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LAG Köln, Ur­teil vom 02.08.2010, 2 Sa 176/10

   
Schlagworte: Betriebsübergang: Widerspruch, Kündigung: Betriebsübergang
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 2 Sa 176/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.08.2010
   
Leitsätze: Kündigt der bisherige Betriebsinhaber nach Betriebsübergang gegenüber einem übergegangenen Arbeitnehmer und widerspricht der Arbeitnehmer danach dem stattgefundenen Betriebsübergang, so bestand zum Kündigungszeitpunkt ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Kündigendem. Die zum Kündigungszeitpunkt gegebenen Umstände (Betriebsgröße, Existenz eines Betriebsrats, Stilllegungsabsicht) sind der Prüfung der Wirksamkeit zu Grunde zu legen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 8.12.2009, 4 Ca 2077/09
   

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung vom 20.04.2009 des Be­klag­ten zu 1. so­wie um die Fra­ge, ob die Be­klag­te zu 2. ver­pflich­tet ist, die Kläge­rin nach ei­nem Be­triebsüber­gang wei­ter zu beschäfti­gen.

Die am 26.12.1968 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te und ei­nem Kind un­ter­halts­ver­pflich­te­te Kläge­rin war seit dem 01.07.1999 als Ver­kaufs­ab­tei­lungs­lei­te­rin im Be­trieb Ader Ge­mein­schuld­ne­rin beschäftigt. Ge­gen­stand des Un­ter­neh­mens der Ge­mein­schuld­ne­rin war der Ein­zel­han­del mit Be­klei­dung. Das Un­ter­neh­men führ­te deutsch­land­weit 39 Fi­lia­len. In dem Be­trieb A wa­ren vor der In­sol­ven­zeröff­nung am 01.10.2008 elf Mit­ar­bei­ter beschäftigt. Es war ein Be­triebs­rat gewählt wor­den.

Am 01.10.2008 wur­de das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der Ge­mein­schuld­ne­rin eröff­net und der Be­klag­te zu 1. zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Zu­vor wa­ren mit dem ört­li­chen Be­triebs­rat und dem Ge­samt­be­triebs­rat gleich­lau­ten­de In­ter­es­sen­aus­glei­che und So­zi­alpläne zu­stan­de ge­kom­men. Die­se sa­hen u. a. die Ein­rich­tung ei­ner Beschäfti­gungs-und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft vor. Aus dem Be­trieb A wech­sel­ten neun Mit­ar­bei­ter vor dem 01.10.2008, al­so vor der In­sol­ven­zeröff­nung, in die­se Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft. Die Kläge­rin und ei­ne wei­te­re Mit­ar­bei­te­rin be­fan­den sich zu die­sem Zeit­punkt in El­tern­zeit. Bei­de wech­sel­ten nicht in die Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft.

Der Be­klag­te zu 1. hat vor­ge­tra­gen, er ha­be An­fang Ok­to­ber 2008 we­gen der Un­ge­wiss­heit, ob ei­ne Be­triebsüber­nah­me statt­fin­den könne, ent­schie­den, dass sämt­li­che Be­trie­be je­den­falls zum 31.01.2009 ge­schlos­sen wer­den soll­ten.

Am 10.10.2008 hörte der Be­klag­te zu 1. die Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de des A Be­triebs zur Kündi­gung der zwei ver­blie­be­nen Mit­ar­bei­ter an. Am 16.10.2008 schloss der Be­klag­te zu 1. mit dem Ge­samt­be­triebs­rat ei­nen wei­te­ren In­ter­es­sen­aus­gleich mit Na­mens­lis­te, der sämt­li­che Mit­ar­bei­ter ent­hielt, die nicht in die Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft über­ge­gan­gen wa­ren. Auf die­ser Na­mens­lis­te be­fand sich auch der Na­me der Kläge­rin.

Seit et­wa En­de Ok­to­ber/An­fang No­vem­ber 2008 führt die Be­klag­te zu 2. die Fi­lia­le in A wei­ter. Sie be­nutzt hier­zu die bis­he­ri­gen Be­triebsräum­lich­kei­ten, das bis­he­ri­ge In­ven­tar so­wie den in der Fi­lia­le vor­han­de­nen Wa­ren­be­stand wei­ter. Fer­ner hat sie das Sor­ti­ment un­verändert ge­las­sen, wel­ches aus ca. 60 % Ei­gen­mar­ken und 40 % Fremd­mar­ken (z. B. G , E ) be­steht. Als Mit­ar­bei­ter setzt die Be­klag­te zu 2. die von der Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft an­ge­stell­ten Mit­ar­bei­ter leih­wei­se ein.

