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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/018

Beim Kün­di­gungs­schutz zäh­len Leih­ar­beit­neh­mer mit

Leih­ar­beit­neh­mer zäh­len bei der An­wend­bar­keit des Kün­di­gungs­schutz­ge­set­zes mit, wenn sie re­gel­mä­ßig ein­ge­setzt wer­den: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 24.01.2013, 2 AZR 140/12
Kündigung Wall-Street-Karton mit Frau Im Klein­be­trieb gilt das KSchG nicht, aber was ist ein "Klein­be­trieb"?

25.01.2013. Auf das Kün­di­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) kön­nen sich ge­kün­dig­te Ar­beit­neh­mer nur be­ru­fen, wenn sie län­ger als sechs Mo­na­te in ei­nem Be­trieb be­schäf­tigt sind, der kein Klein­be­trieb ist.

Und Klein­be­trie­be wie­der­um sind sol­che Be­trie­be, in de­nen in der Re­gel nur zehn oder noch we­ni­ger Ar­beit­neh­mer be­schäf­tigt sind, wo­bei die Aus­zu­bil­den­den nicht zäh­len (§ 23 Abs.1 Satz 3 KSchG).

Nach bis­he­ri­ger Recht­spre­chung zähl­ten hier Leih­ar­beit­neh­mer nicht mit, d.h. der Ein­satz von Leih­ar­beit­neh­mern führ­te nicht da­zu, dass ein Ar­beit­ge­ber bei Kün­di­gun­gen den all­ge­mei­nen Kün­di­gungs­schutz nach dem Kün­di­gungschutz­ge­setz zu be­ach­ten hat­te.

Die­se Recht­spre­chung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) mit ei­ner Grund­satz­ent­schei­dung vom gest­ri­gen Ta­ge zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer­sei­te auf­ge­weicht: BAG, Ur­teil vom 24.01.2013, 2 AZR 140/12.

Zählen Leih­ar­beit­neh­mer der Fra­ge mit, ob ein Be­trieb ein Klein­be­trieb im Sin­ne des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (KSchG) ist?

Wer sich bei ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung auf das KSchG be­ru­fen kann, hat es gut, denn dann muss der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt be­wei­sen, dass sei­ne Kündi­gung sach­lich ge­recht­fer­tigt war. Das wie­der­um setzt vor­aus, dass die Kündi­gung durch Gründe in der Per­son des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers oder in sei­nem Ver­hal­ten ge­recht­fer­tigt ist oder dass die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner so­zi­al ge­recht­fer­tig­ten be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung vor­lie­gen.

Die­se recht­li­chen An­for­de­run­gen vor Ge­richt im Fal­le ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge durch­zu­buch­sta­bie­ren ist kei­ne leich­te Auf­ga­be. Sie fällt vor al­lem klei­ne­ren Ar­beit­ge­bern schwer, die da­her ge­ne­rell gemäß § 23 Abs.1 Satz 3 KSchG von der An­wen­dung des KSchG aus­ge­nom­men sind. Vor die­sem Hin­ter­grund wird bei Kündi­gungs­schutz­pro­zes­sen oft um die Klein­be­triebs­klau­sel ge­strit­ten, d.h. um die An­zahl der Ar­beit­neh­mer, die in dem Be­trieb des Ar­beit­neh­mers beschäftigt sind.

Hier sag­te die bis­her "gel­ten­de" Recht­spre­chung, dass Leih­ar­beit­neh­mer nicht mitzählen. Wenn da­her Ar­beit­neh­mer Leih­ar­beit­neh­mer ein­setz­ten und aus die­sem Grund die Ge­samt­zahl ih­rer Ar­beit­neh­mer über zehn lag, führ­te das bis­her nicht da­zu, dass sie bei Kündi­gun­gen den Kündi­gungs­schutz nach dem KSchG be­ach­ten muss­ten.

An­de­rer­seits kann der sys­te­ma­ti­sche Ein­satz von Leih­ar­beit da­zu führen, dass der Kündi­gungs­schutz auch in ziem­lich großen Be­trie­ben aus­ge­he­belt wird, so dass man sich fra­gen kann, ob die­se Recht­spre­chung rich­tig ist.

