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BVerfG, Be­schluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09

   
Schlagworte: Betriebsübergang
   
Gericht: Bundesverfassungsgericht
Aktenzeichen: 1 BvR 1741/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 25.01.2011
   
Leitsätze: Zum Erfordernis der Wahrung von Arbeitnehmerrechten beim gesetzlich vollzogenen Arbeitgeberwechsel im Rahmen einer Privatisierung (Universitätsklinikum Gießen und Marburg)
Vorinstanzen: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.12.2008, 8 AZR 692/07
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25.07.2007, 2 Sa 641/07
   

BUN­DES­VER­FASSUN­GS­GERICHT

- 1 BvR 1741/09 -


IM NA­MEN DES VOL­KES

In dem Ver­fah­ren

über

die Ver­fas­sungs­be­schwer­de

der Frau M...,

- Be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte Wol­ter & Kun­ze, Kne­se­beck­s­traße 76, 10623 Ber­lin -

1. un­mit­tel­bar ge­gen

a) das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 18. De­zem­ber 2008 - 8 AZR 692/07 -,

b) das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 25. Ju­li 2007 - 2 Sa 641/07 -,

2. mit­tel­bar ge­gen

§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Ge­set­zes über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg (UK-Ge­setz) vom 16. Ju­ni 2005 (GVBl I S. 432)

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hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt - Ers­ter Se­nat -

un­ter Mit­wir­kung der Rich­te­rin und Rich­ter

Vi­ze­präsi­dent Kirch­hof,
Hoh­mann-Denn­hardt,

Bry­de,
Gai­er,
Eich­ber­ger,
Schlu­cke­bier,
Ma­sing, Pau­lus

am 25. Ja­nu­ar 2011 be­schlos­sen:


1. § 3 Ab­satz 1 Satz 1 und 3 des Ge­set­zes über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg vom 16.Ju­ni 2005 (Ge­setz- und Ver­ord­nungs­blatt für das Land Hes­sen Teil I Sei­te 432) ist nach Maßga­be der Gründe mit Ar­ti­kel 12 Ab­satz 1 des Grund­ge­set­zes un­ver­ein­bar.

2. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, spätes­tens bis zum 31. De­zem­ber 2011 ei­ne Neu­re­ge­lung zu tref­fen.

3. Die Ur­tei­le des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 18. De­zem­ber 2008 - 8 AZR 692/07 - und des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 25. Ju­li 2007 - 2 Sa 641/07 - ver­let­zen die Be­schwer­deführe­rin in ih­rem Grund­recht aus Ar­ti­kel 12 Ab­satz 1 des Grund­ge­set­zes. Sie wer­den auf­ge­ho­ben. Die Sa­che wird an das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Das Ver­fah­ren ist bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung aus­zu­set­zen.

4. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land und das Land Hes­sen ha­ben der Be­schwer­deführe­rin je­weils zur Hälf­te die not­wen­di­gen Aus­la­gen zu er­stat­ten.

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G r ü n d e :

A.

Die Ver­fas­sungs­be­schwer­de rich­tet sich ge­gen Ur­tei­le des Lan­des­ar­beits­ge­richts und des Bun­des­ar­beits­ge­richts, durch die ei­ne Kla­ge der Be­schwer­deführe­rin auf Fest­stel­lung des Fort­be­stands ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Be­klag­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens, dem Land Hes­sen, ab­ge­wie­sen wur­de.

Mit­tel­bar wen­det sich die Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­gen das hes­si­sche Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg (UK-Ge­setz) vom 16. Ju­ni 2005 (GVBl I S. 432; im Fol­gen­den: UKG). Es re­gelt die Zu­sam­men­le­gung der bei­den rechtsfähi­gen An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen“ und „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Mar­burg“ zu der neu er-rich­te­ten An­stalt des öffent­li­chen Rechts „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg“. Das Ge­setz enthält fer­ner ei­ne Ermäch­ti­gung, die neue An­stalt im We­ge der Rechts­ver­ord­nung zu pri­va­ti­sie­ren. Die­se Pri­va­ti­sie­rung hat An­fang 2006 statt­ge­fun­den.

I.

1. In Hes­sen wur­den die Uni­ver­sitätskli­ni­ken ursprüng­lich als nicht­rechtsfähi­ge An­stal­ten und Be­stand­tei­le der öffent­lich­recht­li­chen Körper­schaft Uni­ver­sität geführt (so zu­letzt noch § 33 Abs. 1 des Ge­set­zes über die Uni­ver­sitäten des Lan­des Hes­sen in der Fas­sung vom 28. März 1995, GVBl I S. 325).

2. Die Uni­ver­sitätskli­ni­ken Frank­furt, Gießen und Mar­burg wur­den durch das Ge­setz für die hes­si­schen Uni­ver­sitätskli­ni­ken (im Fol­gen­den: Uni­KlinG) vom 26. Ju­ni 2000, in Kraft ge­tre­ten am 1. Ja­nu­ar 2001 (GVBl I S. 344), als rechtsfähi­ge An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts er­rich­tet (§ 1 Abs. 1 Uni­KlinG).

Von den Beschäftig­ten der bis­he­ri­gen Uni­ver­sitätskli­ni­ken ver­blie­ben gemäß § 22 Abs. 1 Uni­KlinG al­le die­je­ni­gen im Dienst des Lan­des, de­ren Beschäfti­gungs­verhält­nis vor dem 1. Ja­nu­ar 2001 be­gründet wor­den war. § 22 Abs. 1 Satz 2 Uni­KlinG be­stimm­te, dass die­se Beschäftig­ten mit In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes als

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zur Uni­ver­sität ver­setzt gel­ten soll­ten. Die da­mit wei­ter­hin in den Diens­ten des Lan­des ste­hen­den nicht­wis­sen­schaft­li­chen Ar­beit­neh­mer und Aus­zu­bil­den­den wur­den durch § 22 Abs. 2 Satz 1 Uni­KlinG ver­pflich­tet, ih­re Diens­te beim Uni­ver­sitätskli­ni­kum zu er­brin­gen. Die ver­be­am­te­ten nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten wur­den dem Uni­ver­sitätskli­ni­kum mit In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zum 1. Ja­nu­ar 2001 zur Dienst­leis­tung zu­ge­wie­sen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 Uni­KlinG). Ei­ne um­ge­kehr­te Re­ge­lung traf das Ge­setz für das wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal. In­so­weit be­stimm­te § 22 Abs. 3 Uni­KlinG, dass die Mit­ar­bei­ter bei der Uni­ver­sität beschäftigt blie­ben, aber ver­pflich­tet wa­ren, ih­re Diens­te beim Uni­ver­sitätskli­ni­kum zu er­brin­gen, so­weit zu ih­ren Auf­ga­ben Tätig­kei­ten nach § 5 Abs. 2 Uni­KlinG gehörten.

In § 22 Abs. 7 Uni­KlinG wur­de al­ler­dings die Möglich­keit vor­ge­se­hen, die bei den Uni­ver­sitätskli­ni­ken beschäftig­ten Lan­des­be­diens­te­ten in den Dienst des Uni­ver­sitätskli­ni­kums über­zu­lei­ten. Die Über­lei­tung wur­de je­doch nicht durch das Ge­setz selbst an­ge­ord­net. Ei­ner sol­chen im Ein­zel­fall zu ver­ein­ba­ren­den Über­lei­tung soll­ten die Beschäftig­ten außer­dem „wi­der­spre­chen“ können. In die­sem Fall soll­ten sie auf Ver­lan­gen des Lan­des von dem Uni­ver­sitätskli­ni­kum ge­gen Kos­ten­er­stat­tung wei­ter­beschäftigt wer­den (§ 22 Abs. 7 Satz 2 und Satz 3 Uni­KlinG).

3. In der Fol­ge kam das Land Hes­sen vor dem Hin­ter­grund wirt­schaft­li­cher Pro­ble­me der Uni­ver­sitätskli­ni­ken zu dem Ent­schluss, die Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg zu ei­nem Kli­ni­kum zu­sam­men­zu­fas­sen und so­dann zu pri­va­ti­sie­ren.

a) Das hier­zu er­las­se­ne Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg trat am 1. Ju­li 2005 in Kraft (§ 6 Abs. 1 UKG).

§ 1 Abs. 3 Satz 1 UKG re­gelt, dass Rech­te, Pflich­ten und Zuständig­kei­ten der bis­lang selbständi­gen Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg im We­ge der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg als neu er­rich­te­te An­stalt des öffent­li­chen Rechts über­ge­hen. § 1 UKG lau­tet:

§ 1

Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg

(1) Das Kli­ni­kum der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­sität mit Sitz in Gießen (Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen) und das Kli­ni­kum der Phil­ipps-Uni­ver­sität mit Sitz in Mar­burg (Uni­ver­sitätskli­ni­kum Mar-



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burg) wer­den zu­sam­men­ge­legt und als ei­ne rechtsfähi­ge An­stalt des öffent­li­chen Rechts mit Stand­or­ten und Sitz in Gießen und Mar­burg er­rich­tet.

(2) Die An­stalt führt den Na­men „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg“. Sie führt ein ei­ge­nes Sie­gel und gibt sich ei­ne Sat­zung.

(3) Rech­te, Pflich­ten und Zuständig­kei­ten der Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg ge­hen im We­ge der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg über. Das je­wei­li­ge Be­triebs­vermögen wird in­so­weit mit den Buch­wer­ten der von ei­nem Ab­schluss­prüfer mit ei­nem Bestäti­gungs­ver­merk ver­se­he­nen Schluss­bi­lan­zen zum 31. De­zem­ber 2004 des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Mar­burg bi­lan­zi­ell mit Wir­kung ab dem 1. Ja­nu­ar 2005/ 31. De­zem­ber 2004 über­nom­men.

§ 3 Abs. 1 UKG re­gelt die neue recht­li­che Zu­ord­nung der nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten der bei­den Kli­ni­ken und lau­tet:

§ 3

Beschäftig­te

(1) Die bis­her in der Kran­ken­ver­sor­gung und Ver­wal­tung der Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg täti­gen nicht wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten im Ar­beits- oder Aus­zu­bil­den­den­verhält­nis zum Land Hes­sen wer­den mit In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes von der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­sität Gießen und der Phil­ipps-Uni­ver­sität Mar­burg zum Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg ver­setzt und in den An­stalts­dienst über­ge­lei­tet. Die Beschäftig­ten im An­stalts­dienst der Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg wer­den mit In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes Beschäftig­te des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg. Das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg tritt in die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits- und Aus­bil­dungs­verhält­nis­se der in Satz 1 und 2 ge­nann­ten Ar­beit­neh­mer ein. So­weit bis­her nicht wis­sen­schaft­li­che Beschäftig­te im Be­am­ten­verhält­nis den Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg zur Dienst­leis­tung zu­ge­wie­sen sind, wer­den sie mit In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes dem Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg zur Dienst­leis­tung zu­ge­wie­sen.

Da­mit wur­den die bis­her in der Kran­ken­ver­sor­gung und Ver­wal­tung der bei­den Kli­ni­ken täti­gen nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten, die Ar­beit­neh­mer oder Aus­zu­bil­den­de des Lan­des wa­ren, von der Jus­tus-Lie­big-Uni­ver­sität Gießen und

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der Phil­ipps-Uni­ver­sität Mar­burg „zum Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg ver­setzt und in den An­stalts­dienst über­ge­lei­tet“. Da­zu gehörte die Be­schwer­deführe­rin. Die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die Beschäftig­te im An­stalts­dienst der bei­den Kli­ni­ken wa­ren, wur­den eben­falls Beschäftig­te des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg. Für bei­de Grup­pen re­gelt § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG, dass das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg (un­mit­tel­bar kraft Ge­set­zes) in die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits- und Aus­bil­dungs­verhält­nis­se ein­tritt.

§ 5 UKG enthält in Satz 1 ei­ne Ermäch­ti­gungs­grund­la­ge zum Er­lass ei­ner Rechts­ver­ord­nung für die Lan­des­re­gie­rung. Da­nach wird die Lan­des­re­gie­rung ermäch­tigt, durch Rechts­ver­ord­nung die An­stalt des öffent­li­chen Rechts Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg nach ih­rer rechts­wirk­sa­men Er­rich­tung durch Form­wech­sel in ei­ne Ka­pi­tal­ge­sell­schaft in der Rechts­form ei­ner Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung, ei­ner Ak­ti­en­ge­sell­schaft oder ei­ner Kom­man­dit­ge­sell­schaft auf Ak­ti­en, de­ren persönlich haf­ten­de Ge­sell­schaf­te­rin ei­ne Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung ist, um­zu­wan­deln. Die Um­wand­lung soll nach Maßga­be der §§ 301 bis 304 des Um­wand­lungs­ge­set­zes vom 28. Ok­to­ber 1994 (- Um­wG -, BGBl I S. 3210, 1995 I S. 428; zu­letzt geändert am 12. Ju­ni 2003, BGBl I S. 838 <842>) ge­sche­hen. § 5 Satz 2 UKG be­stimmt, dass der Ers­te Teil des Fünf­ten Bu­ches des Um­wand­lungs­ge­set­zes auf den durch die Rechts­ver­ord­nung zu re­geln­den Form­wech­sel kei­ne An­wen­dung fin­det. § 5 Satz 3 UKG legt fest, dass die zu er­las­sen­de Rechts­ver­ord­nung die nähe­re Aus­ge­stal­tung des Form­wech­sels re­gelt, nämlich im Hin­blick auf die Fir­ma, das Ka­pi­tal so­wie den Ge­sell­schafts­ver­trag be­zie­hungs­wei­se die Sat­zung.