We­gen der El­tern­zeit der Kläge­rin be­an­trag­te der Be­klag­te zu 1. die Zu­stim­mung der Be­zirks­re­gie­rung zur Kündi­gung und er­hielt die­se durch Be­scheid vom 14.04.2009. Am 20.04.2009 sprach der Be­klag­te zu 1. Hier streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung der Kläge­rin zum 31.07.2009 aus. Die­se Kündi­gung ist der Kläge­rin am 21. oder 22.04.2009 zu­ge­gan­gen. Sie er­hob am 11.05.2009 Kündi­gungs­schutz­kla­ge.

Am 01.04.2009 wur­de veröffent­licht, dass das In­sol­venz­ver­fah­ren mas­se­arm ist. Am 21.10.2009, im Lau­fe des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens wi­der­spra­chen die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten ei­nem mögli­chen Be­triebsüber­gang.

Im erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren hat sich der Be­klag­te zu 1. ge­gen die Kla­ge da­mit ver­tei­digt, der Be­trieb in A ha­be bei Zu­gang der Kündi­gung am 21. oder 22.04.2009 le­dig­lich noch zwei Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz sei nicht mehr an­wend­bar.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 

1. es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung des Be­klag­ten vom 20.04.2009 nicht be­en­det wird.

2. im Fall des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1. wird der Be­klag­te ver­ur­teilt, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Ver­kaufs­ab­tei­lungs­lei­te­rin wei­ter zu beschäfti­gen.

Der Be­klag­te zu 1. hat be­an­tragt, 

die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ab­ge­wie­sen, da es sich bei der Fi­lia­le in Als­dorf um ei­nen ei­genständi­gen Be­trieb han­de­le, der zum Kündi­gungs­zeit­punkt dau­er­haft we­ni­ger als zehn Ar­beit­neh­mer im Sin­ne von § 23 KSchG beschäfti­ge. Da die Kläge­rin am 21.10.2009 ei­nem mögli­chen Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen ha­be, prüfte das Ge­richt ei­ne evtl. Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung gemäß § 613 a BGB nicht.

Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit der Be­ru­fung und er­wei­tert die Kla­ge ge­genüber der Be­klag­ten zu 2. Sie ver­tritt zunächst die An­sicht, dass ihr Wi­der­spruch ge­gen den Be­triebsüber­gang vom 21.10.2009 schlicht un­er­heb­lich oder un­be­acht­lich sei, da sie zu die­sem Zeit­punkt nicht hin­rei­chend über die Aus­wir­kun­gen des Be­triebsüber­gangs im Sin­ne des § 613 a Abs. 5 BGB in­for­miert wor­den sei. Da ein Be­triebsüber­gang ge­ge­ben sei, könne der Kündi­gungs­grund Be­triebs­still­le­gung zum 31.01.2009 die Kündi­gung nicht recht­fer­ti­gen. Zu­dem ha­be am 20.04.2009 zwi­schen der Kläge­rin und dem Be­klag­ten zu 1. kein Ar­beits­verhält­nis mehr be­stan­den, so dass die Kündi­gung ins Lee­re ge­gan­gen sei. Da ein Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten zu 2. be­ste­he, sei der Beschäfti­gungs­an­spruch die­ser ge­genüber eben­falls be­gründet.

Die Kläge­rin be­an­tragt, 

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Aa­chen vom 08.12.2009 – 4 Ca 2077/09 –

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1. vom 20.04.2009 nicht be­en­det wor­den ist;
2. fest­zu­stel­len, dass ein Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zu 2. be­steht,
3. im Fall des Ob­sie­gens mit den Anträgen zu 1. und 2. den Be­klag­ten zu 2. zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Ver­kaufs­ab­tei­lungs­lei­te­rin wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­ten zu 1. und 2. be­an­tra­gen, 

die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te zu 1. ver­weist dar­auf, dass die Kündi­gungs­schutz­kla­ge auch dann ab­zu­wei­sen wäre, wenn er zum Zeit­punkt der Kündi­gung tatsächlich nicht mehr Ar­beit­ge­ber der Kläge­rin ge­we­sen wäre. Denn das Ob­sie­gen mit der Kündi­gungs­schutz­kla­ge set­ze vor­aus, dass der Kündi­gen­de auch tatsächlich Ar­beit­ge­ber zum Kündi­gungs­zeit­punkt ge­we­sen sei, dass zu die­sem Zeit­punkt al­so ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den ha­ben müsse. Tatsächlich ha­be zum Kündi­gungs­zeit­punkt ein Ar­beits­verhält­nis be­stan­den, da die Kläge­rin dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen ha­be und die­ser Wi­der­spruch nicht un­be­acht­lich sei. Der Be­klag­te zu 1. als In­sol­venz­ver­wal­ter führe den Be­trieb der Ge­mein­schuld­ne­rin nicht
wei­ter.

