerfGE 41, 29 <50>).
43 Die dem Staat ge­bo­te­ne re­li­giös-welt­an­schau­li­che Neu­tra­lität ist in­des nicht als ei­ne dis­tan­zie­ren­de im Sin­ne ei­ner strik­ten Tren­nung von Staat und Kir­che, son­dern als ei­ne of­fe­ne und überg­rei­fen­de, die Glau­bens­frei­heit für al­le Be­kennt­nis­se glei­cher­maßen fördern­de Hal­tung zu ver­ste­hen. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ge­bie­tet auch in po­si­ti­vem Sinn, den Raum für die ak­ti­ve Betäti­gung der Glau­bensüber­zeu­gung und die Ver­wirk­li­chung der au­to­no­men Persönlich­keit auf welt­an­schau­lich-re­li­giösem Ge­biet zu si­chern (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>; 93, 1 <16>). Der Staat darf le­dig­lich kei­ne ge­ziel­te Be­ein­flus­sung im Diens­te ei­ner be­stimm­ten po­li­ti­schen, ideo­lo­gi­schen oder welt­an­schau­li­chen Rich­tung be­trei­ben oder sich durch von ihm aus­ge­hen­de oder ihm zu­zu­rech­nen­de Maßnah­men aus­drück­lich oder kon­klu­dent mit ei­nem be­stimm­ten Glau­ben oder ei­ner be­stimm­ten Welt­an­schau­ung iden­ti­fi­zie­ren und da­durch den re­li­giösen Frie­den in ei­ner Ge­sell­schaft von sich aus gefähr­den (vgl. BVerfGE 93, 1 <16 f.>). Auch ver­wehrt es der Grund­satz re­li­giös-welt­an­schau­li­cher Neu­tra­lität dem Staat, Glau­ben und Leh­re ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft als sol­che zu be­wer­ten (vgl. BVerfGE 33, 23 <29>).
44 Dies gilt nach dem bis­he­ri­gen Verständ­nis des Verhält­nis­ses von Staat und Re­li­gi­on, wie es in der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat, ins­be­son­de­re auch für den vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­me­nen Be­reich der Pflicht­schu­le, für den sei­ner Na­tur nach re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Vor­stel­lun­gen von je­her re­le­vant wa­ren (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>; 52, 223 <241>). Da­nach sind christ­li­che Bezüge bei der Ge­stal­tung der öffent­li­chen Schu­le nicht schlecht­hin ver­bo­ten; die Schu­le muss aber auch für an­de­re welt­an­schau­li­che und re­li­giöse In­hal­te und Wer­te of­fen sein (vgl. BVerfGE 41, 29 <51>; 52, 223 <236 f.>). In die­ser Of­fen­heit be­wahrt der frei­heit­li­che Staat des Grund­ge­set­zes sei­ne re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Neu­tra­lität (vgl. BVerfGE 41, 29 <50>). Für die Span­nun­gen, die bei der ge­mein­sa­men Er­zie­hung von Kin­dern un­ter­schied­li­cher Welt­an­schau­ungs- und Glau­bens­rich­tun­gen un­ver­meid­lich sind, muss un­ter Berück­sich­ti­gung des To­le­ranz­ge­bots als Aus­druck der Men­schenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) nach ei­nem Aus­gleich ge­sucht wer­den (vgl. BVerfGE 41, 29 <63>; 52, 223 <247, 251>; 93, 1 <21 ff.>; vgl. näher un­ten dd>).
45 bb) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ga­ran­tiert den El­tern die Pfle­ge und Er­zie­hung ih­rer Kin­der als natürli­ches Recht und um­fasst zu­sam­men mit Art. 4 Abs. 1 GG auch das Recht zur Kin­der­er­zie­hung in re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Hin­sicht; da­her ist es zuvörderst Sa­che der El­tern, ih­ren Kin­dern die­je­ni­gen Über­zeu­gun­gen in Glau­bens- und Welt­an­schau­ungs­fra­gen zu ver­mit­teln, die sie für rich­tig hal­ten (vgl. BVerfGE 41, 29 <44, 47 f.>; 52, 223 <236>; 93, 1 <17>). Dem ent­spricht das Recht, die Kin­der von Glau­bensüber­zeu­gun­gen fern zu hal­ten, die den El­tern als falsch oder schädlich er­schei­nen (vgl. BVerfGE 93, 1 <17>). Je­doch enthält Art. 6 Abs. 2 GG kei­nen aus­sch­ließli­chen Er­zie­hungs­an­spruch der El­tern. Ei­genständig und in sei­nem Be­reich gleich­ge­ord­net ne­ben den El­tern übt der Staat, dem nach Art. 7 Abs. 1 GG die Auf­sicht über das ge­sam­te Schul­we­sen über­tra­gen ist, in der Schu­le ei­nen ei­ge­nen Er­zie­hungs­auf­trag aus (vgl. BVerfGE 34, 165 <183>; 41, 29 <44>). Wie die­ser im Ein­zel­nen zu erfüllen ist und ins­be­son­de­re in wel­chem Um­fang re­li­giöse Bezüge in der Schu­le ih­ren Platz ha­ben sol­len, un­ter­liegt in­ner­halb der vom Grund­ge­setz, vor al­lem in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, ab­ge­steck­ten Gren­zen der Ge­stal­tungs­frei­heit der Länder (vgl. BVerfGE 41, 29 <44, 47 f.>; 52, 223 <242 f.>; vgl. näher un­ten dd>).
46 cc) Sch­ließlich trifft die von der Be­schwer­deführe­rin in An­spruch ge­nom­me­ne Frei­heit der Betäti­gung ih­rer Glau­bensüber­zeu­gung durch das Tra­gen des Kopf­tuchs in Schu­le und Un­ter­richt auf die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, der die ne­ga­ti­ve wie die po­si­ti­ve Äußerungs­form der Glau­bens­frei­heit glei­cher­maßen schützt, gewähr­leis­tet auch die Frei­heit, kul­ti­schen Hand­lun­gen ei­nes nicht ge­teil­ten Glau­bens fern zu blei­ben; das be­zieht sich auch auf Kul­te und Sym­bo­le, in de­nen ein Glau­be oder ei­ne Re­li­gi­on sich dar­stellt. Art. 4 GG überlässt es dem Ein­zel­nen zu ent­schei­den, wel­che re­li­giösen Sym­bo­le er an­er­kennt und ver­ehrt und wel­che er ab­lehnt. Zwar hat er in ei­ner Ge­sell­schaft, die un­ter­schied­li­chen Glau­bensüber­zeu­gun­gen Raum gibt, kein Recht dar­auf, von frem­den Glau­bens­be­kun­dun­gen, kul­ti­schen Hand­lun­gen und re­li­giösen Sym­bo­len ver­schont zu blei­ben. Da­von zu un­ter­schei­den ist aber ei­ne vom Staat ge­schaf­fe­ne La­ge, in wel­cher der Ein­zel­ne oh­ne Aus­weichmöglich­keit dem Ein­fluss ei­nes be­stimm­ten Glau­bens, den Hand­lun­gen, in de­nen die­ser sich ma­ni­fes­tiert, und den Sym­bo­len, in de­nen er sich dar­stellt, aus­ge­setzt ist (vgl. BVerfGE 93, 1 <15 f.>). In­so­fern ent­fal­tet Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sei­ne frei­heits­si­chern­de Wir­kung ge­ra­de in Le­bens­be­rei­chen, die nicht der ge­sell­schaft­li­chen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on über­las­sen, son­dern vom Staat in Vor­sor­ge ge­nom­men wor­den sind (vgl. BVerfGE 41, 29 <49>); dies be­kräftigt Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 136 Abs. 4 WRV, wo­nach es ver­bo­ten ist, je­man­den zur Teil­nah­me an re­li­giösen Übun­gen zu zwin­gen.
47 dd) Das Grund­ge­setz lässt den Ländern im Schul­we­sen um­fas­sen­de Ge­stal­tungs­frei­heit; auch in Be­zug auf die welt­an­schau­lich-re­li­giöse Aus­prägung der öffent­li­chen Schu­len hat Art. 7 GG die weit ge­hen­de Selbständig­keit der Länder und im Rah­men von de­ren Schul­ho­heit die grundsätz­lich freie Aus­ge­stal­tung der Pflicht­schu­le im Au­ge (vgl. BVerfGE 41, 29 <44 f.>; 52, 223 <242 f.>). Das un­ver­meid­li­che Span­nungs­verhält­nis zwi­schen po­si­ti­ver Glau­bens­frei­heit ei­nes Leh­rers ei­ner­seits und der staat­li­chen Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität, dem Er­zie­hungs­recht der El­tern so­wie der ne­ga­ti­ven Glau­bens­frei­heit der Schüler an­de­rer­seits un­ter Berück­sich­ti­gung des To­le­ranz­ge­bots zu lösen, ob­liegt dem de­mo­kra­ti­schen Lan­des­ge­setz­ge­ber, der im öffent­li­chen Wil­lens­bil­dungs­pro­zess ei­nen für al­le zu­mut­ba­ren Kom­pro­miss zu su­chen hat. Er muss sich bei sei­ner Re­ge­lung dar­an ori­en­tie­ren, dass ei­ner­seits im Be­reich des Schul­we­sens Art. 7 GG welt­an­schau­lich-re­li­giöse Ein­flüsse un­ter Wah­rung des Er­zie­hungs­rechts der El­tern zulässt und dass an­de­rer­seits Art. 4 GG ge­bie­tet, bei der Ent­schei­dung für ei­ne be­stimm­te Schul­form welt­an­schau­lich-re­li­giöse Zwänge so weit wie ir­gend möglich aus­zu­schal­ten. Die Vor­schrif­ten sind zu­sam­men zu se­hen, ih­re In­ter­pre­ta­ti­on und ihr Wir­kungs­be­reich sind auf­ein­an­der ab­zu­stim­men. Dies schließt ein, dass die ein­zel­nen Länder zu ver­schie­de­nen Re­ge­lun­gen kom­men können, weil bei dem zu fin­den­den Mit­tel­weg auch Schul­tra­di­tio­nen, die kon­fes­sio­nel­le Zu­sam­men­set­zung der Bevölke­rung und ih­re mehr oder we­ni­ger star­ke re­li­giöse Ver­wur­ze­lung berück­sich­tigt wer­den dürfen (vgl. BVerfGE 41, 29 <50 f.>; 93, 1 <22 f.>).
48 Die­se Grundsätze gel­ten auch für die Be­ant­wor­tung der Fra­ge, in wel­chem Um­fang Leh­rern un­ter Be­schränkung ih­res in­di­vi­du­el­len Grund­rechts der Glau­bens­frei­heit für ihr Auf­tre­ten und Ver­hal­ten in der Schu­le Pflich­ten in Be­zug auf die Wah­rung der welt­an­schau­lich-re­li­giösen Neu­tra­lität des Staa­tes auf­er­legt wer­den dürfen.
49 5. Das Ein­brin­gen re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Bezüge in Schu­le und Un­ter­richt durch Lehr­kräfte kann den in Neu­tra­lität zu erfüllen­den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler be­ein­träch­ti­gen. Es eröff­net zu­min­dest die Möglich­keit ei­ner Be­ein­flus­sung der Schul­kin­der so­wie von Kon­flik­ten mit El­tern, die zu ei­ner Störung des Schul­frie­dens führen und die Erfüllung des Er­zie­hungs­auf­trags der Schu­le gefähr­den können. Auch die re­li­giös mo­ti­vier­te und als Kund­ga­be ei­ner Glau­bensüber­zeu­gung zu in­ter­pre­tie­ren­de Be­klei­dung von Leh­rern kann die­se Wir­kun­gen ha­ben. Da­bei han­delt es sich aber le­dig­lich um abs­trak­te Ge­fah­ren. Sol­len be­reits der­ar­ti­ge bloße Möglich­kei­ten ei­ner Gefähr­dung oder ei­nes Kon­flikts auf­grund des Auf­tre­tens der Lehr­kraft und nicht erst ein kon­kre­tes Ver­hal­ten, das sich als Ver­such ei­ner Be­ein­flus­sung oder gar Mis­sio­nie­rung der an­ver­trau­ten Schul­kin­der dar­stellt, als Ver­let­zung be­am­ten­recht­li­cher Pflich­ten oder als die Be­ru­fung in das Be­am­ten­verhält­nis hin­dern­der Man­gel der Eig­nung be­wer­tet wer­den, so setzt dies, weil da­mit die Ein­schränkung des vor­be­halt­los gewähr­ten Grund­rechts aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein­her­geht, ei­ne hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Grund­la­ge vor­aus, die dies er­laubt. Dar­an fehlt es hier.
50 a) Bei der Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob ei­ner be­stimm­ten Be­klei­dung oder an­de­ren äußeren Zei­chen ein re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Aus­sa­ge­ge­halt nach Art ei­nes Sym­bols zu­kommt, ist die Wir­kung des ver­wen­de­ten Aus­drucks­mit­tels eben­so zu berück­sich­ti­gen wie al­le dafür in Be­tracht kom­men­den Deu­tungsmöglich­kei­ten. Das Kopf­tuch ist - an­ders als das christ­li­che Kreuz (vgl. da­zu BVerfGE 93, 1 <19 f.>) - nicht aus sich her­aus ein re­li­giöses Sym­bol. Erst im Zu­sam­men­hang mit der Per­son, die es trägt, und mit de­ren sons­ti­gem Ver­hal­ten kann es ei­ne ver­gleich­ba­re Wir­kung ent­fal­ten. Das von Mus­li­min­nen ge­tra­ge­ne Kopf­tuch wird als Kürzel für höchst un­ter­schied­li­che Aus­sa­gen und Wert­vor­stel­lun­gen wahr­ge­nom­men:
51 Ne­ben dem Wunsch, als ver­pflich­tend emp­fun­de­ne, re­li­giös fun­dier­te Be­klei­dungs­re­geln ein­zu­hal­ten, kann es auch als ein Zei­chen für das Fest­hal­ten an Tra­di­tio­nen der Her­kunfts­ge­sell­schaft ge­deu­tet wer­den. In jüngs­ter Zeit wird in ihm verstärkt ein po­li­ti­sches Sym­bol des is­la­mi­schen Fun­da­men­ta­lis­mus ge­se­hen, das die Ab­gren­zung zu Wer­ten der west­li­chen Ge­sell­schaft, wie in­di­vi­du­el­le Selbst­be­stim­mung und ins­be­son­de­re Eman­zi­pa­ti­on der Frau, aus­drückt. Nach den auch in der münd­li­chen Ver­hand­lung bestätig­ten tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen im fach­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ist das je­doch nicht die Bot­schaft, wel­che die Be­schwer­deführe­rin mit dem Tra­gen des Kopf­tuchs ver­mit­teln will.
52 Die in der münd­li­chen Ver­hand­lung gehörte Sach­verständi­ge Frau Dr. Ka­ra­ka­sog­lu hat auf der Grund­la­ge ei­ner von ihr durch­geführ­ten Be­fra­gung von et­wa 25 mus­li­mi­schen Pädago­gik­stu­den­tin­nen - da­von zwölf Kopf­tuchträge­rin­nen - dar­ge­legt, dass das Kopf­tuch von jun­gen Frau­en auch ge­tra­gen wer­de, um in ei­ner Dia­spo­ra­si­tua­ti­on die ei­ge­ne Iden­tität zu be­wah­ren und zu­gleich auf die Tra­di­tio­nen der El­tern Rück­sicht zu neh­men; als Grund für das Tra­gen des Kopf­tuchs sei darüber hin­aus der Wunsch ge­nannt wor­den, durch ein Zei­chen für se­xu­el­le Nicht­verfügbar­keit mehr ei­genständi­gen Schutz zu er­lan­gen und sich selbst­be­stimmt zu in­te­grie­ren. Das Tra­gen des Kopf­tuchs sol­le zwar in der Öffent­lich­keit den Stel­len­wert re­li­giöser Ori­en­tie­rung im ei­ge­nen Le­bens­ent­wurf do­ku­men­tie­ren, wer­de aber als Aus­druck in­di­vi­du­el­ler Ent­schei­dung be­grif­fen und ste­he nicht im Wi­der­spruch zu ei­ner mo­der­nen Le­bensführung. Die Be­wah­rung ih­rer Dif­fe­renz ist nach dem Verständ­nis der be­frag­ten Frau­en Vor­aus­set­zung ih­rer In­te­gra­ti­on. Auf der Grund­la­ge der von der Sach­verständi­gen geführ­ten und aus­ge­wer­te­ten qua­li­ta­ti­ven In­ter­views las­sen sich zwar kei­ne re­präsen­ta­ti­ven Aus­sa­gen für al­le in Deutsch­land le­ben­den Mus­li­min­nen tref­fen; die For­schungs­er­geb­nis­se zei­gen je­doch, dass an­ge­sichts der Viel­falt der Mo­ti­ve die Deu­tung des Kopf­tuchs nicht auf ein Zei­chen ge­sell­schaft­li­cher Un­ter­drückung der Frau verkürzt wer­den darf. Viel­mehr kann das Kopf­tuch für jun­ge mus­li­mi­sche Frau­en auch ein frei gewähl­tes Mit­tel sein, um oh­ne Bruch mit der Her­kunfts­kul­tur ein selbst­be­stimm­tes Le­ben zu führen. Auf die­sem Hin­ter­grund ist nicht be­legt, dass die Be­schwer­deführe­rin al­lein da­durch, dass sie ein Kopf­tuch trägt, et­wa mus­li­mi­schen Schüle­rin­nen die Ent­wick­lung ei­nes den Wert­vor­stel­lun­gen des Grund­ge­set­zes ent­spre­chen­den Frau­en­bil­des oder des­sen Um­set­zung im ei­ge­nen Le­ben er­schwe­ren würde.
53 Für die Be­ur­tei­lung der Fra­ge, ob die Ab­sicht ei­ner Leh­re­rin, in Schu­le und Un­ter­richt ein Kopf­tuch zu tra­gen, ei­nen Eig­nungs­man­gel be­gründet, kommt es dar­auf an, wie ein Kopf­tuch auf ei­nen Be­trach­ter wir­ken kann (ob­jek­ti­ver Empfänger­ho­ri­zont); des­halb sind al­le denk­ba­ren Möglich­kei­ten, wie das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs ver­stan­den wer­den kann, bei der Be­ur­tei­lung zu berück­sich­ti­gen. Dies ändert aber nichts dar­an, dass die Be­schwer­deführe­rin, die für ih­re Ent­schei­dung, in der Öffent­lich­keit stets ein Kopf­tuch zu tra­gen, in plau­si­bler Wei­se re­li­giös mo­ti­vier­te Gründe an­ge­ge­ben hat, sich für die­ses Ver­hal­ten auf den Schutz des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG be­ru­fen kann, der in en­ger Be­zie­hung zum obers­ten Ver­fas­sungs­wert der Men­schenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) steht (vgl. BVerfGE 52, 223 <247>).
