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LAG Schles­wig-Hol­stein, Be­schluss vom 03.06.2009, 6 TaBV 55/08

   
Schlagworte: Betriebsrat, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Schulung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 6 TaBV 55/08
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 03.06.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Neumünster, 24. September 2008, Az: 3 BV 17 d/08, Beschluss
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 6 TaBV 55/08
3 BV 17 d/08 ArbG Ne­umüns­ter
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 03.06.2009

gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

Im Na­men des Vol­kes

Im Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

pp.

hat die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die Anhörung der Be­tei­lig­ten am 03.06.2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt ... als Vor­sit­zen­den und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin ... als Bei­sit­ze­rin

 

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b e s c h l o s s e n:

1. Die Be­schwer­de des An­trags­geg­ners (Ar­beit­ge­bers) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 24.09.2008 – 3 BV 17 d/08 – wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Rechts­be­schwer­de wird nicht zu­ge­las­sen.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­sen Be­schluss ist das Rechts­mit­tel der Rechts­be­schwer­de nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 92 a Ar­beits­ge­richts­ge­setz ver­wie­sen.

 

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I.

Die Be­tei­lig­ten strei­ten darüber, ob der Ar­beit­ge­ber (An­trags­geg­ner) die durch die Teil­nah­me des Be­tei­lig­ten zu 3) (Be­tei­lig­ter) an ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung ent­stan­de­nen Kos­ten zu tra­gen hat.

Der Ar­beit­ge­ber be­treibt im Kreis ... mit et­wa 500 Ar­beit­neh­mern un­ter an­de­rem den Ret­tungs­dienst, Al­ten- und Pfle­ge­hei­me, So­zi­al­sta­tio­nen so­wie Kin­dergärten und Kin­der­ta­gesstätten. Der An­trag­stel­ler ist der bei dem Ar­beit­ge­ber gewähl­te 11-köpfi­ge Be­triebs­rat (Be­triebs­rat). Der Be­tei­lig­te war vom 06.05.2002 bis April 2006 or­dent­li­ches Be­triebs­rats­mit­glied. Von Mai 2006 bis zum 10.01.2007 war er Er­satz­mit­glied. Seit dem 11.01.2007 gehört der Be­tei­lig­te dem Be­triebs­rat (wie­der) als or­dent­li­ches Mit­glied an. Während der ers­ten Zeit sei­ner Zu­gehörig­keit zum Be­triebs­rat nahm der Be­tei­lig­te vom 08.12. bis zum 13.12.2002 an der Schu­lung „Be­triebs­ve­r­as­sungs­ge­setz – Einführung und Über­blick (Grund­la­g­en­se­mi­nar)“ so­wie in der Zeit vom 19.05. bis 23.05.2003 an der Schu­lung „Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz – Per­so­nel­le An­ge­le­gen­hei­ten (Grund­la­g­en­se­mi­nar)“ teil.

Vom 25.05. bis zum 30.05.2008 be­such­te der Be­tei­lig­te die Schu­lungs­ver­an­stal­tungBe­triebsräte – Grund­qua­li­fi­zie­rung: So­zia­le An­ge­le­gen­hei­ten“. We­gen der auf der Ver­an­stal­tung be­han­del­ten The­men wird auf An­la­ge Ast 3 (Blatt 7 der Ak­te) ver­wie­sen. Die v.... gGmbH macht ge­genüber dem Be­tei­lig­ten Über­nach­tungs- und Ver­pfle­gungs­kos­ten in Höhe von 442,44 EUR und Se­min­ar­gebühren in Höhe von 743,85 EUR gel­tend. Der Ar­beit­ge­ber hat die Über­nah­me die­ser Kos­ten ab­ge­lehnt, weil er die Schu­lung für nicht er­for­der­lich hält.

Der Be­triebs­rat und der Be­tei­lig­te ha­ben die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die Teil­nah­me schon des­halb er­for­der­lich ge­we­sen sei, weil die Schu­lung Grund­wis­sen ver­mit­telt ha­be, das je­des Be­triebs­rats­mit­glied benöti­ge. Der Be­tei­lig­te gehöre zu­dem dem Be­triebs- und Per­so­nal­aus­schuss an. Während sei­ner bis­he­ri­gen Be­triebs­ratstätig­keit sei er nur ein­ge­schränkt mit so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten im Sin­ne des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes in Berührung ge­kom­men und benöti­ge da­her für sei­ne Tätig­keit die in der Schu­lung ver­mit­tel­ten Kennt­nis­se.

