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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 14.06.2018, 15 Sa 214/18

   
Schlagworte: Auslauffrist, Unkündbarkeit, Kündigung: Außerordentlich, Arbeitszeitbetrug
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 15 Sa 214/18
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.06.2018
   
Leitsätze: 1. Bei der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist im Rahmen des § 626 BGB auch das eigene Verhalten des Arbeitgebers zu bewerten.
2. Da die Beklagte selbst eine Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist angeboten hatte, kann nicht angenommen werden, dass das Verhalten der Klägerin derart gravierend war, dass der Beklagten eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zu einer Beendigung im Rahmen einer ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar war.

Vorinstanzen:
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

Verkündet am

14. Ju­ni 2018 

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)
15 Sa 214/18
8 Ca 1544/17
Ar­beits­ge­richt Pots­dam  

K., JHS

als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le 

 

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

in Sa­chen

 

 

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 15. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 14. Ju­ni 2018 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt K. als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin N. und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter K.

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 20. De­zem­ber 2017- 8 Ca 1544/17 - ab­geändert:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung vom 27. Ok­to­ber 2017 auf­gelöst wur­de.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens als Ta­rif­beschäftig­te EG6 Stu­fe 3 TVöD-V zu beschäfti­gen.

II. Die Kos­ten des Rechts­streits hat die Be­klag­te zu tra­gen.

III. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

K. N. K.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung vom 27.10.2017.

Die Kläge­rin hat­te an vier Ta­gen im Au­gust und Sep­tem­ber 2017 den Ar­beits­be­ginn um ins­ge­samt 135 Mi­nu­ten zu früh in der ent­spre­chen­den Ex­cel-Ta­bel­le an­ge­ge­ben.

Am 19.10.2017 wur­de die Kläge­rin zu die­sem Ver­hal­ten an­gehört. In dem ent­spre­chen­den Gesprächs­ver­merk der Be­klag­ten heißt es hier­zu u.a.:

„Da­her würde nur ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Fra­ge kom­men. Der Aus­stieg könne aber in In­ter­es­sen­abwägung so ge­stal­tet wer­den, dass der Scha­den be­grenzt wird. Z.B. könne das Ar­beits­verhält­nis bis En­de des Jah­res be­ste­hen blei­ben, da­mit Frau L. aus­rei­chend Zeit ha­be, sich ei­ne neue Beschäfti­gung zu su­chen und sie die Jah­res­son­der­zah­lung er­hal­te.“

Hin­sicht­lich des übri­gen un­strei­ti­gen Sach­ver­halts und des Vor­brin­gens der Par­tei­en in der 1. In­stanz wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen.

Mit Ur­teil vom 20.12.2017 hat das Ar­beits­ge­richt Pots­dam die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die Kündi­gung sei gemäß § 626 BGB ge­recht­fer­tigt. Es lie­ge ei­ne vorsätz­lich fal­sche Do­ku­men­ta­ti­on der Ar­beits­zeit an vier Ta­gen vor. Je­den­falls lie­ge der drin­gen­de Ver­dacht ei­ner sol­chen Hand­lung vor. Der Vor­trag der Kläge­rin, sie ha­be ver­se­hent­lich die Zei­ten falsch an­ge­ge­ben, wer­de für ei­ne Schutz­be­haup­tung ge­hal­ten. Es sei schlicht nicht glaub­haft, dass die Kläge­rin ins­ge­samt vier Mal und da­von drei Mal nach­ein­an­der ver­se­hent­lich ei­nen fal­schen Ar­beits­be­ginn ein­ge­tra­gen ha­ben will, ob­wohl sie seit 14 Mo­na­ten bei der Be­klag­ten ar­bei­tet und ihr die Dienst­ver­ein­ba­rung ge­nau be­kannt ge­we­sen sei. Die Kam­mer hal­te es für wahr­schein­li­cher, dass die Kläge­rin die Ab­we­sen­heit ih­rer Kol­le­gin aus­ge­nutzt ha­be, um sich ei­ne großzügi­ge­re Ar­beits­zeit gut­zu­schrei­ben. Es könne da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin ent­we­der be­wusst die­se Zei­ten ein­ge­tra­gen oder al­le Ar­beits­zei­ten nach ih­rer Schätzung oder be­lie­big ein­ge­tra­gen hat. In al­len Fällen hätte die Kläge­rin je­den­falls die Un­rich­tig­keit und den auf ihr be­ru­hen­den rechts­wid­ri­gen Er­folg für möglich ge­hal­ten und bil­li­gend in Kauf ge­nom­men. Selbst wenn man dies al­les nicht an­neh­men wol­le, wäre je­den­falls der auf drin­gen­de Tat­sa­chen gestütz­te Ver­dacht ei­ner vorsätz­li­chen An­ga­be fal­scher Ar­beits­zei­ten ge­ge­ben. Ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung sei nicht er­for­der­lich. Auch die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist sei der Be­klag­ten nicht zu­zu­mu­ten. Wie sol­le die Be­klag­te den bei ihr beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern deut­lich ma­chen, dass die Kläge­rin in der La­ge sei, Rei­se­kos­ten­ab­rech­nun­gen von Mit­ar­bei­tern kor­rekt zu prüfen und zu be­ar­bei­ten, wenn sie selbst ih­re Ar­beits­zei­ten be­wusst falsch do­ku­men­tie­re? In­so­fern über­wie­ge auch im Rah­men ei­ner vor­zu­neh­men­den In­ter­es­sen­abwägung das In­ter­es­se der Be­klag­ten an ei­ner so­for­ti­gen