54 b) Im Hin­blick auf die Wir­kung re­li­giöser Aus­drucks­mit­tel ist da­nach zu un­ter­schei­den, ob das in Fra­ge ste­hen­de Zei­chen auf Ver­an­las­sung der Schul­behörde oder auf­grund ei­ge­ner Ent­schei­dung von ei­ner ein­zel­nen Lehr­kraft ver­wen­det wird, die hierfür das in­di­vi­du­el­le Frei­heits­recht des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG in An­spruch neh­men kann. Dul­det der Staat in der Schu­le ei­ne Be­klei­dung von Leh­rern, die die­se auf­grund in­di­vi­du­el­ler Ent­schei­dung tra­gen und die als re­li­giös mo­ti­viert zu deu­ten ist, so kann dies mit ei­ner staat­li­chen An­ord­nung, re­li­giöse Sym­bo­le in der Schu­le an­zu­brin­gen, nicht gleich­ge­setzt wer­den (zu letz­te­rem vgl. BVerfGE 93, 1 <18>). Der Staat, der ei­ne mit dem Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs ver­bun­de­ne re­li­giöse Aus­sa­ge ei­ner ein­zel­nen Leh­re­rin hin­nimmt, macht die­se Aus­sa­ge nicht schon da­durch zu sei­ner ei­ge­nen und muss sie sich auch nicht als von ihm be­ab­sich­tigt zu­rech­nen las­sen. Die Wir­kung ei­nes von der Leh­re­rin aus re­li­giösen Gründen ge­tra­ge­nen Kopf­tuchs kann al­ler­dings des­halb be­son­de­re In­ten­sität er­rei­chen, weil die Schüler für die ge­sam­te Dau­er des Schul­be­suchs mit der im Mit­tel­punkt des Un­ter­richts­ge­sche­hens ste­hen­den Leh­re­rin oh­ne Aus­weichmöglich­keit kon­fron­tiert sind. An­de­rer­seits kann der re­li­giöse Aus­sa­ge­ge­halt ei­nes Klei­dungsstücks von der Lehr­kraft den Schul­kin­dern dif­fe­ren­zie­rend erläutert und da­mit in sei­ner Wir­kung auch ab­ge­schwächt wer­den.
55 c) Die An­nah­me ei­ner Dienst­pflicht­ver­let­zung we­gen befürch­te­ter be­stim­men­der Ein­flüsse des Kopf­tuchs der Be­schwer­deführe­rin auf die re­li­giöse Ori­en­tie­rung der Schul­kin­der kann sich nicht auf ge­si­cher­te em­pi­ri­sche Grund­la­gen stützen.
56 Der in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu an­gehörte Sach­verständi­ge Pro­fes­sor Dr. Blie­se­ner hat aus­geführt, dass es aus ent­wick­lungs­psy­cho­lo­gi­scher Sicht der­zeit noch kei­ne ge­si­cher­ten Er­kennt­nis­se ge­be, die ei­ne Be­ein­flus­sung von Kin­dern al­lein durch die tägli­che Be­geg­nung mit ei­ner Leh­re­rin be­le­gen könn­ten, die in Schu­le und Un­ter­richt ein Kopf­tuch trägt. Erst bei Hin­zu­tre­ten von Kon­flik­ten zwi­schen El­tern und Leh­rern, die im Zu­sam­men­hang mit dem Kopf­tuch der Leh­re­rin ent­ste­hen können, sei­en be­las­ten­de Aus­wir­kun­gen ins­be­son­de­re auf jünge­re Schüle­rin­nen und Schüler zu er­war­ten. Die bei­den an­de­ren vom Se­nat an­gehörten Sach­verständi­gen, Frau Psy­cho­lo­gie­di­rek­to­rin Lei­nen­bach so­wie Pro­fes­sor Dr. Rie­des­ser, ha­ben kei­ne hier­von ab­wei­chen­den Er­kennt­nis­se vor­ge­tra­gen. Ei­ne der­art un­ge­si­cher­te Er­kennt­nis­la­ge reicht als Grund­la­ge ei­ner behörd­li­chen An­wen­dung des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs der Eig­nung, die er­heb­lich in das Grund­recht der Be­schwer­deführe­rin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ein­greift, nicht aus.
57 d) Für die Ab­leh­nung der Be­schwer­deführe­rin we­gen man­geln­der Eig­nung in­fol­ge ih­rer Wei­ge­rung, das Kopf­tuch in Schu­le und Un­ter­richt ab­zu­le­gen, fehlt es je­den­falls an ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge.
58 Der von der Schul­behörde und den Fach­ge­rich­ten an­geführ­te Ge­sichts­punkt, die Ab­sicht der Be­schwer­deführe­rin, im Schul­dienst ein Kopf­tuch tra­gen zu wol­len, be­gründe des­halb ei­nen Eig­nungs­man­gel, weil schon vor­beu­gend mögli­chen Be­ein­flus­sun­gen der Schüle­rin­nen und Schüler ent­ge­gen­ge­wirkt und nicht aus­zu­sch­ließen­de Kon­flik­te zwi­schen Leh­rer und Schülern so­wie de­ren El­tern von vorn­her­ein ver­mie­den wer­den soll­ten, recht­fer­tigt ge­genwärtig den Ein­griff in das grunds­rechts­glei­che Recht der Be­schwer­deführe­rin aus Art. 33 Abs. 2 GG und die da­mit ein­her­ge­hen­de Ein­schränkung ih­rer Glau­bens­frei­heit nicht. Für ei­ne kon­kre­te Gefähr­dung des Schul­frie­dens durch das Auf­tre­ten der Be­schwer­deführe­rin mit Kopf­tuch sind im fach­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren kei­ne greif­ba­ren An­halts­punk­te sicht­bar ge­wor­den. Die Befürch­tung, dass Kon­flik­te mit El­tern auf­tre­ten könn­ten, wel­che die Un­ter­rich­tung ih­rer Kin­der durch ei­ne ein Kopf­tuch tra­gen­de Leh­re­rin ab­leh­nen, kann sich nicht auf Er­fah­run­gen mit der bis­he­ri­gen Lehrtätig­keit der Be­schwer­deführe­rin als Re­fe­ren­da­rin stützen. Für ein mit der Ab­wehr abs­trak­ter Gefähr­dun­gen be­gründe­tes Ver­bot für Lehr­kräfte, in Schu­le und Un­ter­richt ein Kopf­tuch zu tra­gen, reicht die im Land Ba­den-Würt­tem­berg gel­ten­de be­am­ten- und schul­recht­li­che Ge­set­zes­la­ge nicht aus. Die Tat­sa­che al­lein, dass Kon­flik­te für die Zu­kunft nicht aus­zu­sch­ließen sind, recht­fer­tigt es nicht, oh­ne ei­ne dar­auf zu­ge­schnit­te­ne Rechts­grund­la­ge aus dem all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Er­for­der­nis der Eig­nung ei­ne Dienst­pflicht ab­zu­lei­ten, nach der die Be­schwer­deführe­rin in Schu­le und Un­ter­richt auf die Betäti­gung ih­rer Glau­bensüber­zeu­gung durch das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs zu ver­zich­ten hätte.
59 Be­am­ten­recht­lich können nach dem oben un­ter B. II. 4. b) aa) dar­ge­stell­ten Verständ­nis der Pflicht des Staa­tes zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität im Be­reich der Schu­le we­der der in § 11 Abs. 1 LBG ent­hal­te­ne Be­griff der Eig­nung noch die in §§ 70 ff. LBG für Be­am­te sta­tu­ier­ten Pflich­ten, die bei der Eig­nungs­be­ur­tei­lung ei­nes Be­wer­bers um ein öffent­li­ches Amt als Ori­en­tie­rung her­an­zu­zie­hen sind, als Grund­la­ge für ei­ne Ver­pflich­tung von Leh­rern die­nen, die Zu­gehörig­keit zu ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on oder Welt­an­schau­ung nicht äußer­lich er­kenn­bar wer­den zu las­sen, um so mögli­chen Ge­fah­ren schon vor­beu­gend zu be­geg­nen.
60 Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 LBG dient der Be­am­te dem gan­zen Volk und hat nach Satz 2 der Vor­schrift sei­ne Auf­ga­ben un­par­tei­isch und ge­recht zu erfüllen so­wie bei sei­ner Amtsführung auf das Wohl der All­ge­mein­heit Be­dacht zu neh­men. Er muss nach § 70 Abs. 2 LBG sich durch sein ge­sam­tes Ver­hal­ten zur frei­heit­li­chen de­mo­kra­ti­schen Grund­ord­nung des Grund­ge­set­zes be­ken­nen und für de­ren Ein­hal­tung ein­tre­ten. Es ist nicht er­sicht­lich, dass die Be­schwer­deführe­rin durch das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs hier­an ge­hin­dert wäre. Auch das Mäßigungs­ge­bot des § 72 LBG, wo­nach der Be­am­te bei po­li­ti­scher Betäti­gung die­je­ni­ge Mäßigung und Zurück­hal­tung zu wah­ren hat, die sich aus sei­ner Stel­lung ge­genüber der Ge­samt­heit und aus der Rück­sicht auf die Pflich­ten sei­nes Amts er­ge­ben, er­fasst den Fall des re­li­giös mo­ti­vier­ten Tra­gens ei­nes Kopf­tuchs nicht. Das sel­be gilt für die Pflicht des Be­am­ten, sich mit vol­ler Hin­ga­be sei­nem Be­ruf zu wid­men (§ 73 Satz 1 LBG), sein Amt un­ei­gennützig nach bes­tem Ge­wis­sen zu ver­wal­ten (§ 73 Satz 2 LBG) und sein Ver­hal­ten in­ner­halb und außer­halb des Diens­tes da­nach aus­zu­rich­ten, dass es der Ach­tung und dem Ver­trau­en ge­recht wird, die sein Be­ruf er­for­dern (§ 73 Satz 3 LBG). Aus die­sen all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Pflich­ten lässt sich ein grund­rechts­be­schränken­des Ver­bot, als Leh­re­rin an ei­ner öffent­li­chen Grund- und Haupt­schu­le aus re­li­giösen Gründen ein Kopf­tuch zu tra­gen, nicht her­lei­ten. Sch­ließlich be­steht für Leh­rer kei­ne Re­ge­lung über ei­ne be­stimm­te Dienst­klei­dung nach § 94 LBG.
61 Auch die Be­stim­mun­gen der Art. 11 bis 22 der Ver­fas­sung des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg vom 11. No­vem­ber 1953 (GBl S. 173) über Er­zie­hung und Un­ter­richt so­wie das Schul­ge­setz für Ba­den-Würt­tem­berg (SchG) in der Fas­sung vom 1. Au­gust 1983 (GBl S. 397), ins­be­son­de­re des­sen §§ 1 und 38, ent­hal­ten kei­ne Re­ge­lung, auf­grund de­rer sich die all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Pflich­ten zu Mäßigung und Zurück­hal­tung für Leh­rer zwei­fels­frei da­hin kon­kre­ti­sie­ren ließen, dass sie in der Schu­le kei­ne Klei­dung oder sons­ti­ge Zei­chen tra­gen dürf­ten, die ih­re Zu­gehörig­keit zu ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft er­ken­nen las­sen. Da­mit fehlt es für ei­ne Ent­schei­dung, die Leh­re­rin­nen is­la­mi­schen Glau­bens we­gen ih­rer erklärten Ab­sicht, in der Schu­le ein Kopf­tuch zu tra­gen, die Eig­nung für den Dienst an Grund- und Haupt­schu­len ab­spricht und sie da­durch in ih­rem Grund­recht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG be­schränkt, ge­genwärtig an der not­wen­di­gen hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Grund­la­ge.
62 6. Dem zuständi­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber steht es je­doch frei, die bis­lang feh­len­de ge­setz­li­che Grund­la­ge zu schaf­fen, et­wa in­dem er im Rah­men der ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben das zulässi­ge Maß re­li­giöser Bezüge in der Schu­le neu be­stimmt. Da­bei hat er der Glau­bens­frei­heit der Leh­rer wie auch der be­trof­fe­nen Schüler, dem Er­zie­hungs­recht der El­tern so­wie der Pflicht des Staa­tes zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität in an­ge­mes­se­ner Wei­se Rech­nung zu tra­gen.
63 a) Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat in dem an­ge­grif­fe­nen Ur­teil u.a. her­vor­ge­ho­ben, dass das Neu­tra­litäts­ge­bot mit wach­sen­der kul­tu­rel­ler und re­li­giöser Viel­falt - bei ei­nem sich ver­größern­den An­teil be­kennt­nis­lo­ser Schüler - zu­neh­mend an Be­deu­tung ge­win­ne und nicht et­wa im Hin­blick dar­auf auf­zu­lo­ckern sei, dass die kul­tu­rel­le, eth­ni­sche und re­li­giöse Viel­falt in Deutsch­land in­zwi­schen auch das Le­ben in der Schu­le präge. In der münd­li­chen Ver­hand­lung hat auch der Ver­tre­ter des Ober­schul­amts Stutt­gart, Pro­fes­sor Dr. F. Kirch­hof, aus­geführt, dass die Pflicht des Staa­tes zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität im Be­reich der Schu­le an­ge­sichts der ge­wan­del­ten Verhält­nis­se nun­mehr stren­ger ge­hand­habt wer­den müsse.
64 Der mit zu­neh­men­der re­li­giöser Plu­ra­lität ver­bun­de­ne ge­sell­schaft­li­che Wan­del kann An­lass zu ei­ner Neu­be­stim­mung des zulässi­gen Aus­maßes re­li­giöser Bezüge in der Schu­le sein. Aus ei­ner hier­auf zie­len­den Re­ge­lung in den Schul­ge­set­zen können sich dann für Lehr­kräfte Kon­kre­ti­sie­run­gen ih­rer all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Pflich­ten auch in Be­zug auf ihr äußeres Auf­tre­ten er­ge­ben, so­weit die­ses ih­re Ver­bun­den­heit mit be­stimm­ten Glau­bensüber­zeu­gun­gen oder Welt­an­schau­un­gen deut­lich wer­den lässt. In­so­weit sind un­ter Be­ach­tung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Vor­ga­ben auch ge­setz­li­che Ein­schränkun­gen der Glau­bens­frei­heit denk­bar. Ist von vorn­her­ein ab­seh­bar, dass ein Be­wer­ber sol­chen Ver­hal­tens­re­geln nicht nach­kom­men wird, kann ihm dies dann als Man­gel sei­ner Eig­nung ent­ge­gen ge­hal­ten wer­den.
65 Ei­ne Re­ge­lung, die Leh­rern un­ter­sagt, äußer­lich dau­ernd sicht­bar ih­re Zu­gehörig­keit zu ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft oder Glau­bens­rich­tung er­ken­nen zu las­sen, ist Teil der Be­stim­mung des Verhält­nis­ses von Staat und Re­li­gi­on im Be­reich der Schu­le. Die ge­wach­se­ne re­li­giöse Viel­falt in der Ge­sell­schaft spie­gelt sich hier be­son­ders deut­lich wi­der. Die Schu­le ist der Ort, an dem un­ter­schied­li­che re­li­giöse Auf­fas­sun­gen un­aus­weich­lich auf­ein­an­der tref­fen und wo sich die­ses Ne­ben­ein­an­der in be­son­ders emp­find­li­cher Wei­se aus­wirkt. Ein to­le­ran­tes Mit­ein­an­der mit An­ders­ge­sinn­ten könn­te hier am nach­hal­tigs­ten durch Er­zie­hung geübt wer­den. Dies müss­te nicht die Ver­leug­nung der ei­ge­nen Über­zeu­gung be­deu­ten, son­dern böte die Chan­ce zur Er­kennt­nis und Fes­ti­gung des ei­ge­nen Stand­punkts und zu ei­ner ge­gen­sei­ti­gen To­le­ranz, die sich nicht als ni­vel­lie­ren­der Aus­gleich ver­steht (vgl. BVerfGE 41, 29 <64>). Es ließen sich des­halb Gründe dafür anführen, die zu­neh­men­de re­li­giöse Viel­falt in der Schu­le auf­zu­neh­men und als Mit­tel für die Einübung von ge­gen­sei­ti­ger To­le­ranz zu nut­zen, um so ei­nen Bei­trag in dem Bemühen um In­te­gra­ti­on zu leis­ten. An­de­rer­seits ist die be­schrie­be­ne Ent­wick­lung auch mit ei­nem größeren Po­ten­zi­al mögli­cher Kon­flik­te in der Schu­le ver­bun­den. Es mag des­halb auch gu­te Gründe dafür ge­ben, der staat­li­chen Neu­tra­litäts­pflicht im schu­li­schen Be­reich ei­ne strik­te­re und mehr als bis­her dis­tan­zie­ren­de Be­deu­tung bei­zu­mes­sen und dem­gemäß auch durch das äußere Er­schei­nungs­bild ei­ner Lehr­kraft ver­mit­tel­te re­li­giöse Bezüge von den Schülern grundsätz­lich fern zu hal­ten, um Kon­flik­te mit Schülern, El­tern oder an­de­ren Lehr­kräften von vorn­her­ein zu ver­mei­den.
66 b) Wie auf die ge­wan­del­ten Verhält­nis­se zu ant­wor­ten ist, ins­be­son­de­re, wel­che Ver­hal­tens­re­geln in Be­zug auf Klei­dung und sons­ti­ges Auf­tre­ten ge­genüber den Schul­kin­dern für Leh­re­rin­nen und Leh­rer zur nähe­ren Kon­kre­ti­sie­rung ih­rer all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen Pflich­ten und zur Wah­rung des re­li­giösen Frie­dens in der Schu­le auf­ge­stellt wer­den sol­len und wel­che An­for­de­run­gen dem­gemäß zur Eig­nung für ein Lehr­amt gehören, hat nicht die Exe­ku­ti­ve zu ent­schei­den. Viel­mehr be­darf es hierfür ei­ner Re­ge­lung durch den de­mo­kra­tisch le­gi­ti­mier­ten Lan­des­ge­setz­ge­ber. Für die Be­ur­tei­lung der tatsächli­chen Ent­wick­lun­gen, von der abhängt, ob ge­genläufi­ge Grund­rechts­po­si­tio­nen von Schülern und El­tern oder an­de­re Wer­te von Ver­fas­sungs­rang ei­ne Re­ge­lung recht­fer­ti­gen, die Lehr­kräfte al­ler Be­kennt­nis­se zu äußers­ter Zurück­hal­tung in der Ver­wen­dung von Kenn­zei­chen mit re­li­giösem Be­zug ver­pflich­ten, verfügt nur der Ge­setz­ge­ber über ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve, die Behörden und Ge­rich­te nicht für sich in An­spruch neh­men können (vgl. BVerfGE 50, 290 <332 f.>; 99, 367 <389 f.>). Die An­nah­me, dass ein Ver­bot des Kopf­tuch­t­ra­gens in öffent­li­chen Schu­len als Ele­ment ei­ner ge­setz­ge­be­ri­schen Ent­schei­dung über das Verhält­nis von Staat und Re­li­gi­on im Schul­we­sen ei­ne zulässi­ge Ein­schränkung der Re­li­gi­ons­frei­heit dar­stel­len kann, steht auch im Ein­klang mit Art. 9 der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (vgl. Eu­ropäischer Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te, Ent­schei­dung vom 15. Fe­bru­ar 2001, NJW 2001, S. 2871 ff.).
67

