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ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/254

Neu­re­ge­lung zur Schrift­form bei Aus­schluss­fris­ten

§ 309 Nr.13 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) wird zum 01.10.2016 ge­än­dert. Aus­schluss­klau­seln dür­fen nur noch die Text­form für For­de­rungs­schrei­ben vor­se­hen: Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der zi­vil­recht­li­chen Durch­set­zung von ver­brau­cher­schüt­zen­den Vor­schrif­ten des Da­ten­schutz­rechts
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Würfel

10.08.2016. Vie­le Ar­beits­ver­trä­ge ent­hal­ten Aus­schluss­klau­seln. Sie be­sa­gen, dass ver­trag­li­che An­sprü­che in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist "gel­tend ge­macht" wer­den müs­sen und bei Frist­ver­säu­mung er­satz­los un­ter­ge­hen.

Bis­her schrei­ben ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­klau­seln meist die "schrift­li­che" Gel­tend­ma­chung von An­sprü­chen vor. Sol­chen Ver­trags­klau­seln zu­fol­ge muss man sei­ne An­sprü­che nicht nur in­ner­halb ei­ner be­stimm­ten Frist, son­dern auch in ei­ner vor­ge­schrie­be­nen Form an­mah­nen, näm­lich mit Pa­pier und Un­ter­schrift.

Der­ar­ti­ge Aus­schluss­klau­seln sind ab Ok­to­ber 2016 in all­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) un­zu­läs­sig: Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der zi­vil­recht­li­chen Durch­set­zung von ver­brau­cher­schüt­zen­den Vor­schrif­ten des Da­ten­schutz­rechts.

Wie hält man ar­beits­ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten ein, die vor­se­hen, dass Ansprüche schrift­lich gel­tend zu ma­chen sind?

Ar­beits­verträge wer­den ty­pi­scher­wei­se vom Ar­beit­ge­ber ein­sei­tig vor­for­mu­liert und dem Ar­beit­neh­mer zur Un­ter­zeich­nung vor­ge­legt. Fris­ten­re­ge­lun­gen und Form­vor­schrif­ten, die sich in sol­chen Verträgen fin­den, sind da­her AGB des Ar­beit­ge­bers.

In ar­beits­ver­trag­li­chen AGB fin­det sich oft die fol­gen­de oder ei­ne ähn­li­che Aus­schluss­frist­re­ge­lung:

"Aus­schluss­frist / Ver­falls­frist

Al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­fal­len, wenn sie nicht in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von drei Mo­na­ten nach Fällig­keit ge­genüber der an­de­ren Ver­trags­par­tei schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. (...)"

Möch­te man als Ar­beit­neh­mer z.B. rückständi­gen Lohn oder ei­ne Fahrt­kos­ten­er­stat­tung an­mah­nen und fin­det in sei­nem Ar­beits­ver­trag ei­ne sol­che Aus­schluss­frist­re­ge­lung, würde man viel­leicht bei Goog­le nach­schau­en, was "schrift­lich" heißt, oder man würde je­man­den fra­gen, der sich aus­kennt. Her­aus käme wahr­schein­lich die In­for­ma­ti­on, dass schrift­li­che Erklärun­gen auf ei­nem Blatt Pa­pier fest­ge­hal­ten und ei­genhändig un­ter­schrie­ben wer­den müssen.

Das wäre aber nur die hal­be Wahr­heit. Denn nach § 126 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) sind für die Ein­hal­tung der ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­nen Schrift­formt zwar tatsächlich Pa­pier und Un­ter­schrift er­for­der­lich, und die­se Vor­ga­be gilt auch für ei­ne ver­trag­lich ver­ein­bar­te Schrift­form (§ 127 Abs.1 BGB). Al­ler­dings enthält § 127 Abs.2 Satz 1 BGB für ver­trag­li­che Schrift­form­vor­ga­ben ei­ne we­sent­li­che Er­leich­te­rung. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Zur Wah­rung der durch Rechts­geschäft be­stimm­ten schrift­li­chen Form genügt, so­weit nicht ein an­de­rer Wil­le an­zu­neh­men ist, die te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ve Über­mitt­lung (...)"

Das heißt: Will man ein Ar­beits­verhält­nis kündi­gen, muss man die ge­setz­lich vor­ge­schrie­be­ne Schrift­form (§ 623 BGB) ein­hal­ten und kann da­her die Kündi­gung nicht per Fax, E-Mail oder SMS erklären. Möch­te man da­ge­gen die ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Schrift­form bei der Ein­hal­tung ei­ner Aus­schluss­frist ein­hal­ten, genügt ein Fax, ei­ne E-Mail oder ei­ne SMS, denn das sind For­men ei­ner "te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ven Über­mitt­lung" der Erklärung.