 

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Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses das In­ter­es­se der Kläge­rin an der Bei­be­hal­tung die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses. Man­gels Ob­sie­gens der Kläge­rin mit dem Kündi­gungs­schutz­an­trag sei die Be­klag­te auch nicht ver­pflich­tet, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens vorläufig wei­ter zu beschäfti­gen.

Hier­ge­gen rich­tet sich die Be­ru­fung der Kläge­rin. Sie be­tont er­neut, dass sie nicht vorsätz­lich ge­han­delt ha­be. We­gen der ho­hen Ar­beits­be­las­tung ha­be sie ver­ges­sen, die Ar­beits­zei­ten ta­ges­ak­tu­ell ein­zu­tra­gen. Sie ha­be sich an je­dem Tag be­wusst ge­macht, wie viel St­un­den sie er­brin­gen müsse. Die­se St­un­den ha­be sie tatsächlich auch ge­leis­tet. In­so­fern ha­be sie auch das Ar­beits­en­de falsch no­tiert. Un­berück­sich­tigt ge­blie­ben sei auch ih­re ho­he Ar­beits­be­las­tung. Es sei rei­ne Mut­maßung des Ar­beits­ge­richts, dass sie sich großzügi­ge­re Ar­beits­zei­ten ha­be auf­schrei­ben wol­len. Dem ste­he ent­ge­gen, dass sie an ver­schie­de­nen Ta­gen auch Mi­nus­zei­ten no­tiert ha­be. Das Ar­beits­ge­richt spe­ku­lier­te auch über den Um­fang des Ar­beits­zeit­kon­tos. Zum Kündi­gungs­zeit­punkt hätten un­strei­tig 11 Mi­nus­stun­den vor­ge­le­gen. Die Mi­nus­stun­den sei­en den Be­treu­ungs­pflich­ten ge­genüber ih­ren Kin­dern ge­schul­det. Sie sei red­lich ge­we­sen, was dar­aus zu er­se­hen sei, dass sie ih­re wöchent­li­che Ar­beits­zeit ab Sep­tem­ber 2017 auf 70 % re­du­ziert ha­be. Im Rah­men der In­ter­es­sen­abwägung müsse berück­sich­tigt wer­den, dass sie die Haupt­ver­die­ne­rin sei. Als mil­de­res Sank­ti­ons­mit­tel wäre es auch möglich ge­we­sen, dass sie sich bei Ar­beits­be­ginn und en­de je­weils bei Vor­ge­setz­ten mel­de. Auch müsse berück­sich­tigt wer­den, dass die Be­klag­te bei der Anhörung am 19.10.2017 ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bis zum En­de des Jah­res an­ge­bo­ten ha­be.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Pots­dam vom 20.12.2017, AZ.: 8 Ca 1544/17 ab­zuändern und

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung von 7 20.10.2017 auf­gelöst wur­de;

2. die Be­klag­te für den Fall des Ob­sie­gens zu ver­ur­tei­len, sie bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens als Ta­rif­beschäftig­te EG 6 Stu­fe 3, TVöD-V zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,
die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ge­he wei­ter­hin da­von aus, dass die Kläge­rin wis­sent­lich und wil­lent­lich fort­ge­setzt ih­re Pflich­ten ver­letzt ha­be. Ei­ne Ab­mah­nung sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen. Die In­ter­es­sen­abwägung sei nicht zu Guns­ten der Kläge­rin vor­zu­neh­men.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die Be­ru­fung ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Sie ist da­her zulässig.

