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LAG Rhein­land-Pfalz, Ur­teil vom 24.01.2014, 1 Sa 451/13

   
Schlagworte: Kündigung: Fristlos, Kündigung: Verhaltensbedingt, Aufhebungsvertrag: Anfechtung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen: 1 Sa 451/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.01.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 28.08.2013, 4 Ca 4391/12
   

Ent­schei­dung vom 24.01.2014

Te­nor:
Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ko­blenz vom 28.8.2013, Az. 4 Ca 4391/12, wird zurück­ge­wie­sen.
Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das ge­nann­te Ur­teil teil­wei­se ab­geändert und die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen.
Die Kos­ten des Rechts­streits trägt der Kläger.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand
Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Kündi­gung und ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges.

Der 1973 ge­bo­re­ne und zwei min­derjähri­gen Kin­dern zum Un­ter­halt ver­pflich­te­te Kläger war bei der Be­klag­ten seit dem 23. Au­gust 2010, zu­letzt im Be­reich Ein­kauf, beschäftigt. Zur Durchführung der Ar­bei­ten wird ein EDV-Pro­gramm ge­nutzt. Der Ar­beits­platz des Klägers ist da­her mit ei­nem PC aus­ge­stat­tet, über wel­chen auch ein In­ter­net-Zu­gang möglich ist. Der Kläger verfügt fer­ner über ei­ne dienst­li­che E-Mail-Adres­se. Die pri­va­te Nut­zung des In­ter­nets während der Ar­beits­zeit ist nicht ge­stat­tet. Strei­tig ist zwi­schen den Par­tei­en in­so­weit al­ler­dings, ob ein Hin­weis hier­auf über meh­re­re Wo­chen hin­weg im Jahr 2011 auch der­ge­stalt er­folg­te, dass beim Star­ten des Rech­ners ei­ne ent­spre­chen­de Mel­dung an­ge­zeigt wur­de.

Mit Schrei­ben vom 10. Fe­bru­ar 2012 (Bl. 36 d. A.) er­hielt der Kläger ei­ne Ab­mah­nung fol­gen­den Wort­lauts:

"…
Am 31.01.2012 muss­ten wir fest­stel­len, dass Sie während der Ar­beits­zeit an ih­rem PC Ar­beits­platz re­gelmäßig pri­va­te E-Mail Schrei­ben auf­setz­ten und ver­sen­den.

Sie ha­ben da­durch Ih­re Pflicht, während Ih­rer Ar­beits­zeit Ih­re Ar­beits­kraft zur Verfügung zu stel­len, ver­letzt. Wir for­dern Sie auf, in Zu­kunft Ih­re ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ord­nungs­gemäß zu erfüllen.

So­fern Sie noch ein­mal pri­va­te Ar­bei­ten an Ih­rem Ar­beits­platz vor­neh­men, wer­den wir Ihr Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich, ge­ge­be­nen­falls außer­or­dent­lich kündi­gen."

Am 19. No­vem­ber 2012 wur­de der Geschäftsführer der Be­klag­ten darüber un­ter­rich­tet, dass der Kläger während der Ar­beits­zeit im Zeit­raum Ok­to­ber bis No­vem­ber 2012 das In­ter­net und auch sein Mo­bil­te­le­fon pri­vat ge­nutzt ha­be.

Mit Schrei­ben vom 21. No­vem­ber 2012, dem Kläger persönlich am Fol­ge­tag über­ge­ben, kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich zum 31. De­zem­ber 2012. So­dann wur­de dem Kläger eben­falls am 22. No­vem­ber 2012 ein "Ab­wick­lungs­ver­trag" vor­ge­legt, in des­sen § 1 Fol­gen­des ver­ein­bart wur­de:

"Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses

Der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vom 23.08.2010, wird un­ter Ein­hal­tung der ver­trag­li­chen Frist zum 31.12.2012, vor­sorg­lich zum zulässi­gen Ter­min aus be­triebs­be­ding­ten Gründen be­en­det."

