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BAG, Ur­teil vom 26.07.2016, 1 AZR 160/14

   
Schlagworte: Streik, Schadensersatz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 AZR 160/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.07.2016
   
Leitsätze:

1. Ein Streik, dessen Kampfziel auch der Durchsetzung einer friedenspflichtverletzenden oder tarifwidrigen Forderung dient, ist rechtswidrig.

2. Der Einwand einer streikführenden Gewerkschaft, sie hätte den Streik auch ohne die inkriminierte Forderung mit denselben Streikfolgen geführt (rechtmäßiges Alternativverhalten), ist unbeachtlich.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 25.03.2013, 9 Ca 5558/12
Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 05.12.2013, 9 Sa 592/13
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 AZR 160/14
9 Sa 592/13 Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Verkündet
am 26. Ju­li 2016
Klei­nert, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes!

UR­TEIL

In Sa­chen

1.

Kläge­rin zu 1., Be­ru­fungskläge­rin zu 1. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 1.,

2.

Kläge­rin zu 2., Be­ru­fungskläge­rin zu 2. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 2.,

3.

Kläge­rin zu 3., Be­ru­fungskläge­rin zu 3. und Re­vi­si­onskläge­rin zu 3.,

ge­gen

- 2 -

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 26. Ju­li 2016 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt K. Schmidt, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Tre­ber so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Kle­be und Dr. Ben­rath für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin zu 3. wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 5. De­zem­ber 2013 - 9 Sa 592/13 - im Kos­ten­punkt und in­so­weit auf­ge­ho­ben, als es die Be­ru­fung der Kläge­rin zu 3. ge­gen das ih­ren Zah­lungs­an­trag ab­wei­sen­de Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 25. März 2013 - 9 Ca 5558/12 - zurück­ge­wie­sen hat.

2. Die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und zu 2. ge­gen das vor­ge­nann­te Ur­teil wer­den zurück­ge­wie­sen.

3. Im Um­fang der Auf­he­bung wird die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt - auch über die Kos­ten des Rechts­streits - zurück­ver­wie­sen.

 

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten über Scha­dens­er­satz­ansprüche ge­gen die Be­klag­te we­gen durch­geführ­ter und an­gekündig­ter Ar­beits­kampf­maßnah­men.

- 3 - 

Die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. sind Luft­fahrt­un­ter­neh­men. Sie nut­zen ua. den Flug­ha­fen Frank­furt am Main, der von der als Ak­ti­en­ge­sell­schaft ver­fass­ten, mehr­heit­lich in öffent­li­cher Hand be­find­li­chen Kläge­rin zu 3. be­trie­ben wird. Die­se beschäftigt ca. 12.000 Mit­ar­bei­ter, da­von (vor­mals) 86 im Be­reich Vor­feld­kon­trol­le, 90 im Be­reich Vor­feld­auf­sicht und 29 im Be­reich Ver­kehrs­zen­tra­le. Die Vor­feld­kon­trol­le (apron con­trol) ist die für die Ver­kehrs­len­kung von Luft­fahr­zeu­gen auf den Vor­feldflächen ver­ant­wort­li­che Ein­rich­tung. Die Vor­feld­auf­sicht lei­tet die Luft­fahr­zeu­ge am Bo­den zu den Park­sta­tio­nen. Die Ver­kehrs­zen­tra­le be­ar­bei­tet ua. die ope­ra­ti­ven Flug­planda­ten.

Der be­klag­te ein­ge­tra­ge­ne Ver­ein ist die am 9. Ju­li 2003 ge­gründe­te Ge­werk­schaft der Flug­si­che­rung (GdF). Sie schloss am 20. Sep­tem­ber 2007 mit der Kläge­rin zu 3. und dem Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­ver­band Hes­sen e.V. (KAV Hes­sen) den „Lan­des­be­zirks­ta­rif­ver­trag Nr. 32/2007 - Son­der­re­ge­lung Apron Con­trol für die Fra­port AG“ (TV Apron Con­trol), der nach Satz 1 sei­ner Präam­bel Re­ge­lun­gen zur Auf­recht­er­hal­tung der Ge­sund­heit und Ar­beitsfähig­keit enthält, so­wie dem Schutz vor phy­si­schen und psy­chi­schen Be­ein­träch­ti­gun­gen durch die Tätig­keit in der Vor­feld­kon­trol­le dient. Nach § 2 des Ta­rif­ver­trags in sei­ner zu­letzt durch Lan­des­be­zirks­ta­rif­ver­trag Nr. 19/2010 vom 4. Ju­ni 2010 geänder­ten Fas­sung gel­ten die Ta­rif­verträge des öffent­li­chen Diens­tes, so­weit kei­ne ab­wei­chen­den Re­ge­lun­gen ge­trof­fen wer­den. Der TV Apron Con­trol re­gelt in § 3 un­ter der Über­schrift „Ent­gelt“ Zu­la­gen und Ein­mal­zah­lun­gen, in § 4 ei­ne „Pau­se bei Wech­sel­schicht, Wo­chen­ar­beits­zeit und Re­ge­ne­ra­ti­ons­pau­sen“ so­wie in § 9 die Ein- und Höher­grup­pie­rung von Beschäftig­ten in ei­ner be­stimm­ten Funk­ti­on. § 10 TV Apron Con­trol be­stimmt die Fol­gen ei­ner ggf. ein­tre­ten­den „Funk­ti­ons­t­ren­nung“ zwi­schen Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld­kon­trol­le. Im Übri­gen lau­tet der TV Apron Con­trol:

㤠1

Gel­tungs­be­reich, Zuständig­keit

(1) Die vor­lie­gen­de Ver­ein­ba­rung gilt für al­le ope­ra­ti­ven Beschäftig­ten der Fra­port AG, die im Be­reich ‚Zen­tra­le Vor­feld­kon­trol­le und Ver­kehrs­zen­tra­le‘ (der­zeit

- 4 -

FBA-AF41) ein­ge­setzt wer­den.

(2) Über den in Ab­satz 1 ge­nann­ten Per­so­nen­kreis hin­aus be­an­sprucht die GdF kei­ne Zuständig­keit für an­de­re Beschäftig­te der Fra­port AG und strebt ei­ne sol­che auch im Fal­le ei­ner Sat­zungsände­rung nicht an.
...

§ 5

Zeit­wert­kon­to

(1) Mit Wir­kung ab dem 1. Ja­nu­ar 2008 wird für die Beschäftig­ten ein Zeit­wert­kon­to ein­geführt.
...

(6) ...

Pro­to­koll­no­tiz:
Die Wert­er­hal­tungs­ga­ran­tie des Ar­beit­ge­bers beim ar­beit­ge­ber­fi­nan­zier­ten Wert­gut­ha­ben ist auf den Be­trag be­schränkt, der ...

(7) ...

§ 6

Un­terstützung bei vor­ge­zo­ge­nem Ren­ten­ein­tritt

(1) Mit Wir­kung ab dem 1. Ja­nu­ar 2010 er­hal­ten Beschäftig­te, die min­des­tens fünf­zehn Jah­re in der Funk­ti­on ‚Apron Con­trol‘ ein­ge­setzt wa­ren, zur Un­terstützung ei­nes vor­ge­zo­ge­nen Ein­tritts in Al­ters­ren­te ei­nen Aus­gleich für da­mit ver­bun­de­ne Ren­ten­ab­schläge ...
...

§ 7

Be­las­tungs­aus­gleich

(1) Die Beschäftig­ten neh­men ab 1. Ja­nu­ar 2008 ein­mal jähr­lich auf Kos­ten des Ar­beit­ge­bers an ei­nem Ge­sund­heits-Check bei der ar­beits­me­di­zi­ni­schen Ab­tei­lung des Un­ter­neh­mens teil.
(2) Beschäftig­te, die in der Funk­ti­on ‚Apron Con­trol‘ ein­ge­setzt wer­den, sind grundsätz­lich ver­pflich­tet, in ei­nem fünfjähri­gen Tur­nus an ei­ner Re­ge­ne­ra­ti­ons­kur von 30 Ka­len­der­ta­gen teil­zu­neh­men. ...

- 5 -

(4) ...

§ 8

Beschäfti­gungs­si­che­rung

Beschäftig­ten, die nach Fest­stel­lung der Ar­beits­me­di­zin aus ge­sund­heit­li­chen Gründen nicht mehr in der Funk­ti­on ‚Apron Con­trol‘ ein­ge­setzt wer­den können, soll ein möglichst gleich­wer­ti­ger Ar­beits­platz in­ner­halb des Be­rei­ches Avia­ti­on an­ge­bo­ten wer­den. Soll­te ein der­ar­ti­ger Ar­beits­platz nicht vor­han­den sein, kommt auch ein an­de­rer zu­mut­ba­rer Ar­beits­platz im Un­ter­neh­men in Fra­ge. Die Dif­fe­renz zwi­schen den bis­he­ri­gen und künf­ti­gen in Mo­nats­beträgen fest­ge­leg­ten Ent­gelt­be­stand­tei­len (Stamm­bezüge) wird (so­weit er­for­der­lich) ge­staf­felt nach Tätig­keits­jah­ren in der Funk­ti­on ‚Apron Con­trol‘ wie folgt ab­ge­si­chert:

- ab 28 Jah­ren zu 100 % un­be­grenzt

- ab 23 Jah­ren gleichmäßige Ab­sen­kung auf 90 % in­ner­halb von 8 Jah­ren

- ab 18 Jah­ren gleichmäßige Ab­sen­kung auf 80 % in­ner­halb von 5 Jah­ren.

...

§ 12

In­kraft­tre­ten, Lauf­zeit, Kündi­gung

(1) Die­se Ver­ein­ba­rung tritt mit Wir­kung vom 1. Au­gust 2007 in Kraft.
Die Re­ge­lun­gen in § 5 bis § 8 sind mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de, erst­ma­lig zum 31. De­zem­ber 2017, künd­bar. Im Übri­gen ist die­se Ver­ein­ba­rung mit ei­ner Frist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de, erst­ma­lig zum 31. De­zem­ber 2011, künd­bar.

(2) Die Par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass die in die­ser Ver­ein­ba­rung auf­geführ­ten Re­ge­lun­gen für die ge­nann­ten Zeiträume ab­sch­ließend sind. Sach­ver­hal­te außer­halb der in der Ver­ein­ba­rung be­han­del­ten Re­ge­lungs­in­hal­te wer­den von der Frie­dens­pflicht der Ver­ein­ba­rung er­fasst.“

- 6 - 

Die Be­klag­te erklärte mit ei­nem an die Kläge­rin zu 3. ge­rich­te­ten Schrei­ben vom 29. Ju­ni 2011 die Teilkündi­gung des TV Apron Con­trol. Wört­lich heißt es in dem über der Zei­le „S Vor­stand Ta­rif/Recht“ hand­schrift­lich un­ter­zeich­ne­ten Schrei­ben:

„...

auf Ba­sis des von der zuständi­gen Ta­rif­kom­mis­si­on der GdF ge­fass­ten Be­schlus­ses

kündi­gen

wir hier­mit den lan­des­be­zirk­li­chen Ta­rif­ver­trag Son­der­re­ge­lung Apron Con­trol für die Fra­port AG (Lan­des­be­zirks­ta­rif­ver­trag Nr. 32/2007) vom 20. Sep­tem­ber 2007 in der Fas­sung der Ände­rung ...
Die Kündi­gung wird, mit Aus­nah­me der Re­ge­lun­gen in § 5 bis § 8, frist­gemäß zum 31. De­zem­ber 2011 aus­ge­spro­chen.
...“

Die Kläge­rin zu 3. er­hielt die­ses Schrei­ben am glei­chen Tag so­wohl per Fax als auch per PDF-Do­ku­ment und im Ori­gi­nal am 1. Ju­li 2011. Ein im We­sent­li­chen gleich­lau­ten­des Kündi­gungs­schrei­ben ging dem KAV Hes­sen am 29. Ju­ni 2011 zu.

Ab dem 19. Ok­to­ber 2011 ver­han­del­ten die Be­klag­te und die Kläge­rin zu 3. un­ter Ein­be­zie­hung des KAV Hes­sen so­wie der Fra-Ver­kehrs­zen­tra­le GmbH, der Fra-Vor­feld­kon­trol­le GmbH und der Fra-Vor­feld­auf­sicht GmbH über neue ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen. Ein vom 13. Ja­nu­ar bis 1. Fe­bru­ar 2012 durch­geführ­tes Sch­lich­tungs­ver­fah­ren en­de­te mit ei­ner Emp­feh­lung des Sch­lich­ters, wel­che aus­zugs­wei­se lau­tet:

„Im Lau­fe der Ver­hand­lun­gen konn­te über di­ver­se Punk­te Ei­ni­gung er­zielt wer­den.

Die­se Punk­te sind zu­sam­men­ge­fasst in der den Par­tei­en vor­lie­gen­den ‚Syn­op­se der Ver­hand­lun­gen Don­ners­tag, 26. Ja­nu­ar 2012‘, wel­che mit ei­ner grünen Mar­kie­rung ver­se­hen sind. Der Sch­lich­ter macht sich die­se Ei­ni­gung zu Ei­gen und emp­fiehlt ei­nen Ver­trags­ab­schluss in die­sen Punk­ten auf die­ser Grund­la­ge.

- 7 -

Glei­ches gilt für Ei­ni­gun­gen, die sich the­ma­tisch aus der am 31. Ja­nu­ar 2012 über­ge­be­nen Syn­op­se über die zum Zeit­punkt der Er­stel­lung noch strit­ti­gen Punk­te er­ge­ben, nämlich

  • der Be­reich ‚Zu­la­gen‘,
  • der Be­reich ‚Ak­ti­en­pro­gramm‘,
  • der Be­reich ‚Zeit­zu­schläge‘, mit Aus­nah­me der Über­stun­den­re­ge­lung und
  • dem Be­reich ‚Ur­laubs- / Weih­nachts­geld‘, wo­bei hier ein ein­heit­li­ches Ur­laubs- / Weih­nachts­geld von 100 Pro­zent
  • der Bezüge ver­ein­bart wur­de.

Die­se Syn­op­se liegt den Par­tei­en eben­falls vor. Bis zum En­de strit­tig wa­ren so­mit die Punk­te:

Zu die­sen Punk­ten er­folgt die Sch­lich­ter­emp­feh­lung.“

In der der Sch­lich­tungs­emp­feh­lung bei­gefügten Syn­op­se heißt es ua.:

„§ 18 - So­zi­al­leis­tun­gen

...

(8) Sind Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter in Fol­ge ei­nes Ar­beits­un­falls, den sie in Fol­ge ih­rer Ar­beit oh­ne Vor­satz oder gro­be Fahrlässig­keit er­lit­ten ha­ben, nicht mehr voll­leis­tungsfähig und wer­den sie des­halb in ei­ner nied­ri­ge­ren Vergütungs­grup­pe wei­ter­beschäf¬tigt, so er­hal­ten sie ei­ne Aus­gleichs­zu­la­ge in Höhe der je­wei­li­gen Dif­fe­renz zwi­schen ih­rer bis­he­ri­gen und der nied­ri­ge­ren Vergütung. Zur Über­brückung be­son­de­rer wirt­schaft­li­cher Not­la­gen kann der Mitar¬bei­te­rin bzw. dem Mit­ar­bei­ter auf An­trag ein zins­be¬güns­tig­tes Dar­le­hen gewährt wer­den.
...

§ 49 - Ent­las­tung älte­rer Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter Apron-Con­trol­ler, die 25 Jah­re im Wech­sel­schicht­dienst

- 8 -

ge­ar­bei­tet ha­ben, ha­ben ei­nen An­spruch auf ei­nen Wech­sel aus dem Wech­sel­schicht­dienst in den Schicht­dienst.
Un­abhängig da­von kann im Ein­zel­fall ein Wech­sel in den Schicht­dienst aus persönli­chen Gründen je­der­zeit ver­ein­bart wer­den.

