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LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 04.04.2006, 6 Sa 785/05

   
Schlagworte: Kündigung, Kündigung: betriebsbedingt, Abfindung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Aktenzeichen: 6 Sa 785/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 04.04.2006
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Weiden
   

Aus­fer­ti­gung

6 Sa 785/05

5 Ca 510/05 S (Wei­den)

 

Verkündet am 04. April 2006

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT NÜRN­BERG

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

in dem Rechts­streit

Die 6. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nürn­berg hat durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Nürn­berg Vet­ter als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bay­er J. und Schnei­der G. auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 14.02.2006

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Wei­den, Kam­mer Schwan­dorf, vom 21.07.2005, Az. 5 Ca 510/05 S, wird auf Kos­ten des Klägers zurück­ge­wie­sen.

 

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Tat­be­stand:

Die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt wird zu­ge­las­sen.

Die Par­tei­en strei­ten über die Be­rech­nung ei­ner Ab­fin­dung, die für den Fall der Nicht­er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu­ge­sagt wur­de.

Der Kläger war seit 03.10.1988 bei der Be­klag­ten als Ein­stel­ler beschäftigt. Er er­hielt zu­letzt bei ei­ner 3.5-St­un­den-Wo­che ei­nen St­un­den­lohn von 10,03 € brut­to. Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 28.10.2004 mit Wir­kung zum 28.02.2005.

Das dem Kläger über­mit­tel­te Kündi­gungs­schrei­ben — An­la­ge 1 zur Kla­ge­schrift, BI. 5 d.A. — hat fol­gen­den Wort­laut:

 

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„hier­mit kündi­gen wir das mit Ih­nen durch Ar­beits­ver­trag vom 01.09.2003 ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich zum 28.02.05.

Es han­delt sich um ei­ne Kündi­gung auf­grund von drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Wir wei­sen

 

 

 

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Sie dar­auf hin, dass Sie ei­ne Ab­fin­dung be­an­spru­chen können, wenn Sie in­ner­halb der dreiwöchi­gen Frist für die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge nach § 4 Satz 1 KSchG. kei­ne Kla­ge er­he­ben.

Der Be­triebs­rat wur­de zur Kündi­gung ord­nungs­gemäß an­gehört. Die Stel­lung­nah­me des Be­triebs­ra­tes ist die­sem Schrei­ben in Ko­pie als An­la­ge bei­gefügt.

Dem Schrei­ben bei­gefügt war ei­ne Ab­lich­tung des Anhörungs­schrei­bens an den Be­triebs­rat vom 22.10.2004 (An­la­ge zur Kla­ge­schrift, Bl. 6 d.A.). Hier­in ist an­ge­kreuzt, dass der Be­triebs­rat der Kündi­gung zu­stim­me. Auf die­sem Schrei­ben ist hand­schrift­lich vom Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den — al­ler­dings oh­ne Un­ter¬zeich­nung oder Na­mens­zei­chen -- ein­ge­tra­gen:

Der Kläger er­hob kei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Die Be­klag­te zahl­te ihm mit der Fe­bru­ar­ab­rech­nung ei­nen Be­trag in Höhe von 8.000,- € als Ab­fin­dung aus.

Mit sei­ner am 21.03.2005 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­reich­ten Kla­ge hat der Kläger An­spruch auf Zah­lung ei­nes wei­te­ren Ab­fin­dungs­be­tra­ges von 4.076,16 € gel­tend ge­macht. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es ste­he ihm auf­grund des Kündi­gungs­schrei­bens, in dem ihm ei­ne Ab­fin­dung nach § 1a KSchG für den Fall der Nicht­er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge ver­spro­chen wor­den sei, ein Ab­fin­dungs­be­trag in Höhe ei­nes hal­ben Mo­nats­ge­hal­tes zu. Da er von Ok­to­ber 1988 bis Fe­bru­ar 2005 und da­mit 16 vol­le Jah­re bei der Be­klag­ten beschäftigt ge­we­sen sei, er­rech­ne sich auf der Ba­sis ei­nes. Brut­to­mo­nats­ge­hal­tes von 1.509,52 € ein Ab­fin­dungs­be­trag von 12.076,16 €. So­weit sich die Be­klag­te dar­auf be­ru­fen ha­be, es sei ein Ab­fin­dungs­be­trag von 8.000,- € ver­ein­bart wor­den, sei dies un­er­heb­lich. Er selbst ha­be mit der Be­klag­ten nichts ver­ein­bart. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de sei nicht von ihm be­auf­tragt wor­den, ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung zu tref­fen. im übri­gen wäre ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung un­wirk­sam, weil sie ge­gen § la Abs. 2 KSchG und da­mit ge­gen zwin­gen­des Ge­set­zes­recht ver­s­toßen würde.