 

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Der Be­triebs­rat hat zu­letzt be­an­tragt,

dem Be­tei­lig­ten zu 2) auf­zu­ge­ben, den Be­tei­lig­ten zu 3) von den Ver­bind­lich­kei­ten in Höhe von 1.186,09 Eu­ro ge­genüber der v.... Ge­meinnützi­ge GmbH,... , frei­zu­stel­len.

Der Ar­beit­ge­ber hat be­an­tragt,

den An­trag ab­zu­wei­sen.

Der Ar­beit­ge­ber hat die An­sicht ver­tre­ten, der Be­tei­lig­te verfüge auf­grund sei­ner langjähri­gen Be­triebs­rats­zu­gehörig­keit über um­fang­rei­che Vor­kennt­nis­se ge­ra­de auch in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten und über ein Er­fah­rungs­wis­sen, das die Wis­sens­ver­mitt­lung in ei­ner Grund­la­gen­schu­lung weit über­stei­ge. So ha­be der Be­tei­lig­te als Be­triebs­rats­mit­glied am Zu­stan­de­kom­men von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, ins­be­son­de­re der zen­tra­len Be­triebs­ver­ein­ba­rung Ar­beits­zeit und Dienst­plan­ge­stal­tung im Ret­tungs­dienst im Jah­re 2004 mit­ge­wirkt. Weil ein Be­triebs- und Per­so­nal­aus­schuss erst­mals im Mai 2006 ein­ge­rich­tet wor­den sei, sei­en da­mals Vor­be­rei­tun­gen und Ver­hand­lun­gen zum In­halt und Ab­schluss die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung di­rekt mit dem Be­triebs­rat und so­mit auch mit dem Be­tei­lig­ten als Be­triebs­rats­mit­glied geführt wor­den. Der Be­tei­lig­te könne auf­grund sei­ner er­wor­be­nen Kennt­nis­se und sei­nes Vor­wis­sens so­wohl sei­nen ge­genwärti­gen als auch zukünf­ti­gen Auf­ga­ben als Mit­glied im Be­triebs­rat und im Be­triebs- und Per­so­nal­aus­schuss in vol­lem Um­fang nach­kom­men.

Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung aus­geführt, es han­de­le sich um ei­ne Grund­la­gen­schu­lung. Der Be­tei­lig­te ha­be noch kei­ne Schu­lung über so­zia­le An­ge­le­gen­hei­ten be­sucht. Es sei nicht er­kenn­bar, dass er ent­spre­chen­de Kennt­nis­se durch prak­ti­sche Tätig­keit er­wor­ben ha­be.

 

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Ge­gen die­sen ihm am 28.11.2008 zu­ge­stell­ten Be­schluss des Ar­beits­ge­richts hat der Ar­beit­ge­ber am 23.12.2008 Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se in­ner­halb der bis zum 27.02.2009 verlänger­ten Be­schwer­de­be­gründungs­frist am 27.02.2009 be­gründet.

Der Ar­beit­ge­ber meint, die Teil­nah­me an ei­nem Grund­la­g­en­se­mi­nar sei nicht von vorn­her­ein als er­for­der­lich an­zu­se­hen, wenn das be­tref­fen­de Mit­glied über ein­schlägi­ge Vor­kennt­nis­se verfüge. Das Ar­beits­ge­richt ha­be die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein vom 15.05.2007 – 5 TaBV 5/07 – nicht hin­rei­chend be­ach­tet. Auf­grund sei­ner bis­he­ri­gen Zu­gehörig­keit zum Be­triebs­rat könne der Be­tei­lig­te nicht mit ei­nem erst­mals gewähl­ten Be­triebs­rats­mit­glied ver­gli­chen wer­den. Des­halb bedürfe es hier der Dar­le­gung ei­nes ak­tu­el­len An­las­ses für den Be­such der Schu­lungs­ver­an­stal­tung.

Der Ar­beit­ge­ber be­an­tragt:

Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 24.09.2008, Az. 3 BV 17 d/08, wird ab­geändert. Der An­trag des Be­triebs­rats wird zurück­ge­wie­sen.