II.

Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che Er­folg. Zu Un­recht hat das Ar­beits­ge­richt Pots­dam ent­schie­den, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die außer­or­dent­li­che Kündi­gung vom 27.10.2017 sein En­de ge­fun­den hat­te. Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 626 BGB ge­recht­fer­tigt. In­so­fern war die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung ab­zuändern und auch dem Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag statt­zu­ge­ben.

1. Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 626 BGB ge­recht­fer­tigt.

Nach die­ser Norm kann ein Dienst­verhält­nis von je­dem Ver­trags­teil aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­fal­les und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Dienst­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann.

Die hie­si­ge Kam­mer geht in­so­fern auch da­von aus, dass die Kläge­rin be­wusst an den vier Ta­gen den Ar­beits­be­ginn zu­las­ten der Ar­beit­ge­be­rin ver­früht an­ge­ge­ben hat, um ein güns­ti­ge­res St­un­den­sal­do zu er­rei­chen. Es kann nach hie­si­ger An­sicht nicht an­ge­nom­men wer­den, dass die Kläge­rin die­se Hand­lun­gen nur aus Ver­se­hen vor­ge­nom­men hat, auch wenn die Kläge­rin dies so be­haup­tet. Da­ge­gen spricht die Häufung der Vorfälle in ei­nem sehr kur­zen Zeit­raum. Fer­ner war zu be­ach­ten, dass die Kläge­rin un­gewöhn­lich spät ih­re Ar­beit auf­nahm. Al­lein an drei Ta­gen er­folg­te dies deut­lich erst nach 9:00 Uhr (9:25 Uhr, 9:45 Uhr, 9:30 Uhr). Dass ihr dies schon ein paar Ta­ge später nicht in Er­in­ne­rung ge­we­sen sein soll, ist nicht nach­voll­zieh­bar. Auch ist der Ein­wand der Kläge­rin nicht verständ­lich, sie ha­be letzt­end­lich die er­for­der­li­chen Zei­ten im­mer er­bracht. Auch das Ar­beits­en­de ha­be sie an den be­tref­fen­den Ta­gen falsch an­ge­ge­ben. Das wäre al­len­falls dann nach­voll­zieh­bar, wenn die Kläge­rin gleichmäßig an al­len Ta­gen ei­ne be­stimm­te Ar­beits­zeit­dau­er an­ge­ge­ben hätte. Dies war al­ler­dings nicht der Fall.

Mit der Recht­spre­chung (BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – ju­ris) ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ein sol­ches Ver­hal­ten ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung recht­fer­ti­gen kann.

Bei der Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls ist im Rah­men des § 626 BGB je­doch auch das ei­ge­ne Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers zu be­wer­ten (BAG 06.02.1997 – 2 AZR

 

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51/96 – ju­ris Rn. 19). Neh­me ein Ar­beit­ge­ber ei­nen be­stimm­ten Kündi­gungs­sach­ver­halt nicht zum An­lass, das Ar­beits­verhält­nis mit so­for­ti­ger Wir­kung außer­or­dent­lich zu kündi­gen, son­dern gewährt er dem Ar­beit­neh­mer ei­ne der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist ent­spre­chen­de so­zia­le Aus­lauf­frist in der erklärten Ab­sicht, den Ar­beit­neh­mer in­ner­halb die­ser Frist auch tatsächlich zu beschäfti­gen, so wer­de das ei­ge­ne Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers re­gelmäßig den Schluss zu­las­sen, dass ihm auch die Wei­ter­beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu­mut­bar war, al­so kein wich­ti­ger Grund zur so­for­ti­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor­ge­le­gen ha­be (BAG aaO).