Was sagt das AGB-Recht zu Aus­schluss­klau­seln mit der Ob­lie­gen­heit zur schrift­li­chen An­spruchs­wah­rung?

An die­ser Stel­le wird deut­lich, dass ar­beits­ver­trag­li­che Klau­seln, die die "schrift­li­che Gel­tend­ma­chung" von Ansprüchen vor­schrei­ben, Ar­beit­neh­mer in die Ir­re führen. Denn man braucht schon ziem­lich ge­naue ju­ris­ti­sche In­for­ma­tio­nen, um nach­zu­voll­zie­hen, dass ab­wei­chend von § 126 Abs.1 BGB auch ei­ne Mah­nung per E-Mail, Fax oder SMS aus­reicht, um ei­ne ver­trag­li­che Aus­schluss­frist ein­zu­hal­ten.

Da­her wäre es sinn­voll, wenn die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zur Über­prüfung von AGB ei­ne Re­ge­lung ent­hal­ten würden, die Ar­beit­ge­ber da­zu ver­pflich­ten, kei­ne ir­reführen­den Form­vor­schrif­ten in ih­re vor­for­mu­lier­ten ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­seln auf­zu­neh­men.

Bis­lang er­laubt die ein­schlägi­ge ge­setz­li­che Re­ge­lung (§ 309 Nr.13 BGB) aber sol­che Klau­seln. Die­se Vor­schrift ver­bie­tet bis­her nur die Bin­dung des Ver­brau­chers an stren­ge­re Form­vor­schrif­ten als die Schrift­form, al­so z.B. ei­ne Pflicht des Ver­brau­chers zur no­ta­ri­el­len Be­ur­kun­dung sei­ner Erklärun­gen.

Kon­kret schreibt § 309 Nr.13 BGB in sei­ner bis­he­ri­gen Fas­sung vor, dass Be­stim­mun­gen in AGB un­wirk­sam sind,

"durch die An­zei­gen oder Erklärun­gen, die dem Ver­wen­der oder ei­nem Drit­ten ge­genüber ab­zu­ge­ben sind, an ei­ne stren­ge­re Form als die Schrift­form oder an be­son­de­re Zu­gangs­er­for­der­nis­se ge­bun­den wer­den."

Wie lau­tet § 309 Nr.13 BGB künf­tig?

Die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung will der Ir­reführung von Ver­brau­chern und Ar­beit­neh­mern durch zu weit­ge­hen­de ver­trag­li­che Schrift­form­vor­ga­ben ei­nen Rie­gel vor­schie­ben. Da­bei ha­ben die Ge­set­zes­ver­fas­ser nicht in ers­ter Li­nie an das Ar­beits­recht, son­dern an Be­stel­lun­gen im In­ter­net bzw. an den On­line­han­del ge­dacht (Ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung vom 13.02.2015, Bun­des­rat Drucks. 55/15, S.10, S.14 f.).

Da Ver­brau­cher und Ar­beit­neh­mer oh­ne­hin gemäß § 127 Abs.2 Satz 1 BGB per te­le­kom­mu­ni­ka­ti­ver Über­mitt­lung re­kla­mie­ren oder ih­re For­de­run­gen an­mah­nen können, soll künf­tig auch nichts an­de­res mehr in den AGB von Verkäufern und Ar­beit­ge­bern ste­hen.

Während der ers­te Ent­wurf vom 13.02.2015 und der zwei­te Ent­wurf vom 15.04.2015 noch vor­sa­hen, in der o.g. Fas­sung von § 309 Nr.13 BGB das Wort "Schrift­form" durch "Text­form" zu er­set­zen, ist die endgülti­ge Ände­rung von § 309 Nr.13 BGB zu ei­ner kom­plet­ten Neu­fas­sung ge­wor­den. Un­zulässig ist nach der Neu­re­ge­lung

"ei­ne Be­stim­mung, durch die An­zei­gen oder Erklärun­gen, die dem Ver­wen­der oder ei­nem Drit­ten ge­genüber ab­zu­ge­ben sind, ge­bun­den wer­den
a) an ei­ne stren­ge­re Form als die schrift­li­che Form in ei­nem Ver­trag, für den durch Ge­setz no­ta­ri­el­le Be­ur­kun­dung vor­ge­schrie­ben ist oder
b) an ei­ne stren­ge­re Form als die Text­form in an­de­ren als den in Buch­sta­be a ge­nann­ten Verträgen oder
c) an be­son­de­re Zu­gangs­er­for­der­nis­se.“

Herkömmli­che Aus­schluss­klau­seln, die vom Ar­beit­neh­mer ei­ne "schrift­li­che Gel­tend­ma­chung" sei­ner Ansprüche ver­lan­gen, ver­s­toßen künf­tig ge­gen § 309 Nr.13 Buch­sta­be b) BGB, da sie ei­ne "stren­ge­re Form als die Text­form" vor­schrei­ben.