Hin­sicht­lich des wei­te­ren In­halts des ge­nann­ten Ver­tra­ges wird auf Bl. 37 ff. d. A. Be­zug ge­nom­men.

Der Kläger woll­te im Gespräch mit dem Geschäftsführer er­rei­chen, dass der ge­nann­te Ver­trag noch ei­ne Ände­rung erfährt, wo­zu der Geschäftsführer der Be­klag­ten nicht be­reit war. Der Geschäftsführer der Be­klag­ten äußer­te so­dann sinn­gemäß, wenn es nicht zur Un­ter­zeich­nung des Ver­tra­ges käme, müsse das Ar­beits­verhält­nis frist­los gekündigt wer­den.

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, so­wohl die or­dent­li­che Kündi­gung, als auch der ge­nann­te Ver­trag sei­en rechts­un­wirk­sam. Er hat erst­in­stanz­lich gel­tend ge­macht, Kündi­gungs­gründe lägen nicht vor. Die sei­ner­zei­ti­ge Ab­mah­nung sei un­be­rech­tigt, da er in den E-Mails von Ja­nu­ar 2012 während ei­ner lau­fen­den Fort­bil­dungs­maßnah­me, an wel­cher auch sei­ne heu­ti­ge Freun­din teil­ge­nom­men ha­be, mit die­ser The­men der Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tung dis­ku­tiert ha­be. On­line-Aus­ga­ben von Zei­tun­gen ha­be er nur ge­le­gent­lich und nur während der Mit­tags­pau­se ge­le­sen. Den Ab­wick­lungs­ver­trag ha­be er nur des­halb un­ter­zeich­net, weil der Geschäftsführer an­sons­ten den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung an­ge­droht ha­be.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des un­strei­ti­gen Sach­ver­halts so­wie des wech­sel­sei­ti­gen erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Par­tei­en wird Be­zug ge­nom­men auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Ko­blenz vom 28. Au­gust 2013 (Bl. 104 ff. d. A.).

Nach Ver­neh­mung des Zeu­gen S. (vgl. Bl. 98 ff. d. A.) hat das Ar­beits­ge­richt durch das ge­nann­te Ur­teil fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die or­dent­li­che schrift­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 21. No­vem­ber 2012 nicht zum 31. De­zem­ber 2012 auf­gelöst wur­de und im Übri­gen die Kla­ge mit dem An­trag fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch nicht durch an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände auf­gelöst wur­de, ab­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt - zu­sam­men­ge­fasst - aus­geführt:

Die or­dent­li­che Kündi­gung sei man­gels so­zia­ler Recht­fer­ti­gung rechts­un­wirk­sam. Die Be­weis­auf­nah­me ha­be nicht die Be­haup­tung bestätigt, der Kläger ha­be in den von der Be­klag­ten ge­nann­ten Zeiträum­en durchgängig pri­va­te Din­ge er­le­digt. Es sei of­fen ge­blie­ben, ob es sich letzt­lich nur um we­ni­ge Mi­nu­ten pro Tag oder um stun­den­lan­ge Vorfälle ge­han­delt ha­be. Da­mit hätten sich zu­gleich auch die ein­zi­gen ob­jek­ti­ven An­halts­punk­te für den Aus­spruch ei­ner Ver­dachtskündi­gung zer­schla­gen.

Das Ar­beits­verhält­nis ha­be je­doch in­fol­ge des Ver­tra­ges vom 22. No­vem­ber 2012 sei­ne Be­en­di­gung ge­fun­den. Die­se Ver­ein­ba­rung sei nicht wirk­sam an­ge­foch­ten wor­den, da es an ei­ner wi­der­recht­li­chen Dro­hung im Sin­ne des § 123 Abs. 1 BGB feh­le. Ein verständi­ger und be­son­nen han­deln­der Ar­beit­ge­ber ha­be zum da­ma­li­gen Zeit­punkt un­ter Berück­sich­ti­gung der ob­jek­tiv vor­lie­gen­den An­halts­punk­te den Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Ver­dachtskündi­gung in Be­tracht zie­hen können.