 

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Der Kläger hat im Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt da­her zu­letzt fol­gen­de Anträge ge­stellt:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 4.076,16 nebst 5 Pro­zent­punk­ten Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat ein­ge­wandt, die Kla­ge sei nicht be­gründet. Bei dem im Kündi­gungs­schrei­ben ge­mach­ten An­ge­bot ha­be es sich nicht um ein An­ge­bot nach § 1a KSchG ge­han­delt, son­dern um ei­nes auf Zah­lung ei­nes Ab­fin­dungs­be­tra­ges von 8.000,- E für den Fall der Nicht­er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Dies er­ge­be sich oh­ne wei­te­res dar­aus, dass die­ser Ab­fin­dungs­be­trag in der dem Kündi­gungs­schrei­ben bei­gefügten An­la­ge aus­drück­lich ge­nannt wor­den sei. Sie, die Be­klag­te, ha­be sich vor Aus­spruch der Kündi­gung mit dem Be­triebs­rat über Lösungsmöglich­kei­ten hin­sicht­lich der Ar­beits­verhält­nis­se un­ter­hal­ten. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be sich dar­auf­hin mit den be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mern, auch mit dem Kläger, be­ra­ten. Er ha­be sich mit dem Kläger dar­auf verständigt, dass die­ser bei ei­nem Ab­fin­dungs­be­trag von 8.000,- mit ei­nem Ver­zicht auf die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ein­ver­stan­den sei.

Der Kläger hat ein­ge­wandt, aus dem Kündi­gungs­schrei­ben selbst er­ge­be sich aus­drück­lich, dass die. Be­klag­te ei­ne Ab­fin­dung nach § 1a KSchG ver­spro­chen ha­be. Die Be­stim­mung sei zwar nicht ge­nannt, wer­de aber in ih­rem Wort­laut wie­der­holt. Die Vor­schrift des § la KSchG sei ei­ner Aus­le­gung nicht zugäng­lich. Dort sei­en die Fol­gen ei­nes sol­chen An­ge­bots ge­setz­lich zwin­gend fest­ge­legt. Das An­ge­bot des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den stel­le im Übri­gen kein An­ge­bot des

 

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Ar­beit­ge­bers dar und sei da­her un­be­acht­lich. Auch tra­ge die­ses An­ge­bot kei­ne Un­ter­schrift. Es sei falsch, dass er, der Kläger, sich mit dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den auf Zah­lung ei­nes Ab­fin­dungs­be­tra­ges von 8.000,- ge­ei­nigt ha­be.

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Das Ar­beits­ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch un­eid­li­che Ein­ver­nah­me des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den D zur Ver­ein­ba­rung ei­ner Ab­fin­dungs­sum­me. Des ge­nau­en Wort­lau­tes der Be­weis­auf­nah­me we­gen wird auf die Nie­der­schrift über die münd­li­che. Ver­hand­lung vor dem Ar­beits­ge­richt vom 21.07.2005 Be­zug ge­nom­men (BI. 30 f. d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt Wei­den hat die Kla­ge mit En­dur­teil vom 21.07.2005 ab­ge­wie­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die­se Ent­schei­dung im we­sent­li­chen da­mit be­gründet, nach der durch­geführ­ten Be­weis­auf­nah­me sei die Kam­mer über­zeugt, dass die Par­tei­en ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 8.000,- € ver­ein­bart hätten. § 1a KSchG sei auf ei­ne der­ar­ti­ge Ver­ein­ba­rung nicht an­wend­bar. Die ge­setz­li­che Re­ge­lung set­ze vor­aus, dass es an ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung feh­le. Der Zeu­ge D ha­be glaubwürdig aus­ge­sagt, dass er dem Kläger das An­ge­bot der Be­klag­ten auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 8.000,-.€ wei­ter­ge­ge­ben ha­be. Sie sei auch über­zeugt, dass der Kläger nach ei­ner Be­denk­zeit sein Ein­verständ­nis ge­ge­ben ha­be. Ei­ne ent­spre­chen­de. Ver­ein­ba­rung sei zu­stan­de ge­kom­men, da der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de je­weils für die Par­tei­en als Bo­te fun­giert ha­be.