Die Be­klag­te zu 2. be­strei­tet das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs, oh­ne auf die von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen im Ein­zel­nen ein­zu­ge­hen. Je­den­falls sei die Kläge­rin nicht Ar­beit­neh­me­rin der Be­klag­ten zu 2., da sie dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen ha­be und da­mit von An­fang an kein Ar­beits­verhält­nis zum Be­klag­ten zu 2. ent­stan­den sei.

Hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird gemäß § 313 ZPO auf den Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die frist­ge­rech­te und zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ist nicht be­gründet. Die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1. vom 20.04.2009 hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en zum 31.07.2009 be­en­det. Zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 2. be­steht kein Ar­beits­verhält­nis.

Am 20.04.2009 be­stand zwi­schen dem Be­klag­ten zu 1. als In­sol­venz­ver­wal­ter über das Vermögen der Ge­mein­schuld­ne­rin und der Kläge­rin ein Ar­beits­verhält­nis. Zwar ist es zu­tref­fend, dass spätes­tens ge­gen En­de Ok­to­ber/An­fang No­vem­ber 2008 ein Be­triebsüber­gang des selbstständi­gen Be­triebs A auf die Be­klag­te zu 2. statt­ge­fun­den hat. Die Kläge­rin hat sub­stan­ti­iert dar­ge­stellt, dass die we­sent­li­chen Be­triebs­mit­tel des Be­klei­dungs­ein­zel­han­dels auf die Be­klag­te zu 2. über­ge­gan­gen sind. So wur­de das Geschäfts­lo­kal bei­be­hal­ten. Der bis­he­ri­ge Fir­men­na­me wur­de in den neu­en Un­ter­neh­mens­na­men in­te­griert. Die in dem Be­trieb vor­han­de­nen Aus­stat­tungs­ge­genstände wie Kas­sen wur­den eben­so wie die vor­han­de­nen Wa­ren über­nom­men. Die Ver­kaufs­kon­zep­ti­on (60 % Ei­gen­mar­ken, 40 % Fremd­mar­ken, an­zu­spre­chen­de Käufer­schicht) wur­de bei­be­hal­ten. Die er­for­der­li­chen Mit­ar­bei­ter wur­den im We­sent­li­chen aus der Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft re­kru­tiert. Da­mit liegt die vom EuGH (AZ 466/07, 12.02.2009) ge­for­der­te Bei­be­hal­tung der Ver­knüpfung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel auch in dem von der Be­klag­ten zu 2. fort­geführ­ten Be­trieb vor.

An die­sem Be­triebsüber­gang hätte die Kläge­rin auch teil­ge­nom­men, wenn sie nicht am 29 21.10.2009 dem Be­triebsüber­gang wi­der­spro­chen hätte.

Der Wi­der­spruch führt grundsätz­lich da­zu, dass un­verändert und un­un­ter­bro­chen mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber ein fort­ge­setz­tes Ar­beits­verhält­nis be­steht (BAG v. 13.07.2006, AZ 8 AZR 305/05 Rn. 41 mwN, BAG v. 23.07.2009, AZ 8 AZR 538/08 Rn. 51).