aa) Die ver­fas­sungs­recht­li­che Not­wen­dig­keit ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung folgt aus dem Grund­satz des Par­la­ments­vor­be­halts. Rechts­staats­prin­zip und De­mo­kra­tie­ge­bot ver­pflich­ten den Ge­setz­ge­ber, die für die Grund­rechts­ver­wirk­li­chung maßgeb­li­chen Re­ge­lun­gen selbst zu tref­fen (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>; 61, 260 <275>; 83, 130 <142>). Wie weit der Ge­setz­ge­ber die für den frag­li­chen Le­bens­be­reich er­for­der­li­chen Leit­li­ni­en selbst be­stim­men muss, rich­tet sich nach des­sen Grund­rechts­be­zug. Ei­ne Pflicht da­zu be­steht, wenn mit­ein­an­der kon­kur­rie­ren­de grund­recht­li­che Frei­heits­rech­te auf­ein­an­der tref­fen und de­ren je­wei­li­ge Gren­zen fließend und nur schwer aus­zu­ma­chen sind. Dies gilt vor al­lem dann, wenn die be­trof­fe­nen Grund­rech­te - wie hier die po­si­ti­ve und ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit so­wie das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht - nach dem Wort­laut der Ver­fas­sung oh­ne Ge­set­zes­vor­be­halt gewähr­leis­tet sind und ei­ne Re­ge­lung, wel­che die­sen Le­bens­be­reich ord­nen will, da­mit not­wen­di­ger­wei­se ih­re ver­fas­sungs­im­ma­nen­ten Schran­ken be­stim­men und kon­kre­ti­sie­ren muss. Hier ist der Ge­setz­ge­ber ver­pflich­tet, die Schran­ken der wi­der­strei­ten­den Frei­heits­ga­ran­ti­en je­den­falls so weit selbst zu be­stim­men, wie ei­ne sol­che Fest­le­gung für die Ausübung die­ser Frei­heits­rech­te we­sent­lich ist (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>).