An­fang Ju­li 2005 in­for­mier­te das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg die nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten darüber, dass es mit Wir­kung vom 1. Ju­li 2005 als neu­er Ar­beit­ge­ber auf­grund des Ge­set­zes über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg in die Rech­te und Pflich­ten der mit den Beschäftig­ten be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se ein­tre­te.

b) Am 1. De­zem­ber 2005 ver­ord­ne­te die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung auf­grund § 5 UKG die Um­wand­lung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg in ei­ne Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung (Ver­ord­nung zur Um­wand­lung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg in ei­ne Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung - UK-Um­wVO -, GVBl I S. 792). § 2 Abs. 1 die­ser Ver­ord­nung be­stimmt, dass die Rech­te und Pflich­ten aus den be­ste­hen­den An­stel­lungs-, Ar­beits- und Aus­bil­dungs­verträgen durch den Form­wech­sel un­berührt blei­ben und ein Be­triebsüber-

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gang im Sin­ne von § 613a Abs. 1 BGB nicht statt­fin­det. Der Form­wech­sel wur­de mit der Ein­tra­gung in das Han­dels­re­gis­ter am 2. Ja­nu­ar 2006 wirk­sam (§ 1 Abs. 1 Satz 2 UK-Um­wVO).

Mit Ge­sell­schafts­ver­trag vom 13. De­zem­ber 2005 zur neu ge­schaf­fe­nen Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg GmbH (UGM-GmbH) be­hielt sich das Land ver­schie­de­ne Zu­stim­mungs- und In­for­ma­ti­ons­rech­te vor. Nach § 13 Abs. 1 des Ge­sell­schafts­ver­trags können die Rechts­form und die Fir­ma, der Sitz, der Ge­gen­stand, Zweck und Auf­ga­be des Un­ter­neh­mens, das Stamm­ka­pi­tal, Verfügun­gen über Geschäfts­an­tei­le und Rech­te des Lan­des nur mit Ein­wil­li­gung des Lan­des geändert oder ergänzt wer­den. § 14 re­gelt, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen das Land Ge­sell­schafts­an­tei­le im Fal­le der In­sol­venz oder Zah­lungs­unfähig­keit der Ge­sell­schaf­ter oder der Ge­sell­schaft ein­zie­hen kann.

In das Ge­setz für die hes­si­schen Uni­ver­sitätskli­ni­ken wur­de durch das Ge­setz zur Ände­rung des Ge­set­zes für die hes­si­schen Uni­ver­sitätskli­ni­ken und an­de­rer Vor­schrif­ten vom 15. De­zem­ber 2005 (GVBl I S. 843) mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2006 § 25a ein­gefügt. Die­ser trifft Re­ge­lun­gen für ein Uni­ver­sitätskli­ni­kum in pri­va­ter Rechts­form. Das Land über­nimmt dafür kei­ne Gewährträger­schaft mehr. Das in pri­va­ter Rechts­form be­trie­be­ne Uni­ver­sitätskli­ni­kum wird mit den wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­ben be­lie­hen und un­ter­steht der Rechts­auf­sicht des Mi­nis­te­ri­ums für Wis­sen­schaft und Kunst.

Mit Wir­kung zum 1. Fe­bru­ar 2006 ver­kauf­te das Land 95 % der Geschäfts­an­tei­le der UGM-GmbH an die R... AG. Die­se ver­pflich­te­te sich, bis zum 31. De­zem­ber 2010 an bei­den Stand­or­ten ins­ge­samt 367 Mio. € zu in­ves­tie­ren und bis zum 31. De­zem­ber 2010 kei­ne be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen aus­zu­spre­chen. Das Land ver­pflich­te­te sich, den von der R... AG ge­zahl­ten Kauf­preis von 102 Mio. € in ei­ne Stif­tung ein­zu­brin­gen, die die Hoch­schul­me­di­zin der Uni­ver­sitäten Gießen und Mar­burg un­terstützt.

II.

Der Ge­setz­ge­ber hat durch das Ge­setz zur Ände­rung des See­manns­ge­set­zes und an­de­rer Ge­set­ze vom 23. März 2002 (BGBl I S. 1163), in Kraft ge­tre­ten am 1. April 2002, in § 613a Abs. 6 BGB ge­re­gelt, dass die von ei­nem rechts­geschäft­li­chen Be­triebsüber­gang im Sin­ne des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB be­trof­fe­nen Ar-


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beit­neh­mer dem Über­gang ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses auf den neu­en Ar­beit­ge­ber wi­der­spre­chen können. Die Vor­schrift lau­tet:

Der Ar­beit­neh­mer kann dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­gang der Un­ter­rich­tung nach Ab­satz 5 schrift­lich wi­der­spre­chen. Der Wi­der­spruch kann ge­genüber dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber oder dem neu­en In­ha­ber erklärt wer­den.

Die Bun­des­re­gie­rung knüpfte in der Be­gründung des Ge­setz­ent­wurfs zu § 613a Abs. 6 BGB da­bei wie folgt an die aus der frühe­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum rechts­geschäft­li­chen Be­triebsüber­gang be­kann­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Erwägun­gen an (BT­Drucks 14/7760, S. 20):

Der neue § 613a Abs. 6 des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs re­gelt das Recht des Ar­beit­neh­mers, dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vom Be­triebs­veräußerer auf den Be­triebs­er­wer­ber zu wi­der­spre­chen. Das Wi­der­spruchs­recht des Ar­beit­neh­mers ist vom Bun­des­ar­beits­ge­richt in ständi­ger Recht­spre­chung seit über 25 Jah­ren (Ur­teil vom 2. Ok­to­ber 1974 - 5 AZR 504/73) und vom Eu­ropäischen Ge­richts­hof seit 1992 (Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1992 - verb. Rs. C-132/91, 138/91, 139/91) an­er­kannt. Das Wi­der­spruchs­recht er­gibt sich vor al­lem dar­aus, dass es mit der Würde des Men­schen, dem Recht auf freie Ent­fal­tung der Persönlich­keit und dem Recht auf freie Ar­beits­platz­wahl (Ar­ti­kel 1, 2 und 12 des Grund­ge­set­zes) un­ver­ein­bar wäre, wenn ein Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet würde, für ei­nen Ar­beit­ge­ber zu ar­bei­ten, den er nicht frei gewählt hat (Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 22. April 1993 - 2 AZR 50/92; Ur­teil des EuGH vom 16. De­zem­ber 1992, a.a.O. Rdn. 32).

III.

Die Be­schwer­deführe­rin war seit 1985 als Pfle­ge­kraft be­zie­hungs­wei­se Kran­ken­schwes­ter und da­mit als nicht­wis­sen­schaft­lich täti­ge Ar­beit­neh­me­rin des Kli­ni­kums der Phil­ipps-Uni­ver­sität Mar­burg beim Land beschäftigt. Sie wi­der­sprach dem ihr im Ju­li 2005 mit­ge­teil­ten Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg als An­stalt des öffent­li­chen Rechts und später auf die Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg GmbH.


In der Fol­ge ver­klag­te die Be­schwer­deführe­rin das Land Hes­sen mit dem An-trag fest­zu­stel­len, dass ihr Ar­beits­verhält­nis mit dem Land über den 30. Ju­ni 2005 hin­aus fort­be­steht. Die Kla­ge hat­te vor dem Ar­beits­ge­richt Er­folg. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wies sie auf Be­ru­fung des Lan­des ab.

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Die Re­vi­si­on der Be­schwer­deführe­rin er­ach­te­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt für un­be­gründet.

Das Ar­beits­verhält­nis der Be­schwer­deführe­rin mit dem Land be­ste­he nicht mehr. Es sei kraft Ge­set­zes auf die An­stalt des öffent­li­chen Rechts „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg“ über­ge­lei­tet wor­den. Ein Wi­der­spruchs­recht ha­be ihr we­der aus dem Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg selbst noch aus an­de­ren ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen zu­ge­stan­den.

Das Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg erwähne ein Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer nicht. Nach sei­nem Wort-laut wer­de es aus­drück­lich we­der ein­geräumt noch aus­ge­schlos­sen. Die Aus­le­gung des Ge­set­zes er­ge­be je­doch, dass ein Wi­der­spruchs­recht für die vom Über-gang be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht vor­ge­se­hen ge­we­sen sei. Die For­mu­lie­rung in § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG, die An­stalt des öffent­li­chen Rechts tre­te in die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits­verhält­nis­se ein, ent­spre­che im We­sent­li­chen § 613a Abs. 1 Satz 1 Halb­satz 2 BGB. Ei­ne dem § 613a Abs. 6 BGB ent­spre­chen­de For­mu­lie­rung ha­be der Lan­des­ge­setz­ge­ber da­ge­gen nicht auf­ge­nom­men, ob­wohl es nach der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik der po­si­ti­ven Re­ge­lung ei­nes Ge­stal­tungs­rechts be­durft hätte. Ge­gen ein Wi­der­spruchs­recht sprächen auch Sinn und Zweck des Ge­set­zes über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 UKG und § 3 Abs. 1 UKG sei es Ge­set­zes­ziel, die bei­den Uni­ver­sitätskli­ni­ken Gießen und Mar­burg als Gan­zes und im un­veränder­ten Be­stand so­wohl hin­sicht­lich der per­so­nel­len als auch der sons­ti­gen Aus­stat­tung auf die neu er­rich­te­te An­stalt des öffent­li­chen Rechts zu über­tra­gen. Dem stünde ein Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer ge­gen die Über­lei­tung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se ent­ge­gen. Da­her schei­de auch ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 613a Abs. 6 BGB aus. Der Lan­des­ge­setz­ge­ber ha­be den vom Über­gang ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se auf die An­stalt des öffent­li­chen Rechts „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg“ be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern be­wusst kein Wi­der­spruchs­recht ein­geräumt. Über die­se ge­setz­ge­be­ri­sche Ent­schei­dung könne sich die Recht­spre­chung nicht hin­weg­set­zen.


Die Nicht­einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts ver­s­toße nicht ge­gen § 613a Abs. 6 BGB. Vom sach­li­chen An­wen­dungs­be­reich des § 613a BGB sei­en Be­triebsübergänge aus­ge­nom­men, die im We­ge der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge kraft Ge­set­zes voll­zo­gen würden.


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Das Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg ver­s­toße auch nicht ge­gen das Um­wand­lungs­ge­setz, ins­be­son­de­re nicht ge­gen § 168 Um­wG, denn durch das Ge­setz sei­en zwei bis­her selbständi­ge, rechtsfähi­ge An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts zu ei­ner zu­sam­men­ge­legt wor­den. Die­sen Fall re­ge­le das Um­wand­lungs­ge­setz nicht. Un­zu­tref­fend sei die An­nah­me, Ar­beits­verhält­nis­se aus dem Be­reich des öffent­li­chen Diens­tes könn­ten nach Bun­des­recht nur nach § 168 Um­wG in den Be­reich der Pri­vat­wirt­schaft überführt wer­den. Selbst wenn man da­von aus­gin­ge, dass mit dem Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg nur der ers­te Rechts­akt ei­nes mehr­fach ge­staf­felt durch­geführ­ten Pri­va­ti­sie­rungs­vor­ha­bens des Lan­des ge­setzt wor­den sei, könn­ten sich die Ar­beit­neh­mer nicht auf § 168 Um­wG und da­her auch nicht auf § 324 Um­wG in Ver­bin­dung mit § 613a Abs. 6 BGB be­ru­fen. Denn schon das Um­wand­lungs­ge­setz selbst se­he für Körper­schaf­ten und An­stal­ten des öffent­li­chen Rechts die Möglich­keit des Form­wech­sels vor (6. Ab­schnitt des Fünf­ten Bu­ches des Um­wG, vgl. §§ 301 ff. Um­wG). Für sol­che Form­wech­sel gel­te § 324 Um­wG be­reits sei­nem Wort­laut nach nicht.

We­der die Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se noch die Nicht­gewährung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts ver­stießen ge­gen Ver­fas­sungs­recht.

Das Grund­recht der Be­rufs­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin (Art. 12 Abs. 1 GG) sei nicht ver­letzt. Zwar stell­ten so­wohl die durch § 3 Abs. 1 UKG ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se der bis­her beim be­klag­ten Land beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer auf die neu er­rich­te­te rechtsfähi­ge An­stalt des öffent­li­chen Rechts als auch die feh­len­de ge­setz­li­che Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts ei­nen Ein­griff in das Grund­recht der Ar­beit­neh­mer auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes dar. Die zwin­gend aus­ge­stal­te­te ge­setz­li­che Re­ge­lung las­se die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits­verhält­nis­se be­ste­hen, wechs­le aber das Land als Ar­beit­ge­ber ge­gen die neu er­rich­te­te An­stalt des öffent­li­chen Rechts aus. Da­mit wer­de in die Be­rufs­ausübungs­frei­heit ein­ge­grif­fen. So­wohl die Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se als auch die Nicht­einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts sei­en aber durch vernünf­ti­ge Gründe des Ge­mein­wohls ge­recht­fer­tigt.