Das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts ist dem Kläger aus­weis­lich des Emp­fangs­be­kennt­nis­ses sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten am 13.09.2005 zu­ge­stellt wor­den (BI. 39 d.A.). Der Kläger hat mit Schrift­satz sei­nes Ver­tre­ters vom 29.09.2005, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt aus­weis­lich des Ein­gangs­stem­pels ein­ge­gan­gen am 04.10.2005, Be­ru­fung ein­ge­legt. Er hat die­se Be­ru­fung mit am 10.11.2005 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nem Schrift­satz vom 09.11.2005 be­gründet.

Der Kläger hat sich in der Be­ru­fung dar­auf gestützt, das Ar­beits­ge­richt sei fälsch­lich da­von aus­ge­gan­gen, dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ei­ne wirk­sa­me Ab­fin­dungs­ver­ein­ba­rung zwi­schen den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­mit­telt ha­be, Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be die Ver­hand­lun­gen über die Ab­fin­dung geführt. Es sei nicht denk­bar, dass er gleich­zei­tig als Bo­te an­zu­se­hen sei. Ein Auf­trag zur Über­mitt­lung ei­ner Wil­lens­erklärung sei sei­ner Zeu­gen­aus­sa­ge nicht zu

 

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ent­neh­men. We­der er, der Kläger, noch die Be­klag­te, hätten ihm ei­nen sol­chen Auf­trag ge­ge­ben. Er ha­be wohl im Rah­men. sei­nes Mit­be­stim­mungs­rech­tes ge­han­delt und von sich aus Ab­fin­dungs­zah­lun­gen ver­mit­teln wol­len. Sei­ne Äußerun­gen ge­genüber ihm, dem Kläger, sei­en nur als In­for­ma­ti­on an ei­nen Ar­beit­neh­mer zu ver­ste­hen, wei­chen Ab­fin­dungs­be­trag der Ar­beit­ge­ber zu zah­len be­reit sei. Die Ver­hand­lung des Be­triebs­rats sei ge­gen sei­ne, des Klägers, In­ter­es­sen er­folgt, da ihm, dem Kläger, nach § la KSchG ein höhe­rer Ab­fin­dungs­be­trag in Höhe ei­nes hal­ben Mo­nats­ge­hal­tes ge­setz­lich zu­ste­he. Das Ar­beits­ge­richt ha­be bei der Würdi­gung der Zeu­gen­aus­sa­ge zu­dem über­se­hen, dass der Zu­satz über die Ver­ein­ba­rung ei­nes Ab­fin­dungs­be­tra­ges von kei­ner Sei­te un­ter­zeich­net sei. Sei­ne Un­ter­schrift für die Be­klag­te sei je­doch zwin­gen­de Wirk­sam­keits­vor­aus­set­zung für den Ab­schluss ei­ner. ent­spre­chen­den Ver­ein­ba­rung. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be aus­ge­sagt, er ha­be un­ter­schrie­ben. Ei­ne Un­ter­schrift feh­le je­doch. Da­mit sei auch ge­genüber der Be­klag­ten kei­ne wirk­sa­me Erklärung des Klägers für ei­ne Ab­fin­dung von. 8.000,- € er­folgt. Ei­ne sol­che Ver­ein­ba­rung set­ze in ana­lo­ger. An­wen­dung der Vor­schrif­ten des § 112 Be­trVG zum In­ter­es­sen­aus­gleich grundsätz­lich Schrift­form vor­aus, zu­mal — träfen die Ausführun­gen der Be­klag­ten zu — von ei­ner ein­deu­ti­gen ge­setz­li­chen Re­ge­lung ha­be ab­ge­wi­chen wer­den sol­len. Im übri­gen sei die For­mu­lie­rung im Kündi­gungs­schrei­ben selbst, der Ar­beit­neh­mer er­hal­te „ei­ne Ab­fin­dung", nichts­sa­gend und un­ver­bind­lich. Ver­bind­lich­keit er­ge­be sich al­lein durch die An­wen­dung der Vor­schrift des § la KSchG.