68 Wann es ei­ner Re­ge­lung durch den par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­ber be­darf, lässt sich nur im Blick auf den je­wei­li­gen Sach­be­reich und die Ei­gen­art des be­trof­fe­nen Re­ge­lungs­ge­gen­stan­des be­ur­tei­len. Die ver­fas­sungs­recht­li­chen Wer­tungs­kri­te­ri­en sind da­bei den tra­gen­den Prin­zi­pi­en des Grund­ge­set­zes, ins­be­son­de­re den dort verbürg­ten Grund­rech­ten zu ent­neh­men (vgl. BVerfGE 98, 218 <251>). Zwar führt al­lein der Um­stand, dass ei­ne Re­ge­lung po­li­tisch um­strit­ten ist, nicht da­zu, dass die­se als we­sent­lich ver­stan­den wer­den müss­te (vgl. BVerfGE 98, 218 <251>). Nach der Ver­fas­sung sind die Ein­schränkung von grund­recht­li­chen Frei­hei­ten und der Aus­gleich zwi­schen kol­li­die­ren­den Grund­rech­ten aber dem Par­la­ment vor­be­hal­ten, um si­cher­zu­stel­len, dass Ent­schei­dun­gen von sol­cher Trag­wei­te aus ei­nem Ver­fah­ren her­vor­ge­hen, das der Öffent­lich­keit Ge­le­gen­heit bie­tet, ih­re Auf­fas­sun­gen aus­zu­bil­den und zu ver­tre­ten, und die Volks­ver­tre­tung da­zu anhält, Not­wen­dig­keit und Aus­maß von Grund­rechts­ein­grif­fen in öffent­li­cher De­bat­te zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 <403 f.>).
69 Ins­be­son­de­re im Schul­we­sen ver­pflich­ten Rechts­staats­ge­bot und De­mo­kra­tie­prin­zip des Grund­ge­set­zes den Ge­setz­ge­ber, die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen selbst zu tref­fen und nicht der Schul­ver­wal­tung zu über­las­sen (vgl. BVerfGE 40, 237 <249>; 58, 257 <268 f.>). Das gilt auch und ge­ra­de dann, wenn und so­weit auf ge­wan­del­te ge­sell­schaft­li­che Verhält­nis­se und zu­neh­men­de welt­an­schau­lich-re­li­giöse Viel­falt in der Schu­le mit ei­ner strik­te­ren Zurück­drängung jeg­li­cher re­li­giöser Bezüge ge­ant­wor­tet und da­mit die staat­li­che Neu­tra­litäts­pflicht in­ner­halb der von der Ver­fas­sung ge­zo­ge­nen Gren­zen neu ab­ge­steckt wer­den soll. Ei­ne sol­che Ent­schei­dung hat er­heb­li­che Be­deu­tung für die Ver­wirk­li­chung von Grund­rech­ten im Verhält­nis zwi­schen Leh­rern, El­tern und Kin­dern so­wie dem Staat.
70 bb) Ei­ne Re­ge­lung, nach der es zu den Dienst­pflich­ten ei­ner Leh­re­rin gehört, im Un­ter­richt auf das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs oder an­de­rer Er­ken­nungs­merk­ma­le der re­li­giösen Über­zeu­gung zu ver­zich­ten, ist ei­ne im Sin­ne der Recht­spre­chung zum Par­la­ments­vor­be­halt we­sent­li­che. Sie greift in er­heb­li­chem Maße in die Glau­bens­frei­heit der Be­trof­fe­nen ein. Sie be­trifft außer­dem Men­schen ver­schie­de­ner Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit un­ter­schied­lich in­ten­siv, je nach­dem, ob sie die Be­fol­gung be­stimm­ter Be­klei­dungs­sit­ten als zur Ausübung ih­rer Re­li­gi­on gehörig an­se­hen oder nicht. Dem­ent­spre­chend hat sie be­son­de­re Aus­schluss­wir­kun­gen für be­stimm­te Grup­pen. We­gen die­ses Grup­pen­be­zu­ges kommt der Be­gründung ei­ner sol­chen Dienst­pflicht für Lehr­kräfte über ih­re Be­deu­tung für die in­di­vi­du­el­le Grund­rechts­ausübung hin­aus auch hin­sicht­lich der ge­sell­schaft­li­chen Ord­nungs­funk­ti­on der Glau­bens­frei­heit we­sent­li­che Be­deu­tung zu.
71 Sch­ließlich be­darf die Einführung ei­ner Dienst­pflicht, die es Leh­rern ver­bie­tet, in ih­rem äußeren Er­schei­nungs­bild ih­re Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit er­kenn­bar zu ma­chen, auch des­halb ei­ner aus­drück­li­chen ge­setz­li­chen Re­ge­lung, weil ei­ne sol­che Dienst­pflicht in ver­fas­sungsmäßiger - un­ter an­de­rem mit Art. 33 Abs. 3 GG ver­ein­ba­rer - Wei­se nur be­gründet und durch­ge­setzt wer­den kann, wenn An­gehöri­ge un­ter­schied­li­cher Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten da­bei gleich be­han­delt wer­den. Dies ist nicht in glei­chem Maße gewähr­leis­tet, wenn es den Behörden und Ge­rich­ten über­las­sen bleibt, über das Be­ste­hen und die Reich­wei­te ei­ner sol­chen Dienst­pflicht von Fall zu Fall nach Maßga­be ih­rer Pro­gno­sen über das Ein­fluss- und Kon­flikt­po­ten­zi­al von Er­ken­nungs­merk­ma­len der Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit im Er­schei­nungs­bild der je­wei­li­gen Lehr­kraft zu ent­schei­den.

III.

72 So­lan­ge kei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge be­steht, aus der sich mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit ab­le­sen lässt, dass für Leh­rer an Grund- und Haupt­schu­len ei­ne Dienst­pflicht be­steht, auf Er­ken­nungs­merk­ma­le ih­rer Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit in Schu­le und Un­ter­richt zu ver­zich­ten, ist auf der Grund­la­ge des gel­ten­den Rechts die An­nah­me feh­len­der Eig­nung der Be­schwer­deführe­rin mit Art. 33 Abs. 2 in Ver­bin­dung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG und Art. 33 Abs. 3 GG nicht ver­ein­bar. Die mit der Ver­fas­sungs­be­schwer­de an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen ver­let­zen des­halb die in die­sen Vor­schrif­ten gewähr­leis­te­te Rechts­po­si­ti­on der Be­schwer­deführe­rin. Das Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts ist auf­zu­he­ben und die Sa­che an das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Es ist zu er­war­ten, dass das Ver­fah­ren dort auf der Grund­la­ge des gemäß § 127 Nr. 2 BRRG re­vi­si­blen § 11 Abs. 1 LBG zum Ab­schluss ge­bracht wer­den kann; der maßgeb­li­che Be­griff der Eig­nung ist da­bei ent­spre­chend den - ge­ge­be­nen­falls veränder­ten - Vor­ga­ben im Schul­recht des Lan­des aus­zu­le­gen und an­zu­wen­den.
73 Die Ent­schei­dung über die Er­stat­tung der not­wen­di­gen Aus­la­gen be­ruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

C.

74

Die­se Ent­schei­dung ist mit fünf ge­gen drei Stim­men er­gan­gen.

Has­se­mer Som­mer Jentsch
Broß Os­ter­loh Di Fa­bio
Mel­ling­hoff Lübbe-Wolff

Ab­wei­chen­de Mei­nung

der Rich­ter Jentsch, Di Fa­bio und Mel­ling­hoff

zum Ur­teil des Zwei­ten Se­nats vom 24. Sep­tem­ber 2003

- 2 BvR 1436/02 -

75 Die Se­nats­mehr­heit nimmt an, be­stimm­te Dienst­pflich­ten ei­nes Be­am­ten dürf­ten nur durch par­la­men­ta­ri­sches Ge­setz be­gründet wer­den, wenn sie in Zu­sam­men­hang mit des­sen Re­li­gi­ons- oder Welt­an­schau­ungs­frei­heit ste­hen. Dies wur­de bis­lang we­der in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur noch von der Be­schwer­deführe­rin selbst ver­tre­ten. Mit die­ser Auf­fas­sung bleibt nicht nur die dem Ge­richt un­ter­brei­te­te grundsätz­li­che Ver­fas­sungs­fra­ge nach der staat­li­chen Neu­tra­lität im Bil­dungs- und Er­zie­hungs­raum der Schu­le un­ent­schie­den, sie führt auch zu ei­ner im Grund­ge­setz nicht an­ge­leg­ten Fehl­ge­wich­tung im Sys­tem der Ge­wal­ten­tei­lung so­wie im Verständ­nis der Gel­tungs­kraft der Grund­rech­te beim Zu­gang zu öffent­li­chen Ämtern. Die Ent­schei­dung geht über den aus­drück­lich be­kun­de­ten Wil­len des ba­den-würt­tem­ber­gi­schen Land­ta­ges hin­weg, aus An­lass des Fal­les der Be­schwer­deführe­rin kein for­mel­les Ge­setz zu er­las­sen; sie lässt zu­dem die Volks­ver­tre­tung im Un­kla­ren darüber, wie ei­ne ver­fas­sungs­gemäße Re­ge­lung ge­trof­fen wer­den kann. Sch­ließlich gibt die Se­nats­mehr­heit dem Lan­des­ge­setz­ge­ber kei­ne Möglich­keit, sich auf die von ihr an­ge­nom­me­ne neue Ver­fas­sungs­rechts­la­ge ein­zu­stel­len und versäumt es, Recht­spre­chung und Ver­wal­tung zu sa­gen, wie sie bis zum Er­lass ei­nes Lan­des­ge­set­zes ver­fah­ren sol­len.

I.