Die Pri­va­ti­sie­rungs­ent­schei­dung der Hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung wie das ihr die­nen­de, vom Lan­des­ge­setz­ge­ber ver­ab­schie­de­te Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg hätten das Ziel, wich­ti­ge Ge­mein­schaftsgüter zu schützen. Die Fu­si­on der bei­den Uni­ver­sitätskli­ni­ken auf ei­ne An­stalt des öffent­li­chen Rechts und die be­ab­sich­tig­te späte­re Überführung der Trä-

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ger­schaft auf ei­nen pri­va­ten Kran­ken­haus­be­trei­ber ha­be dem Er­halt bei­der Kli­ni­ken ge­dient, um so ei­ne orts­na­he me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Bevölke­rung und zu­gleich For­schung und Leh­re im Be­reich der Hoch­schul­me­di­zin bei­der Uni­ver­sitäten zu si­chern. Da­bei han­de­le es sich um wich­ti­ge Ge­mein­schaftsgüter.

Die Re­ge­lun­gen in § 3 UKG und das feh­len­de Wi­der­spruchs­recht für das nicht­wis­sen­schaft­li­che Per­so­nal sei­en ge­eig­net ge­we­sen, die per­so­nel­len Vor­aus­set­zun­gen für den Be­stand und die Funk­ti­onsfähig­keit der bei­den auf die An­stalt des öffent­li­chen Rechts überführ­ten Uni­ver­sitätskli­ni­ken zu er­hal­ten. Sie sei­en auch er­for­der­lich ge­we­sen. Das Ziel ei­ner Bei­be­hal­tung der Funk­ti­onsfähig­keit bei­der Kli­ni­ken ha­be nicht durch an­de­re Mit­tel er­reicht wer­den können, wel­che die nicht­wis­sen­schaft­lich täti­gen Mit­ar­bei­ter we­ni­ger be­las­tet hätten.

Bei Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts ha­be man da­mit rech­nen müssen, dass die­ses im Hin­blick auf das of­fen­ge­leg­te Pri­va­ti­sie­rungs­ziel in großem Um­fang von den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern aus­geübt wor­den wäre. Oh­ne ein­ge­ar­bei­te­tes Per­so­nal wäre aber so­wohl die kon­ti­nu­ier­li­che Kran­ken­ver­sor­gung gefähr­det als auch ei­ne Be­ein­träch­ti­gung von For­schung und Leh­re an den Uni­ver­sitätskli­ni­ken zu befürch­ten ge­we­sen. Zu­dem hätten beim Land für wi­der­spre­chen­de Ar­beit­neh­mer kei­ne oder, im Hin­blick auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Frank­furt, nur we­ni­ge ent­spre­chen­de Ar­beitsplätze zur Verfügung ge­stan­den, was not­wen­dig zu ei­ner Be­stands­gefähr­dung die­ser Ar­beitsplätze geführt hätte.

Das Land sei nicht ge­hal­ten ge­we­sen, als mil­de­res Mit­tel die Ar­beit­neh­mer im We­ge der Per­so­nal­ge­stel­lung in den Uni­ver­sitätskli­ni­ken ar­bei­ten zu las­sen. Das Ge­bot der Er­for­der­lich­keit ver­lan­ge nur, in­ner­halb des­sel­ben Sys­tems ein mil­de­res Mit­tel zu wählen. Vor dem Hin­ter­grund der be­ab­sich­tig­ten Pri­va­ti­sie­rung hätte die Per­so­nal­ge­stel­lung an ei­ne Ge­sell­schaft mit be­schränk­ter Haf­tung je­doch ei­nen Sys­tem­wech­sel be­deu­tet. Das Mo­dell ei­ner Per­so­nal­ge­stel­lung hätte wei­ter das Ri­si­ko be­inhal­tet, meh­re­re hun­dert Beschäfti­gungs­verhält­nis­se bei­zu­be­hal­ten, oh­ne dass un­mit­tel­ba­rer Ein­fluss dar­auf be­stan­den hätte, wie der künf­ti­ge pri­va­te Kli­nik­be­trei­ber die ent­spre­chen­den Ar­beits­leis­tun­gen ab­ru­fen würde.

Die Abwägung des ge­setz­ge­be­ri­schen Ziels ge­gen die Schwe­re des Ein­griffs in die Be­rufs­ausübungs­frei­heit der Ar­beit­neh­mer las­se die Re­ge­lung auch als an­ge­mes­sen er­schei­nen.

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Bei der geschütz­ten Frei­heit der Wahl des Ar­beits­plat­zes könne es dem Ar­beit­neh­mer um die ein­mal ge­trof­fe­ne Wahl des kon­kre­ten Ver­trags­part­ners als Ar­beit­ge­ber ge­hen. Die Be­deu­tung der Per­son des Ver­trags­part­ners und die persönli­che Ver­bin­dung in ei­nem Ar­beits­verhält­nis präge auch die - nicht zwin­gen­de - Aus­le­gungs­re­gel des § 613 Satz 2 BGB, wo­nach der An­spruch auf Leis­tung der Diens­te im Zwei­fel nicht über­trag­bar sei. Die­ses Ele­ment sei je­doch im öffent­li­chen Dienst nur von zweit­ran­gi­ger Be­deu­tung. Zum ei­nen sei­en die Ar­beit­neh­mer auch nach der Über­lei­tung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se durch das Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg im öffent­li­chen Dienst ge­blie­ben, in dem zahl­rei­che Ar­beit­neh­mer in hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren ar­bei­te­ten. Mit dem Land sei der frühe­re Ar­beit­ge­ber ei­ne Ge­bietskörper­schaft des öffent­li­chen Rechts ge­we­sen, mit dem „Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg“ sei er ei­ne rechtsfähi­ge An­stalt des öffent­li­chen Rechts ge­wor­den. Die persönli­che Ver­bin­dung im Rah­men der Ar­beits­verhält­nis­se sei da­durch nicht berührt und durch den späte­ren Form­wech­sel so­wie den noch späte­ren Ver­kauf von Ge­sell­schafts­an­tei­len nur mar­gi­nal be­trof­fen, wo­bei letz­te­re Schrit­te ei­nen Ar­beit­ge­ber­wech­sel nicht be­inhal­te­ten und auch im rechts­geschäft­li­chen Be­reich we­der ei­nen Be­triebsüber­gang dar­stell­ten noch Wi­der­spruchs­rech­te auslösten.

Durch das Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg sei­en außer dem Wech­sel des Ver­trags­part­ners kei­ne wei­te­ren ar­beits­ver­trag­li­chen Verände­run­gen ge­setz­lich an­ge­ord­net wor­den. Durch § 3 Abs. 1 Satz 3 UKG sei si­cher­ge­stellt, dass sämt­li­che Rech­te und Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis be­ste­hen blie­ben. Es lägen kei­ne greif­ba­ren An­halts­punk­te dafür vor, dass sich durch die ge­plan­te und schließlich durch­geführ­te Pri­va­ti­sie­rung die mit­tel­ba­ren Ar­beits­be­din­gun­gen nach­tei­lig änder­ten. Auch un­ter Ein­be­zie­hung des ge­sam­ten Pri­va­ti­sie­rungs­kon­zepts ergäben sich vor­lie­gend kei­ne Be­den­ken, dass den Ar­beit­neh­mern mit der R... AG kein dem Land ver­gleich­ba­rer sol­ven­ter Schuld­ner mehr ge­genüber­ste­he.

Auch eu­ropäischem Recht wi­der­spre­che die zwin­gend an­ge­ord­ne­te Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se nicht.

Da die Uni­ver­sitätskli­ni­ken we­der durch Ver­trag noch durch Ver­schmel­zung, auch nicht durch sons­ti­ges Rechts­geschäft oder ei­ne ho­heit­li­che Ver­wal­tungs­ent­schei­dung auf die An­stalt des öffent­li­chen Rechts über­tra­gen wor­den sei­en, sei die Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie 2001/23/EG nicht an­wend­bar. Es könne im Übri­gen da­hin­ste­hen, ob die­se Richt­li­nie über ih­ren Wort­laut hin­aus auch auf an­de­re

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Sach­ver­hal­te an­zu­wen­den sei, bei de­nen der Be­triebsüber­gang durch ei­nen Rechts­satz be­wirkt wer­de. Die Richt­li­nie 2001/23/EG ver­lan­ge nämlich nicht die Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts im Sin­ne des § 613a Abs. 6 BGB. Zwar müsse der Ar­beit­neh­mer nach eu­ropäischem Recht bei der Wahl sei­nes Ar­beit­ge­bers frei sein und dürfe nicht ver­pflich­tet wer­den, für ei­nen Ar­beit­ge­ber zu ar­bei­ten, den er nicht frei gewählt ha­be. Es sei je­doch Sa­che der Mit­glied­staa­ten zu be­stim­men, was in ei­nem sol­chen Fall mit dem Ar­beits­verhält­nis ge­sche­he. In­dem sich deut­sche Ar­beit­neh­mer im Fal­le ei­nes Ar­beit­ge­ber­wech­sels oh­ne Wi­der­spruchsmöglich­keit auf das nach § 626 Abs. 1 BGB be­ste­hen­de Recht zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung bei Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des be­ru­fen könn­ten, würden die eu­ropäischen Rechts­an­for­de­run­gen erfüllt.

IV.

Mit ih­rer Ver­fas­sungs­be­schwer­de rügt die Be­schwer­deführe­rin ei­ne Ver­let­zung ih­res Grund­rechts „auf freie Wahl bzw. Bei­be­hal­tung des Ar­beits­plat­zes aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (Würde des Men­schen) so­wie Art. 2 Abs. 1 GG (all­ge­mei­nes Persönlich­keits­recht)“ und ih­res grund­rechts­glei­chen Rechts auf den ge­setz­li­chen Rich­ter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.

1. Die Ur­tei­le des Lan­des­ar­beits­ge­richts und des Bun­des­ar­beits­ge­richts würden ih­re Grund­rech­te aus Art. 12 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ver­let­zen, so­weit ein Wi­der­spruchs­recht ge­gen die ge­setz­li­che Über­lei­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses ver­sagt wor­den sei.

Bei ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung des Ge­set­zes über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg hätte ihr ein Wi­der­spruchs­recht zu­ge­spro­chen wer­den müssen. Ei­ne sol­che ver­fas­sungs­kon­for­me Aus­le­gung sei möglich. Dem Wort­laut des Ge­set­zes las­se sich zum Wi­der­spruchs­recht nichts ent­neh­men. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt stütze den von ihm an­ge­nom­me­nen Aus­schluss des Wi­der­spruchs­rechts auf sys­te­ma­ti­sche, his­to­ri­sche und te­leo­lo­gi­sche Erwägun­gen. Doch kei­nes die­ser Ar­gu­men­te las­se nur ei­ne ein­zi­ge Schluss­fol­ge­rung zu. Viel­mehr sei­en In­ter­pre­ta­tio­nen un­ter Ein­schluss ei­nes Wi­der­spruchs­rechts möglich.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be schon den Schutz­be­reich von Art. 12 Abs. 1 GG ver­kannt, in­dem es an­ge­nom­men ha­be, die ge­setz­li­che Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se grei­fe in die Frei­heit der Be­rufs­ausübung und nicht in die Frei­heit

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der Be­rufs­wahl ein. Zur frei­en Be­rufs­wahl gehöre das Recht auf Bei­be­hal­tung des gewähl­ten Be­rufs. Ent­spre­chen­des müsse für die Wahl des Ar­beits­plat­zes gel­ten, und da­zu zähle auch die Bei­be­hal­tung des gewähl­ten Ver­trags­part­ners.

Der Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit lie­ge in der Pri­va­ti­sie­rung der Uni­ver­sitätskli­ni­ken als ei­nem ein­heit­li­chen Vor­gang, nicht al­lein im ers­ten Teil­schritt der Über­tra­gung der Kli­ni­ken auf ei­ne neue An­stalt des öffent­li­chen Rechts. Dem­ge­genüber ha­be das Bun­des­ar­beits­ge­richt for­mal dar­auf ab­ge­stellt, dass der späte­re Form­wech­sel und die Veräußerung der Mehr­heits­an­tei­le die Ar­beits­verhält­nis­se nicht berühr­ten. Die­se Be­trach­tung wer­de dem wirt­schaft­li­chen Sinn und den so­zia­len Kon­se­quen­zen der Pri­va­ti­sie­rung nicht ge­recht. Die bis­her im Dienst des Lan­des beschäftig­ten nicht­wis­sen­schaft­li­chen Ar­beit­neh­mer hätten sich am En­de nach Durch­lau­fen der ein­zel­nen Teil­schrit­te in ei­ner pri­vat­wirt­schaft­lich be­trie­be­nen Kon­zern­toch­ter wie­der­ge­fun­den, oh­ne dass sie zu ir­gend­ei­nem Zeit­punkt hätten wi­der­spre­chen können.