Der An­trag muss min­des­tens 6 Mo­na­te vor dem be­ab­sic­tig­ten Zeit­punkt der Re­du­zie­rung ge­stellt wer­den. Über die­sen An­trag ist in­ner­halb von 8 Wo­chen zu ent­schei­den.“

Außer­dem weist die Syn­op­se un­ter „§ 35 - Zeit­wert­kon­to“ in den Absätzen 1 bis 6 dem § 5 Abs. 1 bis Abs. 6 TV Apron Con­trol wort­laut­glei­che Re­ge­lun­gen aus so­wie ei­nen auf Initia­ti­ve der Kläge­rin zu 3. ein­gefügten Abs. 6a zur Wert­er­hal­tungs­ga­ran­tie des Ar­beit­ge­bers beim Wert­gut­ha­ben, wel­cher der mit § 1 Nr. 2 des Lan­des­be­zirks­ta­rif­ver­trags Nr. 19/2010 nach § 5 Abs. 6 Un­terabs. 1 TV Apron Con­trol ein­gefügten Pro­to­koll­no­tiz ent­spricht.

Am 15. Fe­bru­ar 2012 be­schloss der Bun­des­vor­stand der Be­klag­ten die Durchführung von Streik­maßnah­men. Mit Schrei­ben vom sel­ben Tag kündig­te er ge­genüber der Kläge­rin zu 3. an, „dass die GdF ih­re Mit­glie­der bei der Fra­port AG in den Ab­tei­lun­gen Vor­feld­kon­trol­le, Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld¬uf­sicht am Don­ners­tag, den 16.02.2012 für die Zeit von 15.00 Uhr bis 22.00 Uhr lo­ka­ler Zeit zu ei­nem be­fris­te­ten Streik auf­ruft“. Wei­ter lau­tet das Schrei­ben:

„...

Der Ar­beits­kampf dient der Durch­set­zung der von Herrn ... den Ta­rif­par­tei­en vor­ge­leg­ten Sch­lich­ter­emp­feh­lung mit fol­gen­den An­pas­sun­gen:

  • Verkürzung der Lauf­zeit auf 24 Mo­na­te;
  • Um­set­zung der Ent­gelt­ta­bel­len zu 100 % ab Be­ginn der Lauf­zeit so­wie
  • Be­ginn der Nacht­ar­beit um 20.00 Uhr ab Be­ginn der Lauf­zeit

- 9 -

...“

In ei­nem wei­te­ren Schrei­ben an die Kläge­rin zu 3. - gleich­falls vom 15. Fe­bru­ar 2012 - führ­te die Be­klag­te aus:

„...
wir neh­men Be­zug auf un­ser Schrei­ben vom heu­ti­gen Ta­ge be­tref­fend die Ankündi­gung von Ar­beits­kampf­maßnah­men. Dar­in ha­ben wir Ih­nen auch die mit dem Ar­beits­kampf ver­folg­ten Ta­rif­zie­le im Ein­zel­nen dar­ge­stellt.

Zur Ver­mei­dung von Miss­verständ­nis­sen wei­sen wir dar­auf hin, dass sich un­se­re For­de­rung zur Lauf­zeit des Ta­rif­ab­schlus­ses selbst­verständ­lich nicht auf die­je­ni­gen Re­ge­lun­gen be­zieht, die im Sch­lich­ter­spruch aus rein tech­ni­schen Gründen aus den wei­ter­hin un­gekündig­ten Ta­rif­verträgen zwi­schen den Par­tei­en über­nom­men wur­den. Im Hin­blick auf die­se Re­ge­lun­gen bleibt es bei der­je­ni­gen Lauf­zeit, die sich aus den un­gekündig­ten Ta­rif­verträgen er­gibt.

...“

Der Streik wur­de am Don­ners­tag, 16. Fe­bru­ar 2012, 15.00 Uhr be­gon­nen und mit ei­ner Un­ter­bre­chung am Wo­chen­en­de mehr­fach verlängert. Im Flug­ver­kehr kam es zu Ausfällen und Verzöge­run­gen, wo­bei die Kläge­rin zu 3. ei­nen Großteil der durch die Ar­beits­nie­der­le­gung in den Ab­tei­lun­gen Vor­feld­kon­trol­le, Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld­auf­sicht aus­ge­fal­le­nen Ar­beits­kräfte kom­pen­sie­ren konn­te. In ei­nem während der Streik­maßnah­men von „Spie­gel-On­line“ geführ­ten In­ter­view erklärte der Vor­stand Ta­rif/Recht der Be­klag­ten - auf den sinn­gemäßen Vor­halt, dass das ge­werk­schaft­li­che Droh­po­ten­ti­al schrump­fe - wört­lich:

„Na­ja, es läuft mehr Ver­kehr, als wir er­war­tet ha­ben. Aber der Streik ist trotz­dem ein Er­folg. Es geht doch um mehr als an­nul­lier­te Flüge. Da­zu kom­men die Ver­spätun­gen und noch wich­ti­ger: Die Bu­chungs­zah­len bei den Air­lines sind ein­ge­bro­chen."

- 10 -

Der zu­letzt bis 24. Fe­bru­ar 2012, 23.00 Uhr ge­plan­te Streik wur­de am 23. Fe­bru­ar 2012, 21.00 Uhr we­gen ei­nes An­ge­bots der Kläge­rin zu 3. auf Wie­der­auf­nah­me der Ver­hand­lun­gen ab­ge­bro­chen. Nach­dem die­se oh­ne Er­geb­nis blie­ben, kündig­te die Be­klag­te ge­genüber der Kläge­rin zu 3. mit Schrei­ben vom 25. Fe­bru­ar 2012 un­ter Bei­be­hal­tung ih­rer Streik­zie­le an, „ih­re Mit­glie­der bei der Fra­port AG in den Ab­tei­lun­gen Vor­feld­kon­trol­le, Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld-auf­sicht am Sonn­tag, den 26.02.2012 von 21.00 Uhr für die Zeit bis zum Don­ners­tag, den 01.03.2012, 05.00 Uhr“ zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen. Der mit der Wahr­neh­mung ho­heit­li­cher Auf­ga­ben zur Flug­si­che­rung be­lie­he­nen Deut­sche Flug­si­che­rung GmbH (DFS) teil­te sie mit Schrei­ben vom 28. Fe­bru­ar 2012 mit, „ih­re Mit­glie­der bei der DFS im Geschäfts­be­reich Tower am Tower Frank­furt“ am 29. Fe­bru­ar 2012 für die Zeit von 05.00 Uhr bis 11.00 Uhr zu ei­nem be­fris­te¬ten Streik zur Un­terstützung des Ar­beits­kamp­fes in der Vor­feld­kon­trol­le, Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld­auf­sicht auf­zu­ru­fen.

Auf An­trag der Kläge­rin­nen zu 1. und 3. und der DFS er­ließ das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main am 28. Fe­bru­ar 2012 ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung und un­ter­sag­te der Be­klag­ten, „ih­re Mit­glie­der bei der DFS im Geschäfts­be­reichs­to­wer am Tower Frank­furt zu Streiks am Mitt­woch, den 29. Fe­bru­ar 2012 von 5:00 Uhr bis 11:00 Uhr auf­zu­ru­fen und/oder Streiks in die­sem Be­reich durch­zuführen“. Am 29. Fe­bru­ar 2012 er­ließ es auf An­trag der Kläge­rin­nen zu 1. und 3. ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung, mit der es der Be­klag­ten un­ter­sag­te, „in den Ab­tei­lun­gen Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und/oder Ver­kehrs­zen­tra­le in dem Zeit­raum bis Don­ners­tag, den 01. März 2012, 5.00 Uhr Streiks durch­zuführen“. In der münd­li­chen Ver­hand­lung erklärte der da­ma­li­ge Bun­des­vor­sit­zen­de der Be­klag­ten zu Pro­to­koll:

„Die streit­ge­genständ­li­che Streik­maßnah­me soll nicht mehr zum Ziel ha­ben, auch die in den §§ 18 Abs. 8 so­wie 49 des Sch­lich­tungs­vor­schlags vom 02.02.2012 ge­re­gel­ten Ta­rif­ver­ein­ba­rung durch­zu­set­zen.“

- 11 -

Auf­grund der ge­richt­li­chen Ent­schei­dun­gen fand der Un­terstützungs­streik nicht statt; der am 26. Fe­bru­ar 2012 be­gon­ne­ne Streik wur­de am 29. Fe­bru­ar 2012 ab­ge­bro­chen.

Mit ih­ren Kla­gen ha­ben die Kläge­rin­nen aus de­likts- und ver­trags­recht­li­chen Gründen Scha­dens­er­satz ver­langt; bei den Kläge­rin­nen zu 1. und 2. im We­sent­li­chen we­gen aus­ge­fal­le­ner Flüge und stor­nier­ter oder un­ter­las­se­ner Flug­bu­chun­gen; bei der Kläge­rin zu 3. auf­grund ent­gan­ge­ner Flug­ha­fen­gebühren. Die Kläge­rin zu 2. hat sich da­bei auch auf ab­ge­tre­te­ne Er­satz­ansprüche ih­rer Toch­ter­ge­sell­schaft N GmbH we­gen dort ent­stan­de­ner Schäden be­ru­fen. Die Kläge­rin­nen ha­ben die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Streik sei eben­so wie der an­gekündig­te Un­terstützungs­streik rechts­wid­rig ge­we­sen. Dies fol­ge vor al­lem aus ei­ner Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht auf­grund des TV Apron Con­trol.

So­weit für die Re­vi­si­on zu­letzt noch von Be­deu­tung, ha­ben die Kläge­rin zu 1. be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 3.885.890,23 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 21. Au­gust 2012 zu zah­len;

die Kläge­rin zu 2. be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 131.144,23 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 21. Au­gust 2012 zu zah­len;

die Kläge­rin zu 3. be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 5.170.800,00 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 21. Au­gust 2012 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­gen ab­zu­wei­sen. Hin­sicht­lich der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. feh­le es be­reits an ei­nem Ein­griff in de­ren Ge­wer­be­be­trie­be. Die Kläge­rin zu 3. könne als ein von der öffent­li­chen Hand be­herrsch­tes ge­mischt­wirt­schaft­li­ches Un­ter­neh­men in pri­va­ter Rechts­form kei­ne Ver­let­zung

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ei­nes Rechts am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb gel­tend ma­chen. Im Übri­gen sei­en der Haupt- und der an­gekündig­te Un­terstützungs­streik rechtmäßig ge­we­sen. Die Frie­dens­pflicht sei schon des­we­gen nicht ver­letzt, weil die­se nach der Sch­lich­tungs­ver­ein­ba­rung mit Ab­lauf des 6. Fe­bru­ar 2012 ge­en­det ha­be. Gin­ge man von ei­ner Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht aus, wären die gel­tend ge­mach­ten Schäden auch bei ei­ner ihr oh­ne wei­te­res mögli­chen rechtmäßigen Ver­hal­tens­wei­se ent­stan­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat die - ursprüng­lich noch auf wei­te­re Fest­stel­lun­gen ge­rich­te­ten - Kla­gen ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fun­gen der Kläge­rin­nen zurück­ge­wie­sen. Die­se ver­fol­gen mit ih­ren zu­letzt auf die Ab­wei­sung der Zah­lungs­anträge be­schränk­ten Re­vi­sio­nen ih­re Be­geh­ren wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­sio­nen zurück­zu­wei­sen.

 

Ent­schei­dungs­gründe

 

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin zu 3. ist be­gründet. Das führt zur teil­wei­sen Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Be­ru­fungs­ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt. Die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. ha­ben da­ge­gen kei­nen Er­folg.

A. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin zu 3. ist be­gründet. Die Be­klag­te ist die­ser ver­trag­lich und de­liktsrecht­lich zum Er­satz des Scha­dens ver­pflich­tet, der ihr durch den vom 16. Fe­bru­ar 2012, 15.00 Uhr bis 23. Fe­bru­ar 2012, 21.00 Uhr und vom 26. Fe­bru­ar 2012, 21.00 Uhr bis 29. Fe­bru­ar 2012 geführ­ten Streik in der Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le ent­stan­den ist.

I. Die Be­klag­te ist nach § 823 Abs. 1, § 31 BGB zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats stellt ein von ei­ner Ge­werk­schaft geführ­ter rechts­wid­ri­ger Streik ei­ne Ver­let­zung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschütz­ten Rechts am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be-

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be­trieb des un­mit­tel­bar be­streik­ten Ar­beit­ge­bers dar. Er führt zu ei­nem Scha­dens­er­satz­an­spruch des Ar­beit­ge­bers, wenn die Or­ga­ne der Ge­werk­schaft ein Ver­schul­den trifft (vgl. zu­letzt BAG 19. Ju­ni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 49 ff., BA­GE 142, 98). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind im Streit­fall ge­ge­ben.

1. Mit den - nach den Ankündi­gun­gen der Be­klag­ten vom 15. und vom 25. Fe­bru­ar 2012 von zwei Auf­ru­fen ge­tra­ge­nen - Streik­maßnah­men hat die Be­klag­te in das Recht der Kläge­rin zu 3. an ih­rem aus­geübten und ein­ge­rich­te­ten Ge­wer­be­be­trieb ein­ge­grif­fen.

a) Die Kampf­maßnah­men ziel­ten un­mit­tel­bar auf Störun­gen der be­trieb­li­chen Abläufe im Be­reich der Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le.

b) Die Kläge­rin zu 3. ist zwar ein öffent­lich be­herrsch­tes Un­ter­neh­men der Pri­vat­wirt­schaft und da­mit bei ei­ge­nem Han­deln un­mit­tel­bar grund-rechts­ge­bun­den (BVerfG 22. Fe­bru­ar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fra­port-Ur­teil] Rn. 49, BVerfGE 128, 226). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten kann sie sich den­noch auf das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb be­ru­fen.

Das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb als sons­ti­ges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB ist ein be­reits vor­kon­sti­tu­tio­nell und da­mit un­abhängig von Art. 12 GG und Art. 14 GG ent­wi­ckel­tes Rechts­in­sti­tut. Es ist dar­auf ge­rich­tet, ein Un­ter­neh­men in sei­ner wirt­schaft­li­chen Betäti­gung und Funk­ti­onsfähig­keit vor dar­auf be­zo­ge­nen rechts­wid­ri­gen Ein­grif­fen Drit­ter zu schützen. Es ergänzt den ge­setz­li­chen De­likt­schutz und füllt an­sons­ten be-ste­hen­de Haf­tungslücken aus (vgl. be­reits RG 27. Fe­bru­ar 1904 - I 418/03 - RGZ 58, 24; ausf. BGH 9. De­zem­ber 1958 - VI ZR 199/57 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 29, 65; vgl. auch BAG 22. Sep­tem­ber 2009 - 1 AZR 972/08 - Rn. 21 mwN, BA­GE 132, 140; BGH 24. Ja­nu­ar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 93, BGHZ 166, 84). Zwar un­ter­lie­gen öffent­lich be­herrsch­te Un­ter­neh­men we­gen ih­rer un­mit­tel­ba­ren Grund­rechts­bin­dung spe­zi­fi­schen Be­schränkun­gen, de­nen

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an­de­re Pri­vat­rechts­sub­jek­te auf­grund ih­rer nur mit­tel­ba­ren Bin­dung an die Grund­rech­te nicht aus­ge­setzt sind. Die­se gra­du­el­len Un­ter­schie­de der Grund­rechts­bin­dung hin­dern öffent­lich be­herrsch­te Un­ter­neh­men der Pri­vat­wirt­schaft aber nicht, in adäqua­ter und weit­hin gleich­be­rech­tig­ter Wei­se wie Pri­va­te die Hand­lungs­in­stru­men­te des Zi­vil­rechts für ih­re Auf­ga­ben­wahr­neh­mung zu nut­zen und am pri­va­ten Wirt­schafts­ver­kehr teil­zu­neh­men (BVerfG 22. Fe­bru­ar 2011 - 1 BvR 699/06 - [Fra­port-Ur­teil] Rn. 56, BVerfGE 128, 226). Voll­zieht sich die­se Teil­nah­me im We­ge ei­ner er­werbs­wirt­schaft­li­chen Betäti­gung, ist ein Un­ter­neh­men der öffent­li­chen Hand in Be­zug auf Ein­grif­fe, die sich ge­gen sei­ne wirt­schaft­li­che Betäti­gung rich­ten, nicht we­ni­ger schutzwürdig als Pri­va­te.