76 Die Se­nats­mehr­heit nimmt zu Un­recht ei­nen schwer­wie­gen­den Ein­griff in die Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin an, um ei­nen Ge­set­zes­vor­be­halt zu recht­fer­ti­gen. Da­mit ver­kennt sie die funk­tio­nel­le Be­gren­zung des Grund­rechts­schut­zes für Be­am­te. Im Fall des Zu­gangs zu ei­nem öffent­li­chen Amt gibt es kei­ne of­fe­ne Abwägungs­si­tua­ti­on gleich­wer­ti­ger Rechtsgüter; das für die Grund­rechts­ver­wirk­li­chung we­sent­li­che Rechts­verhält­nis in der Schu­le wird in ers­ter Li­nie durch den Grund­rechts­schutz von Schülern und El­tern ge­prägt.
77 1. Wer Be­am­ter wird, stellt sich in frei­er Wil­lens­ent­schließung auf die Sei­te des Staa­tes. Der Be­am­te kann sich des­halb nicht in glei­cher Wei­se auf die frei­heits­si­chern­de Wir­kung der Grund­rech­te be­ru­fen wie je­mand, der nicht in die Staats­or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­glie­dert ist. In Ausübung sei­nes öffent­li­chen Am­tes kommt ihm des­halb das durch die Grund­rech­te verbürg­te Frei­heits­ver­spre­chen ge­gen den Staat nur in­so­weit zu, als sich aus dem be­son­de­ren Funk­ti­ons­vor­be­halt des öffent­li­chen Diens­tes kei­ne Ein­schränkun­gen er­ge­ben. Der be­am­te­te Leh­rer un­ter­rich­tet auch im Rah­men sei­ner persönli­chen pädago­gi­schen Ver­ant­wor­tung nicht in Wahr­neh­mung ei­ge­ner Frei­heit, son­dern im Auf­trag der All­ge­mein­heit und in Ver­ant­wor­tung des Staa­tes. Be­am­te­te Leh­rer ge­nießen des­halb be­reits vom An­satz her nicht den­sel­ben Grund­rechts­schutz wie El­tern und Schüler: Die Leh­rer sind viel­mehr an Grund­rech­te ge­bun­den, weil sie teil­ha­ben an der Ausübung öffent­li­cher Ge­walt.
78 Mit der For­mu­lie­rung von Dienst­pflich­ten für die Be­am­ten genügt die staat­li­che Ver­wal­tung auch ih­rer Bin­dung aus Art. 1 Abs. 3 GG; die Dienst­pflicht des Be­am­ten ist die Kehr­sei­te der Frei­heit des­je­ni­gen Bürgers, dem die öffent­li­che Ge­walt in der Per­son des Be­am­ten ge­genüber­tritt. Wer­den dem Leh­rer Dienst­pflich­ten für die Ausübung sei­nes Amts auf­er­legt, geht es da­her nicht um Ein­grif­fe in die staats­freie Ge­sell­schaft und die da­durch be­gründe­te For­de­rung nach dem par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz zum Schutz des Bürgers. Mit Dienst­pflich­ten si­chert der Staat in sei­ner Bin­nensphäre die gleichmäßige, ge­set­zes- und ver­fas­sungs­treue Ver­wal­tung.
79 Die Se­nats­mehr­heit hat die­sen Struk­tur­un­ter­schied nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt. Da­durch wird die grund­recht­lich un­ter­schied­li­che La­ge des Leh­rers ei­ner­seits so­wie der Schüler und El­tern an­de­rer­seits nicht zu­tref­fend er­fasst. Ins­be­son­de­re die Rechts­stel­lung des Be­wer­bers, dem es an ei­nem Rechts­an­spruch auf den be­gehr­ten Ein­tritt in die Or­ga­ni­sa­ti­ons­welt des Staa­tes fehlt, darf nicht aus der Ab­wehr­per­spek­ti­ve ei­nes Grund­recht­strägers ge­gen den Staat ge­se­hen wer­den. Der frei­wil­li­ge Ein­tritt in das Be­am­ten­verhält­nis ist ei­ne vom Be­wer­ber in Frei­heit ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung für die Bin­dung an das Ge­mein­wohl und die Treue zu ei­nem Dienst­her­ren, der in der De­mo­kra­tie für das Volk und kon­trol­liert durch das Volk han­delt. Wer Be­am­ter wer­den will, darf des­halb das Ge­bot der Mäßigung und der be­ruf­li­chen Neu­tra­lität nicht ab­leh­nen, we­der ge­ne­rell noch in Be­zug auf be­stimm­te, vor­weg er­kenn­ba­re dienst­li­che oder außer­dienst­li­che Kon­stel­la­tio­nen. Mit die­sen Pflich­ten ist je­den­falls nicht zu ver­ein­ba­ren, dass der Be­am­te den Dienst im In­nen­verhält­nis pro­non­ciert als Ak­ti­ons­raum für Be­kennt­nis­se, gleich­sam als Bühne grund­recht­li­cher Ent­fal­tung nutzt. Die ihm über­tra­ge­ne Auf­ga­be be­steht dar­in, dem de­mo­kra­ti­schen Wil­len, d.h. dem Ge­set­zes­wil­len und dem der ver­ant­wort­li­chen Re­gie­rung fach­lich, sach­lich, nüchtern und neu­tral zur Wirk­sam­keit zu ver­hel­fen und als In­di­vi­du­um dort zurück­zu­ste­hen, wo sei­ne Ansprüche auf Ver­wirk­li­chung der Persönlich­keit ge­eig­net sein können, Kon­flik­te im Dienst­verhält­nis und da­mit Hin­der­nis­se für die Ver­wirk­li­chung de­mo­kra­tisch ge­bil­de­ten Wil­lens zu er­zeu­gen.
80 2. Be­am­te un­ter­schei­den sich grundsätz­lich von den­je­ni­gen Bürgern, die durch Maßnah­men der öffent­li­chen Ge­walt ei­nem Son­der­sta­tus­verhält­nis un­ter­wor­fen wer­den, da­bei aber nicht et­wa in die Sphäre des Staa­tes wech­seln, son­dern nur in ei­ne recht­li­che Son­der­be­zie­hung tre­ten, wie Schüler und de­ren er­zie­hungs­be­rech­tig­te El­tern in der staat­li­chen Pflicht­schu­le (BVerfGE 34, 165 <192 f.>; 41, 251 <259 f.>; 45, 400 <417 f.>; 47, 46 <78 ff.>) oder Straf­ge­fan­ge­ne im Voll­zug (BVerfGE 33, 1 <11>). Es ist des­halb ein Irr­tum zu glau­ben, mit der Be­to­nung grund­recht­li­cher Po­si­tio­nen im in­ner­dienst­li­chen Be­reich könne ein wei­te­res Mal - nach dem Kampf ge­gen das In­sti­tut des be­son­de­ren Ge­walt­verhält­nis­ses - ei­ne Schlacht für die Frei­heits­idee des Grund­ge­set­zes ge­schla­gen wer­den. Das Ge­gen­teil ist der Fall. Wer den grund­rechts­ver­pflich­te­ten Leh­rer primär als Grund­recht­sträger be­greift und sei­ne Frei­heits­ansprüche da­mit ge­gen Schüler und El­tern rich­tet, verkürzt die Frei­heit de­rer, um de­rent­wil­len mit der We­sent­lich­keits­theo­rie der Ge­set­zes­vor­be­halt im Schul­recht aus­ge­dehnt wur­de.
81 Das Verhält­nis des Be­am­ten zum Staat ist ei­ne be­son­de­re Nähe­be­zie­hung, die von der Ver­fas­sung an­er­kann­te und als be­wah­rens­wert an­ge­se­he­ne Sach­ge­setz­lich­kei­ten auf­weist. Be­am­te sol­len nach der aus­ge­wo­ge­nen Kon­zep­ti­on des Grund­ge­set­zes durch­aus frei­heits­be­wuss­te Staatsbürger sein - an­ders wäre die Treue zur frei­heit­li­chen Ver­fas­sung nur ein Lip­pen­be­kennt­nis -, sie sol­len zu­gleich aber den grundsätz­li­chen Vor­rang der Dienst­pflich­ten und den dar­in verkörper­ten Wil­len der de­mo­kra­ti­schen Or­ga­ne ach­ten. Der Be­am­te ist als Persönlich­keit kein bloßes "Voll­zug­s­in­stru­ment", auch wenn er sich zum Dienst am Ge­mein­wohl ent­schließt. Wer Be­am­ter wer­den will, muss sich je­doch mit dem Ver­fas­sungs­staat in wich­ti­gen Grund­satz­fra­gen und bei der Wahr­neh­mung sei­ner dienst­li­chen Auf­ga­ben loy­al iden­ti­fi­zie­ren, weil um­ge­kehrt auch der Staat durch sei­nen öffent­li­chen Dienst re­präsen­tiert und des­halb mit dem kon­kre­ten Be­diens­te­ten iden­ti­fi­ziert wird. Von die­ser Idee der Ge­gen­sei­tig­keit und der Nähe sind al­le Grundsätze des Be­rufs­be­am­ten­tums be­herrscht.
82 Grund­recht­li­che Frei­heits­ansprüche ei­nes Be­am­ten oder des Be­wer­bers um ein öffent­li­ches Amt sind des­halb von vorn­her­ein nur in­so­weit gewähr­leis­tet, als sie mit die­sen Sach­ge­setz­lich­kei­ten ver­ein­bar sind. Sie fügen sich in die­se Not­wen­dig­kei­ten des öffent­li­chen Amts ein, wenn kei­ne Hin­der­nis­se für den Dienst­be­trieb befürch­tet wer­den müssen. Al­les an­de­re als ein sol­cher Funk­ti­ons­vor­be­halt für Grund­rechts­ansprüche der Be­am­ten im Dienst wäre mit der Kon­kor­danz der Ver­fas­sung nicht zu ver­ein­ba­ren. An­dern­falls würde die Ver­fas­sungs­in­ter­pre­ta­ti­on ei­nen Wi­der­spruch eröff­nen, der im Grund­ge­setz selbst nicht an­ge­legt ist. Die Grund­rech­te mit ih­rer Be­stim­mung, Dis­tanz zwi­schen po­li­ti­scher Herr­schaft und staats­frei­er Ge­sell­schaft zu gewähr­leis­ten, sol­len sich nicht ge­ra­de dort ent­fal­ten, wo die Ver­fas­sung ein be­son­de­res Näheverhält­nis will und des­halb wech­sel­sei­ti­ge Dis­tan­zie­rung grundsätz­lich aus­sch­ließt.
83 Die Grund­rech­te wah­ren Dis­tanz zwi­schen Bürger und Staats­ge­walt ge­ra­de um der Be­gren­zung staat­li­cher Herr­schaft wil­len (Lo­schel­der, in: Isen­see/Kirch­hof (Hrsg.), Hand­buch des Staats­rechts, Band V, 2. Aufl., 2000, § 123, Rn. 16; Di Fa­bio, VV­DS­tRL 56, S. 235 <253 f.>). Die­se vor­nehms­te Funk­ti­on der Grund­rech­te darf sich aber nicht dort un­ein­ge­schränkt ent­fal­ten, wo die Dis­tanz ge­ra­de durch die Staats­ein­glie­de­rung auf­ge­ho­ben wer­den soll und des­halb von der Ver­fas­sung der Ab­stand nicht ge­wollt ist. Im Rah­men ei­ner von der Ver­fas­sung in­sti­tu­tio­nell ge­woll­ten Nähe­be­zie­hung kann sich da­her die ursprüng­lichs­te Grund­rechts­funk­ti­on nicht Gel­tung ver­schaf­fen, oh­ne die Nähe­be­zie­hung und die Ver­fas­sungs­ent­schei­dung für ei­nen de­mo­kra­tisch di­ri­gier­ten öffent­li­chen Dienst in Fra­ge zu stel­len.
84 3. Die Eig­nungs­be­ur­tei­lung im Rah­men des spe­zi­el­len Gleich­heits­rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG darf nicht mit ei­nem Ein­griff in die Frei­heits­sphäre des Art. 4 Abs. 1 GG ver­wech­selt wer­den.
85 Vor­aus­set­zung und gleich­sam Nor­mal­fall klas­si­scher Frei­heits­rech­te ist ein Ein­drin­gen der öffent­li­chen Ge­walt in die Sphäre des Bürgers. Da­von wei­chen die­je­ni­gen Kon­stel­la­tio­nen ab, in de­nen der Bürger auf den Staat zu­geht, von der All­ge­mein­heit Leis­tun­gen ein­for­dert oder ihr sei­ne Diens­te an­bie­tet. Nicht die öffent­li­che Ge­walt dringt hier in die Ge­sell­schaft ein, son­dern Grund­recht­sträger su­chen die Nähe zur staat­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on, er­stre­ben de­ren Han­deln, su­chen ei­ne Rechts­be­zie­hung.
86 Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de rügt die Ver­let­zung von Art. 33 Abs. 2 in Ver­bin­dung mit Art. 33 Abs. 3 GG und be­ruft sich mit­hin auf ein spe­zi­el­les Gleich­heits­recht. Für iso­liert gel­tend ge­mach­te oder mit ei­nem Leis­tungs­an­spruch ver­bun­de­ne Gleich­heits­rech­te kann aber der Ge­set­zes­vor­be­halt nicht ein­grei­fen. Der Gleich­heits­ver­s­toß führt nicht zu ei­nem Ein­griff in ein Frei­heits­recht, der den Ge­set­zes­vor­be­halt auslösen könn­te. Die Ein­griffs­kon­stel­la­ti­on verläuft an­ders: Die Er­nen­nung ei­nes Leh­rers, der in sei­ner Per­son kei­ne Gewähr für ei­ne neu­tra­le Amtsführung im Un­ter­richt bie­tet, be­ein­träch­tigt mit­tel­bar Grund­rech­te der Schüler und ih­rer El­tern; in­so­fern könn­te al­len­falls über die Er­for­der­lich­keit ei­nes Ge­set­zes im Hin­blick auf den Frei­heits­schutz der Schüler und El­tern dis­ku­tiert wer­den.
87 Ver­bie­tet der Staat je­man­dem das zu­min­dest auch re­li­giös mo­ti­vier­te Tra­gen des Kopf­tu­ches auf ei­nem öffent­li­chen Platz, greift er zwei­fel­los in das Grund­recht der Re­li­gi­ons­frei­heit ein. Möch­te der Be­am­te da­ge­gen in ei­nem be­reits von der Ver­fas­sung als neu­tral be­stimm­ten Be­reich - hier im Un­ter­richt ei­ner staat­li­chen Pflicht­schu­le - und als Re­präsen­tant der All­ge­mein­heit re­li­giös be­grif­fe­ne Zei­chen set­zen, so übt er nicht ei­ne ihm als In­di­vi­du­um zu­ste­hen­de Frei­heit im ge­sell­schaft­li­chen Raum aus. Die Frei­heits­ent­fal­tung des Be­am­ten im Dienst ist von vorn­her­ein durch die Sach­not­wen­dig­kei­ten und vor al­lem die ver­fas­sungs­recht­li­che Aus­ge­stal­tung des Am­tes be­grenzt - an­ders würde die Ver­wirk­li­chung des Volks­wil­lens an ei­nem Über­maß an Frei­heits­ansprüchen der Re­präsen­tan­ten des Staa­tes schei­tern. Bei der Wahr­neh­mung des Schul­diens­tes hat der Leh­rer die Grund­rech­te der Schüler und ih­rer El­tern zu ach­ten, er steht nicht nur auf der Sei­te des Staa­tes, der Staat han­delt durch ihn. Wer den Be­am­ten, ab­ge­se­hen von Sta­tus­fra­gen, als un­ein­ge­schränkt grund­rechts­be­rech­tigt ge­genüber sei­nem Dienst­her­ren sieht, löst die um der Frei­heit von Kin­dern und El­tern wil­len ge­zo­ge­ne Gren­ze zwi­schen Staat und Ge­sell­schaft auf. Er nimmt da­mit in Kauf, dass die Durch­set­zung de­mo­kra­ti­scher Wil­lens­bil­dung er­schwert wird und eb­net statt­des­sen ei­ner schwer kon­trol­lier­ba­ren ju­ris­ti­schen Abwägung zwi­schen Grund­rechts­po­si­tio­nen von Leh­rern, El­tern und Schülern den Weg.
88 4. Ei­nes Ge­set­zes be­darf es schließlich auch nicht des­halb, weil die Eig­nungs­be­ur­tei­lung ei­nes Be­am­ten mit­tel­ba­re Wir­kun­gen in ei­nem für die Grund­rech­te we­sent­li­chen Rechts­verhält­nis ent­fal­tet. Zwar ist die Gel­tung des Ge­set­zes­vor­be­halts im Schul­recht in der Ver­gan­gen­heit um der El­tern und Schüler wil­len aus­ge­wei­tet wor­den, nicht je­doch zum Schut­ze der be­am­te­ten Leh­rer. Das Be­am­ten­verhält­nis als ei­ne be­son­de­re Nähe­be­zie­hung zwi­schen Bürger und Staat wur­de im Ge­gen­satz zum Schul­recht mit sei­nem nach außen ge­rich­te­ten und in das El­tern­recht ein­wir­ken­den Leis­tungs­cha­rak­ter ge­ra­de nicht als Rechts­be­zie­hung ver­stan­den, die vom Grund­rechts­an­spruch des Be­am­ten ge­prägt wird (vgl. Op­per­mann, Ver­hand­lun­gen des 51. Deut­schen Ju­ris­ten­ta­ges, 1976, Band I, Teil C Gut­ach­ten, Nach wel­chen recht­li­chen Grundsätzen sind das öffent­li­che Schul­we­sen und die Stel­lung der an ihm Be­tei­lig­ten zu ord­nen?, C 46 f.).
89 Un­ter dem Ge­sichts­punkt der We­sent­lich­keit könn­te da­her le­dig­lich von Be­deu­tung sein, wenn ein Land die Ver­wen­dung des Kopf­tuchs oder an­de­rer kon­flikt­ge­eig­ne­ter re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Sym­bo­le im Un­ter­richt zu­las­sen würde. Denn dann wäre auch oh­ne den be­reits kon­kret gel­tend ge­mach­ten Grund­rechts­ein­griff in Schüler- und El­tern­rech­te ei­ne grund­recht­li­che Ge­fah­ren­la­ge ent­stan­den, die der ge­setz­li­chen Re­ge­lung bedürf­te. Ei­ne Aus­deh­nung des Ge­set­zes­vor­be­halts un­ter dem Ge­sichts­punkt der We­sent­lich­keit auf Frei­heits­ansprüche des Leh­rers bei der Ausübung sei­ner dienst­li­chen Tätig­keit da­ge­gen ist bis­lang noch nicht ver­tre­ten wor­den.

II.

