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LAG Hamm, Ur­teil vom 19.04.2007, 17 Sa 32/07

   
Schlagworte: Kündigung: Verhaltensbedingt, Öffentlicher Dienst, TVöD
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 17 Sa 32/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.04.2007
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Detmold - 3 (1) Ca 313/06
   


17 Sa 32/07

3 (1) Ca 313/06

Ar­beits­ge­richt Det­mold

6 AZN 735/07

PKH be­wil­ligt

Re­vi­si­on zu­ge­las­sen

13.03.2008  

Verkündet am 19.04.2007:

Woisch­ke,

Re­gie­rungs­an­ge­stell­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm


Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

N1xx Z1x, H4xxxxxxxxxx 81, 31xxx L2xx


- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:
Rechts­anwälte S1xxxxxxx & B1xxxxxxxx, L1xxx S2xxxx 61, 31xxx L2xx

ge­gen

Stadt D1xxxxx, ver­tre­ten durch den Bürger­meis­ter, M2xxxxxxxx 52, 32xxx D1xxxxx

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:
Rechts­anwälte D2. E1xx & P1xxxxx, S3xxxxxxxxxxxx 11, 51xxx H1xx


hat die 17. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 19.04.2007
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt H5xx-W1xxxxxxx
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter K1xxxx und A1xx
für Recht er­kannt:

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Teil-Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Det­mold vom 30.11.2006 – 3 (1) Ca 313/06 – ab­geändert und wie folgt neu ge­fasst:

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Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 24.03.2006 nicht zum 30.06.2006 auf­gelöst wor­den ist.
Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens trägt die Be­klag­te.
Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob das zwi­schen ih­nen be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis durch or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten be­en­det ist.

Der am 01.02.12xx ge­bo­re­ne, le­di­ge Kläger ist seit dem 01.01.2002 als Ar­bei­ter im so­ge­nann­ten „G1xxxx T1xx" des Bau­ho­fes der Be­klag­ten tätig. Er verfügt über ei­ne ab­ge­schlos­se­ne Aus­bil­dung zum Straßenwärter.

Dem Ar­beits­verhält­nis liegt ein Ar­beits­ver­trag vom 23.11.2001 (Bl. 6, 7 d.A.) mit Nach­trag vom 09.10.2003 (Bl. 8 d.A.) zu­grun­de. Gemäß § 3 des Ar­beits­ver­trags vom 23.11.2001 be­stimmt sich das Ar­beits­verhält­nis nach dem Bun­des­man­tel­ta­rif­ver­trag für Ar­bei­ter ge­meind­li­cher Ver­wal­tun­gen und Be­trie­be (BMT-G) und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen in der je­weils gel­ten­den Fas­sung.

Das Ar­beits­verhält­nis wur­de zum 01.10.2005 in den TVöD-VKA über­geführt. Der Kläger er­ziel­te zu­letzt ein Brut­to­mo­nats­ent­gelt von ca. 2.100,00 €.

Die Be­klag­te beschäftigt al­lein im Be­reich des Bau­ho­fes 23 Mit­ar­bei­ter.

Es be­steht ein Per­so­nal­rat.

In der Zeit vom 20.11.2005 bis zum 22.12.2005 be­fand sich der Kläger in Un­ter­su­chungs­haft vor dem Hin­ter­grund des Ver­dach­tes, er ha­be ge­gen das Betäubungs­mit­tel­ge­setz ver­s­toßen.

Mit Schrei­ben vom 23.12.2005 (Bl. 66 d.A.) stell­te die Be­klag­te den Kläger un­ent­gelt­lich von der Ar­beits­leis­tung frei.

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Mit Schrei­ben vom 13.03.2006 (Bl. 34, 35 d.A.) be­an­trag­te die Be­klag­te die Zu­stim­mung des Per­so­nal­ra­tes zu der be­ab­sich­tig­ten or­dent­li­chen Kündi­gung des Klägers zum 30.06.2006. Sie führ­te u.a. aus:

„...
Zwi­schen­zeit­lich steht fest, dass es sich in der An­ge­le­gen­heit Z1x um Betäubungs­mit­tel­de­lik­te han­delt. Aus die­sem Grun­de wur­de Herr Z1x zunächst oh­ne Bezüge mit Schrei­ben vom 23.12.2005 un­ent­gelt­lich von der Ar­beit frei­ge­stellt. Der An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung (Wie­der­auf­nah­me der Tätig­keit) durch Herrn Z1x wur­de von dem Ar­beits­ge­richt Det­mold am 09.02.2006 zurück­ge­wie­sen. Gleich­wohl sind die Ta­rif­bezüge zu zah­len.

Auch wenn das Haupt­ver­fah­ren noch an­steht, bin ich be­reits jetzt der Auf­fas­sung, dass ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Herrn Z1x bei der Stadt D1xxxxx nicht möglich ist.