Der Wi­der­spruch der Kläge­rin war auch nicht un­wirk­sam. Dies er­gibt sich zunächst un­ter An­wen­dung der Grundsätze, die das Bun­des­ar­beits­ge­richt in sei­nem Ur­teil vom 30.10.2003 (8 AZR 491/02) auf­ge­stellt hat. Der Wi­der­spruch ge­gen ei­nen Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses ist nicht frei wi­der­ruf­lich. Er ist dar­auf ge­rich­tet, die ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Rechts­fol­ge, den Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Be­triebsüber­neh­mer nicht ein­tre­ten, son­dern statt­des­sen das Ar­beits­verhält­nis mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber fort­be­ste­hen zu las­sen. Sei­ne Ausübung stellt ein be­din­gungs­feind­li­ches Rechts­geschäft dar, das durch ein­sei­ti­ge emp­fangs­bedürf­ti­ge Wil­lens­erklärung er­folgt. Die­se Vor­aus­set­zun­gen an die Wi­der­spruch­serklärung erfüllt das Schrei­ben der Kläger­ver­tre­ter vom 21.10.2009. Es ist ge­rich­tet an den Be­klag­ten zu 1. und ziel­te of­fen­sicht­lich dar­auf, im be­reits anhängi­gen Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren den Be­klag­ten zu 1. wie­der zum Ar­beit­ge­ber der Kläge­rin zu ma­chen, um so­dann mit der in den Par­al­lel­ver­fah­ren ver­tre­ten­den Rechts­an­sicht, bei der Kündi­gung sei ei­ne Be­triebs­sch­ließung nicht be­ab­sich­tigt ge­we­sen, ob­sie­gen zu können. Die Kläge­rin hat al­ler­dings hier­bei über­se­hen, dass die Kündi­gun­gen in dem Par­al­lel­ver­fah­ren be­reits Mit­te bis En­de Ok­to­ber 2008 aus­ge­spro­chen wur­den.

Der Wi­der­spruchs ist auch nicht so lan­ge frei wi­der­ruf­lich, so­lan­ge dem Ar­beit­neh­mer die In­for­ma­tio­nen nach § 613 a Abs. 5 BGB noch nicht er­teilt wur­den. Würde man die An­sicht ver­tre­ten, dass ein be­reits aus­geübter Wi­der­spruch so­lan­ge frei wi­der­ruf­lich sei, als ei­ne ord­nungs­gemäße In­for­ma­ti­on nicht er­folgt ist, hätte dies zur Fol­ge, dass Ar­beit­neh­mer, die In­for­ma­tio­nen über ei­nen mögli­chen Be­triebsüber­gang le­dig­lich aus Pres­se­be­rich­ten er­hal­ten, bis zu ei­ner nach­ge­hol­ten In­for­ma­ti­on sei­tens der be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­ber ih­ren Wi­der­spruch ggf. auch mehr­fach ausüben und wi­der­ru­fen könn­ten. Ei­ne rechts­si­che­re Be­ur­tei­lung, wer ge­nau Ar­beit­ge­ber des Ar­beit­neh­mers ist, würde sich hier­mit nicht ver­ein­ba­ren las­sen. Auch in den Mas­sen­ver­fah­ren zur Fra­ge der feh­ler­haf­ten In­for­ma­ti­on über ei­nen Be­triebsüber­gang (A und B ) wur­de sei­tens der Ge­rich­te nicht über­prüft, ob der Wi­der­spruch gänz­lich un­be­acht­lich oder ggf. noch wi­der­ruf­lich sei, weil zum Zeit­punkt der Ausübung des Wi­der­spruchs im­mer noch kei­ne ab­sch­ließen­de und vollständi­ge In­for­ma­ti­on der Ar­beit­neh­mer er­folgt war.

Wenn ein Wi­der­spruch er­folgt, kann viel­mehr da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Ar­beit­neh­mer sich die feh­len­den oder un­vollständi­gen In­for­ma­tio­nen zum Be­triebsüber­gang selbst ver­schafft hat und sein Wi­der­spruchs­recht des­halb ausübt, weil er das Ar­beits­verhält­nis mit sei­nem bis­he­ri­gen Ver­trags­part­ner fort­set­zen will. So­weit bei Ab­ga­be die­ser Erklärung ein be­acht­li­cher Recht­fol­ge­nirr­tum vor­ge­le­gen ha­ben soll­te, rei­chen die im BGB vor­ge­se­he­nen An­fech­tungsmöglich­kei­ten, um die Erklärung zu be­sei­ti­gen. Der auf Grund der feh­len­den In­for­ma­ti­on be­ste­hen­de Schwe­be­zu­stand ist im Ge­setz so an­ge­legt.Die Wirk­sam­keit des Wi­der­spruchs eben­falls von der aus­rei­chen­den In­for­ma­ti­on nach § 613a Abs.5 BGB abhängig zu ma­chen, wi­derspräche dem Grund­satz, dass Aus­nah­me­re­ge­lun­gen nicht ana­log an­wend­bar sind.