Denn für ei­ne "schrift­li­che" An­mah­nung von For­de­run­gen sind Pa­pier und Un­ter­schrift er­for­der­lich, während für die "Text­form" al­le in ei­nem Text fest­ge­hal­te­nen Erklärun­gen genügen, die die Per­son des Erklären­den nen­nen und die auf ei­nem dau­er­haf­ten Da­tenträger ab­ge­ge­ben wer­den (§ 126b Satz 1 BGB). Ein Fax, ei­ne E-Mail, ei­ne SMS oder ei­ne Whats­app-Nach­richt rei­chen für die Text­form aus, die künf­tig die strengs­te zulässi­ge Erklärungs­form ist, die in ar­beits­ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­seln vor­ge­schrie­ben wer­den kann.

Auf­grund des Ver­s­toßes ge­gen § 309 Nr.13 Buch­sta­be b) BGB sind Aus­schluss­klau­seln, die ei­ne "schrift­li­che Gel­tend­ma­chung" vor­schrei­ben, künf­tig ins­ge­samt un­wirk­sam. Sie blei­ben nicht in ei­nem teil­wei­sen Um­fang gültig, et­wa in dem Sin­ne, dass man zwar in der vor­ge­se­he­nen Frist sei­ne Ansprüche "gel­tend ma­chen" muss, aber eben nicht schrift­lich, son­dern in be­lie­bi­ger Form, al­so z.B. auch münd­lich. Ei­ne sol­che "gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on" ge­set­zes­wid­ri­ger AGB ist un­zulässig.

Ab wann gilt die Neu­fas­sung von § 309 Nr.13 BGB?

Die Neu­fas­sung gilt im Prin­zip ab dem 01.10.2016, denn dann tritt das Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der zi­vil­recht­li­chen Durch­set­zung von ver­brau­cherschützen­den Vor­schrif­ten des Da­ten­schutz­rechts in Kraft.

Al­ler­ding enthält das Re­form­ge­setz ei­ne Über­g­angs­re­ge­lung für Ar­beits­verträge, die bis zum 30.09.2016 ab­ge­schlos­sen wur­den. Die­se Vor­schrift ist in Art.229 Einführungs­ge­setz zum BGB (EGBGB) ent­hal­ten, der um fol­gen­den § 37 er­wei­tert wur­de:

"§ 309 Num­mer 13 des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs in der seit dem 1. Ok­to­ber 2016 gel­ten­den Fas­sung ist nur auf ein Schuld­verhält­nis an­zu­wen­den, das nach dem 30. Sep­tem­ber 2016 ent­stan­den ist."

Alt­verträge, d.h. bis zum 30.09.2016 ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verträge, dürfen da­her auch künf­tig Aus­schluss­fris­ten ent­hal­ten, die dem Ar­beit­neh­mer (schein­bar) ei­ne "schrift­li­che" Gel­tend­ma­chung sei­ner Ansprüche vor­schrei­ben.

Da­bei ist je­doch zu be­ach­ten, dass Alt­verträge durch Ver­trags­an­pas­sun­gen ih­ren Cha­rak­ter als Alt­ver­trag ver­lie­ren können. Nach dem 30.09.2016 ver­ein­bar­te Ände­run­gen des Auf­ga­ben­ge­biets und/oder der Vergütung können da­her da­zu führen, dass der Ar­beits­ver­trag ins­ge­samt als Neu­ver­trag zu be­wer­ten ist und sich ei­ne Aus­schluss­klau­sel da­her an der neu­en Fas­sung von § 309 Nr.13 Buch­sta­be b) BGB mes­sen las­sen muss (mit der Fol­ge der Un­wirk­sam der Klau­sel).

Fa­zit: An­pas­sungs­be­darf für Ver­trags­mus­ter

Die Re­form von § 309 Nr.13 Buch­sta­be b) BGB ist sinn­voll, da das AGB-Recht bes­ser als zu­vor mit den Vor­schrif­ten über die Form von ver­trag­li­chen Erklärun­gen zu­sam­men­stimmt. Sie wird vor­aus­sicht­lich da­zu führen, dass Ar­beit­ge­ber ih­re AGB an die neue Rechts­la­ge an­pas­sen, da sie an­dern­falls den kom­plet­ten Weg­fall der Aus­schluss­klau­sel ris­kie­ren.

Ar­beit­ge­bern ist da­her zu ra­ten, ih­re Mus­ter­tex­te zu ändern. Die bis­her ver­wen­de­ten Aus­schluss­klau­seln mit der Ob­lie­gen­heit ei­ner schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung von For­de­run­gen hal­ten ei­ner AGB-Prüfung ab Ok­to­ber nicht mehr stand.

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Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020

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