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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/375

Kür­zung des Ur­laubs wäh­rend der El­tern­zeit

Der Ar­beit­ge­ber kann den Ur­laub für die El­tern­zeit­mo­na­te auch noch nach dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers kür­zen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 16.09.2014, 15 Sa 533/14
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11.11.2014. Im Prin­zip er­wer­ben Ar­beit­neh­me­rin­nen bzw. Ar­beit­neh­mer für die Dau­er ei­ner El­tern­zeit zu­sätz­li­chen Ur­laub, auch wenn das Ar­beits­ver­hält­nis ruht, d.h. wenn we­der ge­ar­bei­tet noch Lohn ge­zahlt wird.

Das er­gibt sich aus § 17 Abs.1 Satz 1 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz (BEEG). Da­nach kann der Ar­beit­ge­ber den Ur­laub für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat ei­ner El­tern­zeit um ein Zwölf­tel kür­zen (muss das aber nicht).

Nach ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen kann der Ar­beit­ge­ber auch dann noch ei­ne Kür­zung vor­neh­men, wenn das Ar­beits­ver­hält­nis be­reits be­en­det ist: LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 16.09.2014, 15 Sa 533/14.

Muss der Ar­beit­ge­ber Fris­ten be­ach­ten, wenn er von sei­nem Kürzungs­recht gemäß § 17 Abs.1 BEEG Ge­brauch ma­chen will?

Gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG steht Ar­beit­ge­bern für die Dau­er ei­ner El­tern­zeit das Recht zu, den Ur­laub zeit­an­tei­lig zu kürzen. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Der Ar­beit­ge­ber kann den Er­ho­lungs­ur­laub, der dem Ar­beit­neh­mer oder der Ar­beit­neh­me­rin für das Ur­laubs­jahr zu­steht, für je­den vol­len Ka­len­der­mo­nat der El­tern­zeit um ein Zwölf­tel kürzen."

Die­se Kürzung nimmt der Ar­beit­ge­ber durch ei­ne an den Ar­beit­neh­mer ge­rich­te­te Erklärung vor. Da­bei ist das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in sei­ner Recht­spre­chung großzügig, was Form und Zeit­punkt ei­ner sol­chen Kürzungs­erklärung an­geht.

Der Ar­beit­ge­ber muss die­se Erklärung nicht schrift­lich ab­ge­ben, son­dern kann es auch münd­lich tun, und er braucht die Kürzungs­erklärung nicht vor oder während der El­tern­zeit ab­zu­ge­ben, son­dern kann auch da­nach noch kürzen. Nach ei­ner älte­ren Ent­schei­dung des BAG kann der Ar­beit­ge­ber so­gar nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, wenn er vom Ar­beit­neh­mer auf Zah­lung ei­ner Ur­laubs­ab­gel­tung un­ter Ein­be­zie­hung des "El­tern­zei­t­ur­laubs" ver­klagt wird, die Kürzung erklären (BAG, Ur­teil vom 23.04.1996, 9 AZR 165/195).

Frag­lich ist al­ler­dings, ob die­se Recht­spre­chung noch ver­bind­lich ist. Denn 1996 mein­te das BAG, der An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung sei im Grun­de mit dem Ur­laubs­an­spruch iden­tisch, d.h. er tre­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses als "Sur­ro­gat" des Ur­laubs­an­spruchs an des­sen Stel­le. Mitt­ler­wei­le be­trach­tet das BAG den Ab­gel­tungs­an­spruch als ei­nen rei­nen Geld­an­spruch, der z.B. ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­seln un­ter­lie­gen kann (was für den ge­setz­li­chen Min­des­t­ur­laub nicht gilt).

Ist das Ar­beits­verhält­nis aber ein­mal be­en­det, oh­ne dass der Ar­beit­ge­ber bis da­hin ei­ne Kürzung gemäß § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG erklärt hat, ist auch der Ab­gel­tungs­an­spruch in un­gekürz­tem Um­fang ent­stan­den, und zwar als ei­genständi­ger An­spruch. Und da­von, dass die­ser An­spruch gekürzt wer­den könn­te, steht in § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG nichts. Da­her kann man der Mei­nung sein, dass ei­ne Kürzungs­erklärung nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht mehr möglich ist (so LAG Hamm, Ur­teil vom 27.06.2013, 16 Sa 51/13).

Die­ser An­sicht ist das LAG Nie­der­sa­chen ent­ge­gen­ge­tre­ten. Sei­ner Mei­nung nach ist ei­ne Kürzungs­erklärung auch noch nach dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers möglich.