Der Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit sei nicht er­for­der­lich. Die Er­for­der­lich­keit könne nicht da­mit be­gründet wer­den, dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer dem Über­gang ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se sonst in großer Zahl wi­der­spro­chen und da­mit für die wei­te­re Ar­beit in der Kli­nik nicht zur Verfügung ge­stan­den hätten. Die­se Ar­gu­men­ta­ti­on lau­fe dar­auf hin­aus, die Wahr­neh­mung von Grund­rech­ten als ge­mein-wohl­gefähr­den­des Ri­si­ko ein­zu­stu­fen. Das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Wi­der­spruchs­recht dürfe nicht des­halb pau­schal ver­wehrt wer­den, weil es ge­nutzt wer­den könn­te. Außer­dem wol­le sich der wi­der­spre­chen­de Ar­beit­neh­mer in ers­ter Li­nie nicht ge­gen den Wech­sel des Ar­beit­ge­bers, son­dern ge­gen die häufig da­mit ver­bun­de­ne Ver­schlech­te­rung der Ar­beits­be­din­gun­gen weh­ren. Die Ar­beits­leis­tung wer­de hin­ge­gen wie bis­her er­bracht, so dass kei­ne Re­de da­von sein könne, die wi­der­spre­chen­den Ar­beit­neh­mer hätten für die wei­te­re Ar­beit nicht mehr zur Verfügung ge­stan­den.

Der Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit durch Ver­sa­gung des Wi­der­spruchs­rechts sei un­zu­mut­bar.

Auf Ar­beit­neh­mer­sei­te sei in die Abwägung ein­zu­be­zie­hen, dass die freie Wahl des Ver­trags­part­ners auch Ele­ment der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütz­ten Pri­vat­au­to­no­mie sei. Das für den Fall ei­nes Be­triebsüber­gangs früher in der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­te und später in § 613a Abs. 6 BGB nor­mier­te Wi­der­spruchs­recht fol­ge außer­dem aus der Würde des Men­schen (Art. 1 Abs. 1 GG).

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Die Ver­wei­sung auf ei­ne mögli­che Kündi­gung sei in der Sa­che nicht be­rech­tigt und an­ge­sichts dro­hen­der Ar­beits­lo­sig­keit zy­nisch. Ei­ne an der Men­schenwürde ori­en­tier­te Ge­stal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses müsse den Ar­beit­neh­mern Rech­te in­ner­halb des Ar­beits­verhält­nis­ses an die Hand ge­ben. Die auf Ar­beit­ge­ber­sei­te für die Abwägung re­le­van­ten Rechtsgüter müss­ten sich aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en er­ge­ben. Dort sei zum Aus­schluss des Wi­der­spruchs­rechts je­doch nichts zu fin­den. Die Befürch­tung ei­nes mas­sen­haf­ten Aus­schei­dens der nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten und ei­ner Gefähr­dung der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung sei da­her rei­ne Spe­ku­la­ti­on des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Im Er­geb­nis stünden grund­recht­lich geschütz­ten Be­lan­gen von ho­hem Rang auf Ar­beit­neh­mer­sei­te spe­ku­la­tiv blei­ben­de und sich nicht aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en er­ge­ben­de Erwägun­gen zu­guns­ten des Lan­des ge­genüber.

Die Erwägun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Zu­mut­bar­keit ei­nes Ar­beit­ge­ber­wech­sels führ­ten da­zu, dass das Ge­richt sei­ne Einschätzung an die Stel­le der Sor­gen, Zwei­fel, Vor­be­hal­te und sub­jek­ti­ven Präfe­ren­zen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer set­ze. Das Wi­der­spruchs­recht sol­le dem­ge­genüber die freie Ent­schei­dung des Ar­beit­neh­mers si­chern, mit wel­chem Ar­beit­ge­ber er das Ar­beits­verhält­nis fort­set­zen wol­le.

Wer­de un­ge­ach­tet des­sen ein ob­jek­ti­vie­ren­der Ver­gleich zwi­schen den Ar­beits­be­din­gun­gen bei ver­schie­de­nen Ar­beit­ge­bern ge­zo­gen, könne der Me­tho­de des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­folgt wer­den. Das Ge­richt ha­be le­dig­lich ein­zel­ne Ele­men­te ge­genüber­ge­stellt. Da­bei blei­be un­be­ach­tet, was bei ei­ner Ge­samt­schau an ty­pi­schen Merk­ma­len und Ten­den­zen bei ei­ner Pri­va­ti­sie­rung fest­zu­stel­len sei. Selbst­verständ­lich gälten das Kündi­gungs­schutz­recht und das Ta­rif­recht im Ar­beits­verhält­nis mit ei­nem pri­vat­recht­li­chen Ar­beit­ge­ber eben­so wie im Ar­beits­verhält­nis mit dem Land Hes­sen. Fak­tisch ergäben sich aber er­heb­li­che Un­ter­schie­de. So zeich­ne­ten sich Ar­beitsplätze in der pri­va­ten Wirt­schaft durch ein ho­hes Maß an exis­ten­zi­el­ler Un­si­cher­heit aus.

2. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be das Recht der Be­schwer­deführe­rin auf den ge­setz­li­chen Rich­ter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ver­letzt. Ent­ge­gen der in Art. 234 Abs. 3 EGV (jetzt: Art. 267 Abs. 3 AEUV) fest­ge­leg­ten Pflicht ha­be das Ge­richt die Vor­la­ge der zwi­schen den Par­tei­en strei­ti­gen Rechts­fra­gen an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on un­ter­las­sen, ob die Richt­li­nie 2001/23/EG auch auf die ge­setz­li­che Über­lei­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen an­wend­bar sei und ob

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sich aus dem Ge­mein­schafts­recht ein Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer er­ge­be.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ha­be die Vor­la­ge­pflicht in of­fen­sicht­lich un­halt­ba­rer Wei­se ver­kannt. In der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs sei bis­her nicht ent­schie­den, ob die Richt­li­nie auf Be­triebsübergänge auf­grund ge­setz­li­cher An­ord­nung an­zu­wen­den sei und ob ein Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer ge­mein­schafts­recht­lich ge­for­dert wer­de. Ent­schie­den sei viel­mehr nur, dass ein na­tio­na­les Wi­der­spruchs­recht der Richt­li­nie nicht ent­ge­gen­ste­he. Die rich­ti­ge An­wen­dung des Ge­mein­schafts­rechts sei auch nicht der­art of­fen­kun­dig, dass kei­ner­lei Raum für ei­nen vernünf­ti­gen Zwei­fel blei­be. Die An­sicht des Bun­des­ar­beits­ge­richts zum An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie sei mit der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs un­ver­ein­bar. Auch sei nicht aus­zu­sch­ließen, dass der Ge­richts­hof sei­ne Recht­spre­chung da­hin­ge­hend kon­kre­ti­sie­ren würde, dass es ge­mein­schafts­recht­lich er­for­der­lich sei, den Ar­beit­neh­mern ein Wi­der­spruchs­recht ein­zuräum­en.

V.

Zur Ver­fas­sungs­be­schwer­de ha­ben sich die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung, die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Ar­beit­ge­ber­verbände und der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund geäußert.

1. Die Hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung hält die Ver­fas­sungs­be­schwer­de für un­be­gründet.

Hätte sich der Ge­setz­ge­ber ge­gen ei­ne Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se ent­schie­den, wären be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen un­ver­meid­bar ge­we­sen. Der Ge­setz­ge­ber sei al­so sei­ner aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den Pflicht zum Schutz der Ar­beitsplätze nach­ge­kom­men. Ein Ge­setz könne aber nicht zu­gleich Erfüllung der grund­ge­setz­li­chen Ver­pflich­tun­gen des Ge­setz­ge­bers und Ein­griff in das Grund­recht sein. Berührt sei al­len­falls die Frei­heit der Be­rufs­ausübung un­ter dem Ge­sichts­punkt der Bei­be­hal­tung des bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­bers. Wenn die Be­schwer­deführe­rin ein Wi­der­spruchs­recht ver­lan­ge, for­de­re sie über den durch das Ge­setz über die Er­rich­tung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums Gießen und Mar­burg gewähr­ten Schutz ih­res Ar­beits­plat­zes hin­aus das Recht zu wählen, ob sie die­sen Schutz an­neh­me oder ei­nen Ar­beits­platz beim Land be­hal­te. Der Ge­setz­ge­ber ha­be vor dem Hin­ter­grund dann un­ver­meid­li­cher be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen da­von aus­ge­hen dürfen, dass ein Wi­der­spruchs­recht die Ar­beit­neh­mer nicht


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schütze. Ab­ge­se­hen da­von hätte ein Wi­der­spruchs­recht auch ei­nen Ein­griff in die Be­rufs­ausübungs­frei­heit des Ar­beit­ge­bers mit sich ge­bracht. Gäbe es ei­nen An­spruch des ein­zel­nen Ar­beit­neh­mers auf Bei­be­hal­tung ei­nes ein­mal be­gründe­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zum Staat, wäre dem Staat ein we­sent­li­cher As­pekt sei­ner Dis­po­si­ti­ons­frei­heit ge­nom­men.

Selbst wenn ein Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit an­ge­nom­men wer­den soll­te, sei § 3 Abs. 1 UKG durch aus­rei­chen­de Gründe des Ge­mein­wohls ver­fas­sungs­recht­lich ge­recht­fer­tigt. Das Land sei mit die­sem Ge­setz sei­ner aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den Schutz­pflicht um­fas­send nach­ge­kom­men, in­dem die neu er­rich­te­te An­stalt des öffent­li­chen Rechts in die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits­verhält­nis­se der nicht­wis­sen­schaft­li­chen Beschäftig­ten ein­ge­tre­ten sei und zu­dem das Land un­ter an­de­rem die Gewährträger­schaft über­nom­men ha­be und be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen bis zum 31. De­zem­ber 2010 aus­ge­schlos­sen wor­den sei­en.

Der Lan­des­ge­setz­ge­ber ha­be das Ziel der Um­struk­tu­rie­rung der Uni­ver­sitätskli­ni­ken ver­folgt, um über­ra­gend wich­ti­gen Ge­mein­schaftsgütern Rech­nung zu tra­gen, nämlich der Ge­sund­heits­ver­sor­gung der Bevölke­rung so­wie im Zu­sam­men­hang da­mit der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on des öffent­li­chen Diens­tes und der Gewähr­leis­tung ei­ner mo­der­nen, ef­fek­ti­ven und nach rechts­staat­li­chen Maßstäben ar­bei­ten­den Ver­wal­tung so­wie der Er­hal­tung der fi­nan­zi­el­len Leis­tungsfähig­keit des Lan­des. Die Re­ge­lung sei ge­eig­net ge­we­sen, die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on der Uni­ver­sitätskli­ni­ken zu ver­bes­sern, die Ar­beit­neh­mer vor dem Ver­lust ih­rer Ar­beitsplätze zu schützen und die Funk­ti­onsfähig­keit der Kli­ni­ken zu er­hal­ten. Mil­de¬re Mit­tel - wie et­wa ei­ne Per­so­nal­ge­stel­lung - sei­en nicht ge­eig­net, weil da­mit ein er­heb­li­ches recht­li­ches Ri­si­ko ver­bun­den ge­we­sen wäre. So wären bei ei­ner Per­so­nal­ge­stel­lung al­le Auf­ga­ben bei der öffent­li­chen Hand ge­blie­ben, die sich auf die Per­so­nal­ho­heit und die da­mit ver­bun­de­nen Auf­ga­ben und Ri­si­ken be­zo­gen hätten. Das Pri­va­ti­sie­rungs­kon­zept hätte da­her nicht um­ge­setzt wer­den können.

2. Die Bun­des­ver­ei­ni­gung der Deut­schen Ar­beit­ge­ber­verbände hält die Ver­fas­sungs­be­schwer­de eben­so für un­be­gründet, der Deut­sche Ge­werk­schafts­bund geht hin­ge­gen von ih­rer Be­gründet­heit aus.


VI.

Dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ha­ben die Ver­fah­rens­ak­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens, der Ge­sell­schafts­ver­trag der Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg

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GmbH, der Kauf- und Ab­tre­tungs­ver­trag über ei­nen Teil­geschäfts­an­teil an der Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg GmbH so­wie der Ver­trag über die Be­lei­hung des Uni­ver­sitätskli­ni­kums in pri­va­ter Rechts­form auf­grund von § 25a Uni­KlinG vor­ge­le­gen.

B.

Die zulässi­ge Ver­fas­sungs­be­schwer­de ist be­gründet. Die Ent­schei­dun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts und des Bun­des­ar­beits­ge­richts so­wie der mit­tel­bar an­ge­grif­fe­ne § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ver­let­zen die Be­schwer­deführe­rin in ih­rem Grund­recht auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes aus Art. 12 Abs. 1 GG (I). Dem­ge­genüber wird die Be­schwer­deführe­rin durch die an­ge­grif­fe­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht in ih­rem An­spruch auf den ge­setz­li­chen Rich­ter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ver­letzt (II).

I.

Die durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG an­ge­ord­ne­te und vom Lan­des­ar­beits­ge­richt so­wie vom Bun­des­ar­beits­ge­richt bestätig­te Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses vom Land auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg ist mit der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten Be­rufs­frei­heit der Be­schwer­deführe­rin un­ver­ein­bar.


1. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ga­ran­tiert ne­ben der frei­en Wahl des Be­rufs auch die freie Wahl des Ar­beits­plat­zes (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 96, 152 <163>; 96, 205 <210 f.>; 98, 365 <385>). Da­zu zählt bei abhängig Beschäftig­ten auch die Wahl des Ver­trags­part­ners (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; Kühling, Ar­buR 1994, S. 126 <128>). Dies gilt in glei­cher Wei­se für Ar­beitsplätze im öffent­li­chen Dienst (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>). Das Grund­recht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist da­her un­be­scha­det der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt des Staa­tes berührt, wenn der Ge­setz­ge­ber be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis­se in der Wei­se nor­ma­tiv um­ge­stal­tet, dass er die Per­son des Ar­beit­ge­bers aus­wech­selt.