Das ge­nann­te Ur­teil ist dem Kläger am 08. Ok­to­ber 2013 und der Be­klag­ten am 14. Ok­to­ber 2013 zu­ge­stellt wor­den. Der Kläger hat ge­gen das Ur­teil mit Schrift­satz vom 22. Ok­to­ber 2013, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 23. Ok­to­ber 2013 ein­ge­gan­gen, Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se zu­gleich be­gründet. Die Be­klag­te hat ih­rer­seits Be­ru­fung ein­ge­legt mit Schrift­satz vom 07. No­vem­ber 2013, am glei­chen Tag beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen, und die­se mit Schrift­satz vom 20. No­vem­ber 2013, am Fol­ge­tag beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen, be­gründet.

Der Kläger be­gehrt mit sei­ner Be­ru­fung die Fest­stel­lung, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch nicht durch die Ver­ein­ba­rung vom 22. No­vem­ber 2012 mit Ab­lauf des 31. De­zem­ber 2012 be­en­det wor­den ist. Die Be­klag­te ver­folgt mit ih­rer Be­ru­fung die Ab­wei­sung der Kla­ge ins­ge­samt.

Zur Be­gründung sei­ner Be­ru­fung und in Er­wi­de­rung auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten macht der Kläger im We­sent­li­chen gel­tend:
Die von der Be­klag­ten in An­spruch ge­nom­me­nen Kündi­gungs­gründe hätten ei­nen verständi­gen Ar­beit­ge­ber nicht da­zu ver­an­lasst, ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Erwägung zie­hen zu können. Zum Ei­nen ha­be das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt, dass nach dem Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me kei­ne Kündi­gungs­gründe fest­stell­bar sei­en. Zum An­de­ren be­tra­ge die Frist der or­dent­li­chen Kündi­gung le­dig­lich ei­nen Mo­nat. Un­ter Berück­sich­ti­gung be­ste­hen­der Un­ter­halts­pflich­ten wäre es im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung un­verhält­nismäßig, auf die be­haup­te­ten Pflicht­verstöße mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu re­agie­ren.

Der Kläger be­an­tragt,
un­ter teil­wei­ser Abände­rung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch nicht durch die Ver­ein­ba­rung vom 22. No­vem­ber 2012 mit Ab­lauf des 31. De­zem­ber 2012 be­en­det wor­den ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung des Klägers zurück­zu­wei­sen.

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ko­blenz vom 28. Au­gust 2013, Az.: 4 Ca 4391/12, teil­wei­se ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil in­so­weit, als die­ses von der Rechts­wirk­sam­keit des Auf­he­bungs­ver­tra­ges aus­ge­gan­gen ist. Nicht nur durch die Ab­mah­nung vom 10. Fe­bru­ar 2012 sei dem Kläger das Ver­bot pri­va­ter In­ter­net­nut­zung be­kannt ge­we­sen. Aus der Aus­sa­ge des Zeu­gen er­ge­be sich, dass der Kläger über St­un­den ein Brow­ser-Fens­ter der On­line-Aus­ga­be ei­ner Zei­tung geöff­net ge­hal­ten ha­be und während der Ar­beits­zeit sein pri­va­tes Han­dy be­dient ha­be. Die Dro­hung mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung stel­le sich un­ter Berück­sich­ti­gung des­sen nicht als wi­der­recht­lich dar. Zu Un­recht ha­be das Ar­beits­ge­richt aber die or­dent­li­che Kündi­gung vom 21. Ok­to­ber 2012 als rechts­un­wirk­sam an­ge­se­hen. Der Zeu­ge ha­be bestätigt, dass er das geöff­ne­te Brow­ser-Fens­ter - wie im Ver­fah­ren an­ge­ge­ben - geöff­net ge­se­hen ha­be. Hier­aus fol­ge zwin­gend, dass während die­ser Zei­ten die Pro­gram­me zur Be­ar­bei­tung des Ar­beits­an­falls nicht ak­tiv ge­we­sen sei­en und der Kläger mit­hin in ih­nen nicht ge­ar­bei­tet ha­ben könne. Der Kläger ha­be da­mit trotz be­rech­tig­ter Ab­mah­nung ge­gen ar­beits­ver­trag­li­che Pflich­ten ver­s­toßen. Die Be­rech­ti­gung der sei­ner­zei­ti­gen Ab­mah­nung er­ge­be sich dar­aus, dass der Kläger E-Mails mit pri­va­tem In­halt ver­sen­det ha­be.