2. Die Streik­maßnah­men wa­ren rechts­wid­rig. Die Be­klag­te hat mit ih­nen die nach dem TV Apron Con­trol ge­son­dert ver­ein­bar­te Frie­dens­pflicht ver­letzt.

a) Mit dem Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags und der sich dar­aus er­ge­ben­den Frie­dens­pflicht be­gründen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en re­gelmäßig ei­ne Be­schränkung ih­rer Ar­beits­kampf­frei­heit. De­ren sach­li­che Reich­wei­te ist durch Aus­le¬gung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen zu er­mit­teln. Ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne be­stimm­te Sach­ma­te­rie er­kenn­bar um­fas­send ge­re­gelt, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sie die­sen Be­reich der Frie­dens­pflicht un­ter­wer­fen und für die Lauf­zeit des Ta­rif­ver­trags die kampf­wei­se Durch­set­zung wei­te­rer Re­ge­lun­gen un­ter­bin­den woll­ten, die in ei­nem sach­li­chen in­ne­ren Zu­sam­men­hang mit dem be­frie­de­ten Be­reich ste­hen (BAG 18. Fe­bru­ar 2003 - 1 AZR 142/02 - zu D I der Gründe, BA­GE 105, 5). Die­se re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht ist - auch oh­ne be­son­de­re Ver­ein­ba­rung - dem Ta­rif­ver­trag als ei­ner Frie­dens­ord­nung im­ma­nent (vgl. BAG 19. Ju­ni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BA­GE 123, 134). Mit Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Dau­er oder der Kündi­gungs­frist für ei­ne ta­rif­li­che Be­stim­mung en­det die mit ihr ver­bun­de­ne re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht für die be­tei­lig­ten Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 64, BA­GE 122, 134). Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en können die Reich­wei­te der Frie­dens­pflicht aber auch ge­son­dert ver­ein­ba­ren und auf Sach­ma­te­ri­en be­zie­hen, die nicht ta­rif­ver­trag­lich ge­re­gelt sind oder mit der Re­ge­lungs­ma­te­rie in kei­nem en­gen sach­li­chen Zu­sam­men-

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hang ste­hen (vgl. Pfohl Die Frie­dens­pflicht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Diss. 2010 S. 32 f.).

b) Mit den Streik­maßnah­men hat die Be­klag­te ge­gen die ver­trag­lich aus­drück­lich ver­ein­bar­te Frie­dens­pflicht ver­s­toßen.

aa) Dies folgt al­ler­dings nicht be­reits dar­aus, dass die Frie­dens­pflicht im Zeit­punkt der Ar­beits­kampf­maßnah­men we­gen ins­ge­samt noch un­gekündig­ter Re­ge­lun­gen des TV Apron Con­trol galt. Die Be­klag­te hat­te mit ih­rem Schrei­ben vom 29. Ju­ni 2011 wirk­sam ei­ne Teilkündi­gung die­ses Ta­rif­ver­trags zum 31. De­zem­ber 2011 erklärt.

(1) Die Teilkündi­gung war an sich zulässig.

(a) Ein Ta­rif­ver­trag ist re­gelmäßig nur als Gan­zes künd­bar. Zulässig ist sei­ne Teilkündi­gung nur bei ei­ner aus­drück­li­chen Ver­ein­ba­rung. Geht aus der ver­ein­bar­ten Zu­las­sung mit der ge­bo­te­nen Klar­heit her­vor, auf wel­che kon­kre­ten Be­stim­mun­gen oder Tei­le des je­wei­li­gen Ta­rif­ver­trags sich die Möglich­keit der Teilkündi­gung be­zie­hen soll, be­geg­nen ihr kei­ne recht­li­chen Be­den­ken (vgl. BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - Rn. 20, BA­GE 118, 159).

(b) Das ist vor­lie­gend der Fall. § 12 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 TV Apron Con­trol legt ei­ne Künd­bar­keit sei­ner Re­ge­lun­gen mit ei­ner Frist von sechs Mo¬na­ten zum Quar­tals­en­de - in §§ 5 bis 8 erst­ma­lig zum 31. De­zem­ber 2017 und im Übri­gen erst­ma­lig zum 31. De­zem­ber 2011 - fest. In den un­ter­schied­li­chen Kündi­gungs­ter­mi­nen drückt sich aus, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Zulässig­keit ei­ner nur auf Tei­le des TV Apron Con­trol be­zo­ge­nen Kündi­gung ver­ab­re­det ha­ben. Nach dem Wort­laut und sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang der Ver­ein­ba­rung ist auch hin­rei­chend klar, auf wel­che Be­stim­mun­gen sich die un­ter­schied­li­chen Kündi­gungsmöglich­kei­ten be­zie­hen: Ei­ner­seits auf §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol und an­de­rer­seits auf den TV Apron Con­trol „im Übri­gen“. Im buchstäbli­chen Sinn be­inhal­tet der Aus­druck „im Übri­gen“ ei­nen Be­zug auf all je­nes, was nicht be­son­ders aus­ge­wie­sen ist. Dies ist der mit „Re­ge­lun­gen in § 5

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bis § 8“ be­schrie­be­ne Teil des Ta­rif­werks, zu de­nen - dies ge­bie­ten Ge­sichts­punk­te der Sys­te­ma­tik und Prak­ti­ka­bi­lität - je­ne ta­rif­li­chen Be­stim­mun­gen gehören, die auf die­sen Re­ge­lungs­kom­plex Be­zug neh­men oder mit ihm in un­trenn­ba­rem Zu­sam­men­hang ste­hen. Da­zu gehören je­den­falls die Gel­tungs­be­reichs­fest­le­gung in § 1 Abs. 1 TV Apron Con­trol, die für §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol fest­ge­leg­te (länge­re) Kündi­gungs­frist des § 12 Abs. 1 Satz 2 TV Apron Con­trol und die in § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol aus­ge­drück­te Ei­ni­gung auf „ab­sch­ließen­de Re­ge­lun­gen“ so­wie die Reich­wei­te der Frie­dens­pflicht. Mit der Verständi­gung darüber, der Re­ge­lungs­be­reich nach §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol sol­le ei­ner an­de­ren Kündi­gungs­mo­da­lität un­ter­lie­gen als der Ta­rif­ver­trag im Übri­gen, ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en dies klar vor­ge­ge­ben. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on ent­beh­ren die Re­ge­lun­gen über die Teilkündi­gung nicht be­reits schon des­halb der not­wen­di­gen Klar­heit, weil sich die ar­beits- und die lan­des­ar­beits­ge­richt­li­chen Wer­tun­gen hin­sicht­lich gekündig­ter und un­gekündig­ter Ta­rif­be­stim­mun­gen nicht vollständig de­cken.

(2) Die Frie­dens­pflicht galt auch nicht des­halb noch un­ein­ge­schränkt, weil im Zeit­punkt der Streik­maßnah­men die in § 12 Abs. 1 Satz 3 TV Apron Con­trol fest­ge­leg­te Kündi­gungs­frist noch nicht ab­ge­lau­fen war. Die Kläge­rin zu 3. hat ei­ne text­lich-verkörper­te Kündi­gung der Be­klag­ten am 29. Ju­ni 2011 er­hal­ten. Da­mit lief die Kündi­gungs­frist am 31. De­zem­ber 2011 ab. Die Kündi­gung ei­nes Ta­rif­ver­trags muss nicht in Schrift­form gemäß § 126 BGB erklärt wer­den. Auf den Zu­gang des dem Schrift­for­mer­for­der­nis iSd. § 126 BGB ent­spre­chen­den Kündi­gungs­schrei­bens am 1. Ju­li 2011 - mit der Fol­ge, dass die Kündi­gungs­frist erst am 31. März 2012 ab­ge­lau­fen wäre - kommt es nicht an.

(a) Zwar bedürfen Ta­rif­verträge nach § 1 Abs. 2 TVG der Schrift­form. Das Ta­rif­ver­trags­recht kennt kei­nen ei­genständi­gen Schrift­form­be­griff. Die Schrift­form rich­tet sich da­her grundsätz­lich nach § 126 BGB und den in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Kon­kre­ti­sie­run­gen die­ser Vor­schrift (BAG 21. Sep­tem­ber 2011 - 7 ABR 54/10 - Rn. 33, BA­GE 139, 197; 7. Ju­li 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14).

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(b) Für die Kündi­gung ei­nes Ta­rif­ver­trags gel­ten aber kraft Ge­set­zes kei­ne Form­vor­schrif­ten. Vor­be­halt­lich an­de­rer Ab­re­den im Ta­rif­ver­trag selbst - die im TV Apron Con­trol nicht ge­trof­fen sind - be­geg­net je­den­falls ei­ne der Text­form des § 126b BGB ent­spre­chen­de Kündi­gungs­erklärung kei­nen recht­li­chen Be­den­ken. Das Schrift­form­ge­bot des § 1 Abs. 2 TVG iVm. § 126 BGB ist für die Kündi­gung nicht ent­spre­chend her­an­zu­zie­hen (eben­so ErfK/Fran­zen 16. Aufl. § 1 TVG Rn. 32; Ga­mill­scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Band I § 13 II 1 a; Kem­pen/Za­chert/St­ein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 189; Oet­ker in Ja­cobs/Krau­se/ Oet­ker/Schu­bert Ta­rif­ver­trags­recht 2. Aufl. § 8 Rn. 10; Wie­de­mann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 319; für ei­nen den Ta­rif­ver­trag auf­he­ben­den Ver­trag vgl. BAG 8. Sep­tem­ber 1976 - 4 AZR 359/75 - zu III 2 der Gründe; aA Be­p­ler in Hens­s­ler/Moll/Be­p­ler Der Ta­rif­ver­trag 2. Aufl. Teil 3 Rn. 213; Däubler TVG/ Dei­nert 4. Aufl. § 4 Rn. 122; Däubler TVG/Ne­be 4. Aufl. § 1 Rn. 172 f.; Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1443). Hierfür fehlt es an der er­for­der­li­chen Re­ge­lungslücke. Das zeigt be­reits § 7 Abs. 1 Satz 1 TVG. Da­nach sind die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­pflich­tet, „die Ur­schrift oder ei­ne be­glau­big­te Ab­schrift“ ei­nes je­den Ta­rif­ver­trags und sei­ner Ände­run­gen dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ar­beit und So­zia­les zu über­sen­den. Das Außer­kraft­tre­ten ist le­dig­lich „mit­zu­tei­len“, oh­ne dass es bei der Kündi­gung des Ta­rif­ver­trags ei­ner Über­sen­dung des Kündi­gungs­schrei­bens bedürf­te. Vor al­lem aber man­gelt es - aus­ge­hend vom Zweck des § 1 Abs. 2 TVG - an ei­ner ver­gleich­ba­ren In­ter­es­sen­la­ge. § 1 Abs. 2 TVG dient der Klar­stel­lung des Ver­trags­in­halts und dem Ge­bot der Nor­men-klar­heit (vgl. BAG 17. Fe­bru­ar 2016 - 2 AZR 613/14 - Rn. 22 mwN). Die­ser Zweck er­for­dert kei­ne Er­stre­ckung auf die Ta­rif­ver­tragskündi­gung. Die dem Ta­rif­ver­trag Nor­mun­ter­wor­fe­nen wären bei ei­ner dem Schrift­for­mer­for­der­nis un­ter-lie­gen­den, al­lein ge­genüber dem Ta­rif­ver­trags­part­ner zu erklären­den und nicht pu­bli­ka­ti­ons­bedürf­ti­gen Kündi­gung nicht an­ders ge­stellt.

bb) Die Be­klag­te hat aber mit den von ihr ge­tra­ge­nen Streik­maßnah­men vom 16. bis 23. und vom 26. bis 29. Fe­bru­ar 2012 die in § 12 Abs. 2 TV Apron

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Con­trol be­son­ders ver­ein­bar­te Frie­dens­pflicht ver­letzt, weil ihr Streik­ziel For­de­run­gen um­fass­te, die die­ser Pflicht un­ter­la­gen.

(1) Mit § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die 3Reichweite der Frie­dens­pflicht aus­ge­stal­tet. In des­sen Satz 1 ha­ben sie für die bei­den auf­geführ­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­kom­ple­xe durch die un­ter­schied­li­chen Kündi­gungs­fris­ten deut­lich ge­macht, die­se je­weils für ge­nann­te Zeiträume als ab­sch­ließend an­zu­se­hen. Satz 2 der Ta­rif­vor­schrift mo­di­fi­ziert die je­dem Ta­rif­ver­trag im­ma­nen­te re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht, in­dem die­se „Sach­ver­hal­te außer­halb der in der Ver­ein­ba­rung be­han­del­ten Re­ge­lungs­in­hal­te ... er­fasst“. Da­mit ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit schuld­recht­li­cher Wir­kung ver­ein­bart, während der Gel­tungs­dau­er der §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol ei­ner­seits und des TV Apron Con­trol im Übri­gen an­de­rer­seits auf die je­wei­li­gen Ma­te­ri­en be­zo­ge­ne wei­te­re oder auch nur ergänzen­de Re­ge­lungs­zie­le nicht mit Mit­teln des Ar­beits­kamp­fes durch­zu­set­zen („er­wei­ter­te Frie­dens­pflicht“). Auf ei­nen en­ge­ren Zu­sam­men­hang zwi­schen ge­re­gel­ter und er­streb­ter Sach­ma­te­rie ha­ben sie da­bei nicht ab­ge­ho­ben. Es ging ih­nen um den Aus­schluss jeg­li­cher kampf­wei­sen Durch­set­zung von Ergänzun­gen der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Be­stim­mun­gen, so­fern die­se ei­nen Be­zug zu den bei­den Re­ge­lungs­kom­ple­xen ha­ben.

(2) Das von der Be­klag­ten auf­ge­stell­te Streik­ziel ent­hielt For­de­run­gen, die von der so er­wei­ter­ten Frie­dens­pflicht er­fasst wa­ren.

(a) Maßgeb­lich für den In­halt des mit ei­nem Streik ver­folg­ten Ziels sind die dem Geg­ner in Form des kon­kre­ten, von den da­zu le­gi­ti­mier­ten Gre­mi­en der Ge­werk­schaft ge­trof­fe­nen Streik­be­schlus­ses über­mit­tel­ten Ta­rif­for­de­run­gen (BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 109, BA­GE 122, 134). Nach den ge­sam­ten Umständen - An­de­res ist nicht fest­ge­stellt - ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Streik­be­schluss des hier­zu be­rech­tig­ten Bun­des­vor­stands der Be­klag­ten in­halt­lich dem Streik­ziel ent­sprach, das der Kläge­rin zu 3. in den Strei­kankündi­gungs­schrei­ben vom 15. Fe­bru­ar 2012 - ergänzt um ein wei­te­res Schrei­ben sel­ben Da­tums - und vom 25. Fe­bru­ar 2012 über­mit­telt wur­de. In dem ers­ten

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Schrei­ben be­zog sich die Be­klag­te klar auf die Durch­set­zung der Sch­lich­ter-emp­feh­lung mit näher be­zeich­ne­ten An­pas­sun­gen und hielt in dem wei­te­ren dar­an fest.

(b) Das Streik­ziel der Durch­set­zung der Sch­lich­ter­emp­feh­lung (SE) be­zog ich auf die in §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol ge­re­gel­te Sach­ma­te­rie, für die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol ei­ne er­wei­ter­te Frie­dens­pflicht (fort-)galt.

(aa) Dies be­trifft al­ler­dings nicht § 35 Abs. 6a SE. Da­mit soll­te le­dig­lich die Re­ge­lungs­tech­nik mo­di­fi­ziert wer­den, in­dem die bis­he­ri­ge Pro­to­koll­no­tiz zu § 5 Abs. 6 Un­terabs. 1 TV Apron Con­trol nun­mehr als ei­ge­ner Ab­satz den Re­ge¬lun­gen zum Zeit­wert­kon­to bei­gefügt wird. Da­mit er­folgt kei­ne in­halt­li­che Ände¬rung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen. Der Pro­to­koll­no­tiz zur Wert­er­hal­tungs­ga­ran­tie des Ar­beit­ge­bers beim Wert­gut­ha­ben kommt ein nor­ma­ti­ver Re­ge­lungs­ge­halt zu.