Auch aus der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 25.10.2007 (8 AZR 989/06) er­gibt sich nicht, dass vor­lie­gend der Wi­der­spruch der Kläge­rin ge­gen den Be­triebsüber­gang un­be­acht­lich wäre. In die­ser Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­nen Wi­der­spruch des­halb für un­be­acht­lich ge­hal­ten, weil die Maßnah­me, über die nach § 613 a Abs. 5 BGB der be­tref­fen­de Ar­beit­neh­mer in­for­miert wur­de, gar nicht durch­geführt wur­de. Da nach An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Maßnah­me, über die in­for­miert wur­de, oh­ne­hin nicht die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs erfüll­te, war auch der dar­auf be­zo­ge­ne Wi­der­spruch un­be­acht­lich. Vor­lie­gend hat ei­ne In­for­ma­ti­on über ei­nen Be­triebsüber­gang zwar gar nicht statt­ge­fun­den, je­doch war die Kläge­rin doch sehr wohl in der La­ge, die Vor­aus­set­zun­gen des tatsächlich durch­geführ­ten Be­triebsüber­gangs zu re­cher­chie­ren und die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen zu­tref­fend vor­zu­tra­gen. Zu­dem war ihr zum Zeit­punkt des Wi­der­spruchs be­kannt, dass seit dem 01.04.2009 Mas­se­ar­mut ge­ge­ben war. Rich­ti­ger­wei­se hätte die Kläge­rin statt ei­nes Wi­der­spruchs ge­gen den Be­triebsüber­gang ih­re recht­li­che Ar­gu­men­ta­ti­on in ers­ter In­stanz dar­auf auf­bau­en können, dass der Be­klag­te zu 1. am 20.04.2009 (oh­ne den Wi­der­spruch) gar nicht Ar­beit­ge­ber der Kläge­rin war und die Kündi­gung des­halb für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses zur Be­klag­ten zu 2. un­be­acht­lich war.

Da der Wi­der­ruf so­mit we­der nich­tig war noch ei­ne An­fech­tungs­erklärung ab­ge­ge­ben wur­de, noch we­gen der feh­len­den ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen In­for­ma­ti­on der Ab­lauf der Mo­nats­frist des § 613 a Abs. 6 BGB bei Erklärung des Wi­der­spruchs am 21.01.2009 ein­ge­tre­ten war, ent­fal­tet der Wi­der­spruch sei­ne Wir­kung in der Wei­se, dass zu kei­nem Zeit­punkt ein Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zu 2. be­gründet wur­de, son­dern das Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­klag­ten zu 1. un­un­ter­bro­chen und da­mit auch zum Zeit­punkt der Kündi­gung bei Be­stand war. Die­se Rechts­fol­ge wi­der­spricht auch nicht dem Grund­satz, dass Kündi­gun­gen kei­nen Schwe­be­zu­stand ver­tra­gen. Denn zum ei­nen ist ge­ra­de durch die Wi­der­spruchsmöglich­keit ge­genüber ei­nem Be­triebsüber­gang ei­ne schwe­ben­de Un­klar­heit über den rich­ti­gen Ar­beit­ge­ber und die von die­sem oder ei­nem Be­triebs­er­wer­ber aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung im Ge­setz an­ge­legt. Zu­dem ist auch im Fal­le ei­ner Kündi­gung durch ei­nen nicht Ver­tre­tungs­be­rech­tig­ten ei­ne rück­wir­ken­de Ge­neh­mi­gung an­er­kannt (BAG v. 26.03.1986, AZ: AZR 585/84, BAG v. 26.03.09, AZ: 2 AZR 403/07, Rn. 21 u. 24). An­ders als im letz­te­ren Fall hat­te vor­lie­gend die Erklärungs­empfänge­rin so­gar die Möglich­keit, die Wirk­sam­keit der Erklärung zu steu­ern.

Die Kündi­gung des Be­klag­ten zu 1. Ist auch ge­mes­sen an den Gründen des § 1 KSchG wirk­sam. Es kann da­hin­ste­hen, ob es für den Gel­tungs­be­reich des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes nach § 23 KSchG aus­sch­ließlich auf den Be­trieb in A an­kam oder ob sämt­li­che Ar­beit­neh­mer, die nicht in die Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft über­ge­tre­ten wa­ren und de­ren Ar­beits­verhält­nis mögli­cher­wei­se eben­falls nicht von ei­nem Be­triebsüber­gang er­fasst wur­de, zu­sam­men­zu­rech­nen sind. Denn zum Kündi­gungs­zeit­punkt führ­te der Be­klag­te zu 1. als In­sol­venz­ver­wal­ter kei­nen Ein­zel­han­dels­be­trieb mehr und be­ab­sich­tig­te auch nicht, zukünf­tig Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­nes Be­klei­dungs­ein­zel­han­del­be­trie­bes zu beschäfti­gen. Ein Beschäfti­gungs­bedürf­nis für die Kläge­rin in ei­nem Be­trieb des Be­klag­ten zu 1. war des­halb nicht ge­ge­ben, so dass die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 KSchG für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung vor­la­gen, oh­ne dass es auf die Fra­ge des In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te ankäme.