Der Kläger stellt als Be­ru­fungskläger da­her in der Be­ru­fungs­in­stanz fol­gen­de Anträge:

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Wei­den, Kam­mer Schwan­dorf, vorn 21.07.2005, Az. 5 Ca 510/05 S, wird auf­ge­ho­ben.

II. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 4.076,16 € nebst fünf Pro­zent­punk­ten Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit der Kla­ge zu zah­len.

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

Die Be­klag­te be­an­tragt als Be­ru­fungs­be­klag­te,

die Be­ru­fung kos­ten­pflich­tig zurück­zu­wei­sen.

 

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Die Be­klag­te schließt sich den Ausführun­gen des. Ar­beits­ge­richts an. Sie meint, die Vor­schrift des § la KSchG sei auf die vor­lie­gen­de Kon­stel­la­ti­on nicht an­wend­bar. Sie gel­te nur dann, wenn zwi­schen den Par­tei­en ei­ne Ver­ein­ba­rung über ei­ne kon­kre­te an­de­re Ab­fin­dungs­zah­lung nicht er­folgt sei. Ge­nau dies sei aber der. Fall ge­we­sen. Die­se Ver­ein­ba­rung sei durch Ver­mitt­lung des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den zu­stan­de ge­kom­men. Schrift­form sei hierfür nicht. Vor­aus­set­zung. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be ih­re, der Be­klag­ten, Vor­stel­lung von ei­ner Ab­fin­dungs­zah­lung von 500,- € pro Beschäfti­gungs­jahr an die Ar­beit­neh­mer über­mit­telt. Er ha­be dem Kläger erklärt, die­ser könne auch selbst ver­su­chen, mit dem Chef ei­ne bes­se­re Ab­fin­dung aus­zu­han­deln. Der Kläger ha­be zunächst mit sei­nem Rechts­an­walt be­ra­ten wol­len. Er ha­be dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den nach ei­ner Be­denk­zeit mit­ge­teilt, dass er mit ei­ner Ab­fin­dung von 8.000,- € ein­ver­stan­den sei. An der Wirk­sam­keit ei­ner sol­chen Ver­ein­ba­rung sei nicht zu zwei­feln.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf den Tat­be­stand des Erst­ur­teils vom 21.07.2005 (BI. 33 ff. d.A.), die Nie­der­schrift über die münd­li­che Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt vom 14.02.2006 (BI. 82 f. d.A.) und die zwi­schen den Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist statt­haft, weil sie sich ge­gen ein ar­beits­ge­richt­li­ches Ur­teil rich­tet (§ 64 Abs. 1 ArbGG). Der Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des über­steigt 600,- Eu­ro (§ 64 Abs. 2 b) ArbGG). Die Be­ru­fung ist auch in der ge­setz­li­chen Form und Fist ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519 ZPO, 66 Abs. 1 S. 1, S. 2 ArbGG).

 

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II.

Die. Be­ru­fung ist je­doch nicht be­gründet. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts er­weist sich als rich­tig. Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Be­ru­fungs­kam­mer folgt den sorgfälti­gen Erwägun­gen des Ar­beits­ge­richts, de­nen sie sich in vol­lem Um­fang an­sch­ließt, so dass auf ei­ne er­neu­te, nur wie­der­ho­len­de Dar­stel­lung ver­zich­tet wer­den kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Nur ergänzend ist im Hin­blick auf die in der Be­ru­fung von den Par­tei­en vor­ge­tra­ge­nen Ar­gu­men­te noch hin­zu­zufügen:

1. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­ru­fung be­ste­hen kei­ne Be­den­ken da­ge­gen, dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de in der La­ge war, zwi­schen den Par­tei­en ei­ne kon­kre­te Ab­fin­dungs­zah­lung für den Fall des Ver­zichts des Klägers auf ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge aus­zu­han­deln. Auch der Kläger hat kon­kre­te An­halts­punk­te ge­gen die Rich­tig­keit der Zeu­gen­aus­sa­ge des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den D. nicht an­geführt, so dass die­se auch der Be­ru­fungs­ent­schei­dung zu­grun­de ge­legt wer­den kann.