Bei Herrn Z1x han­delt es sich zwei­fels­frei um De­lik­te ge­gen das Betäubungs­mit­tel­ge­setz (so­ge­nann­tes Dea­len). Der­ar­ti­ge Mit­ar­bei­ter schädi­gen das An­se­hen der Stadt D1xxxxx er­heb­lich und sind bei uns nicht mehr trag­bar. Auch die Mit­ar­bei­ter/-in­nen im Ar­beits­um­feld des Herrn Z1x bedürfen des Schut­zes, zu­mal es sich hier auch um Aus­zu­bil­den­de in den Be­ru­fen Straßen­bau­er, Land­schaftsgärt­ner und Me­cha­ni­ker han­delt.

Des wei­te­ren wer­den in die­sem Be­reich Schüler­prak­ti­kan­ten/-in­nen und Zi­vil­dienst­leis­ten­de ein­ge­setzt. Darüber hin­aus er­fol­gen die Ar­bei­ten des Herrn Z1x auf Schul­flächen al­ler Art so­wie Kin­dergärten. Ins­ge­samt gibt es al­so vie­le Kon­takt­per­so­nen. Auch die Kol­le­gen im Team leh­nen ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit Herrn Z1x ab.

Un­ter Abwägung al­ler Ge­sichts­punk­te, vor al­len Din­gen im Hin­blick auf die Fürsor­ge­pflicht der Stadt D1xxxxx ge­genüber der mit Herrn Z1x in Kon­takt kom­men­den Mit­ar­bei­ter und sons­ti­gen Per­so­nen, vor al­lem der Ju­gend­li­chen und Schüler, und der mögli­chen Aus­wir­kun­gen auf das An­se­hen der Stadt D1xxxxx se­he ich kei­ne Al­ter­na­ti­ve zur or­dent­li­chen Kündi­gung.

Ich bit­te hier­mit um Zu­stim­mung."

Nach sei­ner Sit­zung vom 15.03.2006 teil­te der Per­so­nal­rat der Be­klag­ten sei­ne Ab­sicht mit, der Maßnah­me nicht zu­zu­stim­men. Am 20.03.2006 fand ei­ne Erörte­rung zwi­schen Bürger­meis­ter und Per­so­nal­rat statt. Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob für den

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Per­so­nal­rat aus­sch­ließlich der Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­de oder al­le Per­so­nal­rats­mit­glie­der teil­nah­men.

Mit Be­schluss vom 20.03.2006 (Bl. 72 d.A.) stimm­te der Per­so­nal­rat der Maßnah­me zu.

Mit Schrei­ben vom 24.03.2006 kündig­te die Be­klag­te das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis zum 30.06.2006.

Mit Ur­teil vom 08.05.2006, we­gen des­sen Ein­zel­hei­ten auf die von dem Kläger mit Schrift­satz vom 13.02.2007 vor­ge­leg­te Ko­pie (Bl. 142 bis 147 d.A.) Be­zug ge­nom­men wird, ver­ur­teil­te das Land­ge­richt Det­mold den Kläger we­gen un­er­laub­ten Han­del­trei­bens mit Betäubungs­mit­teln in zwan­zig Fällen, wo­bei es sich in sechs Fällen um ei­ne nicht ge­rin­ge Men­ge han­del­te, zu ei­ner Ge­samt­frei­heits­stra­fe von drei Jah­ren und drei Mo­na­ten. Gleich­zei­tig ord­ne­te es den Ver­fall von Wert­er­satz i.H.v. 14.467,39 € an.

Das Land­ge­richt mach­te von der Straf­mil­de­rungsmöglich­keit nach §§ 31 Nr. 1 BtMG, 49 Abs. 1 StGB Ge­brauch und führ­te zu der kon­kre­ten Straf­zu­mes­sung aus, es ha­be zu­guns­ten des An­ge­klag­ten sein um­fas­sen­des Geständ­nis berück­sich­tigt. Er ha­be nicht nur sei­ne Be­reit­schaft ge­zeigt, die Ver­ant­wor­tung für sei­ne Tat über­neh­men zu wol­len. Er be­reue sein Han­deln auf­rich­tig und ha­be da­mit nach Einschätzung der Kam­mer ei­nen endgülti­gen Schluss­strich ge­zo­gen. Dies do­ku­men­tie­re sich auch dar­in, dass er die Dro­gen­be­ra­tung auf­ge­sucht ha­be und sich ei­ner Dro­gen­the­ra­pie un­ter­zie­hen wol­le. Durch sein um­fas­sen­des Geständ­nis ha­be er auch den Ver­lauf der Haupt­ver­hand­lung we­sent­lich er­leich­tert und ent­schei­dend da­zu bei­ge­tra­gen, dass die Ta­ten über sei­nen ei­ge­nen Tat­bei­trag hin­aus auf­ge­deckt und auch sei­ne Ab­neh­mer straf­recht­lich hätten ver­folgt wer­den können. Die Rausch­gift­geschäfte hätten sich auch „nur" auf Am­phet­ami­ne und XTC-Ta­blet­ten, al­so auf so­ge­nann­te „wei­che" Par­ty­dro­gen be­zo­gen. Straf­mil­dernd sei wei­ter­hin berück­sich­tigt wor­den, dass er als un­be­straft gel­te und in der Sa­che be­reits ei­nen Mo­nat Un­ter­su­chungs­haft verbüßt ha­be. Der Voll­zug wer­de ihn als Erst­verbüßer be­son­ders hart tref­fen.