Der Be­triebs­rat und der Be­tei­lig­te be­an­tra­gen,

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

Sie hal­ten die Schu­lung für er­for­der­lich, weil sie Grund­kennt­nis­se hin­sicht­lich so­zia­ler An­ge­le­gen­hei­ten ver­mit­telt ha­be. Der Be­tei­lig­te sei kein langjähri­ges Be­triebs­rats­mit­glied, bei dem auf­grund der Gre­mi­en­zu­gehörig­keit von den ein­schlägi­gen Kennt­nis­sen aus­zu­ge­hen sei. In der vom Ar­beit­ge­ber an­geführ­ten Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein hätten die Be­triebs­rats­mit­glie­der da­ge­gen meh­re­re Amts­pe­ri­oden ab­sol­viert und ar­beits­recht­li­che Grund­schu­lun­gen be­sucht.

 

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II.

I. Die Be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers ist zulässig. Sie ist statt­haft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) und frist- so­wie form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Die Be­schwer­de ist je­doch nicht be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat dem Ar­beit­ge­ber zu Recht auf­ge­ge­ben, den Be­tei­lig­ten von den Ver­bind­lich­kei­ten ge­genüber der v....gGmbH frei­zu­stel­len. Der Ar­beit­ge­ber hat die Schu­lungs­kos­ten gemäß § 40 Abs. 1 i. V. m. § 37 Abs. 6 Be­trVG zu tra­gen.

1. Der Be­triebs­rat kann im ei­ge­nen Na­men Frei­stel­lungs­ansprüche von Be­triebs­rats­mit­glie­dern gel­tend ma­chen, wenn die Ansprüche nicht im Ar­beits­verhält­nis, son­dern im Be­triebs­rats­amt wur­zeln (vgl. BAG 15.01.1992 - 7ABR 23/90 - AP Be­trVG 1972 § 40 Nr. 41). Im vor­lie­gen­den Fall strei­ten die Be­tei­lig­ten über die Frei­stel­lung von Ver­bind­lich­kei­ten, die durch die Teil­nah­me an ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung ent­stan­den sind. Der Be­triebs­rat macht al­so Ansprüche aus dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz gel­tend.
Der Be­tei­lig­te ist be­tei­li­gungs­be­fugt (§ 83 Abs. 3 ArbGG), weil das ein­zel­ne Be­triebs­rats­mit­glied, das an der Schu­lung teil­ge­nom­men hat, In­ha­ber des Frei­stel­lungs- bzw. Er­stat­tungs­an­spruchs ist, je­den­falls so­lan­ge wie es den An­spruch nicht ab­ge­tre­ten hat (vgl. BAG 15.01.1992 – 7 ABR 23/90 – aaO).

2. Der Be­triebs­rat hat die Teil­nah­me des Be­tei­lig­ten an der streit­ge­genständ­li­chen Schu­lung am 09.04.2008 be­schlos­sen (vgl. An­la­ge Ast 1 = Bl. 46 der Ak­te). Eben­falls ist un­strei­tig, dass der Bil­dungs­träger den Be­tei­lig­ten in Höhe des im An­trag ge­nann­ten Be­trags in An­spruch nimmt. Das Be­ste­hen des gel­tend ge­mach­ten Frei­stel­lungs­an­spruchs hängt so­mit ent­schei­dend da­von ab, ob der Be­triebs­rat die Teil­nah­me des Be­tei­lig­ten an der Schu­lung “Be­triebsräte-Grund­qua­li­fi­zie­rung So­zia­le An­ge­le­gen­hei­ten” bei sei­ner Be­schluss­fas­sung am 09.04.2008 für er­for­der­lich hal­ten durf­te. Das hat das Ar­beits­ge­richt im Er­geb­nis zu Recht be­jaht.