90 Die Neu­tra­litäts­pflicht des Be­am­ten er­gibt sich aus der Ver­fas­sung selbst, sie be­darf kei­ner zusätz­li­chen lan­des­ge­setz­li­chen Grund­le­gung. Der Be­am­te, der kei­ne Gewähr für ei­ne in sei­nem Ge­samt­ver­hal­ten neu­tra­le, den je­wei­li­gen dienst­li­chen An­for­de­run­gen an­ge­mes­se­ne Amtsführung bie­tet, ist un­ge­eig­net im Sin­ne des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 92, 140 <151>; 96, 189 <197>).
91 Die Be­gründung der Se­nats­mehr­heit schiebt den grund­recht­li­chen Frei­heits­an­spruch weit in das öffent­li­che Dienst­recht, oh­ne die vom Grund­ge­setz in Art. 33 GG ge­trof­fe­ne Struk­tur­ent­schei­dung an­ge­mes­sen zu ge­wich­ten. Sie ist des­halb mit grund­le­gen­den Aus­sa­gen der Ver­fas­sung zum Verhält­nis von Ge­sell­schaft und Staat nicht in Ein­klang zu brin­gen. Ver­kannt wird ins­be­son­de­re die Stel­lung des öffent­li­chen Diens­tes bei der Ver­wirk­li­chung des de­mo­kra­ti­schen Wil­lens.
92 1. Wer ein öffent­li­ches Amt er­strebt, sucht im sta­tus ac­tivus die Nähe zur öffent­li­chen Ge­walt und be­gehrt - wie die Be­schwer­deführe­rin - die Be­gründung ei­nes be­son­de­ren Dienst- und Treue­verhält­nis­ses zum Staat. Die­se be­son­de­re, durch Art. 33 Abs. 5 GG ver­fas­sungs­recht­lich ab­ge­si­cher­te Pflich­ten­stel­lung über­la­gert den grundsätz­lich auch für Be­am­te gel­ten­den Schutz der Grund­rech­te (vgl. BVerfGE 39, 334 <366 f.>), so­weit Auf­ga­be und Zweck des öffent­li­chen Amts dies er­for­dern. Dem­ent­spre­chend gewährt auch der aus Art. 33 Abs. 2 GG fol­gen­de staatsbürger­li­che An­spruch glei­chen Zu­gang zu öffent­li­chen Ämtern nur, wenn der Be­wer­ber die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des grund­rechts­glei­chen Rechts - Eig­nung, Befähi­gung, fach­li­che Leis­tung - erfüllt. Der Dienst­herr ist be­fugt und von Ver­fas­sungs we­gen ver­pflich­tet, die Eig­nung ei­nes Be­wer­bers für ein öffent­li­ches Amt fest­zu­stel­len (Art. 33 Abs. 2 GG).
93 Die im Rah­men der Er­mes­sens­ent­schei­dung vor­zu­neh­men­de Be­ur­tei­lung von Eig­nung, Befähi­gung und fach­li­cher Leis­tung ist ein Akt wer­ten­der Er­kennt­nis, der vom Ge­richt nur be­schränkt dar­auf zu über­prüfen ist, ob die Ver­wal­tung der Be­ur­tei­lung ei­nen un­rich­ti­gen Sach­ver­halt zu Grun­de ge­legt und ob sie den be­am­ten­recht­li­chen und ver­fas­sungs­recht­li­chen Rah­men, in dem sie sich frei be­we­gen kann, ver­kannt hat. Im Übri­gen ist die Nach­prüfung, da es kei­nen An­spruch auf Über­nah­me in das Be­am­ten­verhält­nis gibt, auf die Willkürkon­trol­le be­schränkt (vgl. BVerfGE 39, 334 <354>). Die Aus­le­gung des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs der Eig­nung er­for­dert ei­ne Pro­gno­se­ent­schei­dung, wo­bei der Dienst­herr die Ge­samt­heit der Ei­gen­schaf­ten, die das je­wei­li­ge Amt von sei­nem In­ha­ber for­dert, um­fas­send zu be­wer­ten hat (vgl. BVerfGE 4, 294 <296 f.>; BVerw­GE 11, 139 <141>).
94 Hier­bei hat der Dienst­herr auch zu pro­gnos­ti­zie­ren, ob der Be­wer­ber zukünf­tig sei­ne Dienst­pflich­ten in dem an­ge­streb­ten Amt erfüllen wird. Zur Eig­nung zählt nicht nur die Gewähr, dass der Be­am­te den fach­li­chen Auf­ga­ben ge­wach­sen ist, son­dern auch, dass er in sei­ner Per­son die grund­le­gen­den Vor­aus­set­zun­gen erfüllt, die für die Wahr­neh­mung ei­nes über­tra­ge­nen öffent­li­chen Am­tes un­ab­ding­bar sind. Zu die­sen Vor­aus­set­zun­gen, die Art. 33 Abs. 5 GG mit Ver­fas­sungs­rang schützt, rech­net die Gewähr für ei­ne neu­tra­le Wahr­neh­mung der dienst­li­chen Auf­ga­ben des Be­am­ten. Wel­ches Maß an Zurück­hal­tung und Neu­tra­lität vom Be­am­ten im Ein­zel­fall ver­langt wer­den darf, be­stimmt sich nicht nur aus all­ge­mei­nen Grundsätzen, son­dern auch aus den kon­kre­ten An­for­de­run­gen des Am­tes.
95 2. Der vom Grund­ge­setz ver­fass­te Staat braucht den öffent­li­chen Dienst, da­mit der Wil­le des Vol­kes prak­tisch wirk­sam wer­den kann. Der öffent­li­che Dienst ver­wirk­licht die Ent­schei­dun­gen des par­la­men­ta­ri­schen Ge­setz­ge­bers und der ver­ant­wort­li­chen Re­gie­rung; er kon­kre­ti­siert das De­mo­kra­tie- und Rechts­staats­prin­zip (Art. 20 Abs. 1 GG). Die Kon­zep­ti­on der Ver­fas­sung zielt auf ei­ne de­mo­kra­ti­sche Herr­schaft in Rechts­form. So­wohl das par­la­men­ta­ri­sche Ge­setz als auch die po­li­ti­sche Lei­tung der Re­gie­rung bedürfen des­halb des sach­kun­di­gen, neu­tra­len öffent­li­chen Diens­tes (vgl. BVerfGE 7, 155 <163>). Ge­setz und Recht sind Form­ver­spre­chen für den der öffent­li­chen Ge­walt un­ter­wor­fe­nen Bürger, mit dem ein Sach­ver­halt oh­ne An­se­hen der Per­son abs­trakt-ge­ne­rell ge­re­gelt wird. Dem ent­spricht es, dass auch der öffent­li­che Be­diens­te­te, der zur Um­set­zung des Ge­set­zes und zur rechtsförm­li­chen Ver­wirk­li­chung des po­li­ti­schen Wil­lens der Re­gie­rung be­ru­fen ist, dem Bürger als neu­tra­ler Sach­wal­ter ge­genüber tritt.
96 Die Ent­schei­dung für den Rechts­staat ver­langt den ge­set­zes­ge­bun­de­nen Be­am­ten als Ge­gen­ge­wicht zur po­li­ti­schen Führung der Re­gie­rung. Er ver­wirk­licht den de­mo­kra­ti­schen Wil­len. Nach der Kon­zep­ti­on des Grund­ge­set­zes wer­den ho­heit­li­che Auf­ga­ben in der Re­gel auf Be­am­te über­tra­gen (Art. 33 Abs. 4 GG). Das Be­rufs­be­am­ten­tum soll, ge­gründet auf Sach­wis­sen, fach­li­che Leis­tung und loya­le Pflich­terfüllung, ei­ne sta­bi­le Ver­wal­tung si­chern und da­mit ei­nen aus­glei­chen­den Fak­tor ge­genüber den das Staats­le­ben ge­stal­ten­den po­li­ti­schen Kräften bil­den (vgl. BVerfGE 7, 155 <162>; 11, 203 <216 f.>). Der Be­am­te hat sei­ne Auf­ga­ben un­par­tei­isch und ge­recht zu erfüllen, bei sei­ner Amtsführung auf das Wohl der All­ge­mein­heit Be­dacht zu neh­men, loy­al zum Staat zu ste­hen und sich in­ner­halb und außer­halb des Diens­tes so zu ver­hal­ten, dass er der Ach­tung und dem Ver­trau­en ge­recht wird, die sein Be­ruf er­for­dert (vgl. § 35 Abs. 1 BRRG; § 73 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Ba­den-Würt­tem­berg - LBG -). Sein dienst­li­ches Ver­hal­ten muss sich al­lein an Sach­rich­tig­keit, Rechtstreue, Ge­rech­tig­keit, Ob­jek­ti­vität und dem All­ge­mein­wohl ori­en­tie­ren. Die­se Ver­pflich­tun­gen bil­den ei­ne we­sent­li­che Grund­la­ge für das Ver­trau­en der Bürger in die Erfüllung der Auf­ga­ben des de­mo­kra­ti­schen Rechts­staats.
97 3. Das hier­aus fol­gen­de Neu­tra­litäts- und Mäßigungs­ge­bot der Be­am­ten gehört zu den her­ge­brach­ten Grundsätzen des Be­rufs­be­am­ten­tums (Art. 33 Abs. 5 GG); es hat in den §§ 35 Abs. 1 und 2, 36 BRRG und den Be­am­ten­ge­set­zen der Länder (vgl. § 72 LBG) sei­ne ein­fach­ge­setz­li­che Aus­prägung er­fah­ren (vgl. BVerfGE 7, 155 <162>; Bat­tis in: Sachs, GG 3. Aufl., 2003, Art. 33, Rn. 71; Lübbe-Wolff in: Drei­er, GG, Band II, 1998, Art. 33, Rn. 78). Die­se kor­re­spon­diert mit der grundsätz­li­chen Neu­tra­litäts­pflicht des Staa­tes auch für den re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­reich, die ge­ra­de aus der Glau­bens­frei­heit des Art. 4 GG in Ver­bin­dung mit Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG so­wie aus Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 136 Abs. 1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV ab­zu­lei­ten ist (vgl. BVerfGE 19, 206 <216>; 93, 1 <16 f.>; 105, 279 <294>). In­so­weit be­gründen die Grundsätze des Be­rufs­be­am­ten­tums aus Art. 33 Abs. 5 GG ei­nen ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­ren Vor­be­halt, der den Raum für ei­ne Grund­rechts­ausübung des Be­am­ten von vorn­her­ein be­grenzt: zum Schutz der Grund­rech­te der­je­ni­gen, die nicht in die staat­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on ein­ge­glie­dert sind.
98 Die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts hat un­mit­tel­bar aus Art. 33 Abs. 5 GG Rech­te und Pflich­ten des Be­am­ten ent­nom­men. Ein­fach­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen der Rech­te und Pflich­ten des Be­am­ten sind da­bei möglich und in ge­wis­sem Maße sinn­voll, ver­fas­sungs­recht­lich aber nicht ge­for­dert (BVerfGE 43, 154 <169 f.>). Zu den un­mit­tel­bar aus Art. 33 Abs. 5 GG be­gründe­ten Pflich­ten des Be­am­ten gehört die Mäßigung und Zurück­hal­tung, ins­be­son­de­re bei der Wahr­neh­mung sei­ner Dienst­geschäfte. Verhält sich der Be­am­te im Dienst po­li­tisch, welt­an­schau­lich oder re­li­giös nicht neu­tral, so verstößt er ge­gen die ihm ob­lie­gen­den Dienst­pflich­ten, wenn sein Ver­hal­ten ob­jek­tiv ge­eig­net ist, zu Kon­flik­ten oder Be­hin­de­run­gen bei der Wahr­neh­mung öffent­li­cher Auf­ga­ben zu führen (vgl. BVerfGE 39, 334 <347>). Er muss ge­ra­de auch in re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten zurück­hal­tend sein, weil dies dem Staat, für den er han­delt, um der Frei­heit der Bürger wil­len ab­ver­langt wird.
99 Der Staat und sei­ne Or­ga­ne sind nach Art. 4 Abs. 1 GG so­wie aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG in Ver­bin­dung mit Art. 136 Abs. 1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV ver­pflich­tet, sich in Fra­gen des re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­kennt­nis­ses neu­tral zu ver­hal­ten und nicht den re­li­giösen Frie­den in der Ge­sell­schaft zu gefähr­den (BVerfGE 105, 279 <294>). Auch des­halb muss der Be­am­te be­reits beim Zu­gang zum öffent­li­chen Dienst von Ver­fas­sungs we­gen die persönli­che Gewähr für ein neu­tra­les, nicht pro­vo­zie­ren­des oder her­aus­for­dern­des Ver­hal­ten im Rah­men der künf­ti­gen Amtsführung bie­ten (Art. 33 Abs. 5 GG).
100 4. Wel­ches Maß an Zurück­hal­tung und Neu­tra­lität vom Be­am­ten im Ein­zel­fall ver­langt wer­den darf, be­stimmt sich nicht nur aus die­sen all­ge­mei­nen Grundsätzen, son­dern auch aus den kon­kre­ten und wech­seln­den An­for­de­run­gen des Am­tes. Auch die­se An­for­de­run­gen müssen nicht als Dienst­pflich­ten vom Ge­setz ge­son­dert be­stimmt wer­den, weil es ge­ra­de zum Kenn­zei­chen des Be­rufs­be­am­ten­tums gehört, dass Dienst­pflich­ten nicht als Frei­heits­be­schränkun­gen des Be­am­ten ver­stan­den, son­dern vom Dienst­her­ren nach den je­wei­li­gen Bedürf­nis­sen ei­ner rechts­staat­li­chen und sach­lich wirk­sa­men Ver­wal­tung fest­ge­legt wer­den. Der Maßstab für die Eig­nungs­be­ur­tei­lung ist für die Behörde auch in­so­weit in ih­ren we­sent­li­chen Li­ni­en durch Art. 33 Abs. 5 GG hin­sicht­lich des Grund­sat­zes der Neu­tra­lität und der Mäßigung vor­ge­zeich­net. Die­se von Ver­fas­sungs we­gen un­mit­tel­bar gel­ten­den Prin­zi­pi­en bedürfen auch im Schul­verhält­nis kei­ner wei­te­ren ge­setz­li­chen Kon­kre­ti­sie­rung. Die ein­fach­ge­setz­li­chen Ge­bo­te zur po­li­ti­schen Mäßigungs­pflicht des Be­am­ten sind in­so­fern de­kla­ra­to­risch und nicht kon­sti­tu­tiv für die Eig­nungs­be­ur­tei­lung beim Zu­gang zu öffent­li­chen Ämtern im Sin­ne der Art. 33 Abs. 2, Art. 33 Abs. 5 GG.
101 Die all­ge­mei­ne Neu­tra­litäts­pflicht gilt in be­son­de­rem Maße für Be­am­te, die das Amt des Leh­rers an öffent­li­chen Schu­len ausüben. Leh­rer erfüllen den Bil­dungs- und Er­zie­hungs­auf­trag des Staa­tes (Art. 7 Abs. 1 GG). Sie ha­ben da­bei die un­mit­tel­ba­re pädago­gi­sche Ver­ant­wor­tung für den Un­ter­richt und die Er­zie­hung der Schüler. Auf Grund ih­rer Funk­ti­on wer­den sie in die La­ge ver­setzt, in ei­ner den El­tern ver­gleich­ba­ren Wei­se Ein­fluss auf die Ent­wick­lung der an­ver­trau­ten Schüler zu neh­men. Da­mit ver­bun­den ist ei­ne Ein­schränkung des grund­recht­lich ga­ran­tier­ten Er­zie­hungs­rechts der El­tern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), die nur hin­ge­nom­men wer­den kann, wenn sich die Schu­le um größtmögli­che Ob­jek­ti­vität und Neu­tra­lität nicht nur im po­li­ti­schen, son­dern auch im re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Be­reich bemüht. Dies gilt auch des­halb, weil den El­tern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht zur Kin­der­er­zie­hung auch in re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Hin­sicht zu­steht und die­se für falsch emp­fun­de­ne Glau­bensüber­zeu­gun­gen grundsätz­lich von ih­ren Kin­dern fern hal­ten können (vgl. BVerfGE 41, 29 <48>; 41, 88 <107>). Die Be­ach­tung die­ser Rech­te gehört zu den we­sent­li­chen be­reits vom Grund­ge­setz ge­for­der­ten Auf­ga­ben der Schu­le; sie be­stim­men zu­gleich spie­gel­bild­lich die von den Leh­rern zu be­ach­ten­den Dienst­pflich­ten.

III.