Der Kläger ist Freigänger.

Mit Schrei­ben vom 24.08.2006 in­for­mier­te die Be­klag­te den Per­so­nal­rat von ih­rer Ab­sicht, das Ar­beits­verhält­nis zu ihm außer­or­dent­lich zu kündi­gen. Sie ver­wies zur Be­gründung auf ein Gespräch des Mit­ar­bei­ters H2xxxxxxxxx vom Fach­be­reich Städti­sche Be­trie­be, Team Straßen und We­ge mit dem ehe­ma­li­gen Aus­zu­bil­den­den D3xxxx L3xxx. Die­ser ha­be am

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Ran­de des Gespräches mit­ge­teilt, dass er von dem Kläger auf dem Bau­be­triebs­hof Rausch­mit­tel er­hal­ten ha­be, da­bei ha­be es sich um Ta­blet­ten ge­han­delt. Der Aus­zu­bil­den­de ha­be auch be­ob­ach­tet, dass der Kläger oft viel Geld und Ta­blet­ten mit sich geführt ha­be. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Anhörung wird auf die von der Be­klag­ten mit Schrift­satz vom 19.09.2006 vor­ge­leg­te Ko­pie des In­for­ma­ti­ons­schrei­bens (Bl. 73, 74 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Nach sei­ner Sit­zung vom 30.08.2006 erklärte der Per­so­nal­rat, kei­ne Stel­lung­nah­me ab­ge­ben zu wol­len (Bl. 75 d.A.).

Mit Schrei­ben vom 31.08.2006 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis frist­los (Bl. 58, 59 d.A.).

Mit sei­nen am 07.04.2006 und 07.09.2006 bei dem Ar­beits­ge­richt in Det­mold ein­ge­gan­ge­nen Schriftsätzen wen­det sich der Kläger ge­gen bei­de Kündi­gun­gen.

Er hat be­haup­tet:

Zu kei­nem Zeit­punkt ha­be er Aus­zu­bil­den­den oder ehe­ma­li­gen Aus­zu­bil­den­den der Be­klag­ten Rausch­mit­tel auf dem Bau­be­triebs­hof über­las­sen.

Da er zu kei­nem Zeit­punkt ei­nen Dro­gen­han­del mit bei der Be­klag­ten Beschäftig­ten be­trie­ben ha­be, stel­le sei­ne Beschäfti­gung auch kei­ne Gefähr­dung dar. Ins­be­son­de­re sei auch nicht das An­se­hen der Be­klag­ten in der Öffent­lich­keit be­ein­träch­tigt.

Ent­spre­chend lehn­ten es auch sei­ne Kol­le­gen so­wie die an­de­ren Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten nicht ab, wei­ter­hin mit ihm zu­sam­men zu ar­bei­ten.

Der Kläger hat die feh­ler­haf­te Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats zu der or­dent­li­chen Kündi­gung gerügt und hat aus­geführt:

Die Be­klag­te ha­be dem Per­so­nal­rat nicht aus­rei­chend ver­deut­licht, ob sie we­gen nach­ge­wie­se­ner Straf­ta­ten oder we­gen des Ver­dach­tes von Straf­ta­ten ha­be kündi­gen wol­len.

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Sie ha­be ihn auch falsch in­for­miert durch die Mit­tei­lung, die Kol­le­gen im Team lehn­ten ei­ne Zu­sam­men­ar­beit ab. Tatsächlich hätten al­len­falls drei von drei­und­zwan­zig Mit­ar­bei­tern dies erklärt.

Die nach dem Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz nach Mit­tei­lung des Per­so­nal­ra­tes, er be­ab­sich­ti­ge die Zu­stim­mung zu ver­wei­gern, er­for­der­li­che Erörte­rung sei von dem Bürger­meis­ter nicht mit dem Per­so­nal­rat als Gre­mi­um durch­geführt wor­den.

Der Kläger hat be­an­tragt,
1.
fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 24.03.2006 nicht zum 30.06.2006 auf­gelöst wird, son­dern darüber hin­aus fort­be­steht,
2.
fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die
Kündi­gung vom 23.08.2006 nicht auf­gelöst wur­de, son­dern fort­be­steht,
3.
hilfs­wei­se die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihn im Fal­le des Ob­sie­gens mit den Fest­stel­lungs­anträgen als Ar­bei­ter auf dem Bau­hof wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, schon der un­strei­ti­ge Sach­ver­halt recht­fer­ti­ge die or­dent­li­che Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Sie hat be­haup­tet:

Vor Anhörung des Per­so­nal­rats zu ih­rer Ab­sicht, das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich zu kündi­gen, sei das außer­dienst­li­che Ver­hal­ten des Klägers im Mit­ar­bei­ter­team gerüchte­wei­se be­kannt und dort dis­ku­tiert wor­den. Min­des­tens drei Mit­ar­bei­ter hätten kon­kret erklärt, dass sie mit je­man­dem, der der­ar­ti­ge De­lik­te be­gan­nen ha­be, nicht mehr zu­sam­men­ar­bei­ten woll­ten.