 

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a) Nach § 40 Abs. 1 Be­trVG hat der Ar­beit­ge­ber die durch die Tätig­keit des Be­triebs­rats ent­ste­hen­den Kos­ten zu tra­gen. Da­zu gehören auch die Kos­ten, die anläss­lich der Teil­nah­me ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds an ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung nach § 37 Abs. 6 Be­trVG ent­stan­den sind, so­fern das bei der Schu­lung ver­mit­tel­te Wis­sen für die Be­triebs­rats­ar­beit er­for­der­lich ist (std. Rspr., vgl. BAG 28.03.2007 - 7 ABR 33/06 – zit. nach JURIS; 04.06.2003 - 7 ABR 42/02 - BA­GE 106, 233; 08.03.2000 - 7 ABR 11/98 - BA­GE 94, 42). Zu den vom Ar­beit­ge­ber zu tra­gen­den Kos­ten gehören ne­ben den ei­gent­li­chen Se­min­ar­gebühren auch die not­wen­di­gen Rei­se-, Über­nach­tungs- und Ver­pfle­gungs­kos­ten des Be­triebs­rats­mit­glieds (BAG 28.03.2007 - 7 ABR 33/06 - aaO; 4. Ju­ni 2003 - 7 ABR 42/02 - aaO).

b) Der 7. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter­schei­det zwi­schen der Ver­mitt­lung von sog. Grund­kennt­nis­sen, durch die das Be­triebs­rats­mit­glied erst in die La­ge ver­setzt wer­den soll, sei­ne sich aus der Amts­stel­lung er­ge­ben­den Rech­te und Pflich­ten ord­nungs­gemäß wahr­zu­neh­men, und an­de­ren Schu­lungs­ver­an­stal­tun­gen, bei de­nen ein ak­tu­el­ler, be­triebs­be­zo­ge­ner An­lass für die An­nah­me be­ste­hen muss, dass die auf der Schu­lungs­ver­an­stal­tung zu er­wer­ben­den Kennt­nis­se der­zeit oder in na­her Zu­kunft von dem zu schu­len­den Be­triebs­rats­mit­glied benötigt wer­den, da­mit der Be­triebs­rat sei­ne Be­tei­li­gungs­rech­te sach- und fach­ge­recht ausüben kann. Hin­ge­gen ist bei Schu­lungs­ver­an­stal­tun­gen, auf de­nen das für die Ausübung des Be­triebs­rats­amts un­ver­zicht­ba­re Grund­wis­sen ver­mit­telt wird, we­gen der mit der Be­triebs­rats­ar­beit ty­pi­scher­wei­se ver­bun­de­nen Auf­ga­ben­stel­lung auch oh­ne be­son­de­re Dar­le­gung da­von aus­zu­ge­hen, dass sie vom Be­triebs­rats­mit­glied ent­we­der als­bald oder zu­min­dest demnächst benötigt wer­den, um sei­ne Be­triebs­rats­auf­ga­ben sach­ge­recht wahr­neh­men zu können. Zu die­sen Grund­schu­lun­gen zählen Schu­lungs­ver­an­stal­tun­gen, bei de­nen Grund­kennt­nis­se im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht, im all­ge­mei­nen Ar­beits­recht oder im Be­reich der Ar­beits­si­cher­heit und Un­fall­verhütung ver­mit­telt wer­den (BAG 19.07.1995 - 7 ABR 49/94 - AP Be­trVG 1972 § 37 Nr. 110; 04.06.2003 - 7 ABR 42/02 - BA­GE 106, 233).

Dar­aus folgt al­ler­dings nicht oh­ne wei­te­res die Er­for­der­lich­keit des Be­suchs ei­ner Ver­an­stal­tung im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht, im all­ge­mei­nen Ar­beits­recht oder im Be­reich der Ar­beits­si­cher­heit oder Un­fall­verhütung für je­des Be­triebs­rats­mit­glied. Die Ver­mitt­lung der­ar­ti­ger Grund­kennt­nis­se ist nur dann er­for­der­lich iSv. § 37 Abs. 6

 