Der Ein­wand, der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de könne nicht Bo­te der Wil­lens­erklärun­gen von Kläger und Be­klag­ter sein, weil er selbst die Ver­hand­lun­gen über die Ab­fin­dun­gen mit dem Be­triebs­lei­ter geführt ha­be, trägt nicht. Die Ver­hand­lun­gen mit dem Be­triebs­lei­ter wa­ren ab­ge­schlos­sen. Nach Aus­sa­ge des Zeu­gen hat­te die­ser die Ab­fin­dung von 500,- € pro Beschäfti­gungs­jahr für den Fall des Feh­lens ei­ner Kla­ge zu­ge­stimmt. Die­se Zu­stim­mung al­lein, in­so­fern ist dem Kläger recht zu ge­ben, be­sagt im Verhält­nis der Pro­zess­par­tei­en noch nichts. Die vor­aus­ge­gan­ge­nen Ver­hand­lun­gen ste­hen al­ler­dings der vom Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­me­nen Ei­gen­schaft als Bo­ten des Be­triebs­lei­ters nicht ent­ge­gen. Zwar kann der Aus­sa­ge des Zeu­gen — in­so­weit ist der Zeu­ge of­fen­bar auch nicht wei­ter ge­fragt wor­den — in der

 

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Tat nicht ent­nom­men wer­den, dass der Be­triebs­lei­ter den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den be­auf­tragt hätte, ein sol­ches An­ge­bot im Na­men der Be­klag­ten ab­zu­ge­ben. In der Tat spricht vie­les dafür, dass es sich in­so­weit um ei­ne In­for­ma­ti­on des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den oh­ne kon­kre­ten Auf­trag zur Über­mitt­lung ei­ner Wil­lens­erklärung und ei­nes Ver­trags­ab­schlus­ses ge­han­delt hat. An­de­rer­seits be­ste­hen kei­ner­lei Zwei­fel, dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de. dem Kläger die Al­ter­na­ti­ven — Kündi­gungs­pro­zess, An­nah­me der ver­ein­bar­ten Ab­fin­dung von 500,- € pro Beschäfti­gungs­jahr oder das Führen ei­ge­ner Ver­hand­lun­gen mit dem Be­triebs­lei­ter — auf­ge­zeigt und von die­sem die Ein­verständ­nis­erklärung zum. Aus­schei­den mit dem fest ver­ein­bar­ten Ab­fin­dungs­be­trag mit­ge­nom­men hat. Die Tat­sa­che, dass die­se Erklärung nicht un­ter­schrie­ben war, scha­det nicht. Der. Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de hat dar­ge­tan, dass der Kläger aus­drück­lich mit die­ser Re­ge­lung ein­ver­stan­den war und dass er die­ses Ein­verständ­nis dem Be­triebs­lei­ter mit­ge­teilt hat. Schrift­form ist für ei­ne sol­che Mit­tei­lung nicht er­for­der­lich. Al­ler­dings ist. dem Kläger in­so­weit Recht zu ge­ben, dass ei­ne An­nah­me­erklärung der Be­klag­ten nicht er­kenn­bar ist. Un­abhängig da­von käme ei­ne der­ar­ti­ge Ab­ma­chung der Ver­ein­ba­rung ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges gleich und bedürf­te da­mit nach § 623 BGB der Schrift­form.

Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers konn­te der Kläger im Hin­blick auf die geführ­ten Gespräche mit dem Be­triebs­rat und dem in der An­la­ge zum Kündi­gungs­schrei­ben ent­hal­te­nen Hin­weis auf die Ver­ein­ba­rung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 8.000,- € nicht da­von aus­ge­hen, dass ihm die Be­klag­te als Aus­gleich für. den Ver­zicht auf die Kündi­gungs­schutz­kla­ge. ein An­ge­bot nach §la KSchG mit der. Fol­ge der nach § la Abs. 2 KSchG zu be­rech­nen­den Ab­fin­dung ge­macht ha­be. Zwar ent­spricht der .Wort­laut in der Kündi­gungs­erklärung dem Hin­weis nach § 1 a Abs. 1 S. 2 KSchG. Dies al­lein genügt je­doch zu­min­dest in der vor­lie­gen­den Son­der­kon­stel­la­ti­on, in der dem Ar­beit­neh­mer die vom Ar­beit­ge­ber be­ab­sich­tig­te Höhe der Ab­fin­dung auf­grund der Gespräche mit dem Be­triebs­rat und auf­grund der Be­mer­kung auf dem Be­gleit­schrei­ben be­kannt war, nicht zur Be­gründung des ge­setz­li­chen An­spru­ches nach § la Abs. 2 KSchG.. Dies gilt un­abhängig da­von, ob