Zu­tref­fend sei, dass der Bürger­meis­ter die Erörte­rung mit dem Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den durch­geführt ha­be. Das sei aus­rei­chend.

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Mit Teil­ur­teil vom 30.11.2006 hat das Ar­beits­ge­richt Det­mold die Kla­ge, so­weit sie sich ge­gen die Kündi­gung vom 24.03.2006 rich­tet, ab­ge­wie­sen und die Kos­ten­ent­schei­dung dem Schlus­s­ur­teil vor­be­hal­ten. Es hat aus­geführt:

Die Be­klag­te ha­be das Ar­beits­verhält­nis aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen, nämlich we­gen der von dem Kläger be­gan­ge­nen Straf­ta­ten gekündigt. Es han­de­le sich aus­weis­lich des Kündi­gungs­schrei­bens um ei­ne Tatkündi­gung, da die Be­klag­te zum Aus­druck ge­bracht ha­be, sie ge­he von ei­ner Täter­schaft des Klägers aus, ob­wohl das Haupt­ver­fah­ren noch aus­ge­stan­den ha­be.

Im Zeit­punkt der Kündi­gung ha­be der Kläger tatsächlich wie­der­holt Straf­ta­ten be­gan­gen. Die­se ha­be er im Ar­beits­ge­richts­pro­zess nicht be­strit­ten.


Mit sei­nem außer­dienst­li­chen Ver­hal­ten ha­be er gra­vie­rend ge­gen die Ver­hal­tens­pflich­ten ei­nes Mit­ar­bei­ters im öffent­li­chen Dienst ver­s­toßen. Die Kam­mer schließe sich der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln in sei­nem Ur­teil vom 13.02.2006 – 14 (12) Sa 1338/05 – an.

Es sei un­er­heb­lich, ob der Kläger Dro­gen an Ju­gend­li­che wei­ter­veräußert ha­be. Ent­schei­dend sei, dass er in ins­ge­samt zwan­zig Fällen Straf­ta­ten be­gan­gen ha­be. Der Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung er­schei­ne nicht über­zo­gen.

Die re­gelmäßig er­for­der­li­che Ab­mah­nung sei ent­behr­lich, weil der Kläger nicht ha­be er­war­ten dürfen, die Be­klag­te wer­de von dem Aus­spruch ei­ner Kündi­gung ab­se­hen und durch ei­ne Ab­mah­nung auf ei­ne Ände­rung sei­nes Ver­hal­tens hin­wir­ken.

Der Hin­weis des Klägers auf sei­nen Freigänger­sta­tuts sei un­er­heb­lich, da die­ser Sta­tus bei Kündi­gungs­aus­spruch noch nicht fest­ge­stan­den ha­be. Im Übri­gen sei für die Be­klag­te er­kenn­bar nicht der (vor­aus­seh­ba­re) Aus­fall der Ar­beits­leis­tung in­fol­ge der zu er­war­ten­den länge­ren Haft ent­schei­dungs­er­heb­lich ge­we­sen, son­dern sein Ver­hal­ten, das zu der straf­recht­li­chen Ver­ur­tei­lung geführt ha­ben.

Die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung er­ge­be sich auch nicht aus ei­ner feh­ler­haf­ten Be­tei­li­gung des Per­so­nal­rats.

Es könne da­hin­ste­hen, ob die Erörte­rung al­lein zwi­schen dem Bürger­meis­ter und dem Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den man­gel­haft sei. Die­ser Man­gel ha­be je­doch kei­ne Aus­wir­kun­gen

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auf das Mit­be­stim­mungs­ver­fah­ren, da der Per­so­nal­rat durch Be­schluss der Kündi­gung zu­ge­stimmt ha­be.

Die Be­klag­te ha­be den Per­so­nal­rat auch nicht un­zu­tref­fend un­ter­rich­tet.

Zwar ha­be sich her­aus­ge­stellt, dass die Mit­tei­lung, „auch die Kol­le­gen im Team leh­nen ei­ne Zu­sam­men­ar­beit mit Herrn Z1x ab" ob­jek­tiv un­rich­tig ge­we­sen sei. Es sei aber zu berück­sich­ti­gen, dass der Dienst­stel­len­lei­ter sich of­fen­sicht­lich bei die­ser Dar­stel­lung auf die In­for­ma­tio­nen des Vor­ge­setz­ten des Klägers H2xxxxxxxxx gestützt ha­be. Zur Nach­for­schung über den Wahr­heits­ge­halt der Be­rich­te von Vor­ge­setz­ten sei der Dienst­stel­len­lei­ter je­doch nicht ver­pflich­tet. Ei­ne be­wuss­te Täuschung des Per­so­nal­ra­tes ha­be nicht vor­ge­le­gen.