Ne­ben Art. 12 Abs. 1 GG schei­det Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungs­maßstab un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ver­trags­frei­heit aus. Die Ver­trags­frei­heit wird zwar als Teil der Pri­vat­au­to­no­mie durch das Grund­recht der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gewähr­leis­tet (vgl. BVerfGE 65, 196 <210>; 74, 129 <151 f.>) und ist da­her grundsätz­lich be­trof­fen, wenn auf­grund oder durch Ge­setz

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ein Wech­sel des Ver­trags­part­ners oh­ne Zu­stim­mung er­folgt (vgl. BVerfGE 114, 1 <34>). Be­trifft ei­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung je­doch - wie hier durch die ge­setz­li­che Aus­wechs­lung des Ar­beit­ge­bers - die Ver­trags­frei­heit ge­ra­de im Be­reich be­ruf­li­cher Betäti­gung, die ih­re spe­zi­el­le Gewähr­leis­tung in Art. 12 Abs. 1 GG ge­fun­den hat, schei­det die ge­genüber an­de­ren Frei­heits­rech­ten sub­si­diäre all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit als Prüfungs­maßstab aus (vgl. BVerfGE 68, 193 <223 f.>; 77, 84 <118>; 95, 173 <188>; 116, 202 <221>).

2. Die Be­schwer­deführe­rin ist da­durch in ih­rer Be­rufs­frei­heit be­trof­fen, dass an­stel­le des Lan­des das Uni­ver­sitätskli­ni­kum und später ein pri­va­ter Ar­beit­ge­ber in die Po­si­ti­on des Ar­beit­ge­bers einrückt, mit dem sie ar­beits­ver­trag­lich ver­bun­den sein soll. Die­se durch Ge­setz voll­zo­ge­ne Zu­wei­sung ei­nes an­de­ren Ar­beit­ge­bers durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ist ein Ein­griff in das Recht auf die freie Wahl des Ar­beits­plat­zes.

a) Da mit dem Recht auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes we­der ein An­spruch auf Be­reit­stel­lung ei­nes Ar­beits­plat­zes ei­ge­ner Wahl noch ei­ne Be­stands­ga­ran­tie für den ein­mal gewähl­ten Ar­beits­platz ver­bun­den ist und das Grund­recht auch kei­nen un­mit­tel­ba­ren Schutz ge­gen den Ver­lust ei­nes Ar­beits­plat­zes auf­grund pri­va­ter Dis­po­si­tio­nen gewährt, ob­liegt dem Staat hin­sicht­lich des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten In­ter­es­ses des Ar­beit­neh­mers auf Ach­tung der aus­geübten Ar­beits­platz­wahl al­ler­dings grundsätz­lich le­dig­lich ei­ne Schutz­pflicht, der er ins­be­son­de­re im Kündi­gungs­recht nach­ge­kom­men ist (vgl. BVerfGE 84, 133 <146 f.>; 85, 360 <372 f.>; 92, 140 <150>; 97, 169 <175>).

So­weit der Ge­setz­ge­ber zulässt, dass der Ar­beit­ge­ber durch Rechts­geschäft oh­ne Zu­stim­mung des Ar­beit­neh­mers aus­ge­wech­selt wird, trifft ihn ei­ne Schutz­pflicht, die nicht nur das In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers am Er­halt sei­nes Ar­beits­plat­zes trotz Ar­beit­ge­ber­wech­sels, son­dern auch sei­ne pri­vat­au­to­no­me Ent­schei­dung über die Per­son des Ver­trags­part­ners be­ach­ten muss. Dem ist zum Bei­spiel mit der Re­ge­lung des § 613a BGB Rech­nung ge­tra­gen wor­den. Da­nach wird ei­ner­seits das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­plat­zes trotz Be­triebsüber­gangs ge­si­chert. An­de­rer­seits wird dem Ar­beit­neh­mer gemäß § 613a Abs. 6 BGB die Möglich­keit ge­ge­ben, dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses zu wi­der­spre­chen. Er behält mit dem Wi­der­spruch den al­ten Ver­trags­part­ner, geht aber auch das Ri­si­ko ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung ein, wenn beim al­ten Ar­beit­ge­ber we­gen des Be­triebsüber­gangs kein Be­darf an sei­ner Ar­beit mehr be­steht. Der Re­ge­lung des § 613a Abs. 6 BGB war da­bei ei­ne ge­fes­tig­te Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts

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vor­aus­ge­gan­gen, nach der den Ar­beit­neh­mern bei ei­nem rechts­geschäft­li­chen Be­triebsüber­gang - auch oh­ne aus­drück­li­che Nor­mie­rung - ein Wi­der­spruchs­recht zu­ste­hen müsse (vgl. BAG, Ur­teil vom 2. Ok­to­ber 1974 - 5 AZR 504/73 -, AP BGB § 613a Nr. 1; Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 1986 - 2 AZR 101/85 -, AP BGB § 613a Nr. 55). Das so be­gründe­te Wi­der­spruchs­recht wur­de auch bei ei­nem Be­triebsüber­gang im Zu­sam­men­hang mit ei­ner pri­va­ti­sie­ren­den Um­wand­lung nach § 168 Um­wG an­er­kannt (vgl. BAG, Ur­teil vom 25. Mai 2000 - 8 AZR 416/99 -, AP BGB § 613a Nr. 209).

b) An­ders als bei der Aus­ge­stal­tung pri­vat­geschäft­li­cher Be­triebsübergänge greift der Ge­setz­ge­ber im vor­lie­gen­den Fall un­mit­tel­bar durch Ge­setz in die freie Wahl des Ar­beits­plat­zes ein, in­dem auf­grund der Re­ge­lung in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG das Uni­ver­sitätskli­ni­kum als rechtsfähi­ge An­stalt zum Ar­beit­ge­ber der Be­schwer­deführe­rin wird.

Ein Ein­griff ist da­bei be­reits die durch das Ge­setz un­mit­tel­bar voll­zo­ge­ne Ver­set­zung aus dem Lan­des­dienst in den Dienst des Uni­ver­sitätskli­ni­kums, denn schon da­durch wird der Be­schwer­deführe­rin oh­ne ih­re Zu­stim­mung ein an­de­rer als der gewähl­te Ar­beit­ge­ber zu­ge­wie­sen.

Die­ser Ein­griff erschöpft sich nicht dar­in, dass der Be­schwer­deführe­rin ein neu­er, von ihr nicht frei gewähl­ter Ar­beit­ge­ber auf­ge­drängt wird. Wenn nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG das Uni­ver­sitätskli­ni­kum in die Ar­beit­ge­ber­stel­lung einrückt, be­deu­tet dies zu­gleich, dass sich das Land als bis­he­ri­ger Ar­beit­ge­ber un­mit­tel­bar kraft Ge­set­zes von den Ar­beits­verträgen löst, durch die es bis­lang mit den in den Kli­ni­ken täti­gen Ar­beit­neh­mern ver­bun­den war. Den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern wird al­so der von ih­nen gewähl­te Ar­beit­ge­ber ent­zo­gen.

Die Über­lei­tung der Beschäfti­gungs­verhält­nis­se in den An­stalts­dienst ist darüber hin­aus be­reits im Zu­sam­men­hang mit der ge­plan­ten Pri­va­ti­sie­rung zu se­hen. Da­durch erhält der Ein­griff in Art. 12 Abs. 1 GG hier ein be­son­de­res Ge­wicht. Das Ge­setz, das die Er­set­zung des Ar­beit­ge­bers voll­zieht, sieht als wei­te­ren Schritt die for­mel­le Pri­va­ti­sie­rung vor (§ 5 UKG), um das po­li­ti­sche Ziel des Ver­kaufs der Be­tei­li­gung an ei­nen pri­va­ten In­ves­tor zu ermögli­chen. Schon im Zeit­punkt des Ge­set­zes­be­schlus­ses war auch die ma­te­ri­el­le Pri­va­ti­sie­rung durch die fast vollständi­ge Veräußerung der späte­ren Ge­sell­schaf­ter­an­tei­le des Lan­des an ei­nen pri­va­ten Kran­ken­haus­be­trei­ber ge­plant (vgl. LT­Drucks 16/3758, S. 1). Mit der Ver­set­zung an das Kli­ni­kum ist da­mit ein Pro­zess in Gang ge­setzt, der die Be­schwer­deführe-


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rin letzt­lich nicht nur aus dem Lan­des­dienst, son­dern auch aus dem öffent­li­chen Dienst ent­fernt.

c) Die­ser Ein­griff lässt sich zu­guns­ten der nicht­wis­sen­schaft­li­chen Ar­beit­neh­mer nicht im We­ge ei­ner ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG durch Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts ent­spre­chend § 613a Abs. 6 BGB oder ei­nes Rück­kehr­rechts kom­pen­sie­ren. Der Wort­laut der Norm gibt dem Ar­beit­neh­mer sol­che Rech­te je­den­falls nicht aus­drück­lich. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat im an­ge­grif­fe­nen Ur­teil nach­voll­zieh­bar dar­ge­stellt und im Er­geb­nis zu­tref­fend fest­ge­stellt, dass ei­ne wi­der­spruchs­gewähren­de Aus­le­gung von § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG der be­wuss­ten Ent­schei­dung des Lan­des­ge­setz­ge­bers wi­der­spre­chen würde. Ein Norm­verständ­nis, das in Wi­der­spruch zu dem er­kenn­bar geäußer­ten Wil­len des Ge­setz­ge­bers steht, kann auch im We­ge ver­fas­sungs­kon­for­mer Aus­le­gung nicht be­gründet wer­den (vgl. BVerfGE 101, 54 <86>; 112, 164 <183>; 122, 39 <61>).

3. Der durch § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG be­wirk­te Ein­griff in das Grund­recht der Be­rufs­frei­heit ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht ge­recht­fer­tigt.

a) Das an­ge­grif­fe­ne Ge­setz dient der Durchführung der Pri­va­ti­sie­rung der Uni­ver­sitätskli­ni­ken. Da­bei ist nicht zwei­fel­haft, dass der Lan­des­ge­setz­ge­ber be­rech­tigt war, die Uni­ver­sitätskli­ni­ken zu pri­va­ti­sie­ren. Das gilt un­abhängig von den be­son­de­ren, auch öko­no­mi­schen Gründen, die den Ge­setz­ge­ber im vor­lie­gen­den Fall zu die­ser Ent­schei­dung be­wo­gen ha­ben. Je­den­falls dann, wenn die Wis­sen­schafts­frei­heit der me­di­zi­ni­schen Fa­kultäten ge­si­chert ist (vgl. da­zu BVerfGE 57, 70 <98 f.>; BVerfGK 12, 440 <447 f.>; BVerfG, Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 11. No­vem­ber 2002 - 1 BvR 2145/01 -, NVwZ 2003, S. 600 <601>), darf das Land im Rah­men sei­ner Zuständig­keit für die Or­ga­ni­sa­ti­on der Hoch­schu­len die Uni­ver­sitätskli­ni­ken pri­va­ti­sie­ren. Dass die Pri­va­ti­sie­rung als sol­che ei­ne le­gi­ti­me Wahr­neh­mung der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt des Lan­des ist, recht­fer­tigt al­ler­dings noch nicht den Ein­griff in die Ar­beits­verträge. Es gibt kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass or­ga­ni­sa­to­ri­sche Pri­va­ti­sie­run­gen stets nur un­ter Zurück­stel­lung be­rech­tig­ter Ar­beit­neh­mer­be­lan­ge am Er­halt des von ihm gewähl­ten Ar­beits­plat­zes er­folg­reich durch­geführt wer­den könn­ten. Schon die ge­setz­li­che Re­ge­lung der Pri­va­ti­sie­rung in § 168 Um­wG so­wie die frühe­re Recht­spre­chung und Re­ge­lun­gen in an­de­ren Lan­des­ge­set­zen zei­gen, dass Pri­va­ti­sie­run­gen un­ter Wah­rung der bei Be­triebsübergängen im Re­gel­fall gel­ten­den Ar­beit­neh­mer­rech­te möglich sind (zum Rück­kehr­recht nach ham­bur­gi­schem Recht vgl. et­wa BVerfG,


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Be­schluss des Ers­ten Se­nats vom 14. April 2010 - 1 BvL 8/08 -, ju­ris). Auch der hes­si­sche Lan­des­ge­setz­ge­ber hat­te in § 22 Abs. 7 Uni­KlinG im Zu­sam­men­hang mit der Über­lei­tung von Lan­des­be­diens­te­ten in den Dienst des Uni­ver­sitätskli­ni­kums zunächst ein Wi­der­spruchs­recht vor­ge­se­hen.

Die Nicht­einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts hat­te aus der Sicht des Lan­des­ge­setz­ge­bers das Ziel, die Pri­va­ti­sie­rung zu er­leich­tern. Die Ar­beits­verhält­nis­se möglichst vie­ler Ar­beit­neh­mer soll­ten auf das Uni­ver­sitätskli­ni­kum über­tra­gen wer­den, um die me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Bevölke­rung zu si­chern so­wie For­schung und Leh­re an bei­den Stand­or­ten des Uni­ver­sitätskli­ni­kums zu er­hal­ten.

b) Für die­ses Ziel kann die mit­tel­bar an­ge­grif­fe­ne Vor­schrift je­den­falls teil­wei­se noch als ge­eig­net und er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den.