Ergänzend wird auf die zwi­schen den Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men. Die Be­ru­fungs­kam­mer hat Be­weis er­ho­ben durch (er­neu­te) Ver­neh­mung des Zeu­gen S.. In­so­weit wird auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 24. Ja­nu­ar 2014 (Bl. 207 ff. d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe
I. Die Be­ru­fun­gen sind zulässig. Die Rechts­mit­tel sind je­weils an sich statt­haft und wur­den form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und - auch in­halt­lich aus­rei­chend - be­gründet.

II. Die Be­ru­fung des Klägers ist un­be­gründet, die der Be­klag­ten be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en wur­de durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 21. No­vem­ber 2012 auf­gelöst. Zum Zeit­punkt der mit der Ver­ein­ba­rung vom 22. No­vem­ber 2012 be­ab­sich­tig­ten Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­stand da­her kein Ar­beits­verhält­nis mehr, so dass un­ge­ach­tet der be­gründe­ten An­fech­tung die­ser Ver­ein­ba­rung der auf Fest­stel­lung der Nicht­be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch die ge­nann­te Ver­ein­ba­rung ge­rich­te­te Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers un­be­gründet ist.

Die Be­ru­fung des Klägers kann nur Er­folg ha­ben, wenn das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en zum 31. De­zem­ber 2012 noch be­stand, d.h. we­der in­fol­ge der Ver­ein­ba­rung vom 22. No­vem­ber 2012, noch in Fol­ge der or­dent­li­chen Kündi­gung vom 22. No­vem­ber 2012 zum 31. De­zem­ber 2012 auf­gelöst wor­den ist.

Ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge kann nur be­gründet sein, wenn zum Zeit­punkt der mit der Kündi­gung be­ab­sich­tig­ten Be­en­di­gung des Rechts­verhält­nis­ses über­haupt noch ein Ar­beits­verhält­nis be­stand. An­dern­falls kann nicht fest­ge­stellt wer­den, das Ar­beits­verhält­nis sei durch die Kündi­gung nicht auf­gelöst wor­den (BAG 14.6.2006 -5 AZR 592/05- EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 40). Ent­spre­chen­des gilt, wenn wie im vor­lie­gen­den Fall ei­ne wirk­sa­me Kündi­gung aus­ge­spro­chen ist und zu­dem ei­ne auf den glei­chen Be­en­di­gungs­zeit­punkt ge­rich­te­te Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wird und die­se rechts­un­wirk­sam ist. Dem An­trag fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis auch durch ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung nicht be­en­det wor­den ist, kann nicht ent­spro­chen wer­den, weil das Ar­beits­verhält­nis dann be­reits durch die Kündi­gung be­en­det wor­den ist.