Die Be­klag­te ha­be die Kündi­gungs­frist nach § 34 TVöD-VKA be­ach­tet.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten von Tat­be­stand und Ent­schei­dungs­gründen wird auf das Teil­ur­teil vom 30.11.2006 (Bl. 99 bis 108 d.A.) Be­zug ge­nom­men.

Ge­gen das ihm am 07.12.2006 zu­ge­stell­te Teil­ur­teil hat der Kläger am 05.01.2007 bei dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hend Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 06.02.2007 ein­ge­hend be­gründet.

Er ist der Auf­fas­sung, die In­ter­es­sen­abwägung des erst­in­stanz­li­chen Ge­rich­tes sei feh­ler­haft. Es ha­be nicht berück­sich­tigt, dass kei­ne Umstände ge­ge­ben sei­en, die sei­ne Straf­ta­ten als be­son­ders gra­vie­rend er­schei­nen ließen.

Er be­haup­tet, für die Bevölke­rung ha­be sich ein Be­zug zwi­schen sei­nen Straf­ta­ten und dem Ar­beits­verhält­nis nicht her­stel­len las­sen.

Un­ter Wie­der­ho­lung sei­nes Vor­trags zur Per­so­nal­rats­be­tei­li­gung ver­folgt er sei­ne Auf­fas­sung wei­ter, die­se sei un­ter dem Ge­sichts­punkt der Erörte­rung aus­sch­ließlich mit dem Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den so­wie der be­wusst fal­schen Un­ter­rich­tung des Per­so­nal­rats feh­ler­haft.

Der Kläger be­an­tragt,

das Teil­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Det­mold vom 30.11.2006 (Geschäfts-Nr. 3 (1) Ca 313/06) ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen

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den Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 24.03.2006 nicht zum 30.06.2006 auf­gelöst ist.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie be­haup­tet un­ter Ver­tei­di­gung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils:

Sie ha­be in An­be­tracht der Schwe­re der kläge­ri­schen Straf­ta­ten Schutz­pflich­ten ge­genüber ih­ren Mit­ar­bei­tern wahr­zu­neh­men.

Auf­grund ei­nes Miss­verständ­nis­ses sei erst­in­stanz­lich un­strei­tig ge­stellt wor­den, dass die Erörte­rung zwi­schen dem Bürger­meis­ter und dem Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den statt­ge­fun­den ha­be. Tatsächlich ha­be sie in­zwi­schen in Er­fah­rung ge­bracht, dass nach ei­nem Vor­gespräch mit dem Per­so­nal­rats­vor­sit­zen­den al­lein das ge­sam­te Gre­mi­um zur Erörte­rung hin­zu­ge­zo­gen wor­den sei.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und die Sit­zungs­pro­to­kol­le Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

I.

Gemäß §§ 64 Abs. 2 c, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO an sich statt­haf­te und form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Teil­ur­teil des Ar­beits­ge­richts Det­mold vom 30.11.2006 ist be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat nicht durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 24.03.2006 mit dem 30.06.2006 sein En­de ge­fun­den.

1. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist zulässig. Das er­for­der­li­cher Fest­stel­lungs­in­ter­es­se folgt aus § 4 Satz 1 KSchG.

2, Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz fin­det gem. §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG An­wen­dung.
Der Kläger hat die Kla­ge­frist nach § 4 Satz 1 KSchG ge­wahrt.

Die Kündi­gungs­erklärung vom 24.03.2006 ist ihm frühes­tens am sel­ben Tag zu­ge­gan­gen. Die gem. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB zu be­rech­nen­de Kla­ge­frist en­de­te frühes­tens

 

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am 18.04.2006. Die Kündi­gungs­schutz­kla­ge ist am 07.04.2006 bei dem erst­in­stanz­li­chen Ge­richt ein­ge­gan­gen.

3. Die Kündi­gung ist im Sin­ne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt, weil sie nicht durch Gründe in dem Ver­hal­ten des Klägers be­dingt ist.

Er hat zwar sei­ne Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis zu der Be­klag­ten ver­letzt. Die In­ter­es­sen­abwägung muss­te je­doch zu sei­nen Guns­ten aus­fal­len.

a. Straf­ta­ten, die der öffent­lich Be­diens­te­te im Pri­vat­be­reich be­geht, können ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung aus ver­hal­tens­be­ding­ten Gründen so­zi­al recht­fer­ti­gen (vgl. BAG, Ur­teil vom 20.11.1997 – 2 AZR 643/96, NZA 1998, 323).

aa. Aus­weis­lich des An­trags der Be­klag­ten an den Per­so­nal­rat vom 13.03.2006 hat die­se nicht im Hin­blick auf die zum Zeit­punkt der Anhörung noch aus­ste­hen­de Ver­hand­lung im Straf­pro­zess we­gen des drin­gen­den Ver­dach­tes ei­ner außer­ge­richt­li­chen Straf­tat gekündigt. Sie ist viel­mehr von der Nach­weis­lich­keit ei­ner Straf­tat aus­ge­gan­gen. In­so­weit wird auf die zu­tref­fen­den Ausführun­gen des erst­in­stanz­li­chen Ge­rich­tes ver­wie­sen.