(bb) Hin­ge­gen ent­hal­ten § 18 Abs. 8 und § 49 SE ei­genständi­ge, neue For­de­run­gen, die dem Re­ge­lungs­kom­plex der §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol zu­zu­ord­nen sind. § 18 Abs. 8 SE sieht für Mit­ar­bei­ter, die in­fol­ge ei­nes Ar­beits­un­falls nicht mehr voll­leis­tungsfähig sind und des­halb in ei­ner nied­ri­ge­ren Vergütungs­grup­pe wei­ter­beschäftigt wer­den, ei­ne Aus­gleichs­zu­la­gen­zah­lung und die Möglich­keit ei­ner Dar­le­hens­gewährung vor. In § 8 TV Apron Con­trol sind un­ter bstimm­ten Vor­aus­set­zun­gen beschäfti­gungs­si­chern­de Maßnah­men und ei­ne Ent­gelt­si­che­rung ge­re­gelt. Ergänzun­gen hier­zu sol­len nach der Frie­dens­pflicht­ver­ein­ba­rung des § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol für die Dau­er der Gel­tung des § 8 TV Apron Con­trol nicht kampf­wei­se durch­setz­bar sein. Glei­ches gilt für die For­de­rung nach § 49 SE, die eben­so wie die be­ste­hen­de Ta­rif­re­ge­lung des § 7 TV Apron Con­trol dem Be­las­tungs­aus­gleich von Beschäftig­ten dient und da­her ei­nen Be­zug zu dem vor dem 31. De­zem­ber 2017 nicht künd­ba­ren ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­kom­plex auf­weist. Im Hin­blick auf die Reich­wei­te der von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bar­ten Frie­dens­pflicht kommt es auch le­dig­lich auf ei­ne Zu­ord­nung der er­streb­ten For­de­rung zu dem noch gel­ten­den ta­ri­fier­ten Be­reich

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an und nicht - wie die Be­klag­te meint - auf ei­nen sach­li­chen in­ne­ren Zu­sam­men­hang, auf den al­ler­dings auch die Vor­in­stan­zen in Ver­ken­nung der be­son¬ders ver­ein­bar­ten Frie­dens­pflicht ab­ge­ho­ben ha­ben.

cc) § 3 der Sch­lich­tungs­ver­ein­ba­rung (SV) steht der An­nah­me ei­ner Frie­dens­pflicht­ver­let­zung nicht ent­ge­gen. Hier­mit ist die er­wei­ter­te Frie­dens­pflicht des § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol, wel­che für §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol noch galt, we­der auf­ge­ho­ben noch be­schränkt wor­den.

(1) Bei dem Ver­weis der Be­klag­ten in der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung auf die SV han­delt es sich - an­ders als die Kläge­rin zu 3. meint - nicht um neu­en, in der Re­vi­si­ons­in­stanz un­be­acht­li­chen Tat­sa­chen­vor­trag. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO un­ter­liegt der Be­ur­tei­lung des Re­vi­si­ons­ge­richts nur das­je­ni­ge Par­tei­vor­brin­gen, das aus dem Tat­be­stand des Be­ru­fungs­ur­teils und dem Sit­zungs­pro­to­koll er­sicht­lich ist. Da­zu gehört auch das aus in Be­zug ge­nom­me­nen Schriftsät¬zen und An­la­gen er­sicht­li­che Par­tei­vor­brin­gen (vgl. zur Vorgänger­vor­schrift des § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO BAG 28. Ok­to­ber 1999 - 6 AZR 243/98 - zu II 2 a der Gründe). Die Be­klag­te hat­te die SV erst­in­stanz­lich zur Ak­te ge­reicht. Sie ist von der zulässi­gen ergänzen­den Be­zug­nah­me des Be­ru­fungs­ur­teils auf den Tat­be¬stand des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils er­fasst, wel­cher sei­ner­seits in nach § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässi­ger Wei­se auf die von den Par­tei­en ein­ge­reich­ten Schriftsätze ver­weist.

(2) Mit § 3 SV ha­ben sich die ver­han­deln­den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auf ei­ne um­fas­sen­de Frie­dens­pflicht be­grenzt auf die Dau­er des Sch­lich­tungs­ver­fah­rens ge­ei­nigt. Die Vor­schrift be­stimmt ei­ne ei­genständi­ge, al­lein auf das kon­kre­te Sch­lich­tungs­ver­fah­ren be­zo­ge­ne Frie­dens­pflicht. Nach ih­rem Sinn und Zweck si­chert sie die Funk­ti­ons­be­din­gun­gen der Sch­lich­tung, wel­che nicht mit Ar­beits¬kampf­maßnah­men be­las­tet sein soll. We­der Wort­laut noch Sys­te­ma­tik las­sen An­halts­punk­te für ei­nen Re­ge­lungs­wil­len er­ken­nen, an­der­wei­tig ver­ein­bar­te und be­ste­hen­de Frie­dens­pflich­ten auf­zu­he­ben, zu be­en­den oder ge­genständ­lich zu be­schränken.

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dd) Die Kläge­rin zu 3. kann auch ei­ne Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht gel­tend ma­chen. Es han­delt sich da­bei nicht um ei­ne un­zulässi­ge Rechts­ausübung iSv. § 242 BGB. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts lässt zwar ei­ne ent­spre­chen­de tatrich­ter­li­che Wer­tung ver­mis­sen. An­hand der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ver­mag der Se­nat aber ei­ne ent­spre­chen­de Wer­tung selbst vor­zu­neh­men.

(1) Ei­ne un­zulässi­ge Rechts­ausübung setzt nicht zwin­gend vor­aus, dass schon die be­tref­fen­de Rechts­po­si­ti­on un­red­lich, mit Schädi­gungs­vor­satz oder sonst schuld­haft er­wor­ben ist. Es kommt le­dig­lich dar­auf an, ob bei ob­jek­ti­ver Be­trach­tung ein Ver­s­toß ge­gen Treu und Glau­ben vor­liegt (vgl. BGH 16. Ju­li 2014 - IV ZR 73/13 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 202, 102).

(2) Von ei­nem sol­chen Ver­s­toß ist im Streit­fall nicht aus­zu­ge­hen. Er folgt vor al­lem nicht aus dem „Sich-Ein­las­sen“ der Kläge­rin zu 3. auf der Frie­dens­pflicht un­ter­lie­gen­de Ver­hand­lungs­ge­genstände in den Ta­rif­ver­trags- und Sch­lich­tungs­ver­hand­lun­gen. Die - hier in § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol ei­genständig ver­ein­bar­te, er­wei­ter­te re­la­ti­ve - Frie­dens­pflicht ver­bie­tet es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nur, ei­nen Ta­rif­ver­trag bis zum Ab­lauf sei­ner ver­ein­bar­ten Dau­er oder der für ihn maßgeb­li­chen Kündi­gungs­frist in­halt­lich da­durch in Fra­ge zu stel­len, dass Ände­run­gen der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ge­genstände mit Mit­teln des Ar­beits­kamp­fes er­reicht wer­den sol­len. Sie schließt es nach ih­rem Sinn und Zweck aber nicht aus, über die­se Ge­genstände zu ver­han­deln und sie in ein Sch­lich­tungs­ver­fah­ren ein­zu­be­zie­hen. Eben­so wie bloße Ver­hand­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über ei­ne be­stimm­te Ta­rif­for­de­rung kei­ne auf ih­ren Ge­gen­stand be­zo­ge­ne Frie­dens­pflicht zu be­gründen vermögen (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 66, BA­GE 122, 134), kann aus Ver­hand­lun­gen über der Frie­dens­pflicht un­ter­lie­gen­de For­de­run­gen oder de­ren Ein­be­zie­hung in das Sch­lich­tungs­ver­fah­ren nicht der Schluss ge­zo­gen wer­den, die Ge­gen­sei­te wer­de sich im Fal­le ei­nes Ar­beits­kamp­fes nicht auf ei­ne Frie­dens­pflicht­ver­let­zung be­ru­fen. Ei­ne sol­che An­nah­me ver­bie­tet sich schon des­halb, weil Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen ty­pi­scher­wei­se von Kom­pro­miss­ver­su­chen ge­prägt und ge­lei­tet

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sind. Im In­ter­es­se der Er­zie­lung ei­ner Ge­samtlösung kann es da­her sinn­voll sein, frie­dens­pflich­ti­ge Ge­genstände in die Ver­hand­lung und Sch­lich­tung ein­zu­be­zie­hen, um ei­ne Ei­ni­gung oh­ne Ar­beits­kampf zu er­rei­chen.

ee) Im Hin­blick auf das über­mit­tel­te Streik­ziel, wel­ches auch der Frie­dens­pflicht un­ter­lie­gen­de For­de­run­gen ent­hielt, ist der vom 16. bis 23. Fe­bru­ar 2012 und vom 26. bis 29. Fe­bru­ar 2012 geführ­te Streik rechts­wid­rig.

(1) Der Se­nat hat bis­her of­fen­ge­las­sen, ob bei ei­nem Streik, der um den Ab­schluss ei­nes zahl­rei­che Re­ge­lun­gen um­fas­sen­den Ta­rif­ver­trags geführt wird, die Rechts­wid­rig­keit schon ei­ner For­de­rung zu des­sen Rechts­wid­rig­keit führt (BAG 4. Mai 1955 - 1 AZR 493/54 - BA­GE 2, 75). Je­den­falls dann, wenn es sich bei der die Frie­dens­pflicht ver­let­zen­den oder ta­rif­wid­ri­gen For­de­rung um ei­ne zen­tra­le For­de­rung han­delt, be­dingt dies die Rechts­wid­rig­keit des ge­sam­ten Streiks (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 4 der Gründe, BA­GE 104, 155). Im Schrift­tum wird ver­tre­ten, ein Streik sei rechts­wid­rig, wenn er sich auch auf die Durch­set­zung ein­zel­ner un­er­laub­ter For­de­run­gen rich­te (vgl. Ha­nau Die Kau­sa­lität der Pflicht­wid­rig­keit S. 53; Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. Grundl. Rn. 451; Rieb­le BB 2014, 949, 950; Ot­to Ar­beits­kampf- und Sch­lich­tungs­recht § 5 Rn. 25; Wil­lem­sen/Meh­rens NZA 2013, 1400, 1401; wohl auch Kis­sel Ar­beits­kampf­recht § 24 Rn. 11). Zum Teil wird un­ter Her­an­zie­hung scha­dens­zu­rech­nungs­re­le­van­ter Kri­te­ri­en die Rechts­wid­rig­keit ei­nes Streiks da­nach be­ur­teilt, ob er auch oh­ne die un­zulässi­ge For­de­rung geführt wor­den wäre (Rüthers in Brox/Rüthers Ar­beits­kampf­recht 2. Aufl. Rn. 159; Ga­mill­scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Band I § 22 I 2 a (3)). Nach wie­der­um an­de­rer Auf­fas­sung kommt es aus­ge­hend von ei­nem ver­ob­jek­ti­vier­ten Maßstab dar­auf an, wel­che der dem Ar­beit­ge­ber über­mit­tel­ten For­de­run­gen dem Ar­beits­kampf im Rah­men ei­ner Ge­samt­schau das Ge­präge ge­ben (Rein­fel­der in Däubler Ar­beits­kampf­recht 3. Aufl. § 15 Rn. 25); bei Kampf­zie­len, die ei­ne Ein­heit bil­de­ten, sei das un­rechtmäßige Ziel ent­schei­dend (Reuss AuR 1966, 33, 34).

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(2) Ein Streik, des­sen Kampf­ziel auch der Durch­set­zung ei­ner nicht rechtmäßigen Ta­rif­for­de­rung dient, ist ins­ge­samt rechts­wid­rig.

(a) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats kann ein Ar­beits­kampf nur zur Durch­set­zung ta­rif­ver­trag­lich re­gel­ba­rer und frie­dens­pflicht­wah­ren­der Zie­le geführt wer­den (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B I 2 ff. der Gründe, BA­GE 104, 155). Das gibt die Hilfs­funk­ti­on des Ar­beits­kamp­fes zur Si­che­rung der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­ten Ta­rif­au­to­no­mie vor. Die­se ist dar­auf ge­rich­tet, das Ar­beits­le­ben in dem von staat­li­cher Rechts­ord­nung frei­ge­las­se­nen Raum durch Ta­rif­verträge sinn­voll zu ord­nen und zu be­frie­den. Die­ses Ziel kann ua. nur er­reicht wer­den, wenn ein Ta­rif­ver­trag während sei­ner Gel­tungs­dau­er durch ei­nen Ar­beits­kampf nicht in Fra­ge ge­stellt wird und die durch ihn ver­mit­tel­te Pla­nungs­si­cher­heit wahrt. Die­se Funk­ti­ons­be­din­gung der Ta­rif-au­to­no­mie ist gefähr­det, wenn ein Ar­beits­kampf auch dar­auf ge­rich­tet ist, ei­ne kol­lek­ti­ve Re­ge­lung vor de­ren En­de zu be­sei­ti­gen oder zu ändern (vgl. BAG 19. Ju­ni 2007 - 1 AZR 396/06 - Rn. 18, BA­GE 123, 134). Das hat zur Fol­ge, dass ei­ne For­de­rung, die kampf­wei­se durch­ge­setzt wer­den soll, so­wohl ta­rif­lich re­gel­ba­re Ge­genstände be­tref­fen als auch die Frie­dens­pflicht be­ach­ten muss. For­de­run­gen, die die­sen An­for­de­run­gen nicht genügen, sind nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG ge­deckt und be­ein­träch­ti­gen grund­recht­lich geschütz­te In­ter­es­sen des Kampf­geg­ners. Die­ser hat zwar da­von aus­zu­ge­hen, dass ei­ne Ge­werk­schaft auf ei­ne un­ein­ge­schränk­te Um­set­zung der ver­laut­bar­ten Streik­zie­le ty­pi­scher­wei­se nicht be­steht, son­dern mit Wi­der­stand rech­net. Da­her ge­hen de­ren Ta­rif­for­de­run­gen aus un­ter­schied­li­chen Mo­ti­ven re­gelmäßig über das­je­ni­ge Maß hin­aus, bei des­sen Er­rei­chen die Ge­werk­schaft zum Ta­rif­ab­schluss be­reit ist (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 AZR 252/06 - Rn. 100, BA­GE 122, 134). Je­de Ta­rif­for­de­rung hat aber auch ar­beits­kampf­tak­ti­sche und ver­bands­po­li­ti­sche Gründe so­wie die Funk­ti­on, die je­wei­li­gen Mit­glie­der zu mo­ti­vie­ren und Ta­rif­ver­hand­lun­gen zunächst ein­mal in Gang zu brin­gen. Zwangsläufig hat je­de ver­laut­bar­te Ta­rif­for­de­rung Ein­fluss auf die Ver­tei­di­gungsmöglich­kei­ten der Ar­beit­ge­ber­sei­te. Sie muss sich auf die ihr ge­genüber er­ho­be­nen For­de­run­gen ein-

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stel­len und so­wohl ihr Ver­hand­lungs­an­ge­bot als auch ih­re Kampf­stra­te­gie dar­auf ein­rich­ten. Hier­in wird sie un­zulässig be­ein­träch­tigt, wenn sie ih­re Ver­hand­lungs­macht dafür ein­set­zen muss, ei­ne durch Art. 9 Abs. 3 GG nicht ge­deck­te For­de­rung ab­zu­weh­ren.

(b) Die gra­du­el­le Be­wer­tung ei­ner Ta­rif­for­de­rung im Verhält­nis zu an­de­ren und ei­ne dar­an knüpfen­de ge­wich­ten­de Be­ur­tei­lung der Rechtmäßig­keit ei­nes um de­ren Durch­set­zung geführ­ten Ar­beits­kamp­fes sind ei­ner Rechts­kon­trol­le nicht zugäng­lich.