 

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es sich bei der Vor­schrift des § la KSchG um die Be­gründung ei­nes ge­setz­li­chen An­spru­ches han­delt oder nicht. In der kon­kre­ten Si­tua­ti­on konn­te der Kläger nach sei­nem Empfänger­ho­ri­zont nämlich ge­ra­de nicht da­von aus­ge­hen, dass der Ar­beit­ge­ber die­se ge­setz­li­che Re­ge­lung im Au­ge hat­te und ihm ei­ne Ab­fin­dungshöhe gemäß § la Abs. 2 KSchG an­bie­ten woll­te. Es be­steht in der Li­te­ra­tur im we­sent­li­chen Ei­nig­keit, dass auch Re­ge­lun­gen in Ab­wei­chung zu § 1a KSchG, und zwar auch nied­ri­ge­re Ab­fin­dungs­an­ge­bo­te für den Fall der Nicht­er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge, im Rah­men der Ver­trags­frei­heit zulässig sind (vgl. et­wa Raab RdA 2005, 1 ff., ins­bes. 7/8; Ascheid in Er­fur­ter Kom­men­tar, 6. Aufl. 2006, § la KSchG Rn. 6; Quecke in Hens­sier­Mil­lern­sen/Kalb, § la KSchG Rn. 12 f.; KR-Spil­ger, Ge­mein­schafts­kom­men­tar zum Kündi­gungs­recht, 7. Aufl. 2004, § la Rn. 60 f; Ascheid in Ascheid/Preis/Schmidt, Großkom­men­tar zum Kündi­gungs­recht, 2. Aufl. 2004, .Rn. 7; Mu­es in Mu­es/Ei­sen­beis/Le­ger­lotz/La­ber, Hand­buch zum. Kündi­gungs­recht, Teil 2 Rn. 691 ff.; Rolfs, AR-Blat­te' Ab­fin­dung Rn. 32, je­weils mit um­fang­rei­chen Nach­wei­sen). Dies gilt vor­lie­gend um so mehr, als der Kläger nicht nur vom Vor­han­den­sein der mit dem Be­triebs­rat für al­le Ar­beit­neh­mer ver­ein­bar­ten Ab­fin­dungs­re­ge­lung wuss­te, son­dern weil er durch die Ge­stal­tung des Ar­beit­ge­ber­an­ge­bots mit dem Hin­weis, es sei ei­ne Ab­fin­dung von 8.000,- € ver­ein­bart, er­ken­nen muss­te, dass sei­ne dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den ge­genüber erklärte — vor­weg­ge­nom­me­ne — Zu­stim­mungs­erklärung zu die­ser Re­ge­lung auch dem Ar­beit­ge­ber mit­ge­teilt wor­den war, dass sich der Ar­beit­ge­ber mit sei­nem Ab­fin­dungs­an­ge­bot ge­ra­de auf die­se ihm be­kann­te Zu­stim­mung be­zog. Für den Kläger war auf­grund der Umstände da­her er­kenn­bar, dass es sich bei der Erklärung des Ar­beit­ge­bers trotz des in­so­weit miss­verständ­li­chen Wort­lau­tes im Kündi­gungs­schrei­ben nicht um ein An­ge­bot nach § la Abs. 2 KSchG han­del­te, son­dern um ein An­ge­bot zur Zah­lung der in der An­la­ge zu die­sem Schrei­ben ent­hal­te­nen Ab­fin­dungs­zah­lung von 8.000,- €. Mehr woll­te die Be­klag­te ihm er­kenn­bar nicht zu­kom­men las­sen. Dies gilt auch, wenn man den Hin­weis des Ar­beit­ge­bers im Kündi­gungs­schrei­ben nach § la Abs. 1 S. 2 KSchG im Nor­mal­fall nicht als Wil­lens­erklärung, son­dern als „geschäftsähn­li­che Hand­lung" an­sieht. Auch der In­halt geschäftsähn­li­cher

 

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Hand­lun­gen muss ent­spre­chend § 133 BGB nach dem Empfänger­ho­ri­zont gemäß den Re­ge­lun­gen für Wil­lens­erklärun­gen fest­ge­stellt wer­den. Für den Kläger war deut­lich, dass es sich nicht um die Re­ge­lung des § 1a Abs. 2 KSchG han­del­te. Es stand dem Kläger frei, trotz die­ser in Aus­sicht ge­stell­ten Zah­lung von — nur 8.000,- € ge­gen die Kündi­gung vor­zu­ge­hen oder das im Schrei­ben ent­hal­te­ne An­ge­bot, das der Ar­beit­ge­ber un­abhängig von der so­for­ti­gen An­nah­me­erklärung des Ar­beit­neh­mers schon aus Gleich­be­hand­lungs­grundsätzen schul­de­te, so dass er die An­nah­me of­fen­sicht­lich nicht für er­for­der­lich hielt, an­zu­neh­men.