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Be­trVG, wenn das be­tref­fen­de Be­triebs­rats­mit­glied über die­se Kennt­nis­se nicht verfügt. Die Ent­sen­dung zu ei­ner Ver­an­stal­tung im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht, im all­ge­mei­nen Ar­beits­recht oder im Be­reich der Ar­beits­si­cher­heit und Un­fall­verhütung im Rah­men des § 37 Abs. 6 Be­trVG schei­det des­halb aus, wenn das aus­gewähl­te Be­triebs­rats­mit­glied die er­for­der­li­chen Kennt­nis­se be­reits be­sitzt. Da­bei muss es sich al­ler­dings um persönli­che Kennt­nis­se des Be­triebs­rats­mit­glieds han­deln, nicht um Kennt­nis­se des Gre­mi­ums “Be­triebs­rat” oder an­de­rer Be­triebs­rats­mit­glie­der (BAG 16.10.1986 - 6 ABR 14/84 - BA­GE 53, 186). Der Be­triebs­rat kann nicht auf Dau­er dar­auf ver­wie­sen wer­den, ein Be­triebs­rats­mit­glied könne sich die er­for­der­li­chen Kennt­nis­se auf an­de­re Wei­se, et­wa durch Selbst­stu­di­um oder durch Be­fra­gung der übri­gen, bes­ser in­for­mier­ten Be­triebs­rats­mit­glie­der ver­schaf­fen (BAG 19.09.2001 - 7 ABR 32/00 - BA­GE 99, 103; 16.10.1986 - 6 ABR 14/84 - aaO).

Hat das vom Be­triebs­rat aus­gewähl­te Be­triebs­rats­mit­glied selbst Vor­kennt­nis­se, et­wa durch den Be­such an­de­rer Ver­an­stal­tun­gen nach § 37 Abs. 6 Be­trVG, durch die Teil­nah­me an ei­ner Ver­an­stal­tung nach § 37 Abs. 7 Be­trVG oder ei­ner sons­ti­gen Ver­an­stal­tung, durch Ei­gen­stu­di­um oder ei­ne frühe­re Tätig­keit bei ei­ner Ge­werk­schaft, im Be­triebs­rat oder in an­de­ren Gre­mi­en, kann es an der Er­for­der­lich­keit ei­ner (wei­te­ren) In­for­ma­ti­on über die Grund­be­grif­fe des Ar­beits­rechts oder auch des Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts feh­len. Zu den persönli­chen Vor­kennt­nis­sen gehört das durch langjähri­ge Tätig­keit im Be­triebs­rat er­wor­be­ne Er­fah­rungs­wis­sen. Der 7. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts bil­det bei­spiel­haft den Fall, dass ein Be­triebs­rats­mit­glied im Lau­fe der Jah­re in ei­ner Viel­zahl von Fällen mit Anhörungs­ver­fah­ren nach § 102 Be­trVG be­fasst wor­den ist. Hier sei da­von aus­zu­ge­hen, dass der Be­tref­fen­de durch die ständi­ge Beschäfti­gung mit den ma­te­ri­el­len Kündi­gungs­gründen so viel an Kennt­nis­sen auf dem Ge­biet des Kündi­gungs­schutz­rechts er­langt hat, dass von ei­nem für die zukünf­ti­ge tägli­che Ar­beit er­for­der­li­chen Wis­sens­stand aus­ge­gan­gen wer­den kann. Ent­spre­chen­des gel­te für Rechts­fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der Be­gründung von Ar­beits­verhält­nis­sen, dem In­halt und der Aus­ge­stal­tung von Ar­beits­verträgen so­wie Rech­ten und Pflich­ten der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en. Da­her sei die Ent­sen­dung ei­nes Be­triebs­rats­mit­glieds, das dem Be­triebs­rat be­reits länge­re Zeit an­gehört hat, zu ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung nach § 37 Abs. 6 Be­trVG, die Grund­kennt­nis­se im all­ge­mei­nen Ar­beits­recht ver­mit­telt, re­gelmäßig nicht er­for­der­lich. Der Se­nat be-

 

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tont aber auch, dass dies in Ein­z­elfällen an­ders zu be­ur­tei­len sei, et­wa dann, wenn in ei­nem klei­ne­ren Be­trieb jah­re­lang nur in ge­rin­gem Um­fang Be­triebs­ratstätig­kei­ten an­ge­fal­len sind, so dass die Be­triebs­rats­mit­glie­der kei­ne Er­fah­run­gen sam­meln konn­ten, oder wenn ein Be­triebs­rats­mit­glied durch länge­re Krank­heit oder Ur­laub ge­hin­dert war, Er­fah­rungs­wis­sen zu er­wer­ben. In die­sen Fällen könne auch der Be­such ei­ner die Grund­kennt­nis­se des Ar­beits­rechts ver­mit­teln­den Schu­lung er­for­der­lich sein. Dies bedürfe je­doch ei­ner kon­kre­ten Dar­le­gung der die Er­for­der­lich­keit be­gründen­den Umstände (BAG 19.03.2008 – 7 ABR 2/07 – zit. nach JURIS; 16.10.1986 - 6 ABR 14/84 - aaO.). Maßge­bend sind so­mit die im Ein­zel­fall bei dem aus­gewähl­ten Be­triebs­rats­mit­glied vor­han­de­nen Vor­kennt­nis­se be­zo­gen auf das auf der Schu­lung zu ver­mit­teln­de The­ma.