Al­ler­dings konn­te das Land sein Ziel ei­ner die Pri­va­ti­sie­rung er­leich­tern­den Über­lei­tung der Beschäfti­gungs­verhält­nis­se auch bei Aus­schluss ei­ner Wi­der­spruchsmöglich­keit nicht ge­gen den Wil­len der Ar­beit­neh­mer rea­li­sie­ren, weil ih­nen bei ei­nem un­erwünsch­ten Ver­trags­part­ner­wech­sel ein außer­or­dent­li­ches Kündi­gungs­recht zu­steht. Ob­wohl ih­nen we­der ein Wi­der­spruchs­recht nach dem Vor­bild des § 613a Abs. 6 BGB noch ein Rück­kehr­recht ein­geräumt wur­de, konn­ten sich die Ar­beit­neh­mer für oder ge­gen die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Uni­ver­sitätskli­ni­kum ent­schei­den. So­mit könn­te al­len­falls die Tat­sa­che, dass die Ver­set­zungs- und Über­lei­tungs­an­ord­nung in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG we­gen der so­zi­al­recht­li­chen Fol­gen ei­ner Ei­genkündi­gung und der feh­len­den Rück­kehr­per­spek­ti­ve ei­nen er­heb­li­chen Druck auf die Ar­beit­neh­mer ausübt, trotz Ar­beit­ge­ber­wech­sels auf ih­rem Ar­beits­platz zu ver­blei­ben, die Eig­nung der Re­ge­lung be­gründen.

Aus dem glei­chen Grund kann man die Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se oh­ne Wi­der­spruchs- oder Rück­kehrmöglich­keit aus der Per­spek­ti­ve des Ge­setz­ge­bers bei der Ver­fol­gung öko­no­mi­scher Zie­le auch noch als er­for­der­lich an­se­hen, da die Aus­schal­tung der vom all­ge­mei­nen Recht gewähr­ten Ar­beit­neh­mer­rech­te den rei­bungs­lo­sen Voll­zug der Pri­va­ti­sie­rung er­leich­tert.

c) Der Um­stand, dass der Lan­des­ge­setz­ge­ber zur Er­leich­te­rung sei­ner Pri­va­ti­sie­rungs­ent­schei­dung als Ar­beit­ge­ber die Pri­vat­au­to­no­mie sei­ner Ar­beit­neh­mer be­schnei­det, macht die Re­ge­lung je­doch un­zu­mut­bar.

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aa) Al­ler­dings wiegt der Re­ge­lungs­ge­halt der Norm we­ni­ger schwer, so­weit der ge­setz­li­che Ein­griff in die Be­rufs­frei­heit dar­in liegt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 UKG das Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg zum neu­en Ar­beit­ge­ber der Be­schwer­deführe­rin be­stimmt.

Un­ter Berück­sich­ti­gung des so­wohl im Aus­gangs­ver­fah­ren als auch in der Stel­lung­nah­me der Hes­si­schen Lan­des­re­gie­rung dar­ge­stell­ten, vom Lan­des­ge­setz­ge­ber ver­folg­ten Ziels ei­ner Er­hal­tung der Funk­ti­onsfähig­keit der Kli­ni­ken stellt der in Vor­be­rei­tung der Pri­va­ti­sie­rung ge­setz­lich be­gründe­te Ein­tritt des Uni­ver­sitätskli­ni­kums in die ar­beits­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten noch kei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­ein­träch­ti­gung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer dar.

§ 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG be­wirkt zwar, dass die Be­schwer­deführe­rin un­mit­tel­bar kraft Ge­set­zes ei­nen Ar­beit­ge­ber erhält, den sie nicht selbst gewählt hat. Die Rechts­ord­nung trägt in­so­weit dem durch Art. 12 Abs. 1 GG ga­ran­tier­ten Schutz der frei­en Wahl des Ver­trags­part­ners je­doch hin­rei­chend Rech­nung, in­dem sie den von ei­nem ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Ar­beit­ge­ber­wech­sel be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern das Recht einräumt, das Ar­beits­verhält­nis - gemäß § 626 BGB auch außer­or­dent­lich - zu kündi­gen (vgl. BAG, Ur­teil vom 25. Ja­nu­ar 2001 - 8 AZR 336/00 -, AP BGB § 613a Nr. 215). Die Ar­beit­neh­mer sind da­mit un­abhängig von ei­nem Wi­der­spruchs­recht, wie es § 613a Abs. 6 BGB vor­sieht, recht­lich da­vor geschützt, für ein Un­ter­neh­men ar­bei­ten zu müssen, mit dem sie ar­beits­ver­trag­lich nicht ver­bun­den sein wol­len. Im Verhält­nis zum ge­setz­lich be­stimm­ten neu­en Ar­beit­ge­ber sind die Rechts­fol­gen ei­nes Wi­der­spruchs ge­gen den ge­setz­li­chen Ar­beit­ge­ber­wech­sel und ei­ner ge­genüber dem neu­en Ar­beit­ge­ber aus­zu­spre­chen­den frist­lo­sen Kündi­gung iden­tisch: Der neue Ar­beit­ge­ber schei­det als Ver­trags­part­ner des Ar­beit­neh­mers aus.

Al­ler­dings hat ei­ne Ei­genkündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ne­ben dem vor-ran­gig zu berück­sich­ti­gen­den Ver­lust von Er­werbs­ein­kom­men nicht zu­letzt auch ne­ga­ti­ve so­zi­al­recht­li­che Kon­se­quen­zen, so­weit et­wa § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB III bei Lösung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses durch den Ar­beit­neh­mer die Verhängung ei­ner Sperr­zeit beim Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld vor­sieht. Da­mit be­steht ein er­heb­li­cher - vom Ge­setz­ge­ber auch ge­woll­ter - tatsäch­li­cher Druck, den Ar­beits­platz bei dem neu­en Ar­beit­ge­ber zu be­hal­ten.

bb) Ein­schnei­den­der als die ge­setz­li­che Be­stim­mung ei­nes neu­en Ar­beit­ge­bers ist je­doch der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust des al­ten Ar­beit­ge­bers.

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Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG aus­ge­stal­te­te Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se be­wirkt ei­ne Loslösung des Lan­des von ein­ge­gan­ge­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Bin­dun­gen, oh­ne dass bei ei­nem ent­ge­gen­ste­hen­den Wil­len des Ar­beit­neh­mers die Ein­hal­tung kündi­gungs­recht­li­cher Vor­schrif­ten, die in ge­setz­ge­be­ri­scher Um­set­zung der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den Schutz­pflicht ent­stan­den sind, si­cher­ge­stellt wer­den muss. Da­durch wird dem Ar­beit­neh­mer ein er­heb­li­ches Maß an Be­stands­schutz ent­zo­gen.

Die vom Lan­des­ge­setz­ge­ber be­wusst nicht gewähr­te Wi­der­spruchsmöglich­keit - ent­spre­chend § 613a Abs. 6 BGB - ließe dem­ge­genüber das Ar­beits­verhält­nis mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber fort­be­ste­hen. Ist in des­sen Be­trieb der Beschäfti­gungs­be­darf weg­ge­fal­len, käme ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung in Be­tracht, die aber den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen des § 1 KSchG stand­hal­ten muss. Ins­be­son­de­re dürf­te im Un­ter­neh­men kei­ne an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungs-möglich­keit vor­han­den sein (§ 1 Abs. 2 KSchG). Zu­dem wären bei ei­ner Kündi-gung die Grundsätze der So­zi­al­aus­wahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zu be­ach­ten. Auf­grund der Re­ge­lun­gen des § 1 KSchG könn­te der wi­der­spre­chen­de Ar­beit-neh­mer er­rei­chen, dass er sein Ar­beits­verhält­nis zum bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber nicht ver­liert, ob­wohl der Be­trieb oder Be­triebs­teil, in dem er bis­lang ein­ge­setzt wur­de, auf ein an­de­res Un­ter­neh­men über­ge­gan­gen ist. Ob es dem Ar­beit­neh­mer ge­lingt, sei­ne Beschäfti­gung beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber auf Dau­er bei­zu­be­hal­ten, hängt von den je­wei­li­gen Umständen des Ein­zel­falls ab. Das Ri­si­ko ei­ner wirk­sa­men be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung oder sons­ti­ger Nach­tei­le kann größer oder klei­ner sein. Dem­ent­spre­chend kann es ob­jek­tiv mehr oder we­ni­ger vernünf­tig er­schei­nen, wenn sich der Ar­beit­neh­mer durch Ausübung des Wi­der­spruchs­rechts für die zu­min­dest vorüber­ge­hen­de Bei­be­hal­tung sei­nes bis­he­ri­gen Ver­trags­part­ners ent­schei­det. Die Abwägung die­ser Ri­si­ken ist der pri­vat­au­to­no­men Ent­schei­dung des Ar­beit­neh­mers vor­be­hal­ten.

Die Si­che­rung des Rechts auf freie Ar­beits­platz­wahl als Aus­prägung der Pri­vat­au­to­no­mie durch § 613a Abs. 6 BGB ist so­wohl vom Ge­setz­ge­ber (vgl. BT­Drucks 14/7760, S. 20) wie in der vor­aus­ge­hen­den Recht­spre­chung (vgl. BAG, Ur­teil vom 2. Ok­to­ber 1974 - 5 AZR 504/73 -, AP BGB § 613a Nr. 1; zu­letzt et­wa Ur­teil vom 19. Fe­bru­ar 2009 - 8 AZR 176/08 -, AP BGB § 613a Nr. 368) im We-sent­li­chen auch mit den Grund­rech­ten der Ar­beit­neh­mer be­gründet wor­den.

Das be­deu­tet zwar nicht, dass die Vor­schrift des § 613a Abs. 6 BGB da­mit ver­fas­sungs­recht­lich ge­bo­ten ist. Der Ge­setz­ge­ber muss aber grundsätz­lich das

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Grund­recht der Ar­beit­neh­mer auf freie Wahl des Ar­beits­plat­zes bei ei­nem oh­ne ih­ren Wil­len er­fol­gen­den Ar­beit­ge­ber­wech­sel schützen. Dies gilt je­den­falls dann, wenn der Wech­sel des Ar­beit­ge­bers un­mit­tel­bar kraft Ge­set­zes aus der Beschäfti­gung bei ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber zu ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber führt, oder wenn es sich - wie hier - le­dig­lich um ei­nen Zwi­schen­schritt hin zu ei­ner be­ab­sich­tig­ten und klar ab­seh­ba­ren Pri­va­ti­sie­rung des Ar­beit­ge­bers han­delt. Wenn nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts § 613a BGB bei ei­nem ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Über­gang von Ar­beits­verhält­nis­sen we­der di­rekt noch ana­log gilt (vgl. et­wa BAG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 8 AZR 124/05 -, AP BGB § 419 Funk­ti­ons­nach­fol­ge Nr. 25), folgt dar­aus, dass der den Über­gang re­geln­de Ge­setz­ge­ber bei ei­nem Pri­va­ti­sie­rungs­pro­zess wie im vor­lie­gen­den Fall die grund­recht­li­chen Pro­ble­me selbst bewälti­gen muss. Das heißt zwar nicht, dass die Über­lei­tung von Beschäftig­ten ei­ner Ge­bietskörper­schaft et­wa auf ei­ne An­stalt oder Stif­tung des öffent­li­chen Rechts stets nur un­ter Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts zulässig wäre; denn in­so­weit darf der Ge­setz­ge­ber berück­sich­ti­gen, dass dem Ar­beit­neh­mer bei Fort­be­stand der übri­gen ar­beits­ver­trag­li­chen Rech­te und Pflich­ten nicht nur der Ar­beits­platz er­hal­ten bleibt, son­dern er auch wei­ter­hin „im öffent­li­chen Dienst“ beschäftigt bleibt. Die ge­setz­li­che Über­lei­tung von Ar­beits­verhält­nis­sen in Vor­be­rei­tung und Um­set­zung ei­ner Pri­va­ti­sie­rungs­ent­schei­dung kann aber nicht da­zu führen, dass der durch Art. 12 Abs. 1 GG verbürg­te Schutz völlig entfällt. So­weit die in § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG ge­re­gel­te Über­lei­tung über­haupt kei­ne Möglich­keit bie­tet, den Fort­be­stand der Ar­beits­verhält­nis­se zum Land gel­tend ma­chen zu können, stellt dies ei­ne un­verhält­nismäßige Be­schränkung des durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten In­ter­es­ses der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer an der Bei­be­hal­tung des gewähl­ten Ver­trags­part­ners dar.