Nach der Über­zeu­gung der Kam­mer verstößt das Be­ru­fen des Klägers auf ei­ne Ab­fin­dungs­zah­lung nach § 1a Abs. 2 KSchG auch ge­gen Treu und Glau­ben. Der Kläger hat zunächst, wie sich aus der Zeu­gen­aus­sa­ge des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den er­gibt, sein Ein­verständ­nis mit dem Aus­schei­den ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 8.000,- € erklärt. Mit dem Er­halt des Kündi­gungs­schrei­bens und dem in der An­la­ge ent­hal­te­nen Hin­weis, es sei ei­ne sol­che Ab­fin­dung von 8.000,-.€ ver­ein­bart wor­den, war ihm be­kannt, dass der Ar­beit­ge­ber nur die­se und nicht ei­ne höhe­re Ab­fin­dung an­bie­ten woll­te. Ge­ra­de weil der Kläger da­von aus­ge­hen muss­te, dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de die­ses nach Rück­spra­che mit sei­nem An­walt erklärte Ein­verständ­nis an den Ar­beit­ge­ber wei­ter­ge­ge­ben hat­te und dass sich die­ser of­fen­bar auf die­se Ein­verständ­nis­erklärung ver­las­sen hat­te, wäre es ihm zu­min­dest ab­zu­for­dern ge­we­sen, dem Ar­beit­ge­ber ge­genüber deut­lich zu ma­chen, dass er mit die­ser Lösung nicht mehr ein­ver­stan­den sei. Es ist von der Rechts­ord­nung nicht hin­zu­neh­men, dass man ge­ra­de durch die Erklärung des Ein­verständ­nis­ses mit der vom Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den avi­sier­ten oder an­ge­bo­te­nen Lösung beim Ver­trags­part­ner. den Ein­druck er­weckt, man wer­de sich ent­spre­chend sei­ner Erklärung ver­hal­ten, so dass der Ver­trags­part­ner auf ei­ge­ne Erklärun­gen nicht die not­wen­di­ge Sorg­falt ver­wen­det, um dann ei­ne sol­che — nach Auf­fas­sung des Klägers — un­kla­re, weil im Sin­ne des § 1a KSchG miss­verständ­li­che Lösung ein­zu­for­dern. Es

 

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wäre dem Kläger ein Leich­tes ge­we­sen, dem Ab­fin­dungs­an­ge­bot der Be­klag­ten zu wi­der­spre­chen oder Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu er­he­ben. Selbst wenn die For­mu­lie­rung der Be­klag­ten auf ei­ne Re­ge­lung nach § 1 a Abs. 2 KSchG hin­deu­ten könn­te, wäre es dem Kläger nach § 242 BGB an­ge­sichts sei­nes Vor­ver­hal­tens ver­wehrt, sich auf die­se zu be­ru­fen.

Nach all­dem hat das. Ar­beits­ge­richt rich­tig ent­schie­den, so dass die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen ist.

5. Der Kläger, Be­ru­fungskläger, hat, die Kos­ten sei­nen er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels zu tra­gen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO).

6. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on recht­fer­tigt sich aus der grundsätz­li­chen Be­deu­tung hin­sicht­lich der Aus­le­gung im sinn von § 1 a KSchG miss­verständ­li­cher Erklärun­gen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­se Ur­teil kann vom Kläger Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, spätes­tens bis 04.10.2006, beim Bun­des­ar­beits­ge­richt, Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt (Te­le­fax-Nr. 0361/2636 —.20 00) ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, spätes­tens bis 04.11.2006, schrift­lich be­gründet wer­den.

 

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Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

Vet­ter Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Rich­ter
(zu­gleich für den aus­ge­schie­de­nen eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bay­er)

Schnei­der Eh­ren­amt­li­cher Rich­ter

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