Der Be­triebs­rat hat zu ent­schei­den, ob ein Be­triebs­rats­mit­glied zu ei­ner Schu­lungs­ver­an­stal­tung ent­sandt wer­den soll. Da­bei hat er un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände zu prüfen, ob die Teil­nah­me er­for­der­lich iSv. § 37 Abs. 6 Be­trVG ist oder nicht (BAG 08.03.2000 - 7 ABR 11/98 - BA­GE 94, 42).

3. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen durf­te der Be­triebs­rat die Teil­nah­me des Be­tei­lig­ten an der Schu­lungs­ver­an­stal­tung für er­for­der­lich hal­ten.

a) Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist un­strei­tig, dass es auf der streit­ge­genständ­li­chen Schu­lung um Ver­mitt­lung von Grund­kennt­nis­sen im Be­triebs­ver­fas­sungs­recht ging. Dafür spricht im Übri­gen der The­men­plan (vgl. An­la­ge ASt 3).

b) Der Be­triebs­rat muss­te nicht da­von aus­ge­hen, dass der Be­tei­lig­te schon auf Grund der Dau­er sei­ner Zu­gehörig­keit zum Be­triebs­rat über aus­rei­chen­de Kennt­nis­se hin­sicht­lich der so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten im Sin­ne von § 87 Be­trVG verfügt. Der Be­tei­lig­te war im Zeit­punkt der Be­schluss­fas­sung des Be­triebs­rats (09.04.2008) nicht langjähri­ges Be­triebs­rats­mit­glied, son­dern be­fand sich erst im sechs­ten Jahr sei­ner zu­dem un­ter­bro­che­nen Amts­zeit. Er war ge­ra­de ein gu­tes Jahr vor Be­schluss­fas­sung in den Be­triebs­rat nach­gerückt. Die­se Zeit­span­ne reicht für sich ge­nom­men nicht aus, um aus der während die­ser Zeit aus­geübten Be­triebs­ratstätig­keit auf den Er­werb des er­for­der­li­chen Grund­wis­sens auf dem Ge­biet der so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten schließen zu können. Da­ge­gen spricht schon der Um­fang des Ka­ta­logs der mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen An­ge­le­gen­hei­ten gemäß § 87 Abs. 1 Be­trVG. Die­se An­ge­le-

 