Bei An­wen­dung die­ser Kri­te­ri­en ist aus dem vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­hal­ten der Be­klag­ten zu schließen, dass ihr ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung je­den­falls bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist zu­mut­bar war. Die Be­klag­te hat­te in dem Gespräch am 19.10.2017 der Kläge­rin ei­ne Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Jah­res­en­de an­ge­bo­ten. Gemäß § 34 TVöD-VKA beträgt die zu­tref­fen­de Kündi­gungs­frist für die Kläge­rin, da sie über ein Jahr beschäftigt war, 6 Wo­chen zum Quar­tals­en­de. Dies wäre hier eben­falls der 31.12.2017 ge­we­sen. Laut den Erörte­run­gen im Be­ru­fungs­ter­min hat die Ar­beit­ge­be­rin in die­sem Gespräch meh­re­re Möglich­kei­ten von sich aus ins Gespräch ge­bracht: Ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung auf dem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz (Rei­se­kos­ten­ab­rech­nung), ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung auf ei­nem an­de­ren Dienst­pos­ten oder auch ei­ne Frei­stel­lung von der Ar­beit. Nähe­res ist zwi­schen den Par­tei­en des­we­gen nicht erörtert wor­den, weil die Kläge­rin ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.12.2017 ab­lehn­te. Da die Be­klag­te selbst ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bis zum Ab­lauf der or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist für möglich ge­hal­ten hat­te, kann nicht an­ge­nom­men wer­den, dass das Ver­hal­ten der Kläge­rin der­art gra­vie­rend war, dass der Be­klag­ten ei­ne Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zu ei­ner Be­en­di­gung im Rah­men ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist un­zu­mut­bar war. Al­lein des­we­gen ist die aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung un­wirk­sam.

2. Es muss nicht ent­schie­den wer­den, ob die Kündi­gung vom 27.10.2017 als or­dent­li­che Kündi­gung wirk­sam wäre. Ei­ne Um­deu­tung (§ 140 BGB) kommt vor­lie­gend nicht in Be­tracht.

Die Be­klag­te hat den bei ihr be­ste­hen­den Per­so­nal­rat aus­sch­ließlich zu ei­ner außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen Kündi­gung an­gehört, al­ter­na­tiv im Sin­ne ei­ner In­ter­es­sen­abwägung zu ei­nem Auflösungs­ver­trag zum 31.12.2017 (Anl. B7, Bl. 31 der Ak­te). Nach der Recht­spre­chung des BAG kann ei­ne un­wirk­sa­me außer­or­dent­li­che Kündi­gung nur dann in ei­ne wirk­sa­me or­dent­li­che um­ge­deu­tet wer­den, wenn der Ar­beit­ge­ber den Be­triebs­rat bei der Anhörung deut­lich dar­auf hin­ge­wie­sen hat, dass die­se Kündi­gung hilfs­wei­se als or­dent­li­che gel­ten soll. Al­len­falls dann, wenn der Be­triebs­rat aus­drück­lich und

 

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vor­be­halt­los der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu­ge­stimmt hat und ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung er­kenn­bar nicht ent­ge­gen­tre­ten wäre, reicht die wirk­sa­me Anhörung zur außer­or­dent­li­che Kündi­gung auch im Hin­blick auf ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus (BAG 20.09.1984 – 2 AZR 633/82 – ju­ris Rn. 29). Glei­che Erwägun­gen gel­ten im Rah­men des Per­so­nal­ver­tre­tungs­rechts (LAG Hamm 15.02.2007 – 17 Sa 1543/06 – ju­ris Rn. 93). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind vor­lie­gend nicht ge­ge­ben. Die Be­klag­te hat­te den bei ihr be­ste­hen­den Per­so­nal­rat je­den­falls nicht zu ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung an­gehört. Der Per­so­nal­rat hat­te der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung auch wi­der­spro­chen. Da­mit ist ei­ne Um­deu­tung in ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus­ge­schlos­sen.

3. Dem hilfs­wei­se ge­stell­ten Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag war nach den Grundsätzen des BAG statt­zu­ge­ben, da die Kläge­rin ob­siegt hat.

III.

Die Kos­ten des Ver­fah­rens hat die Be­klag­te zu tra­gen, da sie un­ter­le­gen ist (§ 91 ZPO).

Die Vor­aus­set­zung für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on (§ 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht ge­ge­ben. In­so­fern ist ge­gen die­ses Ur­teil ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

K. N. K.

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