102 Ei­ne Leh­re­rin an ei­ner Grund- oder Haupt­schu­le verstößt ge­gen Dienst­pflich­ten, wenn sie im Un­ter­richt mit ih­rer Klei­dung Sym­bo­le ver­wen­det, die ob­jek­tiv ge­eig­net sind, Hin­der­nis­se im Schul­be­trieb oder gar grund­recht­lich be­deut­sa­me Kon­flik­te im Schul­verhält­nis her­vor­zu­ru­fen. Das von der Be­schwer­deführe­rin be­gehr­te kom­pro­miss­lo­se Tra­gen des Kopf­tuchs im Schul­un­ter­richt ist mit dem Mäßigungs- und Neu­tra­litäts­ge­bot ei­nes Be­am­ten nicht zu ver­ein­ba­ren.
103 1. Grund­rech­te sind bei der Ausübung ei­nes öffent­li­chen Am­tes auch für den mo­der­nen, auf­ge­schlos­se­nen und cou­ra­gier­ten Staats­die­ner nur in­so­weit von der Ver­fas­sung gewähr­leis­tet, als kein prägnan­ter Wi­der­spruch zur po­li­ti­schen Wil­lens­bil­dung des Dienst­her­ren und kein Funk­ti­ons­hin­der­nis bei der Ausübung des über­tra­ge­nen öffent­li­chen Am­tes zu be­sor­gen ist. Mit der An­nah­me, erst das Vor­lie­gen greif­ba­rer An­halts­punk­te ei­ner "kon­kre­ten Gefähr­dung des Schul­frie­dens" rei­che aus, um die Eig­nung ei­nes Be­am­ten­be­wer­bers ver­nei­nen zu können, ver­kennt die Se­nats­mehr­heit den Maßstab der Eig­nungs­be­ur­tei­lung.
104 Auch die Se­nats­mehr­heit räumt ein, dass re­li­giös mo­ti­vier­te Be­klei­dung von Leh­rern Schul­kin­der be­ein­flus­sen, Kon­flik­te mit El­tern her­vor­ru­fen und so die Störung des Schul­frie­dens be­wir­ken kann. Ins­be­son­de­re im Kon­flikt­fall müsse da­bei auch mit be­las­ten­den Aus­wir­kun­gen auf jünge­re Schüle­rin­nen und Schüler ge­rech­net wer­den. Die­se po­ten­zi­el­le Gefähr­dungs­la­ge könne ei­nem Lehr­amts­anwärter aber nicht im Sta­di­um der "abs­trak­ten Ge­fahr" ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den, son­dern erst, wenn greif­ba­re An­halts­punk­te für die Gefähr­dung des Schul­frie­dens ma­ni­fest ge­wor­den sind. Oh­ne hand­fest ge­wor­de­ne Kon­flik­te kann da­nach ein Eig­nungs­man­gel von der Ein­stel­lungs­behörde nicht mehr kon­sta­tiert wer­den.
105 Da­mit wird der Be­ur­tei­lungs­maßstab der Eig­nungs­be­ur­tei­lung im Rah­men des Art. 33 Abs. 2 GG ver­kannt. Denn weil die Ent­fer­nung ei­nes Be­am­ten auf Le­bens­zeit aus dem Dienst we­gen Ver­let­zung sei­ner Dienst­pflich­ten nach den her­ge­brach­ten Grundsätzen des Be­rufs­be­am­ten­tums nur ein­ge­schränkt und im We­ge des förm­li­chen Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens möglich ist, muss der Dienst­herr be­reits im Vor­feld Sor­ge dafür tra­gen, dass nie­mand Be­am­ter wird, der nicht die Gewähr dafür bie­tet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG fol­gen­den Dienst­pflich­ten ein­zu­hal­ten. Das ver­fas­sungs­recht­lich le­gi­ti­me Mit­tel da­zu ist die Prüfung und Ent­schei­dung, ob der Be­wer­ber für das an­ge­streb­te Amt die er­for­der­li­che Eig­nung be­sitzt. Nicht ausräum­ba­re Zwei­fel hier­an be­rech­ti­gen die Ein­stel­lungs­behörde zu ei­ner ne­ga­ti­ven Pro­gno­se, da in­so­weit die Eig­nung nicht po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den kann (vgl. BVerfGE 39, 334 <352 f.>). Vor­beu­gen­de Maßnah­men zum Schut­ze von Kin­dern und des el­ter­li­chen Er­zie­hungs­rechts bedürfen im Übri­gen grundsätz­lich nicht des wis­sen­schaft­lich-em­pi­ri­schen Nach­wei­ses ei­ner Ge­fah­ren­la­ge (vgl. BVerfGE 83, 130 <140>).
106 Die Be­zug­nah­me auf die dem Po­li­zei­recht ent­lehn­te Fi­gur der "abs­trak­ten Ge­fahr" ver­mag da­her die Kon­flikt­la­ge der Eig­nungs­be­ur­tei­lung nicht an­ge­mes­sen zu lösen. Dem frei­heit­li­chen Ver­fas­sungs­staat ist viel­mehr un­ter­sagt, Be­am­ten die er­for­der­li­che Eig­nung erst dann ab­zu­spre­chen, wenn durch ihr ab­seh­ba­res dienst­li­ches Ver­hal­ten Schäden an be­stimm­ten Rechtsgütern wahr­schein­lich wer­den, wie dies der Ge­fahr­be­griff im­pli­ziert. Mit der Ab­stu­fung von kon­kre­ter und abs­trak­ter Ge­fahr ver­mag da­her die klas­si­sche Ein­griffs­schwel­le im Verhält­nis von Bürger und Staat be­schrie­ben wer­den, nicht aber der Maßstab für das der staat­li­chen Ver­wal­tung ob­lie­gen­de Ein­stel­lungs­er­mes­sen. Es kann dem be­am­ten­recht­li­chen Funk­ti­ons­vor­be­halt nicht ent­spre­chen, wenn der Ver­fas­sungs­staat sich ge­gen sei­ne ei­ge­nen Be­am­ten, die ihn verkörpern und durch die er han­delt, auf die po­li­zei­recht­li­che Ge­fah­ren­schwel­le be­ru­fen müss­te, um de­ren Ver­hal­ten im Dienst zu re­gle­men­tie­ren. Dies gilt um­so mehr, als die Be­schwer­deführe­rin in ei­ner staat­li­chen Pflicht­schu­le Grund- und Hauptschüler - al­so in ei­nem für Schüler und El­tern grund­rechts­sen­si­blen Be­reich - un­ter­rich­ten will. Es kommt in­so­fern nicht auf po­li­zei­recht­li­che Ge­fah­ren­la­gen oder -mo­da­litäten an, son­dern le­dig­lich dar­auf, ob die Schul­behörde in Kon­kre­ti­sie­rung nicht nur lan­des­recht­li­cher Be­stim­mun­gen, son­dern auch der ver­fas­sungs­kräfti­gen Grundsätze des Be­rufs­be­am­ten­tums im Sin­ne des Art. 33 Abs. 5 GG ei­nen dro­hen­den Pflicht­ver­s­toß in nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se an­ge­nom­men hat. Dies ist er­sicht­lich der Fall.
107 2. Die Schul­ver­wal­tung hat aus­weis­lich des Pro­to­kolls der Eig­nungs­gespräche und nach den Be­kun­dun­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt durch­aus Verständ­nis für die Glau­bensüber­zeu­gung der Be­schwer­deführe­rin ge­zeigt; die Be­schwer­deführe­rin hat um­ge­kehrt aber er­sicht­lich dem Neu­tra­litäts­an­lie­gen des Dienst­her­ren kein Verständ­nis ent­ge­gen­ge­bracht. Sie hat sich - ab­ge­se­hen von Ex­tremfällen wie un­mit­tel­bar dro­hen­der Ge­walt - außer Stan­de ge­se­hen, auf ein Sym­bol von star­ker re­li­giöser und welt­an­schau­li­cher Aus­sa­ge­kraft im Dienst zu ver­zich­ten. Ab­ge­se­hen da­von, dass die­se Ri­gi­dität Zwei­fel an der vor­ran­gi­gen Loya­lität der Be­schwer­deführe­rin zu den po­li­ti­schen Zie­len des Dienst­her­ren und der Wer­te­ord­nung des Grund­ge­set­zes auch in ei­nem mögli­chen Kon­flikt mit re­li­giösen Über­zeu­gun­gen des Is­lam her­vor­ruft, sind da­mit be­reits bei der Eig­nungs­be­ur­tei­lung Umstände be­kannt ge­wor­den, die ei­ne all­sei­ti­ge Ver­wen­dung der Be­wer­be­rin im Schul­dienst er­heb­lich er­schwe­ren würden und die Lan­des­staats­ge­walt in heu­te be­reits vor­aus­seh­ba­re Kon­flik­te mit Schülern und de­ren El­tern, aber womöglich auch mit an­de­ren Leh­rern bräch­ten.
108 Das von der Be­schwer­deführe­rin ge­tra­ge­ne Kopf­tuch ist da­bei nicht abs­trakt oder aus der Sicht der Be­schwer­deführe­rin zu be­ur­tei­len, son­dern im kon­kre­ten Schul­verhält­nis. Zu den An­for­de­run­gen des Am­tes ei­ner Grund- und Haupt­schul­leh­re­rin zählt die Pflicht, ob­jek­tiv aus­drucks­star­ke po­li­ti­sche, welt­an­schau­li­che oder re­li­giöse Sym­bo­le für ih­re Per­son zu ver­mei­den. Im Schul­dienst hat der Leh­rer die Ver­wen­dung sol­cher si­gni­fi­kan­ter Sym­bo­le zu un­ter­las­sen, die ge­eig­net sind, Zwei­fel an sei­ner Neu­tra­lität und pro­fes­sio­nel­len Dis­tanz in po­li­tisch, re­li­giös oder kul­tu­rell um­strit­te­nen The­men zu we­cken. Da­bei kann es nicht dar­auf an­kom­men, wel­chen sub­jek­ti­ven Sinn der be­am­te­te Leh­rer mit dem von ihm ver­wen­de­ten Sym­bol ver­bin­det. Ent­schei­dend ist viel­mehr die ob­jek­ti­ve Wir­kung des Sym­bols.
109 Ei­ne sol­che Wir­kung in kon­kret wech­seln­den La­gen je­weils ein­zuschätzen, ist grundsätz­lich Sa­che des Dienst­her­ren und kann von Ge­rich­ten nur in ein­ge­schränk­tem Um­fang auf Plau­si­bi­lität und Schlüssig­keit über­prüft wer­den. Für die Einschätzung ist die fach­lich kom­pe­ten­te Ver­wal­tung am bes­ten ge­eig­net, die Kon­kre­ti­sie­rung der Dienst­pflich­ten ist tra­di­tio­nell ei­ne Domäne des Dienst­her­ren. Da­bei hat er auf wech­seln­de La­gen zu re­agie­ren. Die Ver­wen­dung von Sym­bo­len verändert sich eben­so im Lau­fe der Zeit wie die Hef­tig­keit der durch sie her­vor­ge­ru­fe­nen Re­so­nanz: mal ste­hen po­li­ti­sche Pla­ket­ten (z.B. "Stoppt Strauß", "Atom­kraft - nein dan­ke"), mal re­li­giös her­ge­lei­te­te Zei­chen wie die oran­ge­far­be­ne Klei­dung der Bhag­wan(Os­ho)-Anhänger im Vor­der­grund (BVerwG, NVwZ 1988, S. 937). Der Dienst­herr - letzt­lich der zuständi­ge Lan­des­mi­nis­ter in sei­ner par­la­men­ta­ri­schen und po­li­ti­schen Ver­ant­wor­tung - mit sei­ner be­son­de­ren Sach­kun­de für die Funk­ti­ons­an­for­de­run­gen im Schul­verhält­nis muss je­weils abschätzen, wel­che Ver­wen­dung von Sym­bo­len durch den Be­am­ten mit den all­ge­mei­nen be­am­ten­recht­li­chen und den be­son­de­ren An­for­de­run­gen im Schul­dienst noch ver­ein­bar oder zu un­ter­bin­den ist.
110 3. Ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen abs­trak­ter und kon­kre­ter Ge­fahr - wie sie von der Se­nats­mehr­heit für be­deut­sam ge­hal­ten wird - ist da­bei oh­ne Be­lang und des­halb bis­her auch we­der für die Er­mitt­lung von Dienst­pflich­ten noch im Rah­men von Eig­nungs­ent­schei­dun­gen her­an­ge­zo­gen wor­den. Es kommt für ei­ne fach­ge­richt­li­che Be­an­stan­dung der Eig­nungs­ent­schei­dung nur dar­auf an, ob die Einschätzung, dass be­stimm­te Sym­bo­le mit dem be­am­ten­recht­li­chen Neu­tra­litäts­ge­bot un­ver­ein­bar sind, von ei­ner er­sicht­lich feh­ler­haf­ten Tat­sa­chen­grund­la­ge oder von nicht nach­voll­zieh­ba­ren Schluss­fol­ge­run­gen ge­tra­gen wur­de.
111 Die die an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen tra­gen­de An­nah­me, dass bei ei­ner Ein­stel­lung der Be­schwer­deführe­rin in ei­ner all­ge­mei­nen Grund- oder Haupt­schu­le in Ba­den-Würt­tem­berg Be­ein­träch­ti­gun­gen des Schul­frie­dens zu be­sor­gen sind, ist nach­voll­zieh­bar. Auch die Se­nats­mehr­heit geht da­von aus, dass ei­ne Leh­re­rin, die das Kopf­tuch als is­la­mi­sches Sym­bol dau­er­haft im Un­ter­richt trägt, je­den­falls ei­ne "abs­trak­te Ge­fahr" her­vor­ruft. In der Tat ist ein von der Leh­re­rin ge­tra­ge­nes – ge­genwärtig – aus­drucks­star­kes Sym­bol mit ob­jek­ti­ven re­li­giösen, po­li­ti­schen und kul­tu­rel­len Sinn­ge­hal­ten ge­eig­net, in die ne­ga­ti­ve Re­li­gi­ons­frei­heit von Schülern und El­tern und in das Er­zie­hungs­recht der El­tern (Art. 6 Abs. 2 GG) ein­zu­grei­fen. Ge­ra­de das Tra­gen ei­nes Klei­dungsstücks, das ein­deu­tig auf ei­ne be­stimm­te re­li­giöse oder welt­an­schau­li­che Über­zeu­gung ei­nes Leh­rers an öffent­li­chen Schu­len hin­weist, kann auf Un­verständ­nis oder Ab­leh­nung bei an­ders­den­ken­den Schülern oder de­ren Er­zie­hungs­be­rech­tig­ten stoßen und die­sen Per­so­nen­kreis in sei­nem Grund­recht ne­ga­ti­ver Be­kennt­nis­frei­heit tref­fen, weil sich die Schüler ei­ner sol­chen De­mons­tra­ti­on re­li­giöser Über­zeu­gung nicht ent­zie­hen können.
112 Un­ter­richt und Er­zie­hung an öffent­li­chen Schu­len sind staat­li­che Leis­tun­gen, de­ren In­an­spruch­nah­me den Kin­dern zur ge­setz­li­chen Pflicht ge­macht ist. Für Kin­der und ih­re El­tern ist des­halb die Teil­nah­me am Schul­un­ter­richt grundsätz­lich un­aus­weich­lich. Zu­dem hängen vom Leis­tungs­ni­veau und von der Fähig­keit schu­li­scher Ein­rich­tun­gen so­wie ih­rer Pra­xis zu sach­ge­rech­ter Förde­rung und Er­zie­hung die Le­bens­chan­cen der Kin­der maßgeb­lich ab. We­der den El­tern noch dem Staat ist es des­halb zu­zu­mu­ten, an­ge­sichts ei­ner schon im Ein­stel­lungs­gespräch er­kenn­ba­ren künf­ti­gen Kon­flikt­la­ge ab­zu­war­ten, ob und wie sich Kon­flik­te im Ein­zel­fall ent­wi­ckeln. Über­dies liegt na­he, dass ei­ni­ge El­tern von ei­nem Pro­test ab­se­hen wer­den, weil sie des­we­gen Nach­tei­le für ihr Kind befürch­ten. Die Möglich­keit ei­ner Be­ein­träch­ti­gung des Schul­frie­dens ist im Fall der Be­schwer­deführe­rin im Übri­gen auch schon kon­kret ge­wor­den, wie Er­fah­run­gen im Vor­be­rei­tungs­dienst und die ab­leh­nen­de Re­ak­ti­on von an­de­ren Leh­re­rin­nen zei­gen.
113 4. Die An­nah­me der Se­nats­mehr­heit, das Schul­kreuz an der Ein­gangstür ei­ner Klas­se und das Kopf­tuch der Leh­re­rin im Schul­un­ter­richt sei­en - zu Guns­ten der Be­schwer­deführe­rin - nicht zu ver­glei­chen, ver­kennt die Grund­rechts­la­ge der be­trof­fe­nen Schüler und El­tern. Maßgeb­lich ist hierfür, wel­chem Ein­fluss der ein­zel­ne Schüler in ei­ner staat­li­chen Pflicht­schu­le und un­ter staat­li­cher Ver­ant­wor­tung un­ter­wor­fen wird. Hängt in ei­nem christ­lich ge­prägten Um­feld ein Kreuz über der Schultür - kein großes Kru­zi­fix im Rücken des Leh­rers (vgl. BVerfGE 93, 1 <18>) - kann dies kaum mehr als Ein­griff in die ne­ga­ti­ve Re­li­gi­ons­frei­heit oder in das Er­zie­hungs­recht der El­tern be­trach­tet wer­den. Zu we­nig ver­bin­den Kin­der mit ei­nem bloßen und alltägli­chen Ge­gen­stand an der Wand, der kei­ne un­mit­tel­ba­re Be­zie­hung zu ei­nem kon­kre­ten Men­schen oder Le­bens­sach­ver­halt auf­weist. Zu sehr ist das Kreuz - über sei­ne re­li­giöse Be­deu­tung hin­aus - ein all­ge­mei­nes Kul­tur­zei­chen für ei­ne aus jüdi­schen und christ­li­chen Quel­len ge­speis­te wert­ge­bun­de­ne, aber of­fe­ne und durch rei­che, auch leid­vol­le his­to­ri­sche Er­fah­rung to­le­rant ge­wor­de­ne Kul­tur.
114 Leh­re­rin­nen und Leh­rer prägen dem­ge­genüber als Per­son und als Persönlich­keit - ge­ra­de in der Grund­schu­le und in der Funk­ti­on des Klas­sen­lei­ters - die Kin­der maßgeb­lich. Trägt ei­ne Leh­re­rin auffälli­ge Klei­dung, ruft dies Ein­drücke her­vor, gibt zu Fra­gen An­lass und spornt zur Nach­ah­mung an. Der Sach­verständi­ge Pro­fes­sor Blie­se­ner hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu aus­geführt, dass das Leh­rer­ver­hal­ten die Kin­der zur Nach­ah­mung an­regt: dies geschähe auf Grund der oft en­gen emo­tio­na­len Bin­dung der Grundschüle­rin­nen und Grundschüler, die von der Lehr­kraft aus pädago­gi­schen Gründen auch an­ge­strebt wer­den soll, so­wie der ein­deu­ti­gen Aus­rich­tung der kind­li­chen Auf­merk­sam­keit auf die Lehr­kraft und der eben­falls wahr­ge­nom­me­nen Au­to­rität der Lehr­kraft im Kon­text der Schu­le.
115 Die Erklärung der Be­schwer­deführe­rin, sie würde durch das Kopf­tuch aus­gelöste Fra­gen wahr­heits­wid­rig be­ant­wor­ten und wi­der ih­rer Glau­bensüber­zeu­gung be­haup­ten, es han­de­le sich nur um ein Mo­deac­ces­soire, ist nicht ge­eig­net, ei­nen Grund­rechts­kon­flikt zu ver­mei­den. Denn auch Kin­der wis­sen um die re­li­giöse Be­deu­tung ei­nes ständig, al­so auch in ge­schlos­se­nen Räum­en ge­tra­ge­nen Kopf­tuchs. Über­dies in­ter­agie­ren Schul­kin­der nicht nur mit der Leh­re­rin, son­dern auch mit ih­ren El­tern und ei­nem wei­te­ren so­zia­len Um­feld. El­tern, die im Rah­men ih­rer Er­zie­hungs­vor­stel­lung Fra­gen ih­rer Kin­der wahr­heits­gemäß be­ant­wor­ten, wer­den nicht um­hin können zu erläutern, die Leh­re­rin tra­ge das Kopf­tuch, weil sie an­ders ih­re Würde als Frau in der Öffent­lich­keit nicht wah­ren könne. Da­mit ist aber bei Schülern mit nich­tis­la­mi­schen, mögli­cher­wei­se auch bei is­la­mi­schen El­tern, die nicht von ei­nem Verhüllungs­ge­bot der Frau in der Öffent­lich­keit aus­ge­hen, ein Kon­flikt mit ih­ren Wert­vor­stel­lun­gen an­ge­legt. Die ob­jek­ti­ve Reiz­wir­kung ei­nes auch po­li­tisch-kul­tu­rel­len Sym­bols kann sich über Re­ak­tio­nen im so­zia­len Um­feld leicht auf das Kind über­tra­gen und es zu der Fra­ge führen, ob es sich in ei­nem Wer­te­dis­put, den es nicht be­ur­tei­len kann, auf die Sei­te der Leh­re­rin oder auf die Sei­te ei­nes das Kopf­tuch de­zi­diert ab­leh­nen­den so­zia­len Um­fel­des schlägt, zu dem auch die El­tern rech­nen können. Der Sach­verständi­ge Blie­se­ner hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung in­so­weit auf die mögli­che emo­tio­na­le Über­for­de­rung der Kin­der im Grund­schul­al­ter hin­ge­wie­sen, die ein­tre­ten könne, wenn sich zwi­schen der Lehr­kraft auf der ei­nen Sei­te und der El­tern­schaft oder ein­zel­nen El­tern auf der an­de­ren Sei­te ein dau­er­haf­ter Kon­flikt ent­wi­ckelt.
116 5. Da­mit ei­ne Dienst­pflicht, ge­rich­tet auf Mäßigung in der Be­klei­dung des Be­am­ten, vom Dienst­her­ren in rechtmäßiger Wei­se kon­kre­ti­siert wer­den kann, be­darf es kei­nes em­pi­ri­schen Nach­wei­ses von "Ge­fah­ren­la­gen", erst recht ist nicht ge­for­dert, dass der Lan­des­ge­setz­ge­ber durch wis­sen­schaft­li­che Er­he­bun­gen die "Gefähr­dung" er­mit­telt. Ein Ge­set­zes­vor­be­halt mit Nach­weis­pflich­ten des Ge­setz­ge­bers für die bloße Kon­kre­ti­sie­rung und An­ord­nung dienst­li­cher Pflich­ten ist nicht nur sys­tem­fremd, son­dern führt den frei­heit­li­chen Ver­fas­sungs­staat auch wei­ter in ei­ne sei­ne Wirk­sam­keit blo­ckie­ren­de Un­be­weg­lich­keit. Es reicht für die Eig­nungs­be­ur­tei­lung völlig aus, dass durch die Ver­wen­dung si­gni­fi­kan­ter Be­klei­dungs­sym­bo­le ein Kon­flikt in nach­voll­zieh­ba­rer Wei­se als möglich oder so­gar na­he­lie­gend er­scheint.
117 Dies ist der Fall, weil das Kopf­tuch of­fen­kun­dig - das zei­gen be­reits die öffent­li­chen Re­ak­tio­nen auf die von der Be­schwer­deführe­rin an­ge­streng­ten ge­richt­li­chen Ver­fah­ren - je­den­falls auch als Sym­bol des po­li­ti­schen Is­la­mis­mus mit star­kem Sym­bol­ge­halt auf­ge­la­den ist und ent­spre­chen­de Ab­wehr­re­ak­tio­nen zu er­war­ten sind. Zu die­sem ob­jek­ti­ven Aus­sa­ge­ge­halt gehört auch die Be­to­nung ei­nes sitt­li­chen Un­ter­schieds zwi­schen Frau­en und Männern, die ge­eig­net ist, Kon­flik­te mit den­je­ni­gen her­vor­zu­ru­fen, die ih­rer­seits die Gleich­be­rech­ti­gung, Gleich­wer­tig­keit und ge­sell­schaft­li­che Gleich­stel­lung von Frau­en und Männern (Art. 3 Abs. 2 GG) als ho­hen ethi­schen Wert ver­tre­ten.
118 Die Einschätzung, dass das beständi­ge Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs im Schul­un­ter­richt mit der Pflicht zur welt­an­schau­li­chen und re­li­giösen Neu­tra­lität des Be­am­ten un­ver­ein­bar ist, wur­de durch al­le drei ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Ur­tei­le über­zeu­gend als feh­ler­frei ge­kenn­zeich­net. Das Kopf­tuch als re­li­giöses und welt­an­schau­li­ches Zei­chen für die Not­wen­dig­keit der Verhüllung der Frau in der Öffent­lich­keit ist je­den­falls zur­zeit ob­jek­tiv ge­eig­net, Wi­der­spruch und Po­la­ri­sie­rung her­vor­zu­ru­fen.
119 6. Die Be­schwer­deführe­rin hat be­kun­det, sie fühle sich in ih­rer Würde ver­letzt, wenn sie sich mit un­be­deck­tem Haupt­haar in der Öffent­lich­keit zei­ge. Auch wenn die Be­schwer­deführe­rin sich nicht aus­drück­lich ent­spre­chend ein­ge­las­sen hat, so liegt doch im Um­kehr­schluss na­he, dass ei­ne Frau, die sich nicht verhüllt, sich ih­rer Würde be­gibt. Ei­ne sol­che Un­ter­schei­dung ist ob­jek­tiv ge­eig­net, Wert­kon­flik­te in der Schu­le her­vor­zu­ru­fen. Dies gilt schon im Verhält­nis der Leh­rer un­ter­ein­an­der, aber erst recht im Verhält­nis zu El­tern, de­ren Kin­der ge­ra­de in der Grund­schu­le er­fah­rungs­gemäß ei­ne be­son­de­re Be­zie­hung zu ih­rer Leh­re­rin auf­bau­en.
120 Ob es po­li­tisch oder pädago­gisch rich­tig oder falsch ist, die Kin­der möglichst früh mit an­de­ren Wert­maßstäben oder ei­nem ge­leb­ten an­de­ren Verständ­nis von der Würde der Frau als der­je­ni­gen des El­tern­hau­ses zu kon­fron­tie­ren, ist recht­lich un­maßgeb­lich. Es kommt nur dar­auf an, ob die Einschätzung der Ein­stel­lungs­behörde nach­voll­zieh­bar ist, dass Kon­flik­te in­ner­halb der Schu­le zu be­sor­gen sind, die durch ei­ne ent­spre­chen­de Mäßigung des Leh­rers oh­ne wei­te­res zu ver­mei­den wären. Da­von ist die zuständi­ge Schul­ver­wal­tung feh­ler­frei aus­ge­gan­gen.
121 Das Kopf­tuch, ge­tra­gen als kom­pro­miss­lo­se Erfüllung ei­nes von der Be­schwer­deführe­rin an­ge­nom­me­nen is­la­mi­schen Verhüllungs­ge­bo­tes der Frau, steht ge­genwärtig für vie­le Men­schen in­ner­halb und außer­halb der is­la­mi­schen Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft für ei­ne re­li­giös be­gründe­te kul­tur­po­li­ti­sche Aus­sa­ge, ins­be­son­de­re das Verhält­nis der Ge­schlech­ter zu­ein­an­der be­tref­fend (vgl. z.B. Nilüfer Göle, Re­pu­blik und Schlei­er, 1995, S. 104 ff.; Erd­mu­te Hel­ler/Has­sou­na Mos­bahi, Hin­ter den Schlei­ern des Is­lam, 1993, S. 108 ff.; Ri­ta Breu­er, Fa­mi­li­en­le­ben im Is­lam, 2. Aufl. 1998, S. 81 ff.; Ta­riq Ali, Fun­da­men­ta­lis­mus im Kampf um die Welt­ord­nung, 2002, S. 97 ff.). Die Se­nats­mehr­heit hat die­sem Um­stand kei­ne aus­rei­chen­de Be­deu­tung zu­ge­mes­sen. Sie hat sich des­halb auch nicht da­mit aus­ein­an­der ge­setzt, ob in­ner­halb der Anhänger is­la­mi­schen Glau­bens in Deutsch­land ei­ne womöglich nicht un­maßgeb­li­che oder gar wach­sen­de Zahl von Men­schen das Kopf­tuch und die Ver­schleie­rung als kul­tu­rel­le Her­aus­for­de­rung ei­ner von ih­nen in ih­rem Wer­te­sys­tem ab­ge­lehn­ten Ge­sell­schaft ver­ste­hen und vor al­lem, ob und mit wel­chen ab­weh­ren­den Re­ak­tio­nen un­ter der Mehr­heit der an­dersgläubi­gen Bürger zu rech­nen ist. Im­mer­hin wur­zelt auch nach Mei­nung wich­ti­ger Kom­men­ta­to­ren des Ko­rans das Ge­bot der Verhüllung der Frau - un­abhängig von der Fra­ge, ob es über­haupt ein strik­tes Ge­bot in die­se Rich­tung gibt - in der Not­wen­dig­keit, die Frau in ih­rer dem Mann die­nen­den Rol­le zu hal­ten. Die­se Un­ter­schei­dung zwi­schen Mann und Frau steht dem Wer­te­bild des Art. 3 Abs. 2 GG fern.
122 Es kommt in­so­fern nicht dar­auf an, ob ei­ne sol­che Mei­nung in­ner­halb der is­la­mi­schen Glau­bens­ge­mein­schaft al­lein gültig oder auch nur vor­herr­schend ist oder ob die im Ver­fah­ren vor­ge­tra­ge­ne Auf­fas­sung der Be­schwer­deführe­rin, das Kopf­tuch sei eher ein Zei­chen für das wach­sen­de Selbst­be­wusst­sein und die Eman­zi­pa­ti­on is­la­misch gläubi­ger Frau­en, zah­lenmäßig stark ver­tre­ten wird. Es ist aus­rei­chend, dass die Auf­fas­sung, ei­ne Verhüllung der Frau­en gewähr­leis­te ih­re Un­ter­ord­nung un­ter den Mann, of­fen­bar von ei­ner nicht un­be­deu­ten­den Zahl der Anhänger is­la­mi­schen Glau­bens ver­tre­ten wird und des­halb ge­eig­net ist, Kon­flik­te mit der auch im Grund­ge­setz deut­lich ak­zen­tu­ier­ten Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau her­vor­zu­ru­fen.
123 7. Die Be­schwer­deführe­rin be­wegt sich mit dem von ihr gel­tend ge­mach­ten An­spruch, Schul­dienst mit dem Kopf­tuch ab­leis­ten zu dürfen, in ei­nem kul­tu­rell und recht­lich schwie­ri­gen und span­nungs­ge­la­de­nen Grenz­raum. Schon ein wei­te­rer Schritt hin zur gänz­li­chen Verhüllung des Ge­sichts, der eben­falls in der is­la­mi­schen Glau­bens­ge­mein­schaft prak­ti­ziert wird, könn­te aus deut­schem Ver­fas­sungs­verständ­nis her­aus als un­ver­ein­bar mit der Würde des Men­schen an­ge­se­hen wer­den: Der freie Mensch zeigt dem an­de­ren sein Ant­litz.
124 Da­bei ach­tet das Grund­ge­setz - in der Sphäre der Ge­sell­schaft - auch sol­che re­li­giösen und welt­an­schau­li­chen Auf­fas­sun­gen, die ein mit der grund­ge­setz­li­chen Wert­ord­nung schwer zu ver­ein­ba­ren­des Verhält­nis der Ge­schlech­ter­be­zie­hun­gen do­ku­men­tie­ren, so­lan­ge sie nicht die Gren­zen der staat­li­chen Frie­dens- und Rechts­ord­nung über­schrei­ten. Das Wer­te­sys­tem des Grund­ge­set­zes ein­sch­ließlich sei­nes Verständ­nis­ses der Gleich­heit von Mann und Frau schließt sich nicht vor al­len Verände­run­gen ab, es stellt sich Her­aus­for­de­run­gen, re­agiert und be­wahrt die Iden­tität im Wan­del.
125 Die­se Of­fen­heit und To­le­ranz geht aber nicht so­weit, sol­chen Sym­bo­len Ein­gang in den Staats­dienst zu eröff­nen, die herr­schen­de Wert­maßstäbe her­aus­for­dern und des­halb ge­eig­net sind, Kon­flik­te zu ver­ur­sa­chen. Die grundsätz­li­che Of­fen­heit und To­le­ranz in der Ge­sell­schaft darf nicht auf das staat­li­che Bin­nen­verhält­nis über­tra­gen wer­den. Es ist viel­mehr von Ver­fas­sungs we­gen ge­bo­ten, die in­ne­re Or­ga­ni­sa­ti­on der staat­li­chen Ver­wal­tung von der er­sicht­li­chen Möglich­keit solch schwer­wie­gen­der Kon­flik­te frei zu hal­ten, da­mit - im kon­kre­ten Fall - Schul­un­ter­richt und schu­li­sche Er­zie­hung störungs­frei er­fol­gen können und all­ge­mein, weil der Staat hand­lungsfähig blei­ben und mit ei­nem Mi­ni­mum an Ein­heit­lich­keit auf­tre­ten können muss.