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gen­hei­ten sind am zwei­ten Schu­lungs­tag be­han­delt wor­den. Die Ausübung und Durch­set­zung die­ser Mit­be­stim­mungs­rech­te war The­ma des drit­ten und vier­ten Schu­lungs­ta­ges. Die Ar­beit­ge­be­rin hat nicht be­haup­tet und es ist auch sonst nicht er­sicht­lich, dass der Be­tei­lig­te vor Teil­nah­me an der Schu­lung an ei­ner Viel­zahl von An­ge­le­gen­hei­ten im Sin­ne von § 87 Abs. 1 in der Pra­xis be­fasst war. Da­bei kann als rich­tig un­ter­stellt wer­den, dass er als Be­triebs­rats­mit­glied mit Fra­gen der Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten zu tun hat­te. Während sei­ner Zu­gehörig­keit zum Gre­mi­um ist auch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu Fra­gen der Ar­beits­zeit und Dienst­plan­ge­stal­tung zu­stan­de ge­kom­men. Die­se prak­ti­sche Be­fas­sung er­setzt aber nicht ei­nen sys­te­ma­ti­schen Über­blick über die vielfälti­gen An­ge­le­gen­hei­ten, in de­nen der Be­triebs­rat nach § 87 Be­trVG mit­zu­be­stim­men hat. Sinn und Zweck ei­ner dar­auf be­zo­ge­nen Grund­la­gen­schu­lung ist es, ge­ra­de die­se Viel­falt den Be­triebs­rats­mit­glie­dern na­he zu brin­gen, da­mit sie sich über ih­re dies­bezügli­chen Rech­te und Pflich­ten klar wer­den. Von be­son­de­rer Be­deu­tung ist hier, dass dem Be­triebs­rat im Hin­blick auf die Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten viel­fach Initia­tiv­rech­te zu­ste­hen. Die Be­schwer­de­kam­mer ist wei­ter der An­sicht, dass auch die durch­aus kom­ple­xen Fra­gen, die § 87 Abs. 1 Ein­gangs­satz Be­trVG auf­wirft, ei­ne Schu­lung er­for­dern. Die­se Kennt­nis­se las­sen sich über die Pra­xis schwer ver­mit­teln. Es ist zu­dem nicht er­kenn­bar, dass sich hier ent­spre­chen­de Fra­gen in der Ver­gan­gen­heit ge­stellt hätten, aus de­nen der Be­tei­lig­te die er­for­der­li­chen Kennt­nis­se er­wer­ben konn­te. Die­ser Pro­blem­kreis war Ge­gen­stand des ers­ten Schu­lungs­ta­ges. Die Mit­be­stim­mung in so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten un­ter­schei­det sich hin­sicht­lich ih­res Um­fangs und ih­rer Kom­ple­xität auch er­heb­lich von der Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats im Rah­men des § 102 Be­trVG. Hat sich ein Be­triebs­rats­gre­mi­um re­gelmäßig mit Kündi­gun­gen zu be­fas­sen, kann sich für Be­triebs­rats­mit­glie­der, die dem Gre­mi­um länger an­gehören, ei­ne Schu­lung erübri­gen. Bei den vielfälti­ge­ren und kom­ple­xe­ren An­ge­le­gen­hei­ten gem. § 87 Be­trVG be­darf es da­ge­gen ei­nes länge­ren „learning by do­ing“ um die an­sons­ten auf der Schu­lung ver­mit­tel­ten Kennt­nis­se zu er­lan­gen. Hier un­ter­schei­det sich der vor­lie­gen­de Fall auch ent­schei­dend von dem von der 5. Kam­mer des er­ken­nen­den Ge­richts am 15.05.2007 (5 TaBV 5/07) ent­schie­de­nen Fall, wo es al­lein um die Durch­set­zung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten (vor Ge­richt und Ei­ni­gungs­stel­le) ging.

 

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c) Auf den Schu­lun­gen, die der Be­tei­lig­te zu­vor be­sucht hat­te, ging es um Per­so­nel­le An­ge­le­gen­hei­ten so­wie um die Grundzüge der Geschäftsführung des Be­triebs­rats. Die so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten im Sin­ne von § 87 Be­trVG sind erst­mals auf der streit­ge­genständ­li­chen Schu­lung an­ge­spro­chen wor­den. Die Ge­genstände der drei Schu­lun­gen ha­ben sich nicht über­schnit­ten.

d) Die Er­for­der­lich­keit der Teil­nah­me des Be­tei­lig­ten an der Schu­lungs­ver­an­stal­tung kann nicht des­halb ver­neint wer­den, weil die Schu­lung erst zu Be­ginn des sechs­ten Jah­res sei­ner Amts­zeit als Be­triebs­rats­mit­glied er­folgt ist. Die Amts­zeit des Be­tei­lig­ten dau­er­te nach der Schu­lung noch min­des­tens zwei Jah­re an, so dass der Be­triebs­rat bei sei­ner Be­schluss­fas­sung da­von aus­ge­hen konn­te, dass der Be­tei­lig­te die auf der Schu­lung er­wor­be­nen Kennt­nis­se bei sei­ner Be­triebs­ratstätig­keit noch würde ver­wer­ten können.

III. Ei­ne Kos­ten­ent­schei­dung ist nicht ver­an­lasst, § 2 Abs. 2 GKG.
Die Rechts­be­schwer­de war gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG nicht zu­zu­las­sen, weil die Ent­schei­dung auf den Umständen des Ein­zel­falls be­ruht und kei­ne Rechts­fra­gen von grundsätz­li­cher Be­deu­tung be­trifft.

 

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