Vor­lie­gend ist zwar die Ver­ein­ba­rung vom 22. No­vem­ber 2012 durch den Kläger mit Schrei­ben vom 10. Ja­nu­ar 2013 mit der Rechts­fol­ge ih­rer von An­fang an be­ste­hen­den Nich­tig­keit we­gen ei­ner wi­der­recht­li­chen Dro­hung im Sin­ne des § 123 Abs. 1 BGB an­ge­foch­ten wor­den. Die von der Be­klag­ten vor Ab­schluss die­ser Ver­ein­ba­rung aus­ge­spro­che­ne or­dent­li­che Kündi­gung hat das Ar­beits­verhält­nis je­doch be­en­det.

a) Nach den erst­in­stanz­li­chen Fest­stel­lun­gen hat die Be­klag­te dem Kläger nach Überg­a­be der or­dent­li­chen Kündi­gung und Wei­ge­rung des Klägers, die ge­nann­te Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung zu un­ter­zeich­nen, die­sem den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung in Aus­sicht ge­stellt.

b) Die Be­klag­te hat hier­mit ge­genüber dem Kläger die Zufügung ei­nes zukünf­ti­gen emp­find­li­chen Übels an­gekündigt, des­sen Ver­wirk­li­chung in ih­rer Macht lag (vgl. et­wa BAG 28. No­vem­ber 2007 - 6 AZR 1108/06 - EzA § 123 BGB 2002 Nr. 7). Die­se Dro­hung war auch wi­der­recht­lich. Die Dro­hung mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung ist wi­der­recht­lich, wenn ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber ei­ne sol­che Kündi­gung nicht ernst­haft in Erwägung zie­hen durf­te.

Die Wi­der­recht­lich­keit der Kündi­gungs­an­dro­hung kann sich re­gelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mit­tel und Zweck er­ge­ben. Hat der Dro­hen­de an der Er­rei­chung des ver­folg­ten Zwecks kein be­rech­tig­tes In­ter­es­se oder ist die Dro­hung nach Treu und Glau­ben nicht mehr als an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Zwecks an­zu­se­hen, ist die Dro­hung wi­der­recht­lich. Nicht er­for­der­lich ist, dass sich die an­ge­droh­te Kündi­gung, wenn sie aus­ge­spro­chen wor­den wäre, in ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess als rechts­beständig er­wie­sen hätte (BAG 28. No­vem­ber 2007, aaO.).

Vor­lie­gend hätte ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung schon des­halb nicht in Be­tracht ge­zo­gen, weil zu­vor be­reits bei im Übri­gen un­veränder­tem Sach­ver­halt ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen wor­den war. Es ist an­er­kannt, dass ein Ar­beit­ge­ber oh­ne Hin­zu­tre­ten wei­te­rer Pflicht­ver­let­zun­gen nicht we­gen sol­cher Pflicht­ver­let­zun­gen ei­ne Kündi­gung aus­spre­chen kann, die Ge­gen­stand ei­ner Ab­mah­nung wa­ren. Im Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung liegt der kon­klu­den­te Ver­zicht auf das Recht zur Kündi­gung aus den be­reits mit der Ab­mah­nung gerügten Gründen (et­wa BAG 26.No­vem­ber 2009 - 2 AZR 751/08 - EzA § 611 BGB 2002 Ab­mah­nung Nr. 5). Die­ser Ge­dan­ke gilt ent­spre­chend, wenn we­gen ei­ner Pflicht­ver­let­zung be­reits ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen wur­de. Oh­ne das Hin­zu­tre­ten wei­te­rer Pflicht­ver­let­zun­gen bzw. dem Be­kannt­wer­den wei­te­rer, bis­her nicht be­kann­ter Pflicht­ver­let­zun­gen, kann nicht wirk­sam ei­ne wei­te­re, dies­mal außer­or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den. Durch den Aus­spruch der or­dent­li­chen Kündi­gung hat der Ar­beit­ge­ber zum Aus­druck ge­bracht, dass er das Ver­trags­verhält­nis noch nicht in ei­nem sol­chen Aus­maß als gestört be­trach­tet, dass ihm noch nicht ein­mal des­sen Fort­set­zung bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist. Durch den Aus­spruch ei­ner sol­chen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung setzt sich der Ar­beit­ge­ber da­mit in Wi­der­spruch zu sei­nem ei­ge­nen vor­he­ri­gen Ver­hal­ten. Auf die Fra­ge, ob die von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­ten Gründe an­ge­sichts der Kürze der Kündi­gungs­frist un­ter Berück­sich­ti­gung des Ge­wichts der Gründe der­ge­stalt sind, dass ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung ernst­haft in Erwägung zie­hen konn­te, kommt es da­her nicht mehr an.