Auf­grund der Ei­genständig­keit der Ver­dachts- und der Tatkündi­gung ist der Ar­beit­ge­ber frei, die Kündi­gung nicht auf ei­nen drin­gen­den Ver­dacht, son­dern auf ei­ne nach­ge­wie­se­ne Pflicht­wid­rig­keit zu stützen (vgl. KR/Fi­scher­mei­er, 8. Aufl., § 626 BGB Rd­nr. 215).

bb. Gemäß § 8 Abs. 1 BAT hat sich der An­ge­stell­te so zu ver­hal­ten, wie es von dem An­gehöri­gen des öffent­li­chen Diens­tes er­war­tet wird. Die­ser Grund­satz gilt nach der ständi­gen Rech­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht nur für die An­ge­stell­ten des öffent­li­chen Diens­tes, son­dern auch für die Ar­bei­ter (vgl. BAG, Ur­teil vom 28.08.1953 – 3 AZR 601/57, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung). Der Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes muss sich in­ner­halb und außer­halb des Diens­tes so ver­hal­ten, dass das An­se­hen des Ar­beit­ge­bers nicht be­ein­träch­tigt wird; die dienst­li­che Ver­wend­bar­keit des Ar­beit­neh­mers kann durch außer­dienst­li­che Vorgänge be­ein­flusst wer­den (vgl. BAG, Ur­teil vom 20.11.1997 a.a.O.), da die Öffent­lich­keit das Ver­hal­ten ei­nes öffent­lich Be­diens­te­ten an ei­nem stren­ge­ren Maßstab misst als das pri­vat Beschäftig­ter (vgl. BAG, Ur­teil vom 08.06.2000 – 2 AZR 638/99, NZA 2000, 1282).

Außer­dienst­lich be­gan­ge­ne Straf­ta­ten sind dann zur Recht­fer­ti­gung ei­ner Kündi­gung ge­eig­net, wenn sie ein ge­wis­ses Ge­wicht ha­ben, et­wa bei über länge­re Zeit fort­ge­setz­ten


11

Hand­lun­gen (BAG, Ur­teil vom 20.11.1997 a.a.O.) oder bei Straf­ta­ten, die in un­mit­tel­ba­rem Wi­der­spruch zu der Auf­ga­be der Beschäfti­gungs­behörde ste­hen (vgl. LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 20.05.1980 – 18 Sa 624/79, EzA § 626 BGB n.F. Nr. 72) oder die öffent­li­che Si­cher­heit und Ord­nung gefähr­den können (vgl. BAG, Ur­teil vom 14.02.1996 – 2 AZR 274/95, AP Nr. 26 zu § 626 BGB Ver­dacht straf­ba­rer Hand­lung).

Die­se Grundsätze ha­ben als all­ge­mei­ne Grundsätze des öffent­li­chen Diens­tes auch wei­ter­hin Gel­tung, un­abhängig da­von, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die all­ge­mei­nen Pflich­ten der Beschäftig­ten des öffent­li­chen Diens­tes in § 41 des seit dem 01.10.2005 auf das Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren TVöD-VKA/BT-V neu for­mu­liert und nur noch die Ver­pflich­tung des Beschäftig­ten zur Ver­fas­sungs­treue her­aus­ge­stellt ha­ben.

Der Kläger hat über ei­nen Zeit­raum von meh­re­ren Mo­na­ten im Jah­re 2005 in zwan­zig Fällen durch Han­del ge­gen das BtMG ver­s­toßen. In sechs Fällen hat er nicht ge­rin­ge Men­gen ver­kauft. Sei­ne Straf­ta­ten ha­ben ein er­heb­li­ches Ge­wicht, wie die Straf­zu­mes­sung des Land­ge­richts Det­mold zeigt. Die Kam­mer durf­te die Fest­stel­lun­gen des Straf­ge­rich­tes sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de le­gen, da sie von den Par­tei­en nicht an­ge­grif­fen wor­den sind.

Die Straf­ta­ten sind ge­eig­net, das An­se­hen der Be­klag­ten in der Öffent­lich­keit zu schädi­gen. Auf ei­ne mess­ba­re Be­ein­träch­ti­gung kommt es nicht an. Der Ar­beit­ge­ber darf ei­ner Rufschädi­gung ent­ge­gen­wir­ken, be­vor sich wei­te­re Ein­z­elfälle häufen und in der Öffent­lich­keit ein ne­ga­ti­ves Bild der Behörde ent­steht (vgl. BAG, Ur­teil vom 08.06.2000 a.a.O.).

Die Be­klag­te hat­te dem Kläger auch nicht vor Kündi­gungs­aus­spruch nach den Grundsätzen der Verhält­nismäßig­keit ei­ne Ab­mah­nung zu er­tei­len (vgl. zum Ab­mah­nungs­er­for­der­nis KR-Fi­scher­mei­er a.a.O. § 626 BGB Rd­nr. 257). Die­se ist im­mer dann ent­behr­lich, wenn es sich um schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zun­gen han­delt, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem Ar­beit­neh­mer oh­ne wei­te­res er­kenn­bar ist und bei de­nen ei­ne Hin­nah­me des Ver­hal­tens of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ist (vgl. KR-Fi­scher­mei­er a.a.O. § 626 BGB Rd­nr. 268).

