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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 12.11.2010, 6 Sa 1722/10

   
Schlagworte: Ausgleichsklausel: Gerichtlicher Vergleich, Gerichtlicher Vergleich: Ausgleichsklausel
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 6 Sa 1722/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.11.2010
   
Leitsätze: Regelt ein Prozessvergleich zur Beilegung eines Kündigungsschutzprozesses noch Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsvergütung für die Dauer der Kündigungsfrist, wird ein in dieser Zeit fällig werdender Anspruch auf eine jährliche Sonderzahlung mit Mischcharakter von einer Ausgleichsklausel als negativem Schuldanerkenntnis erfasst.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 25.06.2010, 10 Ca 8178/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 12. No­vem­ber 2010

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

6 Sa 1722/10

10 Ca 8178/10
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

S., RHS
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le


Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In dem Rechts­streit

pp 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Kam­mer 6,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 12. No­vem­ber 2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt C. als Vor­sit­zen­den
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter J. und W.

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 25.06.2010 – 10 Ca 8178/10 – wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen.
2. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

- 3 -

T a t b e s t a n d

Der Kläger stand seit dem 1. März 1999 als Tisch­ler in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten, auf das kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me die Ta­rif­verträge für die Ber­li­ner Holz­in­dus­trie An­wen­dung fan­den. Das Ar­beits­verhält­nis wur­de im An­schluss an ei­ne frist­lo­se Kündi­gung der Be­klag­ten vom 3. Sep­tem­ber 2009 durch Pro­zess­ver­gleich vom 10. Fe­bru­ar 2010 zum 31. Ja­nu­ar 2010 be­en­det. Dar­in heißt es aus­zugs­wei­se:

„3. Die Be­klag­te wird – so­weit noch nicht ge­sche­hen – die Ar­beits­vergütung des Klägers für den Zeit­raum 04.09.2009 bis 31. Ja­nu­ar 2010 ord­nungs­gemäß ab­rech­nen un­ter Berück­sich­ti­gung der Vor­schrif­ten des Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­set­zes so­wie un­ter Berück­sich­ti­gung et­wai­ger An­spruchsübergänge auf Drit­te gemäß § 115 SGB X und dem­ent­spre­chend Zah­lung an den Kläger leis­ten.

8. Zwi­schen den Par­tei­en be­steht Ei­nig­keit, dass im übri­gen bei­der­seits kei­ner­lei Ansprüche aus dem be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis und im Zu­sam­men­hang mit die­sem gleich aus wel­chem Rechts­grund mehr be­ste­hen oder gel­tend ge­macht wer­den.“

Der Kläger nimmt die Be­klag­te jetzt noch auf Zah­lung von 1.532,02 € gemäß dem Ta­rif­ver­trag über die stu­fen­wei­se Einführung ei­nes 13. Mo­nats­ein­kom­mens vom 2. Sep­tem­ber 2008 (Abl. Bl. 16-21 d.A.) in An­spruch.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat die Kla­ge mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen, ein et­wai­ger An­spruch des Klägers sei je­den­falls auf Grund der Aus­gleichs­klau­sel im Pro­zess­ver­gleich vom 10. Fe­bru­ar 2010 aus­ge­schlos­sen. Sol­che Aus­gleichs­klau­seln sei­en grundsätz­lich weit aus­zu­le­gen, weil da­mit das Ar­beits­verhält­nis ab­sch­ließend be­rei­nigt und al­le Ansprüche er­le­digt wer­den soll­ten. Während die Par­tei­en un­ter Nr. 3 ih­res Pro­zess­ver­gleichs le­dig­lich die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Ab­rech­nung und Zah­lung der Ar­beits­vergütung des Klägers ge­re­gelt hätten, han­de­le es sich bei dem ta­rif­ver­trag­li­chen 13. Mo­nats­ein­kom­men um ei­ne Son­der­zu­wen­dung mit Misch­cha­rak­ter, mit der auch künf­ti­ge Be­triebs­treue ho­no­riert wer­de. Außer­dem hätten die Par­tei­en den An­spruch des Klägers al­lein auf den Zeit­raum vom 4. Sep­tem­ber 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2010 be­zo­gen, während der ta­rif­ver­trag­li­che An­spruch auf das 13. Mo­nats­ein­kom­men an das ge­sam­te Beschäfti­gungs­jahr an­knüpfe.