(aa) Wel­che Be­deu­tung ei­ne ein­zel­ne Ta­rif­for­de­rung un­ter meh­re­ren aus Sicht der Ge­werk­schaft für den von ihr für an­nehm­bar ge­hal­te­nen Ta­rif­ab­schluss oder ih­re Durch­set­zungsfähig­keit im Rah­men der Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen und ggf. ei­nes Ar­beits­kamp­fes hat, ob­liegt de­ren Einschätzung. Ob ei­ne kon­kre­te Ta­rif­for­de­rung für den an­ge­streb­ten Ta­rif­ab­schluss haupt- oder ne­bensächlich, be­deu­tend oder un­be­deu­tend ist oder die Ge­samt­heit der auf­ge­stell­ten For­de­run­gen wirt­schaft­lich oder or­ga­ni­sa­ti­ons­po­li­tisch prägt, ist für die Ar­beit­ge­ber­sei­te in der kon­kre­ten Ar­beits­kampf­si­tua­ti­on nicht er­kenn­bar und ent­zieht sich we­gen der nicht ob­jek­ti­vier­ba­ren Aus­wir­kun­gen auf die Ver­hand­lungs­macht und Kampf­kraft der Ge­werk­schaft und den mit je­der For­de­rung ge­schaf­fe­nen Ver­hand­lungs­spiel­raum auch ei­ner ge­richt­li­chen Be­wer­tung und Fest­stel­lung.

(bb) Der Ver­zicht auf ei­ne sol­che Kon­trol­le be­ein­träch­tigt nicht die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­te Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit der be­trof­fe­nen Ge­werk­schaft. Sie al­lein ent­schei­det über die Fest­le­gung der Ta­rif­for­de­run­gen, die durch den Auf­ruf zu ei­nem Streik und des­sen Be­fol­gung erkämpft wer­den sol­len. Hier­bei hat sie zu prüfen, ob die er­ho­be­nen For­de­run­gen durch Art. 9 Abs. 3 GG le­gi­ti­miert sind. Zu ei­ner sol­chen Prüfung ist ei­ne Ge­werk­schaft auch oh­ne wei­te­res in der La­ge. De­ren Ta­riffähig­keit ver­langt nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts nicht nur ei­ne Durch­set­zungs­kraft ge-

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genüber dem so­zia­len Ge­gen­spie­ler, son­dern auch das Vor­hal­ten ei­ner leis­tungsfähi­gen Or­ga­ni­sa­ti­on, die sie befähigt, die ihr von Art. 9 Abs. 3 GG zu­ge-dach­ten Auf­ga­ben zu erfüllen (BVerfG 24. Fe­bru­ar 1999 - 1 BvR 123/93 - zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Ok­to­ber 1981 - 1 BvR 404/78 - zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Da­zu gehört un­ab­ding­bar ei­ne ent­spre­chen­de An­zahl an Mit­ar­bei­tern, die Ver­hand­lun­gen und den Ab­schluss von Ta­rif­verträgen vor­be­rei­ten (vgl. zur or­ga­ni­sa­to­ri­schen Leis­tungsfähig­keit BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 53, BA­GE 117, 308). Hier­zu zählt auch die Über­prüfung der Le­gi­ti­mität ei­ner Ta­rif­for­de­rung als Vor­aus­set­zung der Rechtmäßig­keit des um ih­re Durch­set­zung geführ­ten Ar­beits­kamp­fes (BAG 19. Ju­ni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52, BA­GE 142, 98). Un­zu­mut­ba­re, mit Art. 9 Abs. 3 GG un­ver­ein­ba­re Haf­tungs­ri­si­ken sind da­mit nicht ver­bun­den. Die­se be­tref­fen nicht die Be­wer­tung der Rechts­wid­rig­keit des Ar­beits­kamp­fes, son­dern re­la­ti­vie­ren die ver­schul­dens­abhängi­ge Ein­stands­pflicht für ar­beits­kampf­be­ding­te Schäden (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - zu B II 1 der Gründe, BA­GE 104, 155).

(3) Dem Um­stand, dass der da­ma­li­ge Bun­des­vor­sit­zen­de der Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung in dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren beim Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main (- 9 Ga 24/12 -) am 29. Fe­bru­ar 2012 sinn­gemäß zu Pro­to­koll erklärt hat, die frie­dens­pflicht­ver­let­zen­den For­de­run­gen würden fal­len­ge­las­sen, kommt kei­ne strei­tent­schei­den­de Be­deu­tung zu. Es kann of­fen­blei­ben, ob das Auf­ge­ben un­zulässi­ger Ein­zel­for­de­run­gen während ei­nes Streiks des­sen Rechts­wid­rig­keit ver­gan­gen­heits­be­zo­gen zu be­sei­ti­gen ver­mag. Der Streik wur­de am 29. Fe­bru­ar 2012 al­lein auf­grund der Un­ter­sa­gungs­verfügung des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main ab­ge­bro­chen.

3. Die Be­klag­te - han­delnd durch ih­re Or­ga­ne - trifft ein Ver­schul­den iSv. § 823 Abs. 1, § 31 BGB.

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a) Ver­schul­den iSv. § 823 Abs. 1 BGB setzt grundsätz­lich ein vorsätz­li­ches oder fahrlässi­ges Ver­hal­ten vor­aus. Nicht je­des rechts­wid­ri­ge Ver­hal­ten ei­ner Ko­ali­ti­on bei der Wah­rung und Förde­rung von Ar­beits­be­din­gun­gen im Rah­men des Art. 9 Abs. 3 GG ist zu­gleich als schuld­haft zu be­wer­ten, weil hier­durch un­zu­mut­ba­re Haf­tungs­ri­si­ken entstünden. Vor ei­nem Streik mit sei­nen vielfälti­gen Aus­wir­kun­gen hat die Ge­werk­schaft ih­re kampf­wei­se durch­zu­set­zen­den Ta­rif­for­de­run­gen sorgfältig zu prüfen. Bei Zwei­feln über des­sen Recht¬mäßig­keit darf sie von ih­rem Streik­recht nur in maßvol­lem Rah­men und vor al¬lem auch nur dann Ge­brauch ma­chen, wenn für die Zulässig­keit des Streiks sehr be­acht­li­che Gründe spre­chen und des Wei­te­ren ei­ne endgülti­ge Klärung der Rechts­la­ge nicht an­ders zu er­rei­chen ist (vgl. BAG 19. Ju­ni 2012 - 1 AZR 775/10 - Rn. 52 mwN, BA­GE 142, 98).

b) In An­wen­dung die­ser Rechts­grundsätze ist von ei­nem fahrlässi­gen Ver­hal­ten der Be­klag­ten aus­zu­ge­hen. Die­se hat­te das Streik­ziel auf den Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags ent­spre­chend der Sch­lich­ter­emp­feh­lung - mit nähe­ren ge­for­der­ten An­pas­sun­gen - be­zo­gen. Ihr Kampf­ziel, der über die ver­laut­bar­ten For­de­run­gen ab­zu­sch­ließen­de Ta­rif­ver­trag, um­fass­te Re­ge­lungs­ge­genstände, hin­sicht­lich de­rer die nach dem TV Apron Con­trol be­son­ders aus­ge­stal­te­te Frie­dens­pflicht noch galt. Die Be­klag­te hätte we­gen der Teilkündi­gung des TV Apron Con­trol die Zulässig­keit der For­de­run­gen, die in ih­rer Ge­samt­heit das erklärte Streik­ziel bil­de­ten, im Ein­zel­nen ge­wis­sen­haft prüfen müssen. Sie muss­te er­ken­nen, dass die Frie­dens­pflicht aus dem un­gekündig­ten Teil des TV Apron Con­trol die Gren­ze der Rechtmäßig­keit bil­de­te. Dass ihr die­se Pro­ble­ma­tik be­wusst war, zeigt ihr der Strei­kankündi­gung vom 15. Fe­bru­ar 2012 nach­ge­scho­be­nes Schrei­ben vom glei­chen Tag an die Kläge­rin zu 3., das klar­stel­len soll­te, dass die er­ho­be­ne For­de­rung zur Lauf­zeit des Ta­rif­ab­schlus­ses nicht den un­gekündig­ten Teil des TV Apron Con­trol be­tref­fen soll­te.

c) Im Hin­blick auf die Rechts­wid­rig­keit des Streiks we­gen der frie­dens­pflicht­ver­let­zen­den For­de­run­gen be­fand sich die Be­klag­te nicht in ei­nem ihr Ver­schul­den aus­sch­ließen­den un­ver­meid­ba­ren Rechts­irr­tum.

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aa) An ei­nen un­ver­meid­ba­ren Rechts­irr­tum sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len. Der Gel­tungs­an­spruch des Rechts er­for­dert im Grund­satz, dass der Schuld­ner das Ri­si­ko ei­nes Rechts­irr­tums selbst trägt und es nicht dem Gläubi­ger überbürden kann. Be­ruht die Un­ge­wiss­heit über die Schuld auf recht­li­chen Zwei­feln des Schuld­ners (sog. Rechts­irr­tum), ist die­ser ent­schuld­bar, wenn die Rechts­la­ge ob­jek­tiv zwei­fel­haft ist und der Schuld­ner sie sorgfältig ge­prüft hat (BAG 19. Au­gust 2015 - 5 AZR 975/13 - Rn. 31 mwN, BA­GE 152, 213).

bb) Hier­von kann vor­lie­gend nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Die Rechts­la­ge zur Reich­wei­te der sich aus dem TV Apron Con­trol er­ge­ben­den Frie­dens­pflicht kann schon des­halb nicht als ob­jek­tiv un­klar an­ge­se­hen wer­den, weil sie von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en selbst näher aus­ge­stal­tet wor­den ist. Die Be­klag­te hätte we­gen der un­ter­schied­li­chen Kündi­gungs­mo­da­litäten, an die sie sich mit der Teilkündi­gung auch ge­hal­ten hat, die Zulässig­keit ih­res auf den Ge­samt­ab­schluss ei­nes neu­en Ta­rif­ver­trags ge­rich­te­ten Streik­ziels um­so sorgfälti­ger prüfen müssen. Der Sach­ver­halt hier­zu war nicht - wie et­wa bei ei­ner Viel­zahl von ein­zel­nen, teils gekündig­ten, teils un­gekündig­ten Ta­rif­verträgen - unüber­sicht­lich. Die frie­dens­pflicht­ver­let­zen­den Ge­genstände be­tra­fen viel­mehr ei­nen über­schau­ba­ren und klar ab­grenz­ba­ren Be­reich des teil­gekündig­ten TV Apron Con­trol.

4. Der da­nach be­ste­hen­den Er­satz­pflicht der Be­klag­ten für die durch den Streik der Kläge­rin zu 3. ent­stan­de­nen Schäden steht § 254 BGB nicht ent­ge­gen.

a) Gemäß § 254 Abs. 1 BGB sind die Ver­pflich­tung zum Scha­dens­er­satz so­wie der Um­fang des Er­sat­zes ins­be­son­de­re da­von abhängig, in­wie­weit der Scha­den vor­wie­gend von dem Schädi­ger oder dem Geschädig­ten ver­ur­sacht wor­den ist. Da­bei gilt der Grund­satz, dass bei vorsätz­li­cher Scha­dens­ver­ur­sa­chung durch den Geschädig­ten die Er­satz­pflicht des nur fahrlässig han­deln­den Schädi­gers entfällt (BAG 19. Fe­bru­ar 1998 - 8 AZR 645/96 - zu II 1 der Gründe mwN, BA­GE 88, 101). In die­sem Sinn ist die Haf­tung der Be­klag­ten nicht we-

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gen ei­ner der Kläge­rin zu 3. zu­zu­rech­nen­den vorsätz­li­chen „Selbstschädi­gung“ aus­ge­schlos­sen. Ei­ne sol­che kann ins­be­son­de­re - un­abhängig vom Ver­schul­dens­grad und an­ders als vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men - nicht dar­in ge­se­hen wer­den, dass die Kläge­rin zu 3. die Ver­let­zungs­hand­lung nicht ab­ge­wehrt hat. Die­se be­ginnt bei ei­nem Streik schon mit sei­nem Auf­ruf. Der zu be­strei­ken­de Ar­beit­ge­ber ver­mag aber ei­nen ge­werk­schaft­li­chen Streik­auf­ruf nicht zu ver­hin­dern; er kann sich al­len­falls - vor al­lem mit Mit­teln des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes - ge­gen die Ar­beits­nie­der­le­gun­gen weh­ren, wel­che die Ver­let­zungs­hand­lung fort­set­zen.

b) So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt Scha­dens­er­satz­ansprüche für die Zeit bis ein­sch­ließlich 27. Fe­bru­ar 2012 des­halb als „nicht in Be­tracht kom­mend“ an­ge­se­hen hat, weil die Kläge­rin zu 3. kei­nen Rechts­be­helf ge­gen den von ihr als rechts­wid­rig er­kann­ten Streik er­grif­fen und da­mit schuld­haft ei­ne Scha­dens­ab­wen­dung iSv. § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB un­ter­las­sen ha­be, tra­gen sei­ne ei­ge­nen Fest­stel­lun­gen die­se Würdi­gung nicht. Das Be­ru­fungs­ge­richt müss¬te - nach sei­ner Auf­fas­sung kon­se­quent - da­von aus­ge­hen, dass ei­ne (rechts­kräfti­ge) ge­richt­li­che Un­ter­sa­gung des mit Schrei­ben vom 15. Fe­bru­ar 2012 an­gekündig­ten Streiks noch vor Be­ginn der Streik­maßnah­men am 16. Fe­bru­ar 2012, 15.00 Uhr hätte erstrit­ten wer­den können. Hier­zu verhält sich die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung nicht. Un­ge­ach­tet des­sen war die Kläge­rin zu 3. nicht ge­hal­ten, zur Ab­wen­dung oder Min­de­rung der durch den Streik ent­stan­de­nen Schäden recht­li­che Maßnah­men zu er­grei­fen. Zum ei­nen ist der Aus­gang des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens bei ei­nem zulässi­gen An­trag auf Un­ter­sa­gung oder Ab­bruch ei­nes Streiks im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes nicht si­cher pro­gnos­ti­zier­bar. Ein Geschädig­ter muss sich prin­zi­pi­ell nicht zur Scha­dens­ab­wen­dung auf Rechts­strei­tig­kei­ten ein­las­sen, de­ren Er­folgs­aus­sich­ten un­ge­wiss sind (vgl. BGH 6. De­zem­ber 1984 - III ZR 141/83 - zu I 4 b der Gründe; vgl. auch Er­man/Ebert BGB 14. Aufl. § 254 Rn. 70). Zum an­de­ren - und vor al­lem - trifft ei­nen be­streik­ten Ar­beit­ge­ber grundsätz­lich kei­ne Ob­lie­gen­heit, ei­nen ge­gen ihn ge­rich­te­ten rechts­wid­ri­gen Streik mit recht­li­chen Mit­teln ab­zu­weh­ren.

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Selbst ei­nem als recht­wid­rig er­kann­ten Streik kann der Be­streik­te be­geg­nen, in­dem er ihn aushält. Auch dar­in liegt - schon we­gen des We­sens des Ar­beits­kamp­fes - je­den­falls ty­pi­scher­wei­se Druck­ausübung zur Ver­bes­se­rung der Ver­hand­lungs­po­si­ti­on.

c) An­ders als die Be­klag­te meint, wirkt sich auch der Um­stand nicht aus, dass die Kläge­rin zu 3. sie erst im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren auf die Rechts­wid­rig­keit des Streiks hin­ge­wie­sen hat. Ei­ne sol­che An­nah­me setzt ei­ne ent­spre­chen­de Hin­weis­pflicht oder -ob­lie­gen­heit vor­aus, die sich aus ar­beits­kampf­recht­li­chen Gründen ver­bie­tet. Sie würde das „Aus­hal­ten“ ei­nes Streiks als le­gi­ti­mes Kampf­mit­tel zur Ausübung von (Ge­gen-)Druck auf die streikführen­de Ge­werk­schaft kon­ter­ka­rie­ren.