Dem Kläger muss­te klar sein, dass er­heb­li­che Verstöße ge­gen das BtMG über ei­nen länge­ren Zeit­raum sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung bei der Be­klag­ten in Fra­ge stel­len konn­ten.

cc. Die Kam­mer hat­te nicht zu be­ur­tei­len, ob er sei­ne Dienst­pflich­ten da­durch ver­letzt hat, dass er während der Ar­beits­zeit Rausch­mit­tel an den ehe­ma­li­gen Aus­zu­bil­den­den der Be­klag­ten L3xxx ver­kauft hat.



12

Ge­gen das Nach­schie­ben von neu­en Kündi­gungs­gründen, die nicht nur der Erläute­rung be­reits vor­ge­tra­ge­ner Gründe die­nen, be­ste­hen un­ter kündi­gungs­schutz­recht­li­chen Gründen kei­ne Be­den­ken, wenn die Gründe be­reits bei Kündi­gungs­aus­spruch be­stan­den ha­ben (vgl. BAG, Ur­teil vom 11.04.1985 – 2 AZR 239/84, EzA § 102 Be­trVG 1972 Nr. 62; KR-Et­zel a.a.O. § 102 Be­trVG Rd­nr. 187).

Vor­aus­set­zung ist je­doch, dass der Per­so­nal­rat er­neut be­tei­ligt und ihm die Tat­sa­che des Nach­schie­bens mit­ge­teilt wor­den ist (vgl. Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 20.09.1999 – 16 Sa 2617/98, NZA – RR 2000, 413).

Ob die­se Grundsätze auch dann gel­ten, wenn der Per­so­nal­rat zu­vor der Kündi­gung aus­drück­lich zu­ge­stimmt hat (vgl. da­zu KR-Et­zel a.a.O. § 102 Be­trVG Rd­nr. 189), kann hier da­hin­ste­hen. Die Be­klag­te hat dem Per­so­nal­rat im Rah­men der Anhörung vom 24.08.2006 mit­ge­teilt, den Han­del mit Ta­blet­ten während des Diens­tes zum An­lass für ei­ne neue nun­mehr frist­lo­se Kündi­gung neh­men zu wol­len. Ent­spre­chend hat sie die­sen Grund nicht zur Be­gründung der or­dent­li­chen Kündi­gung in den Pro­zess ein­geführt.

dd. Trotz der an sich ge­ge­be­nen Eig­nung der außer­dienst­li­chen Straf­ta­ten des Klägers zur Recht­fer­ti­gung der or­dent­li­chen Kündi­gung, ist die Kam­mer zu der Auf­fas­sung ge­langt, dass die In­ter­es­sen­abwägung aus­nahms­wei­se zu­guns­ten des Klägers er­fol­gen muss­te und der Be­klag­ten sei­ne Wei­ter­beschäfti­gung zu­mut­bar ist.


Bei der Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen im Ein­zel­fall sind ins­be­son­de­re die dienst­li­che Stel­lung des Ar­beit­neh­mers, die ört­li­chen Verhält­nis­se und die Wir­kung der außer­dienst­li­chen Straf­tat auf die Öffent­lich­keit zu berück­sich­ti­gen (vgl. Cle­mens/Scheu­ring/St­ein­gen/Wie­se, § 8 BAT Erläute­rung 7).

Der Kläger ist als Straßenwärter und Mit­ar­bei­ter im „G1xxxx T1xx" des Bau­ho­fes kein ex­po­nier­ter Re­präsen­tant des An­se­hens des öffent­li­chen Diens­tes. Sei­ne dienst­li­che Stel­lung steht nicht im Mit­tel­punkt der öffent­li­chen Wahr­neh­mung. Er nimmt auch nicht an den ho­heit­li­chen Auf­ga­ben der Be­klag­ten teil. Ent­spre­chend hat die­se auch nicht vor­ge­tra­gen, dass et­wa durch Pres­se­be­rich­te in der Öffent­lich­keit ein Zu­sam­men­hang zwi­schen sei­nen Straf­ta­ten und sei­ner Beschäfti­gung bei ihr her­ge­stellt wor­den und er als ihr Ar­beit­neh­mer be­kannt ge­wor­den ist. Es ist bei der abs­trak­ten Gefähr­dung ih­res An­se­hens ge­blie­ben.

13

Die Sor­ge der Be­klag­ten, der Kläger wer­de sei­ne Außen­diensttätig­keit im „G1xxxx T1xx" mit der Möglich­keit vielfälti­ger Kon­tak­te zu Kin­dern und Ju­gend­li­chen an Schu­len, zu den bei ihr beschäftig­ten Zi­vil­dienst­leis­ten­den und Aus­zu­bil­den­den aus­nut­zen, um er­neut Han­del mit Betäubungs­mit­tel zu be­trei­ben, ist ernst zu neh­men. Die Kam­mer meint aber, im Fal­le des Klägers aus­nahms­wei­se ei­ne po­si­ti­ve Pro­gno­se stel­len zu können. Ent­schei­dend für die Recht­fer­ti­gung ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung ist nicht die Pflicht­ver­let­zung in der Ver­gan­gen­heit, son­dern die aus ihr ab­ge­lei­te­te Pro­gno­se, ein der­ar­ti­ges Fehl­ver­hal­ten wer­de sich in der Zu­kunft wie­der­ho­len.