c) Das Ar­beits­verhält­nis wur­de je­doch durch die or­dent­li­che Kündi­gung vom 22. No­vem­ber 2012 zum 31. De­zem­ber 2012 auf­gelöst. Dies führt aus den be­reits dar­ge­leg­ten Erwägun­gen zur Ab­wei­sung der Kla­ge ins­ge­samt und da­mit zur Er­folg­lo­sig­keit der Be­ru­fung des Klägers und zum Er­folg der Be­ru­fung der Be­klag­ten.

Die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten ist rechts­wirk­sam. Sie ist aus Gründen im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers im Sin­ne des § 1 Abs. 2 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt und da­mit nicht nach § 1 Abs. 1 KSchG rechts­un­wirk­sam. An­de­re Un­wirk­sam­keits­gründe sind nicht er­sicht­lich.

aa) Ein an sich zu ei­ner or­dent­li­chen ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung recht­fer­ti­gen­der Grund liegt u.a. vor, wenn der Ar­beit­neh­mer trotz vor­he­ri­ger be­rech­tig­ter Ab­mah­nung wie­der­holt sei­ne Ar­beits­pflicht schuld­haft ver­letzt (statt al­ler: KR-KSchG/Grie­be­ling, 10. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 432 ff m. w. N.). Ei­ne kündi­gungs­recht­lich re­le­van­te Ar­beits­pflicht­ver­let­zung liegt auch in der pri­va­ten Nut­zung des vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung ge­stell­ten In­ter­nets während der Ar­beits­zeit (vgl. BAG 7. Ju­li 2005 - 2 AZR 581/04 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 10).

bb) Zunächst ist fest­zu­hal­ten, dass der Kläger mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 10.12.2012 (Bl. 36 d. A.) be­rech­tigt ab­ge­mahnt wur­de, da er während der Ar­beits­zeit in nicht nur un­er­heb­li­chem Um­fang pri­va­te E-Mails über sei­nen Ar­beits­platz­rech­ner ver­sen­det hat.

Nach­dem der Kläger sich zunächst erst­in­stanz­lich - in­so­weit wahr­heits­wid­rig - da­hin­ge­hend ein­ge­las­sen hat, er ha­be aus­sch­ließlich während ei­ner lau­fen­den Fort­bil­dungs­maßnah­me die­se be­tref­fen­de Fra­gen mit sei­ner Freun­din per E-Mail dis­ku­tiert, hat er an die­sem Vor­trag im Be­ru­fungs­ver­fah­ren nach Vor­la­ge di­ver­ser Mails (Bl. 166 - 189 d. A.), die ein­deu­tig in kei­nem Zu­sam­men­hang mit ei­ner Fort­bil­dung ste­hen, son­dern rein pri­va­ter Na­tur sind, nicht mehr fest­ge­hal­ten. Der Kläger ist zu­dem der Be­haup­tung der Be­klag­ten nicht ent­ge­gen­ge­tre­ten, dass ihm das Ver­bot pri­va­ter In­ter­net­nut­zung während der Ar­beits­zeit be­kannt war. Strit­tig blieb in die­sem Zu­sam­men­hang nur, ob die­ses Ver­bot den Mit­ar­bei­tern im Jahr 2011 durch ei­ne je­weils bei Star­ten des Rech­ners er­schei­nen­de E-Mail über ei­nen länge­ren Zeit­raum hin­weg kom­mu­ni­ziert wur­de.

cc) Trotz die­ser dem­nach be­rech­tig­ten Ab­mah­nung hat der Kläger auch da­nach wie­der­holt sei­ne Ar­beits­pflicht durch pri­va­te In­ter­net­nut­zung ver­letzt. Dies er­gibt sich aus der Aus­sa­ge des im Be­ru­fungs­ver­fah­ren er­neut ver­nom­me­nen Zeu­gen S..