Die Kündi­gung ist auch nicht aus an­de­ren Gründen un­wirk­sam. Ei­ne Anhörung des frühe­ren Be­triebs­rats war zur Kündi­gung am 20.04.2009 nicht mehr möglich. Zwar war bei der Be­triebs­rats­anhörung am 10.10.2008 der Be­klag­te noch Ar­beit­ge­ber und die Ver­hand­lun­gen über ei­nen Be­triebsüber­gang auf ei­nen Er­wer­ber wa­ren noch nicht ab­ge­schlos­sen. In­so­weit könn­te dar­an ge­dacht wer­den, dass der Be­triebs­rat bei der Anhörung zur Kündi­gung der Kläge­rin feh­ler­haft über ei­ne be­ab­sich­tig­te Be­triebs­sch­ließung in­for­miert wor­den ist. Zu­dem hat sich der der Kündi­gung zu­grun­de­lie­gen­de Sach­ver­halt zwi­schen der Be­triebs­rats­anhörung und dem Aus­spruch der Kündi­gung grund­le­gend geändert. Gleich­wohl führt dies nicht zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung, denn zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung vom 20.04.2009 stan­den kei­ne für den Be­trieb in Als­dorf zuständi­gen Be­triebs­rats­mit­glie­der mehr im Ar­beits­verhält­nis zum Be­klag­ten zu 1. Viel­mehr wa­ren mit Aus­nah­me der bei­den Mit­ar­bei­te­rin­nen in El­tern­zeit sämt­li­che Be­triebs­an­gehöri­ge nach Auf­he­bung ih­res Ar­beits­ver­tra­ges zum Be­klag­ten zu 1. in die Beschäfti­gungs- und Qua­li­fi­zie­rungs­ge­sell­schaft ge­wech­selt. Un­abhängig von der Fra­ge, ob die Be­triebs­rats­mit­glie­der nach dem Be­triebsüber­gang ihr Be­triebs­rats­amt beim Er­wer­ber wei­ter aus­geübt ha­ben oder zwi­schen­zeit­lich Neu­wah­len statt­ge­fun­den ha­ben, be­steht auf­grund des Wi­der­spruchs der Kläge­rin ge­gen den Be­triebsüber­gang kein Man­dat des Be­triebs­rats der Fi­lia­le A für die die­sem Be­trieb nicht mehr an­gehören­de Kläge­rin. Der Be­klag­te zu 1. konn­te am 20.04.2009 kündi­gen, oh­ne hier­zu ei­nen Be­triebs­rat anhören zu müssen.

Die Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge be­geg­net kei­nen recht­li­chen Be­den­ken. 

Die mögli­cher­wei­se noch nicht rechts­kräfti­ge Zu­stim­mungs­ent­schei­dung der Be­zirks­re­gie­rung K kann im Fal­le ih­rer Auf­he­bung im We­ge der Re­sti­tu­ti­ons­kla­ge § 580 Nr.6 ZPO Berück­sich­ti­gung fin­den, so dass dies ei­ner Ent­schei­dung durch die Ar­beits­ge­rich­te nicht ent­ge­gen­steht.

Da wie oben dar­ge­stellt das Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­klag­ten zu 1. be­stand und durch die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung zum 31.07.2009 be­en­det wur­de, war auch der ge­gen die Be­klag­te zu 2. ge­rich­te­te An­trag ab­zu­wei­sen. Der hilfs­wei­se für den Fall des Ob­sie­gens ge­stell­te An­trag zu 3. ist dem Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht an­ge­fal­len.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 93 ZPO.

Die Re­vi­si­on wur­de für die Kläge­rin zu­ge­las­sen, da die Fra­ge, ob ein Wi­der­spruch ge­gen ei­nen Be­triebsüber­gang un­be­acht­lich ist, so­weit ei­ne vollständi­ge und rich­ti­ge In­for­ma­ti­on nach § 613 a Abs. 5 BGB nicht er­folgt ist, noch nicht höchst­rich­ter­lich ent­schie­den wur­de.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den. 

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim 

Bun­des­ar­beits­ge­richt 

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt 

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den. 

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Nr. 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung der Mit­glie­der die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on oder ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten. 

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

Olesch

La­ko­my

Löder

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