Ge­gen die­ses ihm am 19. Ju­li 2010 zu­ge­stell­te Ur­teil rich­tet sich die am 11. Au­gust 2010 ein­ge­leg­te und am 17. Sep­tem­ber 2010 be­gründe­te Be­ru­fung des Klägers. Er ist der An­sicht, das ta­rif­ver­trag­li­che 13. Mo­nats­ein­kom­men ha­be aus­sch­ließlich Ent­gelt­cha­rak­ter wie sich aus des­sen Be­zeich­nung und der Er­mitt­lung sei­ner Höhe er­ge­be. Auch un­ter­schei­de der Ta­rif­ver­trag selbst zwi­schen Ent­gel­ten (für Ar­beits­leis­tung) ei­ner­seits und Gra­ti­fi­ka­tio­nen oder ein­ma­li­gen Zu­wen­dun­gen (für Be­triebs­treue) an­de­rer­seits. Sein An­spruch sei von der Aus­gleichs­klau­sel im Pro­zess­ver­gleich nicht er­fasst wor­den. Die Re­ge­lung in des­sen Nr. 3

 

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erkläre sich dar­aus, dass sei­ne Ansprüche bis zur zunächst erklärten frist­lo­sen Kündi­gung be­reits ab­ge­rech­net und erfüllt wor­den sei­en.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­klag­te un­ter Ände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils zu ver­ur­tei­len, an ihn 1.532,02 € nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank seit dem 1. Fe­bru­ar 2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und ver­weist dar­auf, dass es in den Ver­hand­lun­gen über den Pro­zess­ver­gleich ne­ben dem An­spruch des Klägers auf Ur­laubs­ab­gel­tung al­lein um Ent­gelt­fort­zah­lung und nicht um „Ar­beits­vergütung“ ge­gan­gen sei. Der Kläger sei vom 4. Sep­tem­ber 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2010 bis auf zwei Ta­ge ar­beits­unfähig krank ge­schrie­ben ge­we­sen sei, wes­halb ihr Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter auch nur von ei­ner fi­nan­zi­el­len Be­las­tung durch ei­nen Lohn­fort­zah­lungs­zeit­raum von sechs bzw. zwölf Wo­chen aus­ge­gan­gen sei.
We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und die in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Die Be­ru­fung ist un­be­gründet.

Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­nes sog. 13. Mo­nats­ein­kom­mens auf­grund des ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­nen ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trags. Ein sol­cher An­spruch ist durch die Aus­gleichs­klau­sel im Pro­zess­ver­gleich der Par­tei­en vom 10. Fe­bru­ar 2010 im We­ge ei­nes ne­ga­ti­ven Schuld­an­er­kennt­nis­ses i.S.v. § 397 Abs. 2 BGB zum Erlöschen ge­bracht wor­den.

Wie das Ar­beits­ge­richt un­ter Be­zug­nah­me auf die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung zu­tref­fend dar­ge­legt hat, ist ei­ne sol­che Aus­gleichs­klau­sel im In­ter­es­se ei­ner ab­sch­ließen­den Be­rei­ni­gung des be­en­de­ten Ar­beits­verhält­nis­ses weit aus­zu­le­gen. Dies hat­te im vor­lie­gen­den Fall zur Fol­ge, dass da­von nur die in Nr. 3 des Pro­zess­ver­gleichs zur Ab­rech­nung und Zah­lung vor­ge­se­he­ne „Ar­beits­vergütung des Klägers für den Zeit­raum 04.09.2009 bis 31. Ja­nu­ar 2010“ nicht er­fasst wur­de, wohl aber Vergütungs­ansprüche im wei­te­ren Sin­ne für ei­nen darüber hin­aus­ge­hen­den Zeit­raum, die le­dig­lich in die­ser Zeit fällig ge­wor­den sind, wie der An­spruch gemäß dem ein­schlägi­gen Ta­rif­ver­trag auf Zah­lung ei­nes 13. Mo­nats­ein­kom­mens.