Zu­tref­fend ist zwar, dass der Zeu­ge S. hin­sicht­lich des 15. No­vem­ber 2012 kei­ne ei­ge­ne Wahr­neh­mung be­kun­den konn­te. Eben­falls ist zu­tref­fend, dass der Zeu­ge nicht aus­sch­ließen konn­te, dass der Kläger trotz geöff­ne­ter, nicht der Ar­beit des Klägers zu­or­den­ba­rer In­ter­net­sei­ten, zwi­schen­durch Ar­bei­ten er­le­digt hat. Gleich­wohl er­gibt sich aus der Aus­sa­ge, dass der Kläger - in­so­weit auch als Ge­gen­stand ei­ge­ner Wahr­neh­mung des Zeu­gen - an den Ta­gen 31. Ok­to­ber, 2. No­vem­ber, 7. No­vem­ber und 19. No­vem­ber 2012 on­line Zei­tung ge­le­sen hat, wenn auch der ge­naue zeit­li­che Um­fang nicht fest­steht. Der Zeu­ge hat be­kun­det, dass in den von ihm an­ge­ge­be­nen Zei­ten, die sich hin­sicht­lich ih­rer Dau­er zwi­schen 1 St­un­de und 2,5 St­un­den be­we­gen, ein Brow­ser-Fens­ter der XXX-Zei­tung geöff­net war. Das Auf­ru­fen die­ses In­ter­net-Auf­tritts und das Geöff­net las­sen des Brow­ser­fens­ters las­sen sich aber nur da­mit erklären, dass der Kläger in den an­ge­ge­be­nen Zeit­fens­tern zu­min­dest auch die Zei­tungs­in­hal­te ge­le­sen hat. Der Zeu­ge hat auch ge­schil­dert, dass die Er­le­di­gung der Ar­bei­ten ganz über­wie­gend mit­tels der Soft­ware der Be­klag­ten er­folgt und bei de­ren Be­nut­zung an­der­wei­tig geöff­ne­te Brow­ser-Fens­ter in den Hin­ter­grund tre­ten. Hier­aus folgt, dass der Kläger sei­ne Ar­beits­pflicht nicht nur in ei­nem völlig ge­ringfügi­gen Aus­maß ver­letzt hat, denn der Zeu­ge konn­te bestäti­gen, dass er das geöff­ne­te Brow­ser-Fens­ter mit Zei­tungs­lo­go je­weils über länge­re Zeiträume hat wahr­neh­men können.

Hier­durch hat der Kläger sei­ne Ar­beits­pflicht er­neut ver­letzt. Nach ei­ge­nem Sach­vor­trag des Klägers war die Ar­beits­zeit von 8.00 Uhr - 16.00 Uhr, un­ter­bro­chen durch ei­ne Mit­tags­pau­se von 12.30 Uhr - 13.00 Uhr. Sämt­li­che der vom Zeu­gen mit­no­tier­ten Zei­ten der ge­nann­ten Ta­ge be­we­gen sich außer­halb der Mit­tags­pau­se, so dass der Sach­vor­trag des Klägers, er ha­be al­len­falls während der Mit­tags­pau­se on­line Zei­tung ge­le­sen, nicht zu­tref­fen kann.