Pri­va­ti­sie­rungs­ge­stal­tun­gen der vor­lie­gen­den Art un­ter­lie­gen ei­ner be­son­de-ren ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Kon­trol­le dar­auf­hin, ob der Ge­setz­ge­ber sei­ner Pflicht zum Schutz der Rech­te der Ar­beit­neh­mer bei der Wahl des Ar­beits­plat­zes ge­recht ge­wor­den ist. Denn das Land tritt in ei­nem Pri­va­ti­sie­rungs­pro­zess in ei­ner Dop­pel­rol­le auf, nämlich so­wohl als (bis­he­ri­ger) Ar­beit­ge­ber wie als Ge­setz­ge­ber, der sich selbst un­mit­tel­bar durch Ge­setz aus der Ar­beit­ge­ber­stel­lung löst und sich da­mit sei­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten ent­zieht. Da­mit eröff­net sich das Land recht­li­che Möglich­kei­ten, die sons­ti­gen Ar­beit­ge­bern nicht zur Verfügung ste­hen. Ge­ra­de die Rechts­fol­ge, die all­ge­mein dem Ar­beit­ge­ber vom Ge­setz­ge­ber zu­ge­mu­tet wird, nämlich die Er­schwe­rung ei­nes Be­triebsüber­gangs durch ei­ne - ge­ge­be­nen­falls auch mas­sen­haf­te - Ausübung des Wi­der­spruchs­rechts, soll den staat­li­chen Ar­beit­ge­ber zur Er­leich­te­rung des Pri­va­ti­sie­rungs­pro­zes­ses le­gi­ti­mie­ren,

 

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sich oh­ne Einräum­ung ei­nes § 613a Abs. 6 BGB ent­spre­chen­den Wi­der­spruchs­rechts von Ar­beits­verträgen lösen zu können. Der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­de Grund­rechts­schutz der Ar­beit­neh­mer soll nach dem Wil­len des Lan­des­ge­setz­ge­bers da­mit ge­rin­ger sein, wenn sie beim Land beschäftigt sind und das Land ih­re Ar­beits­verhält­nis­se auf ei­nen Drit­ten über­lei­ten will. Für die­se Pri­vi­le­gie­rung des Lan­des in sei­ner Dop­pel­rol­le als Ar­beit­ge­ber und Ge­setz­ge­ber reicht das le­gi­ti­me Ziel der Pri­va­ti­sie­rung nicht aus.

Hin­zu kommt, dass mit dem Ver­lust ei­nes öffent­lich­recht­li­chen Ar­beit­ge­bers, stärker als beim Wech­sel von ei­nem pri­va­ten Ar­beit­ge­ber zu ei­nem an­de­ren, die vom Ar­beit­neh­mer gewähl­te Be­rufs­wah­l­ent­schei­dung berührt wird, da die­ser Ent­schei­dung die Abwägung der ty­pi­schen Vor- und Nach­tei­le der Beschäfti­gung in ei­nem öffent­lich­recht­lich ge­prägten Ar­beits­verhält­nis zu­grun­de liegt.

Im Hin­blick auf sei­ne durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Ent­schei­dungs­frei­heit kann der ge­setz­li­che Ein­griff in die Frei­heit der Wahl, sei­nen Ver­trags­part­ner bei­zu­be­hal­ten, nicht da­mit ge­recht­fer­tigt wer­den, dass beim gewähl­ten Ver­trags­part­ner Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten weg­fal­len und der Ar­beit­neh­mer mögli­cher­wei­se mit ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung rech­nen müss­te. Grundsätz­lich gewähr­leis­tet Art. 12 Abs. 1 GG dem Ar­beit­neh­mer das Recht, sol­che Ri­si­ken selbst ab­zuwägen und über sie nach ei­ge­ner Einschätzung frei zu ent­schei­den. Ent­spre­chen­des gilt für die Fra­ge, wie nach­tei­lig der Ver­lust des bis­he­ri­gen, durch den frei gewähl­ten Ar­beit­ge­ber ge­kenn­zeich­ne­ten Ar­beits­plat­zes ge­genüber dem Ar­beits­platz bei dem neu­en Ar­beit­ge­ber ist. Die dies­bezügli­chen künf­ti­gen Ent­wick­lun­gen sind in­so­weit zu we­nig vor­her­seh­bar und die Ri­si­ken zu we­nig ver­gleich­bar, als dass es an­ge­mes­sen und zu­mut­bar wäre, dem Ar­beit­neh­mer die­se Ent­schei­dungs­frei­heit ab­zu­spre­chen und an sei­ner Stel­le ge­setz­lich zu ent­schei­den. Da die­se Ent­schei­dung dem Ar­beit­neh­mer über­las­sen bleibt und ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung sich im Ein­zel­fall recht­fer­ti­gen muss, über­schrei­tet ein un­mit­tel­ba­rer Aus­schluss des Rechts des Ar­beit­neh­mers, sich für die Bei­be­hal­tung des Lan­des als Ar­beit­ge­ber - mit al­len da­mit ver­bun­de­nen Ri­si­ken - zu ent­schei­den, den Maßstab des An­ge­mes­se­nen.

Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Pri­vat­au­to­no­mie des Ar­beit­neh­mers er­laubt Ge­setz­ge­ber und Ge­rich­ten vor­lie­gend nicht, kraft ver­meint­lich bes­se­rer Ein­sicht die Ent­schei­dung, wel­cher von meh­re­ren zur Aus­wahl ste­hen­den Ar­beit­ge­bern mehr Vor­tei­le bie­tet, an Stel­le des Ar­beit­neh­mers zu tref­fen. Auch den Be­stand der Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg GmbH si­chern­de Re­gu­la­ri­en,

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wie die in § 14 des Ge­sell­schafts­ver­trags für den Fall ei­ner In­sol­venz­ver­fah­ren­seröff­nung ge­re­gel­te Möglich­keit der Ein­zie­hung von Geschäfts­an­tei­len, genügen nicht, um die Nicht­einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts bei der Be­en­di­gung ar­beits­ver­trag­li­cher Bin­dun­gen des Lan­des noch für an­ge­mes­sen zu er­ach­ten. Zwar mögen sol­che Maßnah­men ge­eig­net er­schei­nen, den Be­stands­schutz der Ar­beits­verhält­nis­se nach ei­ner Über­lei­tung zu erhöhen und da­mit den mit dem Ein­tritt ei­nes neu­en Ar­beit­ge­bers in die Rech­te und Pflich­ten der Ar­beits­verträge ver­bun­de­nen Ein­griff in die Ver­trags­part­ner­wahl­frei­heit der Ar­beit­neh­mer ab­zu­mil­dern. Ein aus­rei­chen­des Ge­gen­ge­wicht zu dem eben­so durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­ten In­ter­es­se der Ar­beit­neh­mer am Er­halt des selbst gewähl­ten Ar­beit­ge­bers stellt dies je­doch nicht dar. Der­ar­ti­ge be­stands­er­hal­ten­de Vor­keh­run­gen al­lein sind schon an­ge­sichts der auf länge­re Sicht of­fe­nen Fol­gen ei­ner Pri­va­ti­sie­rung nicht hin­rei­chend, die weit­ge­hen­de Be­schränkung pri­vat­au­to­no­mer Ent­schei­dungsmöglich­kei­ten zu recht­fer­ti­gen.

Das Land war da­her nicht be­rech­tigt, sich selbst kraft Ge­set­zes sei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Bin­dun­gen zu ent­zie­hen und von der Not­wen­dig­keit zu ent­las­ten, die gewünsch­te Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­schwer­deführe­rin im Streit­fall im Ein­klang mit den all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz­vor­schrif­ten her­bei­zuführen.

II.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht ver­letzt. Aus ver­fas­sungs­recht­li­cher Sicht be­ste­hen kei­ne Be­den­ken da­ge­gen, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt von ei­nem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen an den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV ab­ge­se­hen hat.

1. Der Ge­richts­hof ist ge­setz­li­cher Rich­ter im Sin­ne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das na­tio­na­le Ge­richt ist un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des Art. 267 Abs. 3 AEUV von Amts we­gen ge­hal­ten, den Ge­richts­hof an­zu­ru­fen (vgl. BVerfGE 82, 159 <192 f.>; stRspr).

Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs muss ein na­tio­na­les letzt­in­stanz­li­ches Ge­richt sei­ner Vor­la­ge­pflicht nach­kom­men, wenn sich in ei­nem bei ihm schwe­ben­den Ver­fah­ren ei­ne Fra­ge des Ge­mein­schafts­rechts stellt, es sei denn, das Ge­richt hat fest­ge­stellt, „dass die ge­stell­te Fra­ge nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich ist, dass die be­tref­fen­de ge­mein­schafts­recht­li­che Be­stim­mung be­reits Ge­gen­stand

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ei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof war oder dass die rich­ti­ge An­wen­dung des Ge­mein­schafts­rechts der­art of­fen­kun­dig ist, dass für ei­nen vernünf­ti­gen Zwei­fel kei­ner­lei Raum bleibt“ (EuGH, Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 „C.I.L.F.I.T.“ -, Slg. 1982, S. 3415 Rn. 21). Die Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der eu­ro­pa­recht­li­chen Fra­ge für den Aus­gangs­rechts­streit hin­ge­gen be­ur­teilt al­lein das na­tio­na­le Ge­richt (vgl. BVerfGE 82, 159 <194>; EuGH, Ur­teil vom 6. Ok­to­ber 1982, a.a.O. Rn. 10; ders., Ur­teil vom 27. Ju­ni 1991 - C-348/89 „Me­can­ar­te“ -, Slg. 1991, S. I-3277 Rn. 47).

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt über­prüft al­ler­dings nur, ob die Aus­le­gung und An­wen­dung der Zuständig­keits­re­gel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständi­ger Würdi­gung der das Grund­ge­setz be­stim­men­den Ge­dan­ken nicht mehr verständ­lich er­scheint und of­fen­sicht­lich un­halt­bar ist (Willkürmaßstab; vgl. BVerfGE 82, 159 <194 f.>; BVerfG, Be­schluss des Zwei­ten Se­nats vom 6. Ju­li 2010 - 2 BvR 2661/06 -, NJW 2010, S. 3422 <3427>; BVerfG, Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 30. Au­gust 2010 - 1 BvR 1631/08 -, GRUR 2010, S. 999 <1000>; BVerfG, Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 10. No­vem­ber 2010 - 1 BvR 2065/10 -, ju­ris Rn. 23).

Die Vor­la­ge­pflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV wird ins­be­son­de­re in den Fällen of­fen­sicht­lich un­halt­bar ge­hand­habt, in de­nen ein letzt­in­stanz­li­ches Haupt­sa­che­ge­richt ei­ne Vor­la­ge trotz der - sei­ner Auf­fas­sung nach be­ste­hen­den - Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der uni­ons­recht­li­chen Fra­ge über­haupt nicht in Erwägung zieht, ob­wohl es selbst Zwei­fel hin­sicht­lich der rich­ti­gen Be­ant­wor­tung der Fra­ge hegt (grundsätz­li­che Ver­ken­nung der Vor­la­ge­pflicht), oder in de­nen das letzt­in­stanz­li­che Haupt­sa­che­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung be­wusst von der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­gen ab­weicht und gleich­wohl nicht oder nicht neu­er­lich vor­legt (be­wuss­tes Ab­wei­chen oh­ne Vor­la­ge­be­reit­schaft). Liegt zu ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fra­ge des Ge­mein­schafts­rechts ein­schlägi­ge Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs noch nicht vor oder hat ei­ne vor­lie­gen­de Recht­spre­chung die ent­schei­dungs­er­heb­li­che Fra­ge mögli­cher­wei­se noch nicht erschöpfend be­ant­wor­tet oder er­scheint ei­ne Fort­ent­wick­lung der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht nur als ent­fern­te Möglich­keit, so wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nur dann ver­letzt, wenn das letzt­in­stanz­li­che Haupt­sa­che­ge­richt den ihm in sol­chen Fällen not­wen­dig zu­kom­men­den Be­ur­tei­lungs­rah­men in un­ver­tret­ba­rer Wei­se über­schrit­ten hat (Un­vollständig­keit der Recht­spre­chung; vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>; BVerfG, Be­schluss des Zwei­ten Se­nats vom 6. Ju­li 2010 - 2 BvR 2661/06 -, NJW 2010, S. 3422 <3427>; Be-

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schluss der 3. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 25. Fe­bru­ar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, S. 1268 <1269>; Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 30. Au­gust 2010 - 1 BvR 1631/08 -, GRUR 2010, S. 999 <1000>; Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 10. No­vem­ber 2010 - 1 BvR 2065/10 -, ju­ris Rn. 23). Da­bei kommt es für die Prüfung ei­ner Ver­let­zung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in ers­ter Li­nie auf die Ver­tret­bar­keit der fach­ge­richt­li­chen Aus­le­gung des für den Streit­fall maßgeb­li­chen ma­te­ri­el­len Uni­ons­rechts an, son­dern auf die Ver­tret­bar­keit der Hand­ha­bung der Vor­la­ge­pflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. BVerfG, Be­schluss der 3. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 25. Fe­bru­ar 2010, a.a.O.; Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 30. Au­gust 2010, a.a.O.; Be­schluss der 2. Kam­mer des Ers­ten Se­nats vom 10. No­vem­ber 2010, a.a.O.).

Dies ent­spricht dem Be­schluss des Zwei­ten Se­nats vom 6. Ju­li 2010 (a.a.O.). Auch dort wird dar­auf ab­ge­stellt, dass das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt kei­ne Voll­kon­trol­le, son­dern nur ei­ne Ver­tret­bar­keits­kon­trol­le hin­sicht­lich der Vor­la­ge­pflicht am Willkürmaßstab durchführt, mit der die Be­ach­tung des ge­setz­li­chen Rich­ters gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und da­mit die Be­ach­tung der Vor­aus­set­zun­gen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ge­prüft wird, des­sen Aus­le­gung sei­ner­seits dem Ge-richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on un­ter­liegt (vgl. BVerfGE 73, 339 <368>; 82, 159 <193 f.>; 123, 267 <397 f.>).