Der Streit­fall: Kran­ken­schwes­ter ver­langt Ur­laubs­ab­gel­tung für drei Jah­re El­tern­zeit

Ge­klagt hat­te ei­ne Kran­ken­schwes­ter, die von Au­gust 2010 bis zu ih­rem Aus­tritt Mit­te Sep­tem­ber 2013 in El­tern­zeit war.

Sie ver­lang­te im No­vem­ber 2013, d.h. nach ih­rem Aus­schei­den, für 2011, 2012 und 2013 Ab­gel­tung für je 30 Werk­ta­ge Ur­laub, d.h. in Höhe ih­res ar­beits­ver­trag­li­chen Ur­laubs­an­spruchs, und zu­dem für wei­te­re zehn Ta­ge aus 2010. Un­ter An­rech­nung ei­ner Teil­zah­lung des Ar­beit­ge­bers er­gab sich im­mer­hin ei­ne Kla­ge­for­de­rung von 5.408,15 EUR brut­to.

Der Ar­beit­ge­ber ver­wies auf ei­ne schrift­lich erklärte Kürzung, die er der Kran­ken­schwes­ter al­ler­dings erst En­de No­vem­ber 2013 hat­te zu­kom­men las­sen, und zwar in Re­ak­ti­on auf die Zah­lungs­auf­for­de­rung der Kran­ken­schwes­ter. Die­se mein­te, die Kürzungs­erklärung sei zu spät ge­kom­men und könne ih­ren un­gekürz­ten Ab­gel­tungs­an­spruch nicht mehr be­ein­flus­sen bzw. ver­min­dern.

Das Ar­beits­ge­richt Wil­helms­ha­ven wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 26.02.2014, 2 Ca 444/13)

LAG Nie­der­sach­sen: Der Ar­beit­ge­ber kann den Ur­laub für die El­tern­zeit­mo­na­te auch noch nach dem Aus­schei­den des Ar­beit­neh­mers an­tei­lig kürzen

Auch das LAG Han­no­ver ent­schied ge­gen die Kläge­rin. Zur Be­gründung heißt es:

In § 17 Abs.1 Satz 1 BEEG sind Fris­ten nicht ge­re­gelt, so dass ei­ne nach Be­en­di­gung der El­tern­zeit erklärte Kürzung dem Ge­setz ent­spricht. Auch zu Be­ginn der El­tern­zeit wird die Kürzung meist mit Rück­wir­kung erklärt, so z.B. dann, wenn ei­ne Ar­beit­neh­me­rin ab April El­tern­zeit neh­men möch­te und der Ar­beit­ge­ber dar­auf­hin noch im März bzw. vor Be­ginn der El­tern­zeit 9/12 des Jah­res­ur­laubs kürzt: Da der vol­le Jah­res­ur­laubs­an­spruch be­reits am 01. Ja­nu­ar ent­stan­den ist, liegt auch hier ei­ne nachträgli­che Kürzung vor, d.h. ei­ne Kürzung mit recht­li­cher Rück­wir­kung.

Dass das BAG den Ab­gel­tungs­an­spruch früher als Sur­ro­gat des Ur­laubs­an­spruchs be­trach­tet hat, ist nach An­sicht des LAG kei­ne not­wen­di­ge Grund­la­ge für die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des BAG, der zu­fol­ge der Ar­beit­ge­ber auch noch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kürzen kann. Denn auch ei­ne sol­che Kürzung be­zieht sich nicht auf den Ab­gel­tungs­an­spruch, son­dern rück­wir­kend auf den Ur­laubs­an­spruch, der dem Ab­gel­tungs­an­spruch zu­grun­de liegt.

Sch­ließlich meint das LAG, dass auch das Eu­ro­pa­recht kei­ne an­de­re Ge­set­zes­aus­le­gung vor­schreibt. Denn die hier in Be­tracht kom­men­den EU-Richt­li­ni­en ma­chen den Mit­glieds­staa­ten nicht die Vor­ga­be, dass Ar­beit­neh­mer während ei­ner El­tern­zeit zusätz­li­che Ur­laubs­ansprüche er­wer­ben müss­ten.

Fa­zit: Das LAG Nie­der­sach­sen hat die Re­vi­si­on zum BAG zu­ge­las­sen, eben­so das LAG Hamm, das im letz­ten Jahr an­ders­her­um ent­schie­den hat­te. Vor­aus­sicht­lich wird die­se Streit­fra­ge da­her demnächst vom BAG geklärt wer­den.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Veröffent­li­chung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) die Streit­fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber ei­ne Kürzung des El­tern­zeit-Ur­laubs noch nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­neh­men kann, an­ders als das LAG Nie­der­sach­sen in dem Sin­ne ent­schie­den, dass ei­ne sol­che Möglich­keit nicht be­steht. Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu dem BAG-Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 10. Juni 2020

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