IV.

126 Die Se­nats­mehr­heit dehnt den Ge­set­zes­vor­be­halt auf ei­nen Sach­be­reich aus, der ei­ner ge­setz­li­chen Nor­mie­rung we­gen der Ein­zel­fall­abhängig­keit und der be­ste­hen­den ver­fas­sungs­recht­li­chen Bin­dun­gen prak­tisch nicht zugäng­lich ist (vgl. BVerfGE 105, 279 <304>).
127 1. Die Volks­ver­tre­tung des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg hat aus­drück­lich und mit gu­ten Gründen ei­ne for­mellge­setz­li­che Re­ge­lung aus An­lass der hier vor­lie­gen­den Eig­nungs­be­ur­tei­lung ab­ge­lehnt. Der Land­tag hat sich in der für den Rechts­streit maßgeb­li­chen Zeit zwei­mal mit dem Pro­blem von Leh­re­rin­nen be­fasst, die im Un­ter­richt ein Kopf­tuch tra­gen wol­len (Ple­nar­Prot. 12/23 vom 20. März 1997, S. 1629 ff.; Ple­nar­Prot. 12/51 vom 15. Ju­li 1998, S. 3977 ff.). Der kon­kre­te Fall der Be­schwer­deführe­rin wur­de in der Ple­nar­de­bat­te vom 15. Ju­li 1998 (Ple­nar­Prot. 12/51 vom 15. Ju­li 1998) ausführ­lich de­bat­tiert und es wur­de über ei­nen An­trag der Frak­ti­on der Re­pu­bli­ka­ner, der auf ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung ziel­te (LT­Drucks 12/2931 vom 9. Ju­ni 1998), Be­schluss ge­fasst. Die Volks­ver­tre­tung hat mit großer Mehr­heit - nur ge­gen die Stim­men der Frak­ti­on der Re­pu­bli­ka­ner - be­schlos­sen, die Fra­ge der Eig­nungs­be­ur­tei­lung im Hin­blick auf das Tra­gen re­li­giöser Sym­bo­le im Schul­un­ter­richt nicht ge­setz­lich zu re­geln. Die Ent­schei­dung wur­de da­mit be­gründet, ei­ne wei­te­re und de­tail­lier­te­re ge­setz­li­che Re­ge­lung sei nicht nötig, ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung er­schwe­re die ein­zel­fal­lan­ge­mes­se­ne Eig­nungs­be­ur­tei­lung und da­mit auch ei­ne frei­heits­ge­rech­te Ausübung des Be­ur­tei­lungs­spiel­raums bei der Ver­ga­be öffent­li­cher Ämter.
128 Mit der aus der Bun­des­ver­fas­sung her­ge­lei­te­ten For­de­rung nach ei­nem förm­li­chen Ge­setz wird in­so­fern un­ter We­sent­lich­keits­ge­sichts­punk­ten kein Ge­winn für die de­mo­kra­ti­sche Ver­an­ke­rung ei­ner Ver­wal­tungs­ent­schei­dung er­zielt. In kom­ple­xen Fra­gen der Ein­zel­be­ur­tei­lung von Be­wer­bern für ein öffent­li­ches Amt kann die grundsätz­lich frei­heitsfördern­de Wir­kung des förm­li­chen Ge­set­zes viel­mehr in ei­ne frei­heits­verkürzen­de Wir­kung um­schla­gen, da ein­zel­fall­ori­en­tier­te Maßnah­men so er­schwert wer­den. Mit ei­ner für die Sta­tu­ie­rung von Dienst­pflich­ten und für die be­am­ten­recht­li­che Eig­nungs­be­ur­tei­lung oh­ne­hin sys­tem­frem­den all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Re­ge­lung wird nicht mehr, son­dern we­ni­ger an Ein­zel­fall­ge­rech­tig­keit her­ge­stellt. Nach der auf welt­an­schau­li­che und re­li­giöse Neu­tra­lität aus­ge­rich­te­ten schul­po­li­ti­schen Kon­zep­ti­on der Lan­des­re­gie­rung und des Land­ta­ges wäre es durch­aus möglich, im Ein­zel­fall ei­ne Leh­re­rin mit Kopf­tuch in den Schul­dienst ein­zu­stel­len, wenn die Be­reit­schaft er­kenn­bar würde, nicht nur in Ex­trem­si­tua­tio­nen – wie von der Be­schwer­deführe­rin in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­tra­gen – auf das Kopf­tuch zu ver­zich­ten, son­dern auch in alltägli­chen Un­ter­richts­si­tua­tio­nen ei­ner Grund­schu­le.
129 Schul­behörde, Mi­nis­te­rin und Land­tag nah­men aber ge­ra­de An­s­toß dar­an, dass die Be­schwer­deführe­rin sich ka­te­go­risch wei­ger­te, ei­ner fle­xi­blen Hand­ha­bung ih­res Be­klei­dungs­wun­sches näher zu tre­ten. Dar­aus durf­te die für die Eig­nungs­be­ur­tei­lung zuständi­ge Behörde den Schluss zie­hen, dass im Fal­le von Kon­flik­ten mit der ne­ga­ti­ven Re­li­gi­ons­frei­heit von El­tern und Kin­dern ein­zell­fall­ge­rech­te Lösun­gen an christ­li­chen Ge­mein­schafts­schu­len (vgl. Art. 15 Abs. 1, 16 der Ver­fas­sung des Lan­des Ba­den-Würt­tem­berg) außer­or­dent­lich er­schwert würden. Sie durf­te auch den Schluss zie­hen, dass die Be­harr­lich­keit der Wei­ge­rung Zwei­fel an der Neu­tra­lität und Mäßigung der Be­wer­be­rin we­cken konn­ten, oh­ne dass dies als sach­lich nicht mehr zu recht­fer­ti­gen und willkürlich er­schie­ne.
130 2. Die Se­nats­mehr­heit gibt dem Lan­des­ge­setz­ge­ber auf, ver­fas­sungs­im­ma­nen­te Schran­ken der Bun­des­ver­fas­sung zu kon­kre­ti­sie­ren, ob­wohl die­se hin­rei­chend kon­kret aus dem Grund­ge­setz zu er­mit­teln sind. Es ist des­halb be­reits zwei­fel­haft, ob der Lan­des­ge­setz­ge­ber über­haupt - über ei­ne de­kla­ra­to­ri­sche Be­kräfti­gung oder Ver­deut­li­chung hin­aus­rei­chend - be­fugt ist, die­se im­ma­nen­ten Schran­ken zu kon­kre­ti­sie­ren.
131 Letzt­ver­bind­lich hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über Um­fang und Reich­wei­te im­ma­nen­ter Grund­rechts­schran­ken zu ent­schei­den. Es ist nicht die Auf­ga­be ei­nes Lan­des­ge­setz­ge­bers, die sich un­mit­tel­bar aus Ver­fas­sungs­recht er­ge­ben­den Be­schränkun­gen de­kla­ra­to­risch nach­zu­zeich­nen. Dem Lan­des­par­la­ment wird auch nicht der an­ge­mes­se­ne Re­spekt er­wie­sen, wenn es zu ei­ner Ge­set­zes­for­mu­lie­rung ge­zwun­gen wird, die es ei­ner­seits aus­drück­lich und wohl­er­wo­gen nicht woll­te und die an­de­rer­seits - nach Auf­fas­sung der Se­nats­mehr­heit - ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­re Schran­ken kon­kre­ti­siert, die in späte­ren Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt er­neut auf den Prüfstand ge­stellt wer­den. Ein zuständi­ges Ge­richt, das in ei­ner so um­strit­te­nen ver­fas­sungs­recht­li­chen Grund­satz­fra­ge auf den Ge­setz­ge­ber ver­weist, muss die­sem we­nigs­tens sa­gen, wie er die ihm an­ge­son­ne­ne Auf­ga­be der Kon­kre­ti­sie­rung ver­fas­sungs­un­mit­tel­ba­rer Schran­ken bewälti­gen soll.
132 Im kon­kre­ten Fall blei­ben aber al­le Fra­gen of­fen, wie denn der Ge­setz­ge­ber sei­nen im Land­tag schon deut­lich be­kun­de­ten po­li­ti­schen Wil­len in Ge­set­zes­form gießen soll. Reicht es, wenn er es dem Leh­rer zur Dienst­pflicht macht, re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Be­klei­dungs­sym­bo­le zu ver­mei­den, die ge­eig­net sind, Be­ein­träch­ti­gun­gen des Schul­frie­dens her­vor­zu­ru­fen? Wäre es zulässig, die Ver­wen­dung sol­cher re­li­giöser, welt­an­schau­li­cher oder po­li­ti­scher Sym­bo­le im Schul­dienst zu un­ter­sa­gen, die ge­eig­net sind, die Gleich­be­rech­ti­gung von Mann und Frau so­wie de­ren tatsächli­che Durch­set­zung (Art. 3 Abs. 2 GG) zu gefähr­den? Darf das Leh­rer­dienst­recht so präzi­siert wer­den, wie es die da­ma­li­ge Land­tags­frak­ti­on der Re­pu­bli­ka­ner mit ih­rem An­trag vom 9. Ju­ni 1998 (LT­Drucks 12/2931) ver­langt hat, "dass das Tra­gen des Kopf­tuchs als Sym­bol des Is­lam im Un­ter­richt ei­ne un­zulässi­ge, ein­sei­ti­ge, welt­an­schau­li­che und po­li­ti­sche Stel­lung­nah­me dar­stellt"? Muss der Lan­des­ge­setz­ge­ber - weil dies nach Mei­nung der Se­nats­mehr­heit vom Grund­ge­setz ge­bo­ten sein soll - im Hin­blick auf mögli­che Störun­gen em­pi­ri­sche Un­ter­su­chun­gen an­stel­len und wenn ja, in wel­chem Um­fang? Oder muss er von Ver­fas­sungs we­gen und aus Gleich­heits­ge­sichts­punk­ten aus­nahms­los al­le re­li­giösen Sym­bo­le in der Be­klei­dung der Leh­rer ver­bie­ten, auch wenn sie, wie et­wa ein klei­nes Schmuck­kreuz, gar kei­ne si­gni­fi­kan­te Aus­sa­ge be­inhal­ten und des­halb von vorn­her­ein un­ge­eig­net sind, Wert­kon­flik­te in der Schu­le aus­zulösen? Wäre ein sol­ches Ver­bot von Be­klei­dungs­sym­bo­len oh­ne je­de ob­jek­tiv pro­vo­kan­te Aus­sa­ge­kraft über­haupt zu recht­fer­ti­gen?
133 3. Der Auf­ga­be, ei­ne ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­satz­fra­ge zu be­ant­wor­ten, ist der Se­nat nicht ge­recht ge­wor­den, ob­wohl der Fall ent­schei­dungs­reif ist. Im Er­geb­nis muss der Lan­des­ge­setz­ge­ber nun­mehr ein - nach An­sicht der ab­wei­chen­den Mei­nung gar nicht er­for­der­li­ches - Ge­setz er­las­sen, und dies, oh­ne ei­ne Über­g­angs­frist für die­se über­ra­schen­de Not­wen­dig­keit ein­geräumt zu be­kom­men. Es wäre zu­dem mit dem Gleich­heits­grund­satz kaum zu ver­ein­ba­ren, ei­ne ge­setz­li­che Grund­la­ge für ein all­ge­mei­nes Ver­bot si­gni­fi­kan­ter re­li­giöser oder welt­an­schau­li­cher Sym­bo­le im Dienst - wie von der Se­nats­mehr­heit vor­ge­schla­gen - nur in das Schul­ge­setz und nicht all­ge­mein in das Lan­des­be­am­ten­ge­setz auf­zu­neh­men; ent­spre­chen­de Kon­flikt­la­gen können auch in an­de­ren Be­rei­chen des öffent­li­chen Diens­tes auf­tre­ten, et­wa im Rah­men der Ju­gend­hil­fe, der So­zi­al­ar­beit, der öffent­li­chen Si­cher­heit oder der Rechts­pfle­ge.
134 4. Dem Ge­setz­ge­ber hätte von der Se­nats­mehr­heit we­nigs­tens ei­ne Über­g­angs­frist ein­geräumt wer­den müssen. Dies wäre un­ter Berück­sich­ti­gung frühe­rer Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zum Ge­set­zes­vor­be­halt ge­bo­ten ge­we­sen und hätte die Aus­wir­kun­gen ei­ner Über­ra­schungs­ent­schei­dung ge­min­dert.
135 a) Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat aus dem Ge­bot recht­li­chen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG das Ver­bot von Über­ra­schungs­ent­schei­dun­gen ab­ge­lei­tet. Die Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten dürfen we­der vom Er­ge­hen ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung an sich (BVerfGE 34, 1 <7 f.>) noch von de­ren tatsäch­li­chem (BVerfGE 84, 188 <190 f.>) oder recht­li­chem (BVerfGE 86, 133 <144 f.>) In­halt über­rascht wer­den. Ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung dürfen nur sol­che Tat­sa­chen und Be­wei­s­er­geb­nis­se zu Grun­de ge­legt wer­den, zu de­nen sich die Par­tei­en äußern konn­ten. Ei­ne bloße In­for­ma­ti­on der Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten al­lein genügt nicht; es muss für die­se auch ei­ne kon­kre­te Möglich­keit der Äußerung zum Sach­ver­halt be­ste­hen (BVerfGE 59, 330 <333>). Der sach­ver­halts- und tat­sa­chen­be­zo­ge­nen Äußerung als Vor­aus­set­zung der Gehörs­gewährung im Sin­ne des Art. 103 Abs. 1 GG ist die Möglich­keit zur Äußerung zur Rechts­la­ge gleich­ge­stellt (BVerfGE 60, 175 <210>; 64, 125 <134>; 86, 133 <144>; 98, 218 <263>). Dem Be­tei­lig­ten muss die Möglich­keit ge­ge­ben wer­den, sich im Pro­zess mit tatsächli­chen und recht­li­chen Ar­gu­men­ten zu be­haup­ten. Da­bei kann es in be­son­de­ren Fällen auch ge­bo­ten sein, den Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten auf ei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­zu­wei­sen, die das Ge­richt der Ent­schei­dung zu Grun­de le­gen will. Ei­ne dem ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch genügen­de Gewährung recht­li­chen Gehörs setzt vor­aus, dass der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­che Ge­sichts­punk­te es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Es kann im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags zur Rechts­la­ge gleich­kom­men, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis auf ei­nen recht­li­chen Ge­sichts­punkt ab­stellt, mit dem auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter selbst un­ter Berück­sich­ti­gung der Viel­falt ver­tret­ba­rer Rechts­auf­fas­sun­gen nicht zu rech­nen brauch­te. Das gilt ins­be­son­de­re, wenn die Rechts­auf­fas­sung des Ge­richts bis­lang we­der in der Recht­spre­chung noch in der Li­te­ra­tur ver­tre­ten wur­de, wenn­gleich grundsätz­lich kein An­spruch auf ein Rechts­gespräch oder ei­nen Hin­weis auf die Rechts­auf­fas­sung be­steht (BVerfGE 86, 133 <144 f.>; 96, 189 <204>; 98, 218 <263>).
136 Die Se­nats­mehr­heit berück­sich­tigt das auch dem Staat als Ver­fah­rens­be­tei­lig­tem zu­ste­hen­de Pro­zess­recht auf recht­li­ches Gehör nicht hin­rei­chend, wenn sie ei­nen par­la­men­ta­ri­schen Ge­set­zes­vor­be­halt für die Be­gründung von Dienst­pflich­ten im Zu­sam­men­hang mit der Re­li­gi­ons- und Welt­an­schau­ungs­frei­heit des Be­am­ten einführt, der bis­lang we­der in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur noch von der Be­schwer­deführe­rin selbst ge­for­dert und in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat nicht zum ernst­haf­ten Ge­gen­stand des Rechts­gesprächs ge­macht wur­de. Das Land Ba­den-Würt­tem­berg hat­te we­der An­lass noch Ge­le­gen­heit sich zu die­ser für al­le Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten über­ra­schen­den und ent­schei­dungs­tra­gen­den Rechts­auf­fas­sung zu äußern. Zu die­sem Ge­sichts­punkt hätte dem Land Ge­le­gen­heit zur Stel­lung­nah­me ge­ge­ben wer­den müssen. Die Se­nats­mehr­heit wirft dem Land ein Un­ter­las­sen vor. Es ha­be für den Ein­griff in das Recht der Be­schwer­deführe­rin aus Art. 33 Abs. 2 in Ver­bin­dung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG kei­ne hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Grund­la­ge ge­schaf­fen. Auf die­sen Vor­wurf konn­te das Land nicht ein­ge­hen, weil es ihn nicht kann­te und auch nicht ken­nen muss­te.
137 b) An­ge­sichts die­ses pro­zes­sua­len Versäum­nis­ses hätte die Se­nats­mehr­heit dem Lan­des­ge­setz­ge­ber zu­min­dest ei­ne an­ge­mes­se­ne Frist set­zen müssen, in­ner­halb der er dem ge­for­der­ten Ge­set­zes­vor­be­halt durch Schaf­fung ei­ner - nach der Auf­fas­sung der Se­nats­mehr­heit - der Ver­fas­sungs­rechts­la­ge ge­recht wer­den­den Norm Rech­nung tra­gen kann. In frühe­ren Ent­schei­dun­gen hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die­se Pro­ble­ma­tik an­er­kannt und bei ei­ner neu auf­ge­stell­ten For­de­rung nach ei­nem Ge­set­zes­vor­be­halt für ei­ne Über­g­angs­zeit der Exe­ku­ti­ve ei­ne Ent­schei­dung mit Grund­rechts­ein­griff oh­ne ent­spre­chen­de ge­setz­li­che Ermäch­ti­gung ermöglicht. So wur­de et­wa im In­ter­es­se von Straf­voll­zug und Schul­be­trieb die Brief­kon­trol­le bei Straf­ge­fan­ge­nen auf Grund un­zu­rei­chen­der un­ter­ge­setz­li­cher Ermäch­ti­gung (vgl. BVerfGE 33, 1 <12 f.>; 40, 276 <283>) eben­so für über­g­angs­wei­se zulässig erklärt, wie der nicht durch Par­la­ments­ge­setz ge­deck­te Schul­ver­weis (vgl. BVerfGE 58, 257 <280 f.>).
138 5. Ei­ne an­ge­mes­se­ne Über­g­angs­frist wäre nicht nur aus Gründen des Re­spekts vor dem Ge­setz­ge­ber er­for­der­lich ge­we­sen, son­dern hätte den von der Se­nats­mehr­heit an­ge­nom­me­nen Ge­set­zes­vor­be­halt ernst ge­nom­men und dem Lan­des­ge­setz­ge­ber die Möglich­keit ge­ge­ben, für den vor­lie­gen­den Fall ei­ne wirk­sa­me ge­setz­li­che Grund­la­ge zu schaf­fen. Auch das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt wird mit der Be­gründung der Se­nats­mehr­heit in ei­ner rechts­staat­lich be­denk­li­chen Wei­se im Un­kla­ren ge­las­sen, wie es mit dem zurück­ver­wie­se­nen Rechts­streit wei­ter ver­fah­ren soll. Denn wenn - wie die Se­nats­mehr­heit an­nimmt - die von der Be­schwer­deführe­rin an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung ver­fas­sungs­wid­rig ist, dann müss­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt der Kla­ge zur­zeit statt­ge­ben. Da nur über die Fra­ge des re­li­giösen Sym­bols ge­strit­ten wur­de, müss­te dem­nach aber die Be­schwer­deführe­rin vom Land Ba­den-Würt­tem­berg zur Be­am­tin er­nannt wer­den. Da­durch würden be­am­ten­recht­lich voll­ende­te Tat­sa­chen ge­schaf­fen, die der Ge­setz­ge­ber kaum noch kor­ri­gie­ren könn­te. Die auch durch ein­zel­ne Be­gründungs­ele­men­te der Se­nats­mehr­heit nicht aus­ge­schlos­se­ne Al­ter­na­ti­ve, die ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, bis der Land­tag ei­ne leh­rer­dienst­recht­li­che ge­setz­li­che Grund­la­ge ge­schaf­fen hat, hätte klar aus­ge­spro­chen wer­den müssen.


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