2. Nach die­sen Maßstäben ist Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ver­letzt.

a) So­weit die Be­schwer­deführe­rin die Fra­ge nach dem Be­ste­hen ei­ner ge-mein­schafts­recht­li­chen Ver­pflich­tung zur Be­gründung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts im Sin­ne des § 613a Abs. 6 BGB auf­wirft, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Vor­la-ge­pflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht grundsätz­lich ver­kannt.

aa) Es hat­te be­reits kei­ne Zwei­fel an der rich­ti­gen Be­ant­wor­tung der Fra­ge nach der Be­deu­tung der eu­ro­pa­recht­li­chen Vor­ga­ben in der Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie 2001/23/EG für die Her­lei­tung ei­nes Wi­der­spruchs­rechts. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt ist auch nicht be­wusst von der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ab­ge­wi­chen, son­dern hat sich im Ge­gen­teil mit des­sen Recht­spre­chung zum Wi­der­spruchs­recht im Ein­klang ge­se­hen und sei­ne Ent­schei­dung maßgeb­lich auf Schluss­fol­ge­run­gen aus dem Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1992 (C-132/91, C-138/91, C-139/91, Slg. 1992, S. I-6577) gestützt.

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bb) Sch­ließlich hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt sei­nen Spiel­raum bei der Be­ur­tei­lung, ob ei­ne Vor­la­ge an den Ge­richts­hof we­gen ei­ner Un­vollständig­keit des­sen Recht­spre­chung ge­bo­ten ist, nicht über­schrit­ten.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt konn­te im Er­geb­nis ver­tret­bar da­von aus­ge­hen, dass die Fra­ge des Wi­der­spruchs­rechts der Ar­beit­neh­mer bei ei­nem Be­triebsüber­gang durch den Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den ist be­zie­hungs­wei­se die rich­ti­ge Ant­wort trotz ver­blei­ben­der Lücken in der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs of­fen­kun­dig ist. Es hat ver­fas­sungs­recht­lich un­be­denk­lich an­ge­nom­men, dass ein Wi­der­spruchs­recht, wie es in § 613a Abs. 6 BGB nor­miert ist, nicht auf eu­ro­pa­recht­li­che Grund­la­gen zurück­geführt wer­den kann. In­so­fern hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs aus­ge­wer­tet und das Er­geb­nis in ver­tret­ba­rer Wei­se für so ein­deu­tig ge­hal­ten, dass ei­ne Vor­la­ge nach Art. 267 Abs. 3 AEUV un­ter­blei­ben konn­te.

Die Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie 2001/23/EG selbst enthält eben­so wie ih­re frühe­ren Fas­sun­gen kei­ne Vor­schrift zum Wi­der­spruchs­recht. Auch der Ge­richts­hof hat un­mit­tel­bar aus der Richt­li­nie kein Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer ab­ge­lei­tet. In den Ur­tei­len, in de­nen er sich mit Fra­gen zum Wi­der­spruchs­recht aus­ein­an­der­ge­setzt hat (Ur­teil vom 16. De­zem­ber 1992 - C-132/91, C-138/91 und C¬139/91 -, Slg. 1992, S. I-6577; Ur­teil vom 7. März 1996 - C-171/94 und C-172/94 -, Slg. 1996, S. I-1253; Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2002 - C-51/00 -, Slg. 2002, S. I-969), wird viel­mehr be­tont, dass die in Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG an­ge­ord­ne­te Rechts­fol­ge des Be­triebsüber­gangs, das heißt der Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses auf den Be­triebs­er­wer­ber, zwin­gend ist. Der Ge­richts­hof hat es aus­drück­lich ab­ge­lehnt, den Zweck der Richt­li­nie auch dar­in zu se­hen, dass die Ar­beit­neh­mer, die ih­re Tätig­keit nicht für den Be­triebs­er­wer­ber ausüben wol­len, das Ar­beits­verhält­nis mit dem Veräußerer fort­set­zen können.

Zwar scheint nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ei­ne eu­ro­pa­recht­li­che Her­lei­tung des Wi­der­spruchs­rechts durch­aus in Be­tracht zu kom­men. So heißt es in den Ur­tei­len vom 16. De­zem­ber 1992 (C-132/91, C-138/91 und C-139/91, Slg. 1992, S. I-6577) und 7. März 1996 (C-171/94 und C-172/94, Slg. 1996, S. I-1253), es würde ge­gen Grund­rech­te des von ei­nem Be­triebsüber­gang be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ver­s­toßen, ihn zu ver­pflich­ten, das Ar­beits­verhält­nis ge­gen sei­nen Wil­len mit dem Er­wer­ber fort­zu­set­zen. Des­halb könne ihm durch die Richt­li­nie 2001/23/EG nicht ver­wehrt wer­den, dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses zu wi­der­spre­chen. Durch die Grund­rech­te des Ar­beit­neh­mers scheint al­so

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die ei­gent­lich zwin­gen­de Wir­kung der Richt­li­nie 2001/23/EG, be­zo­gen auf die ihn be­tref­fen­den Rechts­fol­gen, be­sei­tigt zu wer­den. Die­se The­se wird im Ur­teil vom 24. Ja­nu­ar 2002 (C-51/00, Slg. 2002, S. I-969) da­hin­ge­hend zu­sam­men­ge­fasst, dass dem Ar­beit­neh­mer „die Be­fug­nis zu­er­kannt“ wer­de, dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses zu wi­der­spre­chen. Näher be­gründet wird dies nicht. Es wird nicht ein­mal aus­geführt, wel­che eu­ropäischen Grund­rech­te ge­meint sind und ob be­zie­hungs­wei­se in­wie­weit die­se The­se das Er­geb­nis ei­ner Abwägung wi­der­strei­ten­der Grund­rechts­po­si­tio­nen von Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer ist.

Un­ge­ach­tet die­ser Un­klar­hei­ten kann aus den Ent­schei­dun­gen des Ge­richts­hofs je­den­falls nicht ge­fol­gert wer­den, in die Richt­li­nie 2001/23/EG müsse un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­mein­schafts­grund­rech­te doch ein der Re­ge­lung des § 613a Abs. 6 BGB ent­spre­chen­des Wi­der­spruchs­recht der Ar­beit­neh­mer hin­ein­ge­le­sen wer­den. Die Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts, für das Wi­der­spruchs­recht nach § 613a Abs. 6 BGB feh­le es an ei­ner eu­ro­pa­recht­li­chen Grund­la­ge, wird durch die Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs nicht in Fra­ge ge­stellt. Die Be­deu­tung des vom Ge­richts­hof zwar nicht aus der Richt­li­nie, aber aus den Grund­rech­ten der Ar­beit­neh­mer ab­ge­lei­te­ten Wi­der­spruchs­rechts ent­spricht nicht dem vom deut­schen Ge­setz­ge­ber in § 613a Abs. 6 BGB ge­re­gel­ten Recht. Die Ausübung die­ses Rechts be­wirkt, dass das Ar­beits­verhält­nis ent­ge­gen der in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an­ge­ord­ne­ten Rechts­fol­ge beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber, dem Be­triebs­veräußerer, ver­bleibt. Die­ses Kla­ge­ziel hat auch die Be­schwer­deführe­rin ver­folgt, in­dem sie die Fest­stel­lung be­an­tragt hat, dass ihr Ar­beits­verhält­nis mit dem Land fort­be­steht. Ein sol­ches Recht, ab­wei­chend von Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 der Richt­li­nie 2001/23/EG den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Be­triebs­veräußerer her­beiführen zu können, hat der Ge­richts­hof aber ge­ra­de nicht pos­tu­liert. Den Grund­rech­ten der Ar­beit­neh­mer ist aus sei­ner Sicht viel­mehr nur ge­schul­det, dass sie sich ge­gen die ei­gent­lich durch den Be­triebsüber­gang be­wirk­te Be­gründung ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Be­zie­hung mit dem Be­triebs­er­wer­ber ent­schei­den können. Den Ar­beit­neh­mern darf nicht ge­gen ih­ren Wil­len ein Ar­beits­verhält­nis mit dem Be­triebs­er­wer­ber auf­ge­zwun­gen wer­den. Die Fol­ge ih­rer - ge­mein­schafts­recht­lich zu­zu­las­sen­den - Ent­schei­dung, nicht für den Be­triebs­er­wer­ber ar­bei­ten zu wol­len, muss nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs aber nicht der Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber sein. Von dies­bezügli­chen Vor­ga­ben an die Mit­glied­staa­ten wur­de aus­drück­lich ab­ge­se­hen. Wenn der Ge­richts­hof den Be­griff des Wi­der­spruchs­rechts ver­wen­det, dann nur im Sin­ne ei­nes Ab­wehr­rechts ge­gen den Zwang zur Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung für den Be­triebs­er­wer­ber und an­ders als bei § 613a Abs. 6 BGB nicht


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im Sin­ne ei­nes An­spruchs auf Bei­be­hal­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Be­triebs­veräußerer.

b) Auf die­ser Grund­la­ge ist von Ver­fas­sungs we­gen auch nicht zu be­an­stan­den, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Fra­ge der An­wend­bar­keit der Richt­li­nie 2001/23/EG auf ei­nen ge­setz­li­chen Über­gang von Ar­beits­verhält­nis­sen dem Ge­richts­hof nicht zur Ent­schei­dung vor­ge­legt hat. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat da­bei die aus­wei­ten­de Aus­le­gung des An­wen­dungs­be­reichs der Be­triebsüber­g­angs­richt­li­nie durch den Ge­richts­hof (vgl. Ur­teil vom 14. Sep­tem­ber 2000 - C-343/98 -, Slg. 2000, S. I-6659) nicht über­se­hen. Es konn­te die­se Fra­ge je­doch of­fen las­sen und als nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an­se­hen, da es un­abhängig vom An­wen¬dungs­be­reich der Richt­li­nie ein eu­ro­pa­recht­lich fun­dier­tes Wi­der­spruchs­recht im Sin­ne des § 613a Abs. 6 BGB ver­neint hat. Da die Vor­la­ge­pflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV aber ei­ne Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit der auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge er­for­dert, schei­det ei­ne Ver­let­zung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aus.

C.

Aus der Un­ver­ein­bar­keit der an­ge­grif­fe­nen Re­ge­lung des § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 UKG mit dem Grund­ge­setz folgt nicht die Nich­tig­keit der Norm, weil sonst dem ge­setz­ge­be­ri­schen Kon­zept der Über­lei­tung der Ar­beits­verhält­nis­se in Vor­be­rei­tung der Pri­va­ti­sie­rung rück­wir­kend die Grund­la­ge ent­zo­gen würde. Die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Über­lei­tungs­vor­schrift liegt auch nicht in dem ge­setz­lich an­ge­ord­ne­ten Ein­tritt des Uni­ver­sitätskli­ni­kums in die Rech­te und Pflich­ten der be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se be­gründet. Sie folgt aus der feh­len­den, aber not­wen­dig ge­setz­lich zu ver­an­kern­den Möglich­keit für die von der Über­lei­tung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer, den Fort­be­stand ih­rer ar­beits­ver­trag­li­chen Bin­dun­gen zum Land gel­tend ma­chen zu können. Zur Si­cher­stel­lung die­ses An­spruchs und Um­set­zung der ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Vor­ga­ben ste­hen dem Lan­des­ge­setz­ge­ber ver­schie­de­ne Re­ge­lungs­al­ter­na­ti­ven, wie et­wa die Einräum­ung ei­nes Wi­der­spruchs- oder ei­nes Rück­kehr­rechts für die im Diens­te der Uni­ver­sitätskli­ni­kum Gießen und Mar­burg GmbH ste­hen­den Ar­beit­neh­mer, zur Verfügung.


Die an­ge­grif­fe­nen Ur­tei­le des Lan­des­ar­beits­ge­richts und des Bun­des­ar­beits­ge­richts sind auf­zu­he­ben, da sie auf der mit dem Grund­ge­setz un­ver­ein­ba­ren in­kom­plet­ten Re­ge­lung be­ru­hen. Die Be­schwer­deführe­rin erhält so Ge­le­gen­heit, ihr An­lie­gen im Aus­gangs­ver­fah­ren oh­ne Kos­ten­nach­teil wei­ter zu ver­fol­gen (vgl. BVerfGE 91, 186 <207>). Die Sa­che ist da­bei an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu-


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rück­zu­ver­wei­sen. Ei­ne Zurück­ver­wei­sung le­dig­lich in die Re­vi­si­ons­in­stanz ist nicht an­ge­zeigt, da nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann, dass ei­ne Prüfung der Be­gründet­heit des Fest­stel­lungs­be­geh­rens der Be­schwer­deführe­rin nach ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung nicht aus­sch­ließlich recht­li­che Erwägun­gen, son­dern auch tatsächli­che Fest­stel­lun­gen not­wen­dig macht.


D.

Die Ent­schei­dung über die Er­stat­tung der not­wen­di­gen Aus­la­gen be­ruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Kirch­hof

Hoh­mann-Denn­hardt

Bry­de

Gai­er

Eich­ber­ger

Schlu­cke­bier

Ma­sing

Pau­lus

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