5. Zu Un­recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, der gel­tend ge­mach­te Scha­dens­er­satz­an­spruch sei je­den­falls un­ter dem Ge­sichts­punkt des rechtmäßigen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens zu ver­sa­gen.

a) Die Be­ru­fung des Schädi­gers auf rechtmäßiges Al­ter­na­tiv­ver­hal­ten, dh. der Ein­wand, der Scha­den wäre auch bei ei­ner eben­falls mögli­chen, rechtmäßigen Ver­hal­tens­wei­se ent­stan­den, kann für die Zu­rech­nung ei­nes Scha­dens­er­folgs be­acht­lich sein. Die Er­heb­lich­keit des Ein­wan­des rich­tet sich nach dem Schutz­zweck der je­weils ver­letz­ten Norm oder Ver­trags­pflicht (vgl. BGH 14. Ju­li 2016 - III ZR 446/15 - Rn. 29; 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17; 25. No­vem­ber 1992 - VIII ZR 170/91 - zu II 1 c aa der Gründe, BGHZ 120, 281; 24. Ok­to­ber 1985 - IX ZR 91/84 - zu II 5 b der Gründe, BGHZ 96, 157). Rechtmäßiges Al­ter­na­tiv­ver­hal­ten setzt vor­aus, dass der­sel­be Scha­dens­er­folg ef­fek­tiv her­bei­geführt wor­den wäre; die bloße Möglich­keit, ihn rechtmäßig her­beiführen zu können, reicht nicht aus (BGH 9. März 2012 - V ZR 156/11 - Rn. 17). Dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig ist der Schädi­ger.

b) Hier­von aus­ge­hend tra­gen be­reits die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt her­an¬ge­zo­ge­nen Umstände nicht sei­ne Würdi­gung, der Ein­wand des rechtmäßigen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens sei aus­nahms­wei­se ge­recht­fer­tigt. Das Be­ru­fungs­ge­richt

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sieht sei­ne An­nah­me, der Streik hätte auch oh­ne die in­kri­mi­nier­ten Ta­rif­for­de­run­gen zur sel­ben Zeit, am sel­ben Ort und auf die­sel­be Art und Wei­se statt­ge­fun­den, da­durch be­legt, dass sich der Streit der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en am En­de der Sch­lich­tung auf an­de­re Re­ge­lungs­ge­genstände be­zo­gen ha­be und hin­sicht­lich der frie­dens­pflicht­ver­let­zen­den For­de­run­gen be­reits ei­ne Ei­ni­gung er­zielt wor­den sei. Mit die­ser Be­gründung nimmt das Lan­des­ar­beits­ge­richt die ar­beits­kampf­recht­lich spe­zi­fi­sche Si­tua­ti­on nicht aus­rei­chend in den Blick. Verständi­gen sich Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Ta­rif­ver­trags­ver­hand­lun­gen auf be­stimm­te Punk­te oder ste­hen die­se Punk­te am En­de ei­nes (frei­wil­li­gen) Sch­lich­tungs­ver­fah­rens nicht (mehr) im Streit, ha­ben sie sich letzt­lich auch bezüglich die­ser Re­ge­lungs­ge­genstände nicht ge­ei­nigt, wenn das „Ge­samt­pa­ket“ nicht zu­stan­de kommt. Auch vor­lie­gend war am En­de des Sch­lich­tungs­ver­fah­rens der Ab¬schluss des ge­sam­ten Ta­rif­ver­trags mit dem vom Sch­lich­ter emp­foh­le­nen In­halt „an sich“ strei­tig. Des­halb kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, be­stimm­te Ta­rif­for­de­run­gen hätten den Streik nicht be­ein­flusst. Eben­so ver­kennt das Be­ru¬fungs­ge­richt die ar­beits­kampf­recht­li­chen Be­son­der­hei­ten, wenn es sei­ne Schluss­fol­ge­rung, die frie­dens­pflicht­ver­let­zen­den For­de­run­gen sei­en nicht streik­be­stim­mend ge­we­sen, dar­auf stützt, dass nach de­ren Fal­len­las­sen nicht so­gleich wei­te­re Ver­hand­lun­gen auf­ge­nom­men wor­den sei­en.

c) Un­ge­ach­tet des­sen ist bei ei­nem auf­grund ei­ner Frie­dens­pflicht­ver­let­zung rechts­wid­ri­gen Streik für den Ein­wand des rechtmäßigen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens kein Raum (so auch Löwisch/Rieb­le TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 1261; Jau­er­nig/ Teich­mann BGB 16. Aufl. Vor §§ 249-253 Rn. 48; Rieb­le BB 2014, 949, 951; Wil­lem­sen/Meh­rens NZA 2013, 1400, 1402; vgl. auch Wie­de­mann/Thüsing 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 971).

aa) Dies folgt al­ler­dings nicht aus ei­ner der Frie­dens­pflicht bei­zu­mes­sen­den Funk­ti­on, dass mit ihr die ty­pi­scher­wei­se schwer­wie­gen­den Fol­gen kol­lek­ti­ver Kampf­maßnah­men für die Ge­samt­heit und die be­tei­lig­ten Krei­se des Ar­beits­le-bens im Rah­men des Mögli­chen ver­mie­den wer­den sol­len (so noch BAG 31. Ok­to­ber 1958 - 1 AZR 632/57 - zu V 3 der Gründe, BA­GE 6, 321; vgl. be-

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reits zu­vor BAG 8. Fe­bru­ar 1957 - 1 AZR 169/55 - BA­GE 3, 280; kri­tisch hier­zu zB Ni­tsche in Däubler Ar­beits­kampf­recht 3. Aufl. § 22 Rn. 125; Ha­nau Die Kau­sa­lität der Pflicht­wid­rig­keit S. 54 ff.; MüKoBGB/Oet­ker 7. Aufl. § 249 Rn. 223; Stau­din­ger/Schie­mann (2005) § 249 Rn. 105; sh. auch Ga­mill­scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Band I § 26 II 5 a (2)). Ei­ne sol­che die All­ge­mein­heit oder Drit­te schützen­de Wir­kung kommt der schuld­recht­lich de­ter­mi­nier­ten Frie­dens­pflicht nicht - je­den­falls nicht ty­pi­scher­wei­se - zu. Eben­so trägt der Ge­dan­ke nicht, dass im Ar­beits­kampf­recht die Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht prak­tisch weit­ge­hend sank­ti­ons­los blie­be, wenn man die Möglich­keit ei­nes zulässi­gen Streiks als rechtmäßige Al­ter­na­ti­ve in Be­tracht zie­hen würde (so aber BAG 31. Ok­to­ber 1958 - 1 AZR 632/57 - aaO). Ei­ne sank­tio­nie­ren­de Wir­kung ist dem Scha­dens­er­satz­recht im All­ge­mei­nen fremd; auch die Scha­dens­er­satz­pflicht bei rechts­wid­ri­gem Streik hat Aus­gleichs- und kei­ne Sank­ti­ons­funk­ti­on.

bb) Nach ih­rem Sinn und Zweck soll die sich aus ei­nem be­ste­hen­den Ta­rif­ver­trag er­ge­ben­de Frie­dens­pflicht ver­hin­dern, dass Ände­run­gen oder Ver­bes­se­run­gen der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ge­genstände ge­genüber dem Ta­rif­ver­trags­part­ner mit Mit­teln des Ar­beits­kamp­fes durch­zu­set­zen ver­sucht wird. Sie ist dar­auf ge­rich­tet, für die Dau­er ih­res Be­ste­hens die Schädi­gung des Ar­beit­ge­bers durch ei­nen Streik „als sol­chen“ aus­zu­sch­ließen. Hier­von aus­ge­hend kann die Be­klag­te nicht ent­las­ten, dass ein von ihr ge­tra­ge­ner Streik oh­ne frie­dens­pflicht­ver­let­zen­de For­de­run­gen bei der Kläge­rin zu 3. die (ge­nau) glei­chen Fol­gen ge­habt hätte. Es hätte sich we­gen des dann an­de­ren Streik­ziels um ei­nen an­de­ren Ar­beits­kampf ge­han­delt. Ein sol­cher ver­mag kei­ne Al­ter­na­tiv­hand­lung ab­zu­ge­ben. An­de­ren­falls würde im Rah­men von Zu­rech­nungs­erwägun­gen an die Stel­le ei­nes aus ma­te­ri­el­len Gründen rechts­wid­ri­gen Streiks ein Streik mit an­de­rem In­halt und auf an­de­rer Grund­la­ge ge­setzt. Ei­ne sol­che Fall­ge­stal­tung er­fasst der Ein­wand des rechtmäßigen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens re­gelmäßig nicht (vgl. [bei behörd­li­chem Han­deln und hy­po­the­ti­schem Ver­wal­tungs­akt] BGH 3. Fe­bru­ar 2000 - III ZR 296/98 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 143, 362).

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6. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ver­bie­tet sich die An­nah­me ih­rer Er­satz­pflicht für die durch den Streik ent­stan­de­nen Schäden bei der Kläge­rin zu 3. nicht aus kon­ven­ti­ons­recht­li­chen Gründen.

a) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts ist die Eu­ropäische Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EM­RK) bei der An­wen­dung und Aus­le­gung der Grund­rech­te und rechts­staat­li­chen Grundsätze des Grund­ge­set­zes als Aus­le­gungs­hil­fe her­an­zu­zie­hen (vgl. BVerfG 22. Ok­to­ber 2014 - 2 BvR 661/12 - Rn. 128, BVerfGE 137, 273). Auf der Ebe­ne des ein­fa­chen Rechts trifft die Fach­ge­rich­te die Ver­pflich­tung, die Gewähr­leis­tun­gen der EM­RK und ih­rer Zu­satz­pro­to­kol­le zu berück­sich­ti­gen und in den be­trof­fe­nen Teil­be­reich der na­tio­na­len Rechts­ord­nung mit­tels ei­ner kon­ven­ti­ons­freund­li­chen Aus­le­gung ein­zu­pas­sen (BVerfG 18. Au­gust 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 27). In die­sem Rah­men sind als Aus­le­gungs­hil­fe auch die Ent­schei­dun­gen des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs für Men­schen­rech­te (EGMR) zu berück­sich­ti­gen, und zwar auch dann, wenn sie nicht den­sel­ben Streit­ge­gen­stand be­tref­fen. Dies be­ruht auf der Ori­en­tie­rungs- und Leit­funk­ti­on, die der Recht­spre­chung des EGMR für die Aus­le­gung der EM­RK auch über den kon­kret ent­schie­de­nen Ein­zel­fall hin­aus zu­kommt (vgl. BVerfG 18. Au­gust 2013 - 2 BvR 1380/08 - Rn. 28; BAG
20. Ok­to­ber 2015 - 9 AZR 743/14 - Rn. 13; 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 611/11 - Rn. 69 mwN, BA­GE 144, 1).

b) Vor­lie­gend ist die durch Art. 11 EM­RK geschütz­te Ver­samm­lungs- und Ver­ei­ni­gungs­frei­heit und das da­mit ver­bun­de­ne Streik­recht (vgl. da­zu zB EGMR 21. April 2009 - 68959/01 - [En­er­ji Ya­pi-Yol Sen] NZA 2010, 1423) zu berück­sich­ti­gen. In­so­weit hat der EGMR mit sei­nen Ent­schei­dun­gen zu Art. 11 EM­RK ver­deut­licht, dass an die Recht­fer­ti­gung ei­ner Ein­schränkung der Ver­ei­ni­gungs­frei­heit und des da­mit ver­bun­de­nen Streik­rechts nicht un­er­heb­li­che An­for­de­run­gen zu stel­len sind (vgl. BAG 20. No­vem­ber 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 130, BA­GE 143, 354). Mit der An­nah­me der Scha­dens­er­satz­pflicht der Be­klag­ten, die mit dem von ihr ge­tra­ge­nen Streik ge­gen die Frie­dens­pflicht nach ei­nem von ihr ver­ein­bar­ten Ta­rif­ver­trag verstößt, wird aber de­ren Streik­recht nicht un­ver-

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hält­nismäßig be­schränkt. Ge­gen­tei­li­ges lässt sich auch der Ent­schei­dung des EGMR in der Sa­che „Hr­vat­ski Li­ječnički Sin­di­kat (HLS) / Kroa­ti­en“ (EGMR [I. Sek­ti­on] 27. No­vem­ber 2014 - 36701/09 - AuR 2015, 146) nicht ent­neh­men. Die­se Ent­schei­dung be­trifft ein Streik­ver­bot auf­grund ei­nes in­ner­staat­li­chen Ge-richts­ur­teils. Im Rah­men der Verhält­nismäßig­keitsprüfung hat der Ge­richts­hof fest­ge­stellt, dass das in­ner­staat­li­che Ge­richt die Zulässig­keit des Streiks nicht um­fas­send ge­prüft ha­be und auf ei­nen „drit­ten Streik­grund“ - den die Ge­werk­schaft hilfs­wei­se zur Or­ga­ni­sa­ti­on des Streiks an­ge­ge­ben hat­te - nicht ein­ge¬gan­gen sei (Rn. 58 iVm. Rn. 14). Er­geb­nis die­ses An­sat­zes sei ge­we­sen, dass die be­schwer­deführen­de Ge­werk­schaft trotz ei­nes ta­rif­lo­sen Zu­stan­des für die Dau­er von drei Jah­ren und acht Mo­na­ten nicht be­rech­tigt ge­we­sen sei, ei­nen Streik durch­zuführen, was nicht als verhält­nismäßig an­ge­se­hen wer­den könne (Rn. 59). Dies ist mit dem vor­lie­gen­den Streit­fall nicht ver­gleich­bar. Die Be­klag¬te hat mit dem von ihr geführ­ten Ar­beits­kampf ge­gen ei­ne von ihr selbst ver­ein¬bar­te Frie­dens­pflicht ver­s­toßen, in­dem sie ihr - ein­heit­lich zu be­wer­ten­des - Streik­ziel auf die Durch­set­zung be­reits ge­re­gel­ter Ge­genstände be­zog. Ab­ge¬se­hen da­von, dass es mit­hin nicht wie in der Sa­che „Hr­vat­ski Li­ječnički Sin­di­kat (HLS) / Kroa­ti­en“ um ei­nen ver­laut­bar­ten - von den kroa­ti­schen Ge­rich­ten aber nicht ge­prüften - „hilfs­wei­sen Streik­grund“ geht, ge­ben die vom EGMR in Be­zug auf Art. 11 EM­RK auf­ge­stell­ten Verhält­nismäßig­keits­erwägun­gen nicht vor, die Il­le­gi­ti­mität kampf­wei­se durch­zu­set­zen­der For­de­run­gen bei der Be­wer­tung der Rechtmäßig­keit ei­nes Ar­beits­kamp­fes zu igno­rie­ren (aA wohl Lörcher AuR 2015, 126, 129; vgl. auch Ja­cobs/Schmidt Eu­ZA 2016, 82, 94 f.).

II. Der Kläge­rin zu 3. steht da­ne­ben ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ge­gen die Be­klag­te nach § 280 Abs. 1, § 31 BGB zu. Die Be­klag­te hat - han­delnd durch ih­re Or­ga­ne - mit dem vom 16. bis 23. Fe­bru­ar 2012 und vom 26. bis 29. Fe­bru­ar 2012 geführ­ten Streik die nach § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol ver­ab­re­de­te Frie­dens­pflicht hin­sicht­lich der §§ 5 bis 8 TV Apron Con­trol schuld­haft ver­letzt. We­der nach § 254 BGB noch un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­nes rechtmä-

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ßigen Al­ter­na­tiv­ver­hal­tens noch nach kon­ven­ti­ons­recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten ist ei­ne Er­satz­pflicht der Be­klag­ten aus­ge­schlos­sen.

III. Die Sa­che ist nicht zur Ent­schei­dung reif und da­her zur wei­te­ren Sach­ver­halts­aufklärung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen.