Der Zeu­ge ist auch glaubwürdig. Er hat deut­lich kennt­lich ge­macht, wel­che Be­ob­ach­tun­gen er selbst auf­grund wel­cher Umstände ma­chen konn­te. Er war - da von sei­nem Vor­ge­setz­ten hier­um ge­be­ten - für ein mögli­ches Fehl­ver­hal­ten des Klägers sen­si­bi­li­siert und hat das Ge­sche­hen nicht nur randläufig, son­dern ge­zielt be­ob­ach­tet und no­tiert. Er hat auch die räum­li­che Si­tua­ti­on, auf­grund de­rer er be­ob­ach­ten konn­te, le­ben­dig und de­tail­reich ge­schil­dert und sich nicht in Wi­dersprüche ver­strickt. Ein Ei­gen­in­ter­es­se am Aus­gang des Rechts­streits ist nicht er­sicht­lich. Auch nach sei­nem persönli­chen Ein­druck auf das Ge­richt be­ste­hen an der Glaubwürdig­keit kei­ne Zwei­fel.

d) Die­se neu­er­li­chen Pflicht­ver­let­zun­gen er­folg­ten auch schuld­haft. Dem Kläger war das Ver­bot pri­va­ter In­ter­net­nut­zung während der Ar­beits­zeit be­kannt. An­ders lässt sich sein Sach­vor­trag, er ha­be nur während der Pau­sen on­line Zei­tung ge­le­sen, nicht ver­ste­hen. Die Be­klag­te hat­te dem Kläger zu­dem durch die Ab­mah­nung vom 10. Fe­bru­ar 2012 un­miss­verständ­lich ver­deut­licht, dass sie die Er­le­di­gung pri­va­ter An­ge­le­gen­hei­ten während der Ar­beits­zeit nicht dul­det und er­war­tet, dass während der Ar­beits­zeit die­se für die Er­le­di­gung der an­fal­len­den Ar­bei­ten ver­wen­det wird.

e) Auch die ab­sch­ließend vor­zu­neh­men­de In­ter­es­sen­abwägung fällt zu Las­ten des Klägers aus. Zu Guns­ten des Klägers war zu berück­sich­ti­gen, dass er mitt­ler­wei­le 2 Kin­dern zum Un­ter­halt ver­pflich­tet ist. Wei­te­re Ge­sichts­punk­te, die zu­guns­ten des Klägers spre­chen, sind nicht dar­ge­legt oder er­sicht­lich. Das Ar­beits­verhält­nis be­stand zum Zeit­punkt es Zu­gangs der Kündi­gung et­was mehr als 2 Jah­re, wo­bei es al­ler­dings - wie durch die be­rech­tig­te Ab­mah­nung vom 10. Fe­bru­ar 2012 do­ku­men­tiert - be­reits zu­vor in­fol­ge von Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers gestört war. Der Kläger ist im Jah­re 1973 ge­bo­ren, so dass al­ters­be­ding­te be­son­de­re Schwie­rig­kei­ten auf dem Ar­beits­markt nicht zu er­war­ten sind. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Ge­sichts­punk­te über­wiegt das Be­en­di­gungs­in­ter­es­se der Ar­beit­ge­be­rin. Dem Kläger fällt ein er­heb­li­ches Ver­schul­den zur Last. Die be­rech­tig­te Ab­mah­nung er­folg­te nur re­la­tiv kurz vor den neu­er­li­chen Pflicht­ver­let­zun­gen und hat da­mit of­fen­sicht­lich den Kläger un­be­ein­druckt ge­las­sen. Nach ei­ge­nem Sach­vor­trag des Klägers hat­te die­ser sei­nem Vor­ge­setz­ten mit dem Ziel der Rück­nah­me der Ab­mah­nung auch erläutert, dass er nur ge­le­gent­lich im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Fort­bil­dung per E-Mail Fra­gen der Fort­bil­dung dis­ku­tiert ha­be, was aus­weis­lich der im Be­ru­fungs­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten Aus­dru­cke des Mail-Ver­kehrs nicht zu­trifft. Auch dies spricht da­ge­gen, dass an­de­re, mil­de­re Mit­tel als das der or­dent­li­chen Kündi­gung zu ei­ner Ver­hal­tensände­rung des Klägers führen würden.

III. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil war da­her auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten teil­wei­se, wie aus dem Te­nor er­sicht­lich, ab­zuändern und die Be­ru­fung des Klägers zurück­zu­wei­sen. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 97, 91 ZPO. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Zu­las­sung der Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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