Der Kläger hat bis zum Jah­re 2005 – so­weit fest­stell­bar war – ein straf­frei­es Le­ben geführt. Ein­tra­gun­gen im Straf­re­gis­ter sind nicht (mehr) ver­zeich­net. Die Fest­stel­lun­gen des Land­ge­richts Det­mold, der Kläger sei bis März 2003 bei der Stadt L4xxx beschäftigt ge­we­sen und zum 02.03.2003 nach ei­nem Dieb­stahl ent­las­sen wor­den, sind an­hand der im vor­lie­gen­den Pro­zess vor­ge­tra­ge­nen Be­rufs­bio­gra­phie des Klägers nicht nach­voll­zieh­bar. Aus­weis­lich des Ar­beits­ver­tra­ges vom 23.11.2001 ist er seit dem 01.01.2002 bei der Be­klag­ten durch­ge­hend bis zum Aus­spruch der streit­ge­genständ­li­chen Kündi­gung beschäftigt.

Der Kläger war selbst Dro­gen­kon­su­ment. Der Han­del mit „wei­chen" Par­ty­dro­gen dien­te auch der Fi­nan­zie­rung sei­nes ei­ge­nen Ver­brauchs. Aus dem Kreis­lauf Kon­sum/Han­del zur Fi­nan­zie­rung des Kon­sums will er „aus­stei­gen". Nach den Erörte­run­gen in der münd­li­chen Ver­hand­lung mit ihm persönlich teilt die Kam­mer den Ein­druck des Land­ge­richts Det­mold, dass er sein Han­deln auf­rich­tig be­reut und ei­nen Schluss­strich zie­hen will. Sei­ne Reue zeigt sich in dem um­fas­sen­den Geständ­nis im Straf­pro­zess und der Be­reit­schaft, ei­ne Dro­gen­the­ra­pie zu be­gin­nen. Die Tat­sa­che, dass er sei­ne Frei­heits­stra­fe im of­fe­nen Straf­voll­zug ab­sol­vie­ren kann, weist eben­falls dar­auf hin, dass von ihm kei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr aus­geht.

Die Kam­mer ist des­halb über­zeugt, dass er ins­be­son­de­re un­ter dem Ein­druck der er­lit­te­nen Un­ter­su­chungs­haft und des dro­hen­den Ver­lus­tes sei­nes Ar­beits­plat­zes zukünf­tig das An­se­hen der Be­klag­ten nicht mehr durch außer­dienst­li­che Straf­ta­ten gefähr­den wird.

Zu be­den­ken war auch, dass er den er­lern­ten Be­ruf des Straßenwärters kaum außer­halb des öffent­li­chen Diens­tes ausüben kann und dass die dau­er­haf­te Wei­ter­beschäfti­gung nicht nur der Exis­tenz­si­che­rung, son­dern auch der Re­so­zia­li­sie­rung des noch jun­gen Klägers dient.

14

Dem ge­fun­de­nen Abwägungs­er­geb­nis steht nicht ent­ge­gen, dass sich nach dem Vor­trag der Be­klag­ten drei von drei­und­zwan­zig Kol­le­gen nach in­ner­dienst­li­chem Be­kannt­wer­den der Straf­ta­ten ge­wei­gert ha­ben, wei­ter­hin mit dem Kläger zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Da­mit wird der Be­klag­ten nicht die Möglich­keit ge­nom­men, ihn ge­ge­be­nen­falls in an­de­ren Ko­lon­nen ein­zu­set­zen.

Ab­sch­ließend bleibt zu be­to­nen, dass die Kam­mer aus den dar­ge­stell­ten Gründen in ih­rer In­ter­es­sen­abwägung da­von aus­ge­gan­gen ist, der Kläger ha­be kei­nen Dro­gen­han­del anläss­lich von dienst­li­chen Ver­rich­tun­gen be­gan­gen.

II.

Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des ab­ge­schlos­se­nen Be­ru­fungs­ver­fah­rens folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Gründe im Sin­ne des § 72 Abs. 2 ArbGG, die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen, lie­gen nicht vor.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist für die ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

Ge­gen die­ses Ur­teil ist für man­gels aus­drück­li­cher Zu­las­sung die Re­vi­si­on nicht statt­haft, § 72 Abs. 1 ArbGG. We­gen der Möglich­keit, die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on selbständig durch Be­schwer­de beim Bun­des­ar­beits­ge­richt, Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt, Fax-Nr. (03 61) 26 36 - 2 00 0 an­zu­fech­ten, wird die auf die An­for­de­run­gen des § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

Held-We­sen­dahl

Köster 

Aust

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