1. Die Be­klag­te hat die von der Kläge­rin zu 3. gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­po­si­tio­nen be­strit­ten. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat hier­zu kei­ne Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen.

2. Da­bei gilt al­ler­dings für das von der Kläge­rin zu 3. (auch) her­an­ge­zo­ge­ne scha­dens­stif­ten­de Er­eig­nis der Ankündi­gung des Un­terstützungs­streiks ge­genüber der DFS mit Schrei­ben vom 28. Fe­bru­ar 2012, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt in­so­weit zu Recht da­von aus­ge­gan­gen ist, ein hier­auf be­zo­ge­ner Scha­dens­er­satz­an­spruch schei­de aus, weil nach de­ren Vor­trag nicht fest­ge­stellt wer­den könne, wel­che kon­kre­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen oder Schäden hier­auf zurück­zuführen sei­en. Aus­ge­hend vom Be­weis­maß des § 287 Abs. 1 ZPO ist die­se Würdi­gung re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Es kann da­her of­fen­blei­ben, ob die der DFS an­gekündig­te Ab­sicht der Be­klag­ten, ih­re Mit­glie­der im Geschäfts­be­reich Tower zu ei­nem be­fris­te­ten Streik zur Un­terstützung des Ar­beits­kamp­fes in der Vor­feld­kon­trol­le, Ver­kehrs­zen­tra­le und Vor­feld­auf­sicht auf­zu­ru­fen, ei­nen Ein­griff in den Ge­wer­be­be­trieb der Kläge­rin zu 3. iSv. § 823 Abs. 1 BGB oder ei­ne Pflicht­ver­let­zung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar­stellt.

a) § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Scha­dens, son­dern auch - so­weit es um die haf­tungs­ausfüllen­de Kau­sa­lität geht - für die Fra­ge, ob ein Scha­den über­haupt ent­stan­den ist (BGH 12. Ju­li 2016 - KZR 25/14 - Rn. 42 mwN). Im An­wen­dungs­be­reich der Vor­schrift ist der Tatrich­ter be­son­ders frei ge­stellt. Sei­ne Einschätzung ist mit der Re­vi­si­on nur dar­auf­hin über­prüfbar, ob er Rechts­grundsätze der Scha­dens­be­mes­sung ver­kannt, we­sent­li­che Be­mes-sungs­fak­to­ren außer Be­tracht ge­las­sen oder sei­ner Schätzung un­rich­ti­ge Maß-

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stäbe zu­grun­de ge­legt hat (vgl. BGH 5. März 2013 - VI ZR 245/11 - Rn. 14 mwN).

b) Der­ar­ti­ge Rechts­feh­ler wer­den von der Re­vi­si­on der Kläge­rin zu 3. nicht auf­ge­zeigt.

aa) Es ist nicht - an­ders als die Re­vi­si­on meint - da­von aus­zu­ge­hen, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be die de­liktsrecht­li­chen Grundsätze zur Haf­tung meh­re­rer Schädi­ger nach § 830 BGB ver­kannt, die „erst recht“ an­zu­wen­den sei­en, wenn nur ein Schädi­ger meh­re­re Scha­den­sur­sa­chen ver­ant­wor­te. Die Haf­tungs­ver­bands­re­gel des § 830 BGB durch­bricht das dem BGB in­ne­woh­nen­de Prin­zip, wo­nach Scha­dens­er­satz nur von dem­je­ni­gen ver­langt wer­den kann, der den Scha­den ver­ur­sacht hat. Die Fall­grup­pen der Vor­schrift sind da­durch ge­kenn­zeich­net, dass nicht nur ei­ne ein­zi­ge Per­son als Schädi­ger in Be­tracht kommt, son­dern an der Ent­ste­hung des Scha­dens meh­re­re Per­so­nen mit­ge­wirkt ha­ben (vgl. Stau­din­ger/Eberl-Bor­ges (2012) § 830 Rn. 2). So ist et­wa bei § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Vor­aus­set­zung, dass bei je­dem Be­tei­lig­ten - vom Nach­weis der Ursächlich­keit ab­ge­se­hen - ein den kläge­ri­schen An­spruch be­gründen­des Ver­hal­ten ge­ge­ben war, ei­ne der un­ter dem Be­griff „Be­tei­li­gung“ zu­sam­men­ge­fass­ten Per­so­nen den Scha­den ver­ur­sacht ha­ben muss und nicht fest­stell­bar ist, wel­cher von ih­nen den Scha­den - ganz (Ur­he­ber­zwei­fel) oder teil­wei­se (An­teils­zwei­fel) - ver­ur­sacht hat (BGH 23. Mai 2006 - VI ZR 259/04 - Rn. 9). Nur we­gen der Mehr­heit der Schädi­ger dürfen sich die Kau­sa­litäts­pro­ble­me stel­len. Das ist vor­lie­gend nicht der Fall.

bb) Auch die von der Re­vi­si­on her­an­ge­zo­ge­nen Grundsätze der ku­mu­la­ti­ven Ge­samt­kau­sa­lität und der Dop­pel­k­au­sa­lität sind nicht ein­schlägig.

(1) Die ku­mu­la­ti­ve Ge­samt­kau­sa­lität be­trifft die Fra­ge des Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hangs zwi­schen Pflicht­ver­let­zung und Scha­den, wenn ein Scha­den haf­tungs­recht­lich auf meh­re­ren Ur­sa­chen be­ruht, die von ver­schie­de­nen Per¬so­nen ge­setzt wor­den sind (vgl. et­wa BGH 18. De­zem­ber 2008 - IX ZR 179/07 - Rn. 19 f.). Um ei­ne sol­che Kon­stel­la­ti­on han­delt es sich vor­lie­gend nicht.

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(2) Ei­ne Dop­pel­k­au­sa­lität wird an­ge­nom­men, wenn zwei Umstände ei­nen Scha­den ver­ur­sa­chen und je­der für sich al­lein aus­ge­reicht hätte, den gan­zen Scha­den zu ver­ur­sa­chen. Dann sind bei­de Umstände als ursächlich zu be­han­deln. Dafür ist nicht er­for­der­lich, dass die Schädi­gung durch zwei ver­schie­de­ne Per­so­nen er­folgt. Es genügt, wenn ei­ne Per­son zwei Ur­sa­chen setzt, wel­che je­de für sich den vol­len Scha­den her­bei­geführt hätte (BGH 4. April 2014 - V ZR 275/12 - Rn. 16, BGHZ 200, 350). Da­von, dass der Haupt- und der Un­terstützungs­streik je­weils für sich ge­se­hen den gel­tend ge­mach­ten Um­fang der Er­satz­pflicht auslösten, ist aber schon nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen der Kläge­rin zu 3. nicht aus­zu­ge­hen.

B. Die zulässi­gen Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. sind un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fun­gen ge­gen die ih­re Zah­lungs­anträge ab­wei­sen­de Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts zu Recht zurück­ge­wie­sen. Der je­weils gel­tend ge­mach­te Zah­lungs­an­spruch ist aus de­liktsrecht­li­chen Gründen un­be­gründet. Auch ein auf § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grundsätzen des Ver­trags mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter gestütz­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch be­steht nicht.

I. Die von den Kläge­rin­nen zu 1. und 2. gel­tend ge­mach­ten Ansprüche las­sen sich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB her­lei­ten. Es fehlt be­reits an ei­nem haf­tungs­re­le­van­ten Ein­griff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütz­tes Rechts­gut der bei­den Kläge­rin­nen.

1. Ei­ne zur Zah­lung von Scha­dens­er­satz ver­pflich­ten­de Ver­let­zung des Ei­gen­tums iSd. § 823 Abs. 1 BGB an ih­ren Flug­zeu­gen - und bei der Kläge­rin zu 2. im Hin­blick auf die ab­ge­tre­te­nen For­de­run­gen an de­nen der N GmbH - durch die durch­geführ­ten Streik­maßnah­men und den an­gekündig­ten Un­terstützungs­streik ma­chen die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. nicht gel­tend.

2. Ein An­spruch der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. - bei letz­te­rer zT aus ab­ge­tre­te­nem Recht - folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt

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ei­nes rechts­wid­ri­gen Ein­griffs in den ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb. Es fehlt an ei­nem un­mit­tel­ba­ren, be­triebs­be­zo­ge­nen Ein­griff.

a) Streik­maßnah­men sind mit der nach § 823 Abs. 1 BGB er­for­der­li­chen spe­zi­fi­schen Be­triebs­be­zo­gen­heit ei­nes Ein­griffs in den Ge­wer­be­be­trieb des Kampf­geg­ners ver­bun­den. Des­sen un­mit­tel­ba­re Kampf­be­trof­fen­heit folgt aus dem ge­werk­schaft­li­chen Streik­auf­ruf. In die­sem drückt sich die ob­jek­ti­ve Stoßrich­tung der Kampf­maßnah­me aus. Dem­ge­genüber stellt der Streik oder der Auf­ruf hier­zu re­gelmäßig kei­nen un­mit­tel­ba­ren, be­triebs­be­zo­ge­nen Ein­griff in das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb ei­nes dritt­be­trof­fe­nen, kampfun­be­tei­lig­ten Un­ter­neh­mens dar (vgl. BAG 25. Au­gust 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 38, BA­GE 152, 240 und - 1 AZR 875/13 - Rn. 26, BA­GE 152, 260). Be­acht­lich ist al­lein der Streik­be­schluss der kampfführen­den Ge­werk­schaft. Auf des­sen Be­wer­tung durch Ex­ter­ne oder Dritt­be­trof­fe­ne kommt es da­bei nicht an. An­de­res kann al­len­falls gel­ten, wenn das dem Kampf­geg­ner über­mit­tel­te Kampf­ziel nur in dem Sinn vor­ge­scho­ben ist, dass tatsächlich ein mit die­sem ver­bun­de­ner Drit­ter in An­spruch ge­nom­men wer­den soll. Zu ei­ner sol­chen An­nah­me ge­reicht nicht die Be­trof­fen­heit des Drit­ten vom Streik (Bay­reu­ther RdA 2016, 181, 182).

b) Da­nach ha­ben die Vor­in­stan­zen zu Recht er­kannt, dass von ei­nem un­mit­tel­ba­ren Ein­griff in das Recht der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. - oder das der N GmbH - am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb nicht aus­ge­gan­gen wer­den kann.

aa) Dies gilt zunächst für den durch­geführ­ten (Haupt-)Streik.

(1) Nach den der Kläge­rin zu 3. mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 15. Fe­bru­ar 2012 und vom 25. Fe­bru­ar 2012 mit­ge­teil­ten Ankündi­gun­gen der Streik­maßnah­men be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass der Auf­ruf der Be­klag­ten hier­zu ei­nen an­de­ren Kampf­geg­ner als die Kläge­rin zu 3. an­be­lang­te. Die Ar­beits­nie­der­le­gun­gen be­tra­fen de­ren un­ter­neh­me­ri­schen Be­rei­che der Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le am Flug­ha­fen Frank­furt

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am Main. Die ob­jek­ti­ve Stoßrich­tung der Streik­ak­tio­nen ziel­te auf ei­ne Be­ein­träch­ti­gung des Ge­wer­be­be­triebs der Kläge­rin zu 3.

(2) Ei­ne ge­gen die Ge­wer­be­be­trie­be der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. so­wie der N GmbH ge­rich­te­te Ziel­rich­tung drückt sich nicht in der Äußerung des Vor­stands der Be­klag­ten Ta­rif/Recht in dem an­geführ­ten In­ter­view aus. Die Wer¬tung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, hier­in lie­ge nicht mehr als ei­ne Be­schrei­bung der Streik­fol­gen für (dritt-)be­trof­fe­ne Flug­ge­sell­schaf­ten, ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. Der da­ge­gen an­ge­brach­te Re­vi­si­ons­an­griff der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. setzt in­so­weit nur de­ren Verständ­nis des Erklärungs­werts der Aus­sa­ge an die Stel­le des­je­ni­gen des Be­ru­fungs­ge­richts. Un­ge­ach­tet des­sen müss­te - folg­te man der Ar­gu­men­ta­ti­on der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. - der Streik­auf­ruf, der sich un­miss­verständ­lich al­lein auf den Ge­wer­be­be­trieb der Kläge­rin zu 3. be­zog, als vor­ge­scho­ben zu be­wer­ten sein (da­zu Bay­reu­ther RdA 2016, 181, 182). Hierfür fehlt es an jeg­li­chen An­halts­punk­ten, zu­mal ei­ne nachträglich - und sei es von ei­nem Vor­stands­mit­glied der streikführen­den Ge­werk­schaft - ab­ge­ge­be­ne Erklärung die in dem Streik­auf­ruf ver­laut­bar­te ob­jek­ti­ve Ziel­rich­tung des Streiks grundsätz­lich nicht zu re­la­ti­vie­ren ver­mag.

(3) Die Stoßrich­tung des Streiks muss auch nicht des­halb als ge­gen die ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trie­be der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. so­wie der N GmbH ge­rich­tet be­wer­tet wer­den, weil de­ren un­ter­neh­me­ri­sche Tätig­keit zwin­gend von der In­an­spruch­nah­me der durch die Kläge­rin zu 3. er­brach­ten Diens­te der Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le abhängt. Die­se Leis­tun­gen - im We­sent­li­chen als Teil des Flug­ver­kehrs­kon­troll­diens­tes - gehören zu den flug­si­che­rungs­be­trieb­li­chen Diens­ten für den Flug­be­trieb auf Flugplätzen. De­ren „Aus­fall“ be­dingt kraft luft­ver­kehrs­recht­li­cher Vor­ga­ben Störun­gen bei der Durchführung von Flügen. Die­se funk­tio­na­le Ver­flech­tung mo­di­fi­ziert aber nicht den de­liktsrecht­li­chen Grund­satz, wo­nach kein Er­satz für mit­tel­ba­re Vermögensschäden ge­schul­det wird, die Drit­te bei Ver­let­zung ih­rer Rechtsgüter durch ei­ne Re­flex­wir­kung er­lei­den. Aus der Un­aus­weich­lich­keit von Be­ein­träch­ti­gun­gen der Ge­wer­be­be­trie­be der kla­gen­den Luft-

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fahrt­un­ter­neh­men bei streik­be­ding­ten Störun­gen oder Be­ein­träch­ti­gun­gen der Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le an ei­nem von ih­nen ge­nutz­ten Flug­ha­fen folgt nicht - ge­wis­ser­maßen zwangsläufig - ei­ne ge­gen die­se Un­ter­neh­men ge­rich­te­te Ziel­rich­tung des Streiks.

bb) Auch im Hin­blick auf die Ankündi­gung der Be­klag­ten ge­genüber der DFS, ih­re Mit­glie­der am Tower Frank­furt am Main am 29. Fe­bru­ar 2012 zu ei­nem be­fris­te­ten Streik zur Un­terstützung des Haupt­streiks auf­zu­ru­fen, fehlt es an ei­nem un­mit­tel­ba­ren Ein­griff in das Recht der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. so­wie der N GmbH am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob ein sol­cher schon des­halb aus­schei­det, weil sich die Ankündi­gung al­lein an die DFS rich­te­te. Selbst wenn man zu­guns­ten der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. die Ver­let­zungs­hand­lung in dem öffent­li­chen Be­kannt­wer­den der an die DFS ge­rich­te­ten Ankündi­gung sähe, ließe sich hier­aus nicht oh­ne wei­te­res auf ei­ne di­rekt ge­gen de­ren Ge­wer­be­be­trie­be so­wie den der N GmbH zie­len­de Maßnah­me schließen. Zwar ver­wei­sen die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. zu­tref­fend dar­auf, dass nach der Ankündi­gung der Be­klag­ten - an­ders als in dem vom Se­nat am 25. Au­gust 2015 ent­schie­de­nen Rechts­streit (- 1 AZR 875/13 - BA­GE 152, 260) zu ei­nem Ta­rif­kon­flikt zwi­schen der DFS und der Be­klag­ten mit Ar­beits­kampfan­dro­hun­gen im Au­gust 2011 - nicht al­le ta­rif­lich beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter der DFS zum (Un­terstützungs-)Streik auf­ge­ru­fen wer­den soll­ten, son­dern (al­lein) die Ge­werk­schafts­mit­glie­der am Tower Frank­furt am Main. Da­mit ziel­te die be­ab­sich­tig­te Maßnah­me dar­auf, nicht den ge­sam­ten Be­trieb der DFS zu be­ein­träch­ti­gen, son­dern den ei­ner ih­rer Flug­si­che­rungs­diens­te er­brin­gen­den Ein­rich­tung. Aus dem Um­stand ei­ner (be­ab­sich­tig­ten) Störung der Flug­si­che­rungs­diens­te lässt sich aber nicht „per se“ ein un­mit­tel­ba¬rer Ein­griff in die Ge­wer­be­be­trie­be der von der Er­brin­gung die­ser Leis­tung abhängi­gen Flug­ge­sell­schaf­ten her­lei­ten (ausf. BAG 25. Au­gust 2015 - 1 AZR 754/13 - Rn. 41 bis 45, BA­GE 152, 240). Auch im vor­lie­gen­den Fall kann nichts an­de­res fest­ge­stellt wer­den, als dass mit­tels der be­ab­sich­tig­ten Ar­beits­nie­der­le­gung der im Tower täti­gen Mit­ar­bei­ter (Flug­lot­sen) auf die DFS ein­ge­wirkt

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wer­den soll­te, um den Druck auf die Kläge­rin zu 3. zu verstärken und den ge¬gen de­ren Un­ter­neh­men geführ­ten Haupt­ar­beits­kampf zu be­ein­flus­sen. In­wie¬weit sich ei­ne ob­jek­tiv ge­gen die Ge­wer­be­be­trie­be der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. (bzw. der N GmbH) ge­rich­te­te Stoßrich­tung aus der be­reits be­han­del­ten Äußerung des Vor­stands Ta­rif/Recht im In­ter­view mit „Spie­gel-On­line“ er­ge­ben soll, er­sch­ließt sich mit Blick auf die an­gekündig­te (Un­terstützungs-)Streik­maßnah­me be­reits des­halb nicht, weil die Aus­sa­ge nach der nicht an­ge­grif­fe­nen und da­mit bin­den­den (§ 559 Abs. 2 ZPO) Fest­stel­lung des Lan­des­ar­beits¬ge­richts „während der Durchführung“ des Haupt­streiks ge­macht wor­den ist und es in­so­weit von vorn­her­ein an ei­nem zeit­li­chen, auf die Un­terstützungs­kampf­maßnah­me be­zo­ge­nen Kon­text fehlt.

cc) So­weit die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. in Aus­ein­an­der­set¬zung mit der Ent­schei­dung des er­ken­nen­den Se­nats vom 25. Au­gust 2015 (- 1 AZR 754/13 - Rn. 46 bis 51, BA­GE 152, 240) mei­nen, ein Ein­griff in das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb iSv. § 823 Abs. 1 BGB könne we­gen der Ent­schei­dung des Drit­ten Se­nats des Bun­des­ge­richts¬hofs vom 16. Ju­ni 1977 zu der streikähn­li­chen Ak­ti­on von Flug­lei­tern im Jah­re 1973 (- III ZR 179/75 - BGHZ 69, 128; vgl. in der Fol­ge auch BGH 31. Ja­nu­ar 1978 - VI ZR 32/77 - BGHZ 70, 277; 22. März 1979 - III ZR 24/78 -; 28. Fe­bru­ar 1980 - III ZR 131/77 - BGHZ 76, 387) nicht ab­ge­lehnt wer­den, trifft die­se Be¬wer­tung nicht zu. Die ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Ausführun­gen des Bun­des­ge­richts¬hofs zu ei­ner kol­lek­ti­ven Amts­pflicht­ver­let­zung sind auf ge­werk­schaft­lich ge­tra¬ge­ne Streiks von vorn­her­ein nicht über­trag­bar.

dd) Sch­ließlich verfängt die un­ter Ver­weis auf frühe­re Se­nats­ent­schei­dun­gen (BAG 21. Ju­ni 1988 - 1 AZR 653/86 - BA­GE 59, 48; 8. No­vem­ber 1988 - 1 AZR 417/86 - BA­GE 60, 101) ver­tief­te Ar­gu­men­ta­ti­on der Re­vi­si­onskläge­rin­nen zu 1. und 2. nicht, die durch­geführ­ten und die an­gekündig­te Streik­ak­tio­nen stell­ten ei­ne Be­triebs­blo­cka­de dar und sei­en des­halb als un­mit­tel­ba­rer Ein­griff in das Recht am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb der be­trof­fe­nen Flug­ge­sell­schaf­ten zu wer­ten. Un­ge­ach­tet des­sen, dass die durch­geführ­ten

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- und schon gar nicht die be­ab­sich­tig­te - Kampf­maßnah­men kei­ne über die (be­ab­sich­tig­te) kol­lek­ti­ve Ar­beits­nie­der­le­gung hin­aus­ge­hen­de und ei­ne Be­triebs-lo­cka­de ty­pi­scher­wei­se cha­rak­te­ri­sie­ren­de äußer­li­che phy­si­sche Ab­sper­rung ei­nes Be­triebs be­tra­fen, wa­ren sie nicht auf die Ver­hin­de­rung ei­nes von meh­re¬ren Un­ter­neh­men ar­beits­tei­lig ver­fass­ten Pro­dukts ge­rich­tet. Die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. so­wie die Kläge­rin zu 3. und die DFS er­brin­gen kein „Pro­dukt“ der Pas­sa­gier­beförde­rung auf dem Luft­weg in be­wusst be­triebs­ge­mein­samar­beits­tei­lig ver­fass­ter Wei­se, auf de­ren Ver­hin­de­rung die Ak­tio­nen der Be­klag¬ten ziel­ten. Die in den zi­tier­ten Ent­schei­dun­gen zur Wer­tung her­an­ge­zo­ge­ne „ar­beits­tei­li­ge Pro­duk­ter­brin­gung“ liegt auch nicht - wie die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. of­fen­sicht­lich mei­nen - in je­der „Pro­duk­ter­brin­gung in Abhängig­keit von der Leis­tung an­de­rer“. Aus den (Mit­tei­lun­gen zu) Strei­kankündi­gun­gen der Be¬klag­ten folgt nur ei­ne ob­jek­tiv­plan­vol­le Ver­hin­de­rung der al­lein von der Kläge­rin zu 3. er­brach­ten Dienst­leis­tung „Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs¬zen­tra­le“ und der al­lein von der DFS zu er­brin­gen­den Flug­si­che­rungs­dienst­leis­tung. Die hier­durch be­ding­ten Be­triebs­ab­laufstörun­gen bei den kla­gen­den Flug­ge­sell­schaf­ten wa­ren schlich­te Fol­ge des (ab­seh­ba­ren) Leis­tungs­aus­falls.

II. Et­wai­ge Ansprüche der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. aus § 826 BGB sind nicht Ge­gen­stand der Re­vi­si­ons­ver­fah­ren. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Zah­lungs­anträge der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. auch in­so­weit als nicht be­gründet an­ge­se­hen. Da­ge­gen wen­den sich die Re­vi­sio­nen nicht.

III. Die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. ha­ben kei­nen (ab­ge­tre­te­nen) ver­trag­li­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch nach den Grundsätzen des Ver­trags mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter aus dem zwi­schen der Be­klag­ten und ua. der Kläge­rin
zu 3. ge­schlos­se­nen TV Apron Con­trol. Sie wie auch die N GmbH sind nicht in den Schutz­be­reich die­ses Ta­rif­werks ein­be­zo­gen.

1. Auch an ei­nem Ver­trag nicht un­mit­tel­bar be­tei­lig­te Per­so­nen können grundsätz­lich in des­sen Schutz­be­reich mit­ein­be­zo­gen wer­den. Ein sol­cher Ver­trag mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter ist da­durch ge­kenn­zeich­net, dass der

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An­spruch auf die ge­schul­de­te Haupt­leis­tung al­lein dem Ver­trags­part­ner zu­steht, der Drit­te je­doch in der Wei­se in die ver­trag­li­chen Sorg­falts- und Ob­huts­pflich­ten ein­be­zo­gen ist, dass er bei de­ren Ver­let­zung ver­trag­li­che Scha­dens­er­satz­ansprüche gel­tend ma­chen kann. Die Ein­be­zie­hung ei­nes Drit­ten in die Schutz­wir­kun­gen ei­nes Ver­trags setzt vor­aus, dass Sinn und Zweck des Ver­trags und die er­kenn­ba­ren Aus­wir­kun­gen der ver­trags­gemäßen Leis­tung auf den Drit­ten sei­ne Ein­be­zie­hung un­ter Berück­sich­ti­gung von Treu und Glau­ben er­for­dern und ei­ne Ver­trags­par­tei, für den Ver­trags­geg­ner er­kenn­bar, red­li­cher­wei­se da­mit rech­nen kann, dass die ihr ge­schul­de­te Ob­hut und Fürsor­ge in glei­chem Maß auch dem Drit­ten ent­ge­gen­ge­bracht wird. Das In­sti­tut des Ver­trags mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter be­ruht auf ei­ner maßgeb­lich durch das Prin­zip von Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ge­prägten ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung (§ 157 BGB; BGH 9. April 2015 - VII ZR 36/14 - Rn. 25 mwN). Da­nach wird ein Drit­ter nur dann in die aus ei­nem Ver­trag fol­gen­den Sorg­falts-und Schutz­pflich­ten ein­be­zo­gen, wenn er mit der Haupt­leis­tung nach dem In­halt des Ver­trags be­stim­mungs­gemäß in Berührung kom­men soll, ein be­son­de­res In­ter­es­se des Gläubi­gers an der Ein­be­zie­hung des Drit­ten be­steht, den In­ter­es­sen des Schuld­ners durch Er­kenn­bar­keit und Zu­mut­bar­keit der Haf­tungs­er­wei­te­rung Rech­nung ge­tra­gen wird und der Drit­te schutz­bedürf­tig ist (BAG 25. Au­gust 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 42 mwN, BA­GE 152, 260).

2. In schuld­recht­li­che Ver­pflich­tun­gen von Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sind an­de­re Drit­te re­gelmäßig nicht ein­be­zo­gen. Dies gilt nicht nur für die ei­nem Ta­rif­ver­trag oh­ne be­son­de­re Ver­ein­ba­rung re­gelmäßig im­ma­nen­te re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht (vgl. hier­zu BAG 25. Au­gust 2015 - 1 AZR 875/13 - Rn. 43, BA­GE 152, 260), son­dern auch für ei­ne aus­drück­lich ver­ein­bar­te - hier nach dem TV Apron Con­trol er­wei­ter­te re­la­ti­ve - Frie­dens­pflicht. Ei­ne sol­che Er­wei­te­rung der Haf­tung für die je­wei­li­ge Ta­rif­ver­trags­par­tei ist für die­se we­gen der feh­len­den Er­kenn­bar­keit und Vor­her­seh­bar­keit der wirt­schaft­li­chen Fol­gen re­gelmäßig nicht zu­mut­bar. Für ei­ne ge­gen­tei­li­ge Aus­le­gung der schuld­recht­li­chen Ver­ein­ba­run­gen müssen be­son­de­re An­halts­punk­te be­ste­hen.

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3. Ge­mes­sen hier­an schei­det ei­ne ver­trag­li­che Ein­stands­pflicht der Be­klag­ten ge­genüber den Kläge­rin­nen zu 1. und 2. und der N GmbH aus.

a) Es sind kei­ne An­halts­punk­te dafür er­sicht­lich, dass Luft­fahrt­un­ter­neh­men in die Frie­dens­pflicht nach § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol ein­be­zo­gen sind. Auf ei­ne sol­che Ein­be­zie­hung Drit­ter kann ins­be­son­de­re nicht, an­ders als die Kläge­rin­nen zu 1. und 2. mei­nen, aus den wirt­schaft­li­chen Ver­flech­tun­gen ih­rer Leis­tun­gen mit de­nen der Kläge­rin zu 3. so­wie der funk­tio­na­len Abhängig­keit der Flug­ge­sell­schaf­ten vom Flug­ha­fen­be­trei­ber ge­schlos­sen wer­den. Be­reits we­gen der er­for­der­li­chen Ab­gren­zung zum de­lik­ti­schen Haf­tungs­be­reich darf die für die An­nah­me ei­nes Ver­trags mit Schutz­wir­kung zu­guns­ten Drit­ter er­for­der­li­che Leis­tungsnähe nicht nur fak­tisch ge­ge­ben sein (ausf. Stau­din­ger/ Klumpp (2015) § 328 Rn. 112 mwN aus der Rspr.). Ent­spre­chend lehnt auch der Bun­des­ge­richts­hof selbst Hin­wei­se auf kon­zernmäßige en­ge Ver­flech­tun­gen zur Be­gründung der Leis­tungsnähe als „von vorn­her­ein nicht ge­eig­net“ ab (zu ei­nem Dar­le­hens­ver­trag BGH 24. Ja­nu­ar 2006 - XI ZR 384/03 - Rn. 56, BGHZ 166, 84; vgl. auch Kort NJW 2006, 1098 f.).

b) Ein Dritt­schutz ist in der Frie­dens­pflicht nach dem TV Apron Con­trol wei­ter­hin nicht des­halb an­ge­legt, weil sie ob­jek­tiv auch den In­ter­es­sen der Nu¬er des von der Kläge­rin zu 3. be­trie­be­nen Flug­ha­fens, dar­un­ter je­nen der Flug­ge­sell­schaf­ten, dient. Es kommt viel­mehr dar­auf an, ob es - hier nicht er­sicht­li­che - kon­kre­te An­halts­punk­te für ei­nen sub­jek­ti­ven Wil­len dafür gibt, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die schuld­recht­li­che Ver­pflich­tung nach § 12 Abs. 2 TV Apron Con­trol (auch) mit Blick auf Drit­te ver­ein­bart ha­ben. In­so­fern über­zeugt das Ar­gu­ment der Re­vi­si­onsführer nicht, die Frie­dens­pflicht aus Ta­rif­verträgen für Mit­ar­bei­ter der Be­rei­che Vor­feld­kon­trol­le, Vor­feld­auf­sicht und Ver­kehrs­zen­tra­le ei­nes Flug­ha­fens wäre oh­ne Ein­be­zie­hung der Flug­ge­sell­schaf­ten „weit­ge­hend be­deu­tungs­los, da dem Flug­ha­fen­be­trei­ber in­fol­ge ei­nes Streiks die­ser Mit­ar­bei­ter erst dann ein Scha­den ent­steht, wenn die Flug­ge­sell­schaf­ten ih­re Leis­tun­gen nicht er­brin­gen können“. Dies ist letzt­lich im­mer der

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Fall, wenn es um Ta­rif­verträge in ei­nem Be­reich geht, in dem der Ge­gen­stand un­ter­neh­me­ri­scher Betäti­gung „ab­neh­mer­be­zo­gen“ ist.

C. Über die Kos­ten des Rechts­streits kann der Se­nat nach dem Grund­satz der Ein­heit­lich­keit der Kos­ten­ent­schei­dung nicht ab­sch­ließend be­fin­den. Die Ent­schei­dung hängt da­von ab, ob und ggf. in wel­chem Um­fang die Kläge­rin zu 3. nach der Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt in der Sa­che ob­sie­gen wird. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird da­her über die Kos­ten des Rechts­streits - auch im Hin­blick auf die zurück­ge­wie­se­nen Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen zu 1. und 2. - zu ent­schei­den ha­ben. Es kann als Rechts­mit­tel­ge­richt un­ter Gewährung recht­li­chen Gehörs ei­ne die im Rechts­mit­tel­ver­fah­ren dann nicht mehr be­tei­lig­ten Kläge­rin­nen zu 1. und 2. be­tref­fen­de Kos­ten­ent­schei­dung tref­fen (vgl. BGH 14. Ju­li 1981 - VI ZR 35/79 - zu III der Gründe).

 

Schmidt

Tre­ber K.

Schmidt

Kle­be

Ben­rath

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