 

- 5 - 

Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers kommt es auf die Be­zeich­nung als 13. Mo­nats­ein­kom­men und die Be­rech­nung sei­ner Höhe nicht an. Ent­schei­dend sind viel­mehr die Vor­aus­set­zun­gen, un­ter de­nen die­se Leis­tung zu er­brin­gen ist. Während rei­nes Ar­beits­ent­gelt al­lein für die Er­brin­gung ei­ner Ar­beits­leis­tung in ei­nem be­stimm­ten Zeit­raum als des­sen Ge­gen­leis­tung ge­schul­det wird und des­halb auch bei Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers vor dem Fällig­keits­ter­min an­tei­lig zu zah­len ist, sieht § 2 TV 13. ME in sei­nem Ein­lei­tungs­satz ei­ne sechs­mo­na­ti­ge War­te­zeit vor und re­gelt in Nr. 8 ei­ne an­tei­li­ge Zah­lung bei vor­zei­ti­gem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers nur für den Fall ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers oder we­gen Be­zugs ei­ner Ren­te. Dass nach § 2 Nr. 3 TV 13. ME an­de­re Leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers auf den ta­rif­ver­trag­li­chen An­spruch an­ge­rech­net wer­den können, be­sagt nichts über des­sen recht­li­chen Cha­rak­ter, son­dern be­trifft al­lein sei­ne Höhe.

So­weit der Kläger die Be­schränkung der Zah­lungs­pflicht der Be­klag­ten auf den Zeit­raum vom 4. Sep­tem­ber 2009 bis zum 31. Ja­nu­ar 2010 in Nr. 3 des Pro­zess­ver­gleichs da­mit zu erklären ver­sucht hat, dass sei­ne Ansprüche bis zur zunächst erklärten frist­lo­sen Kündi­gung ja be­reits ab­ge­rech­net und erfüllt wor­den sei­en, hat er außer Acht ge­las­sen, dass dies hin­sicht­lich ei­nes nach sei­ner Auf­fas­sung ge­schul­de­ten 13. Mo­nats­ein­kom­mens ge­ra­de nicht ein­mal an­tei­lig ge­sche­hen war.

Ob sich dar­aus, dass nach un­wi­der­spro­che­ner Dar­stel­lung der Be­klag­ten Ge­gen­stand der Ver­gleichs­ver­hand­lun­gen al­lein Ansprüche des Klägers auf Ur­laubs­ab­gel­tung und Ent­gelt­fort­zah­lung ge­we­sen wa­ren, et­was zu ih­ren Guns­ten hätte her­lei­ten las­sen, konn­te da­hin­ste­hen. Des­halb kam es auch nicht wei­ter dar­auf an, dass die da­ma­li­ge An­nah­me des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten, de­ren fi­nan­zi­el­le Be­las­tung würde sich auf ei­nen Zeit­raum von sechs bzw. zwölf Wo­chen be­schränken, gar nicht ein­mal un­zu­tref­fend ist, führen doch nach dem Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­fal­les sich über­schnei­den­de Krank­hei­ten auch bei un­ter­schied­li­chen Dia­gno­sen zu kei­ner Verlänge­rung des sechs-wöchi­gen Be­zugs­zeit­raums des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (da­zu BAG, Ur­teil vom 14.03.1983 – 5 AZR 70/81 – BA­GE 43, 291 = AP LohnFG § 1 Nr. 55 zu 1 der Gründe).

2. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Be­ru­fung zu tra­gen.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG für ei­ne Zu­las­sung der Re­vi­si­on wa­ren nicht erfüllt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­ses Ur­teil ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 

C.

J.

W.

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