Der Streit­fall: Ar­beit­ge­ber mit zehn ei­ge­nen Ar­beit­neh­mern und ei­ni­gen Leih­ar­beit­neh­mern kündigt ei­nem Stamm-Ar­beit­neh­mer or­dent­lich

Im Streit­fall ging es um ei­nen Ar­beit­neh­mer, der seit Ju­li 2007 bei dem be­klag­ten Ar­beit­ge­ber beschäftigt war. Der Ar­beit­ge­ber beschäftig­te ein­sch­ließlich des Klägers nur zehn ei­ge­ne Ar­beit­neh­mer, da­ne­ben al­ler­dings auch Leih­ar­beit­neh­mer.

Im No­vem­ber 2009 kündig­te der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis frist­ge­recht. Der Ar­beit­neh­mer er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge und be­rief sich dar­auf, dass bei der An­zahl der im Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer auch die ein­ge­setz­ten Leih­ar­beit­neh­mer zu berück­sich­ti­gen sei­en.

Das mit dem Fall be­fass­te Ar­beits­ge­richt Nürn­berg (Ur­teil vom 24.08.2010, 14 Ca 9688/09) und auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) wie­sen die Kla­ge ab, weil sie auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung da­von aus­gin­gen, dass das KSchG kei­ne An­wen­dung fin­de (LAG Nürn­berg, Ur­teil vom 27.07.2011,4 Sa 713/10).

BAG: Leih­ar­beit­neh­mer zählen bei der An­wend­bar­keit des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes mit, wenn ihr Ein­satz auf ei­nem „in der Re­gel“ vor­han­de­nen Per­so­nal­be­darf be­ruht

An­ders als die Vor­in­stan­zen war das BAG der An­sicht, dass das KSchG hier mögli­cher­wei­se doch an­zu­wen­den ist. Vor­aus­set­zung dafür ist laut BAG, dass der Ein­satz der Leih­ar­beit­neh­mer auf ei­nem "in der Re­gel" vor­han­de­nen Per­so­nal­be­darf be­ruht. Ob das im Streit­fall so war oder nicht, konn­te das BAG auf der Grund­la­ge des LAG-Ur­teils nicht fest­stel­len, wes­halb es das LAG-Ur­teil auf­hob und die Sa­che zur wei­te­ren Aufklärung des Sach­ver­halts an das LAG zurück­ver­wies.

Zur Be­gründung heißt es, es sei kein ent­schei­den­des Ar­gu­ment, dass Leih­ar­beit­neh­mer kein Ar­beits­verhält­nis zum Be­triebs­in­ha­ber ha­ben. Viel­mehr will das Ge­setz, so das BAG, Klein­be­trie­be nur des­halb aus dem An­wen­dungs­be­reich des KSchG her­aus­neh­men, weil Ar­beit­ge­ber dort meist eng und persönlich mit den Ar­beit­neh­mern zu­sam­men­ar­bei­ten, weil die Fi­nanz­aus­stat­tung des Be­triebs ge­ring ist und weil der mit Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren ver­bun­de­ne Ver­wal­tungs­auf­wand die In­ha­ber klei­ne­rer Be­trie­be zu stark be­las­tet.

Die­se Gründe für die Klein­be­triebs­klau­sel recht­fer­ti­gen nach An­sicht des BAG kei­ne Un­ter­schei­dung da­nach, ob die re­gelmäßige Per­so­nalstärke des Be­triebs auf dem Ein­satz ei­ge­ner oder dem ent­lie­he­ner Ar­beit­neh­mer be­ruht.

Fa­zit: Setzt der Ar­beit­ge­ber Leih­ar­beit­neh­mer ständig ein, um ei­nen dau­er­haf­ten Per­so­nal­be­darf zu be­frie­di­gen, ist er künf­tig an das KSchG ge­bun­den, wenn ei­ge­ne Ar­beit­neh­mer und Leih­ar­beit­neh­mer zu­sam­men mehr als zehn Ar­beit­neh­mer aus­ma­chen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­licht. Das vollständig be­gründe